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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: 1 U 5775/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 847 a.F. |
2. Zur Plausibilität eines ernsthaften Entscheidungskonflikts des Patienten bei massivem Leidensdruck und erheblichen Nachteilen und Risiken der Behandlungsalternativen
Aktenzeichen: 1 U 5775/05
Verkündet am 03.08.2006
In dem Rechtsstreit
wegen Schmerzensgeld
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Vavra, den Richter am Oberlandesgericht Schneider und die Richterin am Oberlandesgericht Willner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6.7.2006 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts P. vom 17.11.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einer im Jahr 1995 durchgeführten Darmoperation. Er macht geltend, die Operation sei medizinisch nicht indiziert gewesen, außerdem sei er vor dem Eingriff nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.
Der Kläger leidet seit 1979/1980 an einer colitis ulcerosa (Entzündung des Dickdarms). Ab 1990 war er im Klinikum P. beim Beklagten zu 1, dem damaligen Leiter der Abteilung Innere Medizin, in Behandlung. Trotz der Einnahme cortisonhaltiger Medikamente kam es wiederholt zu Krankheitsschüben, die u.a. erhebliche Schmerzen sowie schleimig-blutige Durchfälle verursachten. Durch die langjährige Gabe von Cortison hatte der Kläger zudem eine Stereoidabhängigkeit und als Folgeerkrankung einen Stereoidkatarakt (Grauen Star) entwickelt. Am 24.11.1994 wurde im Klinikum P. eine Coloskopie beim Kläger durchgeführt, bei der im Darm eine ausgeprägte entzündliche Schleimhautveränderung mit Geschwüren und Pseudopolypenbildung festgestellt wurde. Nach der Untersuchung wies der Beklagte zu 1 den Kläger darauf hin, dass maligne Veränderungen endoskopisch nicht auszuschließen seien. Da der Beklagte zu 1 aufgrund des langjährigen Verlaufs eine Sanierung der Erkrankung durch eine die Kontinenz erhaltende totale Kolektomie für diskussionswürdig hielt, empfahl er dem Kläger eine Besprechung mit einem Arzt der Chirurgischen Abteilung. Am 3.4.1995 begab sich der Kläger in die zum damaligen Zeitpunkt vom Beklagten zu 2 geleitete Chirurgische Abteilung des Klinikums P., in der am 4.4.1995 eine Enddarmspiegelung (Rektoskopie) durchgeführt wurde. Hierbei zeigte sich, dass nur ein Teil des Darmes von der Krankheit befallen war. 12 cm des Mastdarmes sowie das rechte Kolon waren entzündungsfrei. Am 6.4.1995 unterzeichnete der Kläger ein Aufklärungsformular, in dem Risiken der geplanten Operation genannt waren. Am 7.4.1995 operierte der Beklagte zu 3 den Kläger und entfernte den von der colitis ulcerosa betroffenen Darmabschnitt (Hemicolectomie links mit Transversorektostomie). Der Eingriff verlief komplikationsfrei. Die histologische Untersuchung des entfernten Gewebes ergab keinen Anhalt für eine Krebserkrankung. Im Juni 1995 zeigten sich am verbliebenen Teil des Darmes wieder die Symptome einer colitis ulcerosa. Der Kläger ist mittlerweile in England in Behandlung und benötigt keine cortisonhaltigen Medikamente mehr.
Der Kläger hat in 1. Instanz vorgetragen, die Operation sei nicht indiziert gewesen, da weder ein Verdacht auf eine Krebserkrankung des befallenen Darmabschnitts bestanden habe, noch sonstige Komplikationen eine Operation erforderlich gemacht hätten. Die Krankheit sei medikamentös beherrschbar gewesen. Entweder hätte man von der Operation absehen und ihn weiter konservativ behandeln müssen. Oder man hätte den gesamten Darm entfernen müssen, um einer Entzündung des noch nicht befallenen Teils vorzubeugen. Gerade die Teilentfernung des Darmes habe dazu geführt, dass anschließend der gesunde Darmabschnitt erkrankt sei, weswegen der Kläger nunmehr mit einem stark erhöhten Krebsrisiko leben müsse. Zudem sei er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Sowohl der Beklagte zu 1 als auch der Beklagte zu 2 hätten ihm zur Operation geraten, ohne ihn darüber zu informieren, dass sich bei einer Teilentfernung die Gefahr eines Befalls des verbleibenden Darmabschnitts erhöhe. Keiner der Beklagten hätte ihn außerdem über mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt. Den Beklagten zu 3 kenne er nicht, von ihm habe er auch keine Aufklärung erhalten. Der Kläger habe der Operation in der Vorstellung zugestimmt, dass er danach geheilt sei, nicht um ein etwaiges Krebsrisiko auszuschließen. Nun gehe es ihm schlechter als vor der Operation. Angesichts des gestiegenen Krebsrisikos und der Folgen für sein berufliches und soziales Leben sei ein Schmerzensgeld von mindestens 255.645 Euro angemessen.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 255.645,94 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz vom 9.6.1998 hieraus ab Zustellung der Klage als Gesamtschuldner zu bezahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Die Beklagten haben vorgetragen, die Operation sei medizinisch sinnvoll und richtig gewesen. Anlass für die Operation sei gewesen, dass die Dauermedikation mit Cortisonpräparaten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen geführt habe; zudem habe aufgrund der langjährigen Erkrankung die Gefahr einer Krebserkrankung bestanden. Der Beklagte zu 1, der als Internist keine Operationsentscheidung treffen könne, habe den Kläger an die chirurgische Abteilung verwiesen. Dort habe ihm der Beklagte zu 2 im Dezember 1994 alle Aspekte einer Behandlung, insbesondere die Art des Eingriffs sowie alternative Möglichkeiten und Risiken dargelegt. Der Beklagte zu 3) habe schließlich die konkrete Operationsindikation gestellt. Er habe den Kläger nach Durchführung der Enddarmspiegelung anhand von Zeichnungen über die Chancen und Risiken des Eingriffs aufgeklärt und insbesondere auch verschiedene Vorgehensweisen dargelegt, bis hin zu der totalen Entfernung des Darms mit der Folge eines künstlichen Darmausgangs. Der Kläger habe andere Varianten ausdrücklich abgelehnt und eine Teilentfernung gewünscht. Durch die Entfernung des erkrankten Darmabschnitts ginge es dem Kläger wesentlich besser, insbesondere könne die Erkrankung nunmehr ohne Cortisonpräparate medikamentös unter Kontrolle gehalten werden. Hätte man die OP nicht oder umfassender durchgeführt, hätte der Kläger heute wesentlich schwerwiegendere gesundheitliche Probleme.
Das Landgericht hat die Klage nach Erholung eines schriftlichen Gutachtens vom 26.7.2004 (Bl. 94/123 d. A.) und eines Ergänzungsgutachtens vom 31.3.2005 (Bl. 148/156 d. A.) des Viszeralchirurgen Prof. Dr. D. sowie nach mündlicher Anhörung des Klägers, des Beklagten zu 1 und des Sachverständigen (Bl. 172/182 d. A.) mit Endurteil vom 17.11.2005 abgewiesen. Das Landgericht sah den Nachweis für ein fehlerhaftes Handeln der Beklagten nicht als erbracht an und ging im Übrigen von einer ordnungsgemäßen Aufklärung aus. Ergänzend wird hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe auf das Urteil Bezug genommen.
Im Wege der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Er macht geltend, die Kammer hätte noch einen Gastroenterologen als Sachverständigen beiziehen müssen und sich nicht mit einem Chirurgen als Gutachter zufrieden geben dürfen. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. seien zudem widersprüchlich. Hierauf hätte die Kammer die Klageabweisung nicht stützen dürfen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2 sei außerdem ein Organisationsverschulden zu diskutieren. Zudem habe die Kammer rechtsfehlerhaft aufgrund einer Zeichnung auf dem Rektoskopie-Protokoll vom 4.4.1995 angenommen, dass die Beklagten den Nachweis für die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufklärungspflichten erbracht hätten. Tatsächlich sei der Kläger nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, insbesondere habe ihm der Beklagte zu 3 nicht anhand der Zeichnung verschiedene Operationsvarianten einschließlich der Möglichkeit der Totalentfernung des Dickdarms erläutert. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger weiterhin an colitis ulcerosa leide, Schmerzen habe und seine Tätigkeit als Gastwirt habe aufgeben müssen, könne nicht von einer erfolgreichen Operation die Rede sein. Im Übrigen nimmt der Kläger Bezug auf sein Vorbringen in 1. Instanz.
Er beantragt,
1. Das Urteil des Landgerichts P. vom 17.11.2005 wird aufgehoben
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 255.645,94 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz vom 9.6.1998 hieraus ab Zustellung der Klage als Gesamtschuldner zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Berufung.
Sie tragen vor, zu Recht habe das Landgericht kein weiteres Gutachten erholt und mit dem Sachverständigen Prof. Dr. D. eine Operationsindikation bejaht. Nachgewiesenermaßen sei der Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Angesichts seines zufriedenstellenden Gesundheitszustandes nach der Operation könne der Kläger auch vernünftigerweise nicht erklären, weshalb er die mit erheblichen Risiken behaftete Totalentfernung des Dickdarms mit der Folge eines künstlichen Ausgangs bzw. eines Pouchs mit der keineswegs entfernten Möglichkeit der Entzündung und schließlich ebenfalls eines künstlichen Darmausgangs der jetzigen Lösung vorgezogen hätte.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze des Klägers vom 22.02.2006 (Bl. 219/227 d. A.) und vom 05.07.2006 (Bl. 252/255 d. A.), sowie der Beklagten vom 20.06.2006 (Bl. 236/249 d. A.).
Im Termin vom 06.07.2006 hat der Senat den Kläger und die Beklagten persönlich informatorisch angehört (Bl. 256/266 d. A.).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Schmerzensgeldanspruch nach den §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 a. F. BGB zu. Die Durchführung der Operation war medizinisch indiziert. Der Kläger wurde vorab über verschiedene Behandlungsalternativen aufgeklärt. Soweit verabsäumt wurde, ihm in der erforderlichen Deutlichkeit die Erfolgschancen der Operation darzulegen, konnte der Senat beim Kläger keinen ernsthaften Entscheidungskonflikt feststellen.
1. Mit dem Landgericht ist der Senat aufgrund der sachverständigen Stellungnahmen von Prof. Dr. D. davon überzeugt, dass aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für eine Darmoperation im April 1995 gegeben waren.
Der Sachverständige hat hierzu dargelegt, dass es bei einer colitis ulcerosa mehrere Indikationsgründe für die Durchführung einer Darmoperation gebe. In Betracht komme ein mit Medikamenten nicht beherrschbares Entzündungsgeschehen, das Vorliegen eines Malignoms oder aber das erhöhte Risiko für ein Malignom, und/oder nicht tolerable Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie verbunden mit sekundären Veränderungen. Zur Frage einer möglichen Krebserkrankung als Operationsindikator führte der Gutachter aus, dass ein konkreter Hinweis auf eine maligne Veränderung nicht nötig sei, ebenso wenig müsse sich ein Krebsverdacht durch die Operation bestätigen. Eine colitis ulcerosa verursache Entzündungen in der Darmschleimhaut, infolge dessen komme es zu erhöhten Zelluntergangs- und Zellregenerationsvorgängen und damit steige auch die Gefahr einer malignen Entartung. Je länger die Krankheit andauere und je intensiver sich das Entzündungsgeschehen darstelle, desto eher müsse man mit der Bildung von Dickdarm- und/oder Mastdarmkarzinomen rechnen, wobei das Krebsrisiko bei lang andauernder colitis ulcerosa früher höher eingeschätzt worden sei, als aktuell in neueren Studien.
Beim Kläger bejahte der Sachverständige Prof. Dr. D. eine eindeutige Indikation zur Operation und begründete dies vorrangig mit der Anamnese (schwere Schübe, wenn auch segmental begrenzt, länger anhaltende Stereoidbehandlung, Augenkatarakt). Als weiteren - wenn auch nicht allein ausschlaggebenden - Aspekt für eine Operation beurteilte der Sachverständige aus der Sicht des Jahres 1995 auch ein erhöhtes Krebsrisiko aufgrund einer Krankheitsdauer von 15 Jahren, bei der sich trotz fortlaufender Therapie deutlich histologische Veränderungen mit entzündlichen Infiltraten der Dickdarmschleimhaut gebildet hätten. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen schließt sich der Senat an. Die Krankheit des Klägers war demnach im Jahr 1994/1995 nicht mehr hinreichend medikamentös beherrschbar. So kam es immer wieder zu Krankheitsschüben mit erheblichen gesundheitlichen Beschwerden für den Kläger. Die weitere Gabe von Kortisonpräparaten begegnete angesichts einer beginnenden Stereoidabhängigkeit seitens des Klägers und eines durch die Medikamente hervorgerufenen grauen Stars aus medizinischer Sicht erheblichen Bedenken. Zudem entsprach die Beurteilung des Beklagten zu 1, wonach maligne Veränderungen angesichts der Dauer der Erkrankung und der festgestellten pseudopolypösen Veränderungen im Darm nicht auszuschließen waren, dem damaligen Stand der Wissenschaft. Aus medizinischer Sicht war damit die Empfehlung und Durchführung einer Darmoperation fachgerecht.
Weder das Vorbringen des Klägers noch der sonstige Inhalt der Akten gaben für den Senat Veranlassung, den Sachverständigen Prof. Dr. D. nochmals mündlich anzuhören oder ergänzend einen Gastroenterologen hinzuzuziehen.
Zweifel an der Sachkunde des in 1. Instanz vom Landgericht ausgewählten Sachverständigen bestehen nicht. Die zu beurteilende Behandlung, insbesondere die Frage, ob bei der Erkrankung des Klägers eine Darmoperation medizinisch angezeigt war oder nicht, fällt in das vom Gutachter vertretene Fachgebiet der Viszeralchirurgie. Gründe für die Einschaltung eines weiteren Sachverständigen, insbesondere eines Gastroenterologen, sind nicht gegeben, § 412 ZPO. Das erstinstanzliche Gericht hat den Sachverständigen Prof. Dr. D. umfassend zu Rate gezogen. Dieser hat seine schriftlichen Gutachten mündlich erläutert und auch zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen der Abstimmung mit einem Gastroenterologen Stellung genommen. Der Sachverständige Prof. Dr. D. war auch fachlich in der Lage, dies zu erläutern und hat hierzu dargelegt, dass der Chirurg zwar die vom Gastroenterologen festgestellte Krankheitsentwicklung, die Aussichten und Risiken einer weiteren konservativen Behandlung sowie dessen Therapievorschlag bei der Prüfung der Frage einer operativen Behandlung mit einbeziehe. Die Entscheidung zur Indikation zur Operation sowie zur Wahl des operativen Vorgehens treffe jedoch der Chirurg und nicht der Gastroenterologe. Versäumnisse des Chirurgen konnte der Sachverständige vorliegend nicht erkennen. Er sah insbesondere keine medizinische Veranlassung für den Chirurgen, noch weitere Erkundigungen oder Beratungen bei einem Gastroenterologen zu erholen, bevor er dem Kläger eine Operation vorschlägt und durchführt.
Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Dass dem Chirurgen vor der Stellung der Operationsindikation wesentliche Informationen über die in der Abteilung Innere Medizin vom Beklagten zu 1 durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen sowie die daran anknüpfende medizinische Beurteilung unbekannt geblieben wären, ist nicht ersichtlich. Auch ein vom Kläger in den Raum gestelltes Organisationsverschulden seitens des Beklagten zu 2 als Leiter der Chirurgischen Abteilung des Klinikums P. kann der Senat nicht erkennen.
Weiterhin ist im Hinblick auf die vom Sachverständigen Prof. Dr. D. nachvollziehbar und überzeugend dargelegte Aufgabenverteilung zwischen den Fachbereichen Chirurgie und Gastroenterologie die entscheidende Frage, nämlich ob eine medizinische Indikation für die durchgeführte Operation gegeben war, nicht von einem Gastroenterologen, sondern von einem Chirurgen zu beurteilen. Die vom Kläger beantragte Erholung eines gastroenterologischen Gutachtens war damit für die Überzeugungsbildung des Senats nicht erforderlich.
In den entscheidungserheblichen Punkten sind auch keine Widersprüche zwischen dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. D. und dem vorprozessual gegenüber der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Bayerischen Landesärztekammer erstatteten Gutachten von Prof. Dr. A. ersichtlich. Auch Prof. Dr. A. hat die Stellung einer Operationsindikation angesichts der therapierefraktären colitis ulcerosa und der durch die Stereoidbehandlung verursachten Nebenwirkungen für gerechtfertigt angesehen.
Ebenso wenig sind die gutachterlichen Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. in sich widersprüchlich. Soweit der Kläger zur Begründung von Widersprüchlichkeiten einzelne Passagen der Gutachten gegenüberstellt, ist in weiten Teilen bereits nicht ersichtlich, worin der Kläger unvereinbare Aussagen sieht. Teilweise ergeben sich (scheinbare) Widersprüche daraus, dass einzelne Sätze aus dem für das Verständnis notwendigen Gesamtzusammenhang genommen sind. Im Übrigen resultieren vom Kläger aufgezeigte Unterschiede in den Formulierungen zu einzelnen Fachfragen daraus, dass der Gutachter die fraglichen Aspekte (z.B. die Abstimmung zwischen Chirurg und Gastroenterologen) auf Nachfrage ausführlicher und detaillierter erläutert hat. 2. Aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Äußerungen von Prof. Dr. D. hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die beim Kläger gewählte Operation, nämlich die Entfernung des entzündeten Darmabschnitts medizinisch sachgerecht war.
Der Sachverständige hat diesbezüglich erläutert, dass beim Kläger aus chirurgischer Sicht zwei Möglichkeiten bestanden hätten, nämlich (wie durchgeführt) die Entfernung des entzündeten Darmteils oder eine komplette Entfernung des Dickdarms einschließlich des nicht von der colitis ulcerosa befallenen Abschnitts. Bei der letztgenannten Alternative hätte man dem Kläger entweder auf Dauer einen künstlichen Ausgang legen müssen oder versuchen können, über den Anschluss des Dünndarms direkt am Rektum einen sogenannten Pouch zu legen und damit einen künstlichen Ausgang zu vermeiden. Für die beim Kläger durchgeführte erweiterte linksseitige Hemikolektomie hätten die sehr geringen Mukosaveränderungen im Mastdarm sowie die fehlenden Entzündungszeichen im rechten Kolon gesprochen. Für den Kläger habe sich damit die Chance ergeben, Rektum und rechtsseitiges Kolon zu erhalten mit dem Vorteil eines Erhalts einer guten Kontinenzleistung, eines geringeren operativen Aufwands, geringerer Komplikationsrate und dem Ausschluss jeglicher Impotenzproblematik. Den Vorwurf des Klägers, durch die Teiloperation sei das Risiko des Befalls eines bislang beschwerdefreien Darmabschnitts gestiegen, hat der Sachverständige verneint. Unabhängig davon, ob vorher ein Teil des Darmes entfernt worden sei oder nicht, könne die colitis ulcerosa bislang gesunde Darmabschnitte befallen. Der Sachverständige wies allerdings auch darauf hin, dass bei einem erheblichen Prozentsatz der Patienten die Krankheit nach einer Entfernung eines befallenen Darmteils im verbleibenden Darm wieder auftrete mit der Folge notwendiger Nachbehandlungen bis hin zu Nachoperationen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Rektum doch noch entfernt werden müsse (mit der Folge eines künstlichen Ausgangs bzw. der Legung eines Pouchs), beurteilte der Sachverständige mit 20 bis 60 %. In etwa der Hälfte der Fälle könne mit der durchgeführten Operation dauerhaft das Rektum mit guter Funktion und Kontinenz erhalten werden und könnten im Ergebnis die mit dem weitergehenden operativen Eingriff verbundenen erheblichen Risiken bzw. Nachteile vermieden werden.
Ausgehend von diesen Ausführungen des Sachverständigen war damit die Entfernung lediglich des befallenen Darmabschnitts aus medizinischer Sicht nicht zu beanstanden. Der Beklagte zu 3 war unter den gegebenen Umständen nicht gehalten, den gesamten Dickdarm des Klägers zu entfernen. 3. Der Senat konnte aufgrund der Anhörung der Parteien auch die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger über verschiedene Behandlungsalternativen aufgeklärt war.
Zweifelsfrei kannte der Kläger die Möglichkeit, die Erkrankung wie bisher konservativ mit Medikamenten zu behandeln oder eine Darmoperation durchführen zu lassen. Unstreitig wurde im November 1994 die Frage, ob anstelle der Medikation eine Operation durchgeführt werden solle, vom Beklagten zu 1 aufgeworfen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass dem Kläger im Dezember 1994 vom Beklagten zu 2, dem Leiter der Chirurgischen Abteilung verschiedene Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden. Der Beklagte zu 2 schilderte bei seiner Anhörung glaubhaft, wie er dem Kläger zunächst auf Deutsch, dann auf Englisch erläutert habe, aus welchen Gründen eine Operation erforderlich sein könnte und welche verschiedenen Operationen in Betracht kämen. Zwar meinte der Beklagte zu 2, dass die Besprechung ein bis zwei Jahre vor der Operation stattgefunden habe. Mehrere Umstände sprechen jedoch dafür, dass sich der Beklagte zu 2 in diesem Punkt irrt und das Gespräch tatsächlich im Dezember 1994 stattgefunden hat. Zum einen stellte sich die Frage der Operation nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Krankenakten konkret erstmals Ende November 1994 und nicht ein oder mehrere Jahre zuvor. Nach Schilderung des Klägers fand das Gespräch, in dem ihm der der Beklagte zu 2 die Operation empfahl, im Dezember 1994 statt. Auch der Beklagte zu 3 erinnerte sich an einen Vermerk in seinen persönlichen Unterlagen, wonach der Beklagte zu 2 die Operation mit dem Kläger im Dezember 1994 besprochen habe.
Eine ausführliche, differenzierte und konkret auf seinen Gesundheitszustand bezogene Aufklärung über Operationsalternativen, insbesondere die Möglichkeit, entweder nur den befallenen Teil des Darmes entfernen zu lassen oder aber den gesamten Darm zu operieren mit den Varianten eines Pouchs oder eines dauerhaften künstlichen Ausgangs, erhielt der Kläger am 4.4.1995 durch den Beklagten zu 3. Der Beklagte zu 3 schilderte diese Aufklärung bei seiner Anhörung gegenüber dem Senat im Einzelnen. Er gab an, dass er sich noch genau an den Kläger erinnern könne. Zunächst habe er es auf Deutsch versucht, dann habe er das Gespräch auf Englisch geführt. Er habe dem Kläger das Ergebnis der Rektoskopie erläutert, wonach ein Teil des Enddarmes entzündungsfrei gewesen sei, und dann ein längeres Stück mit deutlichen Veränderungen vorgelegen habe. Er habe dem Kläger die verschiedenen operativen Möglichkeiten dargestellt und ihm eine Teiloperation empfohlen, um einen künstlichen Ausgang sowie weitere mit einer vollständigen Entfernung des Darmes verbundene Risiken zu vermeiden. Der Kläger habe keinesfalls einen künstlichen Ausgang gewollt. Der Beklagte zu 3 bestätigte auf Vorlage des Dokuments, dass er das in der Patientenakte befindliche Rektoskopieprotokoll vom 4.4.1995 erstellt und mit Handzeichen versehen habe und erläuterte nochmals die auf der Rückseite des Protokolls befindlichen Skizzen, die der Sachverständige in erster Instanz bereits als Zeichnungen der verschiedenen Operationsmethoden erkannt hatte. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Angaben des Beklagten zu 3 zutreffen, zumal diese durch das vorliegende Dokument vom 4.4.1995 gestützt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei seiner Anhörung erklärte, er kenne den Beklagten zu 3 nicht und habe weder das Rektoskopieprotokoll noch die Skizzen jemals gesehen. Während die Angaben des Beklagten zu 3 detailliert und sachlich waren und der Beklagte zu 3 sogar Umstände schilderte, die für ihn nachteilig sein könnten, waren die Angaben des Klägers substanzarm und geprägt von der Vorstellung, dass er Unrecht erlitten habe. Der Senat glaubt daher dem Beklagten zu 3 und nicht dem Kläger.
4. Allerdings hat die Anhörung des Beklagten zu 3 auch ergeben, dass dieser dem Kläger nicht deutlich gemacht hat, wie hoch das Risiko eines erneuten Ausbruchs der Krankheit bei Entfernung nur eines Teils des Darmes ist. In diesem Punkt erscheint die erteilte Aufklärung dem Senat unzureichend. Der Kläger hätte zumindest im großen und ganzen auf die mit der Operation verbundenen Erfolgschancen hingewiesen werden müssen.
Die Klage ist dennoch abzuweisen, da der Kläger bei der persönlichen Anhörung durch den Senat nicht plausibel gemacht hat, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung auch über diesen Aspekt ernsthaft eine der anderen Behandlungsalternativen erwogen hätte.
Vom Patienten sind zwar keine genauen Angaben darüber zu verlangen, wie er sich in Kenntnis der aufklärungsbedürftigen Umstände verhalten hätte; einsichtig machen kann und soll er nur, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen solle oder nicht. Für die Annahme einer hypothetischen Einwilligung kommt es auch nicht auf die Sicht eines "vernünftigen" Patienten an. Allerdings kann vom Patienten verlangt werden, dass er darlegt, in welcher Weise und warum er nach seinen persönlichen Verhältnissen bei gehöriger Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (vgl. BGH vom 16.4.1991, Az. VI ZR 176/90 = NJW 1991, 2344 ff; BGH vom 1.2.2005, Az. VI ZR 174/03 = NJW 2005, 1364 ff).
Hierzu befragt konnte der Kläger bei seiner Anhörung lediglich angeben, er sei davon ausgegangen, dass er gesund werde und sei deshalb mit dem Eingriff einverstanden gewesen. Der Kläger erklärte zwar, dass er einer teilweisen Entfernung des Darmes nicht zugestimmt hätte, begründete dies allerdings damit, dass seine Krankheit wieder begann, bevor er das Krankenhaus verließ. Wenn man ihn vor die Alternative einer völligen Entfernung des Darms gestellt hätte, wisse er nicht recht, was er sagen solle. Er hätte sich nur in der konkreten Situation für eine der drei Möglichkeiten entscheiden können, heute könne er nicht sagen, wie seine Entscheidung ausgefallen wäre.
Betrachtet man die persönliche Situation des Klägers, seinen Gesundheitszustand vor der Operation, die Chancen und Risiken des durchgeführten Eingriffs sowie die Perspektiven, die dem Kläger eine totale Entfernung des Darms geboten hätte, ist nicht plausibel, dass der Kläger bei Aufklärung über das Risiko einer erneuten colitis ulcerosa am noch vorhandenen Darmabschnitt vor einem echte Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
Dass der Kläger angesichts eines erheblichen Leidensdrucks, insbesondere der mit den Krankheitsschüben verbundenen massiven Beschwerden und der durch die Cortisonpräparate verursachten gravierenden Nebenwirkungen einen operativen Eingriff gänzlich in Zweifel gezogen hätte, wenn er gewusst hätte, dass der beabsichtigte operative Eingriff für ihn "nur" eine 50-prozentige Chance eröffnet, die Krankheit ohne bzw. mit geringeren, medikamentös beherrschbaren Beschwerden zu bewältigen, ist fern liegend und wurde vom Kläger auch nicht ernsthaft behauptet.
Als zweite Alternative hätte der Kläger die Entfernung des gesamten Darms erwägen können. Zu berücksichtigen sind hierbei jedoch die vom Sachverständigen dargelegten erheblichen Nachteile und Risiken dieses Eingriffs. So stellt gerade ein künstlicher Darmausgang eine gravierende und dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität dar. Wie der Beklagte zu 3 glaubhaft bekundete, wollte der damals als Gastwirt tätige Kläger keinesfalls einen künstlichen Ausgang. Auch beim Anlegen eines Pouchs wäre zumindest vorübergehend ein künstlicher Ausgang notwendig gewesen, bis dieser eingeheilt ist, wobei ein nicht unerhebliches Risiko der Entzündung des Pouchs besteht. Wie der Sachverständige Prof. Dr. D. in seinen Gutachten ausführte, wird zudem nur in etwa 50 - 70 % der Fälle eine zufrieden stellende Kontinenz erreicht. Bei etwa 20 % der Patienten ist die Kontinenzleistung so ungenügend, dass die Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist. Bei 12 - 22 % der Patienten muss erneut operiert werden und in 10 - 15 % muss der Pouch entfernt und auf einen künstlichen Darmausgang zurückgegriffen werden. Hinzu kommen die sonstigen Operationsrisiken, wie beispielsweise eine höhere Impotenzgefahr. Es bleibt damit festzustellen, dass auch diese Operation die vom Kläger gewünschte Beschwerdefreiheit nicht sichergestellt hätte. Der Kläger hätte das Risiko von Nachoperationen und die vorübergehende, möglicherweise sogar dauerhafte Legung eines künstlichen Ausgangs in Kauf nehmen müssen, was er keinesfalls wollte.
Demgegenüber bot die durchgeführte Operation neben geringeren Komplikationsrisiken eine 50 % Chance, eine natürliche, zufriedenstellende Kontinenz zu erreichen und gegebenenfalls eintretende Entzündungen am Restkolon medikamentös kontrollieren zu können. Tatsächlich hat der Eingriff auch eine wesentliche und dauerhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers bewirkt. Dieser hatte nach den vorliegenden Unterlagen lediglich noch zwei colitis ulcerosa Schübe im verbleibenden Restdarm. Eine Nachoperation war nicht erforderlich, die Beschwerden konnten konservativ mit Medikamenten beherrscht werden. Bei einer Untersuchung im Jahr 2001 wurde festgestellt, dass der Kläger in gutem Allgemeinzustand ist und eine normale Stuhlfrequenz hat. Nur 50 % der Patienten, die eine vollständige Entfernung des Darmes verbunden mit der Legung eines Pouchs durchführen lassen, erreichen ein so günstiges Behandlungsergebnis, wie der Sachverständige dargelegt hat.
Dass der Kläger bei Aufklärung über die wesentlichen Vor- und Nachteile und die Chancen und Risiken beider Operationsmethoden ernsthaft die Entfernung des gesamten Darms anstelle des befallenen Teils erwogen hätte, ist nicht plausibel.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts.
Ende der Entscheidung
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