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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.04.2002
Aktenzeichen: 1 W 1116/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 847
1.) Wer ein gesetzliches Verfahren (hier: die Einschränkung der elterlichen Sorge für ein Kind) redlich, gutgläubig und ohne Aufstellung bewusst falscher oder leichtfertig unwahrer Behauptungen einleitet (hier: durch Einreichung einer fachärztlichen Stellungnahme beim Stadtjugendamt), handelt nicht rechtswidrig.

2.) Ein in berechtigter Sorge um das Wohl des Kindes ohne kommerzielle oder zweifelhafte private Beweggründe geäußertes Unwerturteil im Hinblick auf die Person der Mutter, das nur Personen zugänglich gemacht wird, die beruflich zur Verschwiegenheit und zur Bewertung im Rahmen eines rechtlich geordneten Verfahrens verpflichtet sind, vermag keine Entschädigungsansprüche unter dem Gesichtspunkt einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Mutter auszulösen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 1 W 1116/02

In dem Rechtsstreit

wegen Prozesskostenhilfe

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kreitmair und die Richter am Oberlandesgericht Schneider und Nagorsen ohne mündliche Verhandlung am 26.04.2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 25.02.2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Am wurde der Sohn der Klägerin im Klinikum Ingolstadt geboren. Noch am selben Tag erfolgte die Verlegung von Mutter und Sohn in die Kliniken St. Elisabeth in Neuburg/Donau, wo bis zum 08.10.1999 als Frühgeburt betreut wurde. An diesem Tag nahm die Klägerin ihr Kind in die Wohnung mit, in der sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten lebte.

Die Beklagte ist Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Kliniken St. Elisabeth. Sie wurde von Krankenschwestern und Hebammen über Verhaltensweisen der Klägerin informiert, aus der diese folgerten, dass die Klägerin nicht imstande sei, ihr Kind ordnungsgemäß zu versorgen.

Die Beklagte verfasste eine an das Stadtjugendamt Ingolstadt gerichtete, auf den 06.10.1999 datierte "fachärztliche Stellungnahme zur Einleitung einer Maßnahme der Jugendhilfe", auf die wegen der Einzelheiten der darin geschilderten Beobachtungen verwiesen wird (Ablichtung in - Bl. 4/6 der Familiensache 002 F1412/99 des Amtsgerichts Ingolstadt): Diese ging am 18.10.1999 bei der Stadt Ingolstadt ein. In ihrer Gesamtbeurteilung hielt die Beklagte fest, aufgrund der Beobachtungen der Schwestern im Hause, den Gesprächsverläufen und Erfahrungen mit der Klägerin, ihrem Lebenspartner und dessen Familie erscheine es aus kinder- und jugendpsychiatrischer Erfahrung aktuell höchst riskant, seinen Eltern zur Versorgung im häuslichen Milieu zu belassen. Es bestehe eine extreme Gefährdung des Kindes bezüglich seiner Versorgung und Ernährung, da bei der Klägerin der dringende Verdacht auf eine defizitäre Erziehungsfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankung bestehe. Sie empfehle eine Intervention des Jugendamtes "mit gegebenenfalls Einleitung einer gerichtlichen Entscheidung bezüglich des Sorgerechts" und die Unterbringung von in einer geeigneten Pflegefamilie.

Am 20.10.1999 beantragte das Stadtjugendamt Ingolstadt beim Amtsgericht Ingolstadt wegen Gefahr im Verzug, im Wege einer einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge der Klägerin für ihren Sohn unter anderem dahingehend einzuschränken, dass ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen werde (Bl. 1/2 der Familiensache 002 F 1412/99 des Amtsgerichts Ingolstadt). Dieser Antrag stützte sich vor allem auf die bereits angeführte fachärztliche Stellungnahme der Beklagten.

Einer Angestellten des Stadtjugendamtes, die die Klägerin am 21.10.1999 besuchen und sich von der Pflege des Buben durch sie ein Bild machen wollte, verweigerte die Klägerin den Zutritt zu ihrer Wohnung.

Mit Beschluss vom 22.10.1999 entzog das Amtsgericht Ingolstadt der Klägerin unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht über und übertrug es auf das Stadtjugendamt als Pfleger.

Am 25.10.1999 um 16,00 Uhr suchte Obergerichtsvollzieher die Klägerin auf und nahm ihr weg, der anschließend in einer Pflegefamilie untergebracht wurde, in einem Aktenvermerk hielt er fest, dass sich das Kind in einem gepflegten sauberen Umfeld befand. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass die Klägerin mit dem Kind überfordert gewesen sei.

Am 04.11.1999 bestätigte der Kinderarzt, dass er am 08.10., 11.10., 18.10. und 25.10.1999 untersucht und keine Anhaltspunkte für eine Verwahrlosung erkannt habe. Sein Versorgungszustand sei nicht zu bemängeln gewesen.

Eine gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.10.1999 eingelegte Beschwerde der Klägerin wies das Oberlandesgericht München am 15.11.1999 vor allem gestützt auf die Stellungnahme der Beklagten vom 06.10.1999 zurück.

Am 02.12.1999 ersuchte das Amtsgericht Ingolstadt die psychiatrische Abteilung des Klinikums Ingolstadt um ein Gutachten über die Erziehungsfähigkeit der Klägerin.

Die Sachverständigen und Frau fanden in ihrem Gutachten vom 11.01.2000 (Bl. 47/75 der Familiensache 002 F 1412/99) keine Anhaltspunkte für die von der Beklagten angenommene Persönlichkeitsstörung oder mangelnde Erziehungsfähigkeit der Klägerin

Zu einem aus den Akten nicht genau feststellbaren Zeitpunkt Ende Januar oder im Februar 2000 wurde der Klägerin ihr Sohn zurückgegeben.

Die Familiensache 002 F 01412/99 wurde von der Klägerin und dem Stadtjugendamt Ingolstadt im April/Mai 2000 für erledigt erklärt.

Mit Schriftsatz vom 09.112001 verklagte die Klägerin die Beklagte beim Landgericht Ingolstadt auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens jedoch 20.000,-- DM. Zugleich beantragte sie, ihr für den Rechtsstreit Prozesskostenhilfe zu gewahren. Die Klage wurde damit begründet, dass die Beklagte durch die Erstellung eines gröblich falschen Gutachtens zu verantworten habe, dass der Klägerin ihr Kind für vier Monate entzogen Worden sei. Aufgrund der Wegnahme des Kindes und der gegen sie erhobenen Vorwürfe habe die Klägerin fortwährend weinen müssen, sei in Depressivität verfallen, habe unter Schlaflosigkeit gelitten und sich erhebliche Sorgen bezüglich ihres Kindes gemacht, zumal sie selbst als Kind den Verlust der Eltern habe erleben müssen.

Mit Beschluss vom 25.02.2002 (Bl. 19/26 d. A.) lehnte das Landgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Erfolgsaussicht. Beim elterlichen Sorgerecht handele es sich zwar um ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, aus dessen rechtswidriger Beeinträchtigung ein Schmerzensgeldanspruch erwachsen könne. Ein Anspruch komme aber deshalb nicht in Betracht, weil ein gerichtlicher Sachverständiger nicht für jede leichte Fahrlässigkeit bei Erstattung seines Gutachtens hafte. Grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz sei aber bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 28.02.2002, eingegangen bei Gericht am 01.03.2002, legte die Klägerin gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein.

Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab (Beschluss vom 11.03.2002 Bl. 29 d. A.).

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Die Klägerin begründete ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 15.04.2002 (Bl. 43/51 d. A.). Sie führte aus, die Beklagte sei nicht als gerichtliche Sachverständige tätig geworden, so dass eine Haftungsprivilegierung nicht in Betracht komme. Die Stellungnahme der Beklagten sei rückdatiert, da sich in ihr beschriebene Ereignisse teilweise erst nach der Entlassung von aus der Klinik abgespielt hätten Dies sei nicht nachvollziehbar. Die Schlussfolgerungen der Beklagten seien völlig abwegig, wie sich aus dem Ergebnis der Begutachtung in der Familiensache, der Bescheinigung des Kinderarztes, den Beobachtungen des Gerichtsvollziehers und einer Untersuchung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ergebe. Ihre Stellungnahme habe die Beklagte grob fahrlässig falsch erstellt.

II.

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Erfolgsaussicht.

Ein Anspruch nach § 847 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte besteht nicht, denn ihr Verhalten war jedenfalls nicht widerrechtlich, da es auf die Einleitung eines gesetzlichen Verfahrens der Rechtspflege, nämlich einer Entscheidung des Familiengerichts über das Sorgerecht für gerichtet war, und die Stellungnahme in gutem Glauben erfolgte. Unabhängig davon lässt sich dem klägerischen Vortrag keine nach den §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB Schadenersatzansprüche auslösende Körper- oder Gesundheitsverletzung der Klägerin entnehmen. Auch die Voraussetzungen für den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dürften, selbst wenn man ein rechtswidriges Vorgehen der Beklagten unterstellt, nicht vorliegen.

Ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin könnte sich nur auf eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit im Sinne von § 847 Abs. 1 BGB oder auf eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes stützen. Das Recht der elterlichen Sorge unmittelbar wird entgegen der Auffassung des Landgerichts von § 847 Abs. 1 BGB nicht erfasst.

Die von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze der Haftung gerichtlicher Sachverständiger sind nicht anwendbar, da die Beklagte nicht als Sachverständige im Auftrag des Familiengerichts tätig wurde, sondern von sich aus das Stadtjugendamt informierte. Aus jetziger Sicht ist - jedenfalls für das Prozesskostenhilfeverfahren - davon auszugehen, dass die in ihrer Stellungnahme geäusserten Befürchtungen unfundiert gewesen sind und der dringende Verdacht einer psychischen Erkrankung der Klägerin objektiv nie bestanden hat. Dies führt jedoch zu keinem Zahlungsanspruch auf Ausgleich immateriellen Schadens:

1) Ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit im Sinne von § 847 Abs. 1 BGB ist nach dem klägerischen Sachvortrag zu verneinen.

a) Die von der Klägerin angegebenen Reaktionen wie Schlaflosigkeit, Weinen und depressive Stimmung sind glaubhaft, denn für jede natürlich empfindende Mutter gehört es zu den schrecklichsten Erlebnissen, wenn ihr gewaltsam das Kind weggenommen wird, ohne dass sie weiß, ob sie es je zurückerhalten wird. Dies gilt gerade auch bei staatlichen Handeln, dem gegenüber die eigene Machtlosigkeit besonders niederdrückend empfunden wird, selbst wenn die fürsorgliche Motivation der Behörden erkennbar ist.

Die Reaktion der Klägerin auf die Wegnahme ihres Sohnes war für die Beklagte vorhersehbar. Sie begründet jedoch keinen Schmerzensgeldanspruch.

Grundsätzlich erfasst werden zwar im Deliktsrecht auch medizinisch feststellbare psychisch bedingte Folgewirkungen des haftungsbegründenden Ereignisses, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen (Palandt/Thomas, 61. Aufl., § 823 BGB Randnr, 4 m. w. Kl.). Dazu zählen unter bestimmten Umständen sogenannte Schockschäden (Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., Vorbem, vor § 249 BGB Randnr. 71 unter Darstellung der obergerichtlichen Rechtsprechung). Die Gesundheitsbeschädigung muss aber nach Art und Schwere deutlich über das hinausgehen, was Nahestehende als mittelbar Betroffene in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden. Das bedeutet, dass selbst durch den Tod naher Angehöriger, auch Kinder, ausgelöste Trauer und Schmerz und die damit einher gehenden normalen Reaktionen wie Schlaflosigkeit und niedergedrückte Stimmung jedenfalls nach geltendem Recht keinen Schmerzensgeldanspruch auslösen.

Dies gilt dann um so mehr für den vorliegenden Fall, in dem die Klägerin ihr Kind lebend und zumindest materiell wohl versorgt wußte und es - wenn auch in größeren Zeitabständen - sehen durfte.

b) Unabhängig davon erfolgte die Stellungnahme der Beklagten nicht widerrechtlich. Wer ein gesetzliches Verfahren redlich, gutgläubig und ohne Aufstellung bewusst falscher oder leichtfertig unwahrer Behauptungen einleitet, handelt nicht rechtswidrig (Palandt/Thomas, 61. Aufl. § 823 BGB Randnr. 41). Jede andere Beurteilung würde die Rechtspflege lahmlegen und damit einem rechtsstaatlichen Grundgebot zuwiderlaufen (BVerfG NJW 1987, 1929/1930; BGHZ 36, 18; 74, 9). Wollte man (Kinder-)ärzte für den Fall der Äusserung eines Verdachts gegenüber einer Behörde, der sich nicht bewahrheitete, regelmäßig schadenersatzpflichtig machen, wäre dem Kindeswohl nicht gedient. Dies würde die verständliche Neigung fördern, trotz konkretem Verdacht etwa einer schweren Vernachlässigung oder brutaler Misshandlungen nichts zu unternehmen. Hätte die Beklagte nichts unternommen und das Kind hätte durch Vernachlässigung einen schweren Schaden erlitten, wären ebenso, wenn auch mit umgekehrter Zielrichtung, Vorwürfe gegen sie erhoben worden.

Dass die Beklagte, die rein beruflich mit der Klägerin Kontakt hatte, gutgläubig handelte und nicht bewusst eine falsche Stellungnahme abgab, um der Klägerin ihr Kind zu entziehen, liegt auf der Hand. Für letzeres gibt es nicht die geringsten Indizien, da weder eine persönliche Beziehung zwischen den Parteien bestand noch die Beklagte irgendeinen Einfluss auf den weiteren Verbleib des Buben nahm.

Der näheren Erörterung bedarf nur, ob die Beklagte mit der Äusserung des Verdachts einer Persönlichkeitsstörung der Klägerin leichtfertig handelte. Letztlich handelt es sich um dieselbe Frage, die das Landgericht unter dem Gesichtspunkt des Sorgfaltsmaßstabs für die Gutachtenerstellung behandelt hat. Der Senat schließt sich den Erwägungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, an. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Stellungnahme offenbar erst abgesandt wurde, nachdem aus der Klinik entlassen worden war. Denn wenn sich der Bub bereits bei seinen Eltern befand, bestand aus Sicht der Beklagten erst recht Handlungsbedarf. Dass die Klägerin die Richtigkeit eines Teiles der von den Mitarbeitern der Klinik gemachten Beobachtungen bestreitet, spielt für die Bewertung des Verhaltens der Beklagten keine Rolle. Diese durfte sich auf die Korrektheit der Berichte des Fachpersonals ihr gegenüber verlassen. Die der Beklagten aus den Berichten berufserfahrener, mit dem Verhalten junger Mütter vertrauter Säuglingsschwestern bekanntgewordenen Auffälligkeiten im Verhalten der Klägerin lassen die Bewertung der Beklagten nicht als leichtfertig oder ins Blaue hinaus abgegeben erscheinen.

Der Arzt, der Verdachtsmomente für eine Beeinträchtigung des Kindeswohls durch die Eltern sieht, befindet sich in einer schwierigen Situation. Einerseits wird man von ihm besondere Sorgfalt und die nötige Zurückhaltung bei einer Stellungnahme erwarten. Andererseits kann er nicht wie ein Kriminalbeamter die Familienverhältnisse ermitteln, sondern muss sich aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Indizien entscheiden, ob und was er unternimmt. Je kleiner das Kind ist, je größer sind die Gefahren selbst bei einer nur kurzen Vernachlässigung. Dies rechtfertigt nach der Meinung des Senats auch eine deutliche Formulierung eigener Befürchtungen gegenüber dem Jugendamt.

Zur Erstellung eines umfangreichen Gutachtens einschließlich eingehender Exploration der Klägerin war die Beklagte nicht verpflichtet. Die Klägervertreter weisen mit Recht darauf hin, dass sie gerade nicht als Gerichtssachverständige auftrat.

Den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wegnahme des Kindes ohne vorherige Anhörung der Mutter hat die Beklagte gegenüber dem Stadtjugendamt nicht angeregt. Es lag in der Verantwortung der Behörde und nicht der Beklagten, ob und was sie nach Eingang der Stellungnahme unternahm. Das Stadtjugendamt hat versucht, sich selbst ein Bild von der Pflegesituation des Buben zu verschaffen, was jedoch am Widerstand der Klägerin scheiterte.

2) Ein Zahlungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes besteht ebenfalls nicht.

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin könnte darin gesehen werden, dass die Beklagte sie als "unzuverlässig und insuffizient" und extrem gefährlich für ihr Kind bezeichnet und bei ihr den dringenden Verdacht einer psychischen Erkrankung angenommen hat. Hinzu kommt, das die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG fällt. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört (BVerfGE NJW 2000, 1021, 1023). Nicht aber stellt die Wegnahme des Kindes für sich betrachtet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Mutter dar (dies wird in der Rechtsprechung selbst für den schwerwiegenderen Vorwurf der Körperverletzung oder Tötung des Kindes nicht angenommen).

Vorsatz setzt eine derartige Verletzung nicht voraus. Zudem besteht grundsätzlich keine Beschränkung des Persönlichkeitsrechts auf den Schutz vor Presseveröffentlichungen und Äusserungen Dritter in der Presse, auch wenn die weit überwiegende Zahl der durch die Rechtsprechung entschiedenen Fälle diesen Bereich betrifft.

Ein Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin liegt vor, da die Beklagte sich in ihrer Stellungnahme dezidiert über angebliche Persönlichkeitsstörungen geäussert hat. Gerade die Frage, ob und unter welchen Krankheiten jemand leidet, gehört zum engsten Intimbereich.

a) Die Stellungnahme der Beklagten war aber nicht widerrechtlich, wie bereits ausgeführt worden ist. Hierauf wird verwiesen.

b) Eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt auch unabhängig davon nicht in Betracht.

Geldentschädigung für immateriellen Schaden unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung und Prävention gibt es nach der Rechtsprechung nur bei einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert. Die Bewertung hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund der Handelnden sowie vom Grad ihres Verschuldens und davon ab, in welche geschützte Sphäre der Eingriff stattgefunden hat (Palandt/Thomas 61. Aufl. § 823 BGB Randnr. 200). Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die Beklagte allein aus dem beruflich bedingten Motiv handelte, das Kind der Klägerin vor Schaden zu bewahren. Kommerzielle oder zweifelhafte private Beweggründe fehlten im Gegensatz zu den Regelfällen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts völlig. Aufgrund der Berichte des Personals der Klinik handelte die Beklagte in aus ihrer Sicht berechtigter Sorge um das Kind. Ihre Wertung machte sie nur Personen zugänglich, die beruflich zur Verschwiegenheit und zur Bewertung im Rahmen eines rechtlich geordneten Verfahrens verpflichtet waren.

Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Einer Kostenentscheidung bedarf es wegen § 49 GKG nicht.

Ende der Entscheidung

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