Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.09.2004
Aktenzeichen: 1 W 1660/04
Rechtsgebiete: StrEG, ZPO


Vorschriften:

StrEG § 13 Satz 2
ZPO § 167
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 3
1.Auch ein Prozesskostenhilfegesuch kann die Frist des § 13 Satz 2 StrEG wahren.

2. Die Zustellung der Klage "demnächst" i.S. v. § 167 ZPO ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger die Monatsfrist des § 127 Abs. 2,3 ZPO zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe ausschöpft.


Aktenzeichen: 1 W 1660/04

In dem Rechtsstreit

wegen Entschädigung nach dem StrEG

hier: Antrag auf Prozesskostenhilfe für die erste Instanz

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter am 6.9.2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 14.4.2004 aufgehoben.

II. Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe gewährt.

Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt S. beigeordnet.

Gründe:

A.

I. Der Antragsteller beabsichtigt, gegen den Antragsgegner einen Anspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungs-maßnahmen durchzusetzen.

Am 25.1.2001 wurde der Antragsteller, ein polnischer Staatsangehöriger, aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Passau in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Passau wegen Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen.

Mit Beschluss vom 13.2.2001 wurde der Haftbefehl unter Freilassung des Antragstellers außer Vollzug gesetzt und mit weiterem Beschluss vom 25.2.2001 aufgehoben.

Das dem Haftbefehl zugrunde liegende Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 19.12.2001 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

Das Landgericht Passau hat mit Beschluss vom 24.7.2002 im Beschwerdeverfahren die Entscheidung des Amtsgerichts Passau vom 29.5.2002 bestätigt, dass der Antragsteller für die erlittene Untersuchungshaft dem Grunde nach zu entschädigen ist.

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 28.2.2003 machte der Antragsteller einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 711.408,52 € geltend.

Seinen Anspruch begründete er im wesentlichen damit, dass infolge seiner Inhaftierung ein vor dem Abschluss stehender Vertrag über die Veräußerung eines Teiles der Geschäftsanteile des Antragstellers an einer polnischen Kapitalgesellschaft an einen Dritten vereitelt worden sei und die Geschäftsanteile in der Folge ganz erheblich an Wert verloren hätten. Dies deshalb, da wegen der Verhaftung des Antragstellers auch eine geplante Verstärkung des Kapitals der Gesellschaft nicht zustande gekommen sei und wichtige Kunden sowie Lieferanten der Gesellschaft im Zusammenhang mit den Geschehnissen Kredite zurückgezogen und die Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft beendet hätten.

Durch den Konkurs, in den die Gesellschaft hierdurch schließlich geraten sei, sei dem Antragsteller ein weiterer Schaden entstanden.

Mit Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht M. vom 16.6.2003, dem anwaltlichen Vertreter des Antragstellers zugestellt am 23.6.2003, wurde lediglich eine Entschädigung von 744,04 € gewährt und der Antrag im übrigen zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 22.9.2003, beim Landgericht eingegangen am 23.9.2003, beantragte der Antragsteller, ihm zur Geltendmachung der versagten Entschädigungsansprüche für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dem Antrag beigefügt war ein Klageentwurf.

II. Der Antragsgegner ist dem Prozesskostenhilfeantrag entgegengetreten.

Er hält die für die Klage bestehende Ausschlussfrist des § 13 StrEG nicht für gewahrt.

Darüber hinaus fehle es auch aus sonstigen Gründen an der Erfolgsaussicht der Klage bzw. erscheine der Antrag mutwillig.

III. Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 14.4.2004 zurückgewiesen.

Es verneint die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage, da diese wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 StrEG bereits unzulässig sei.

Die Einbringung des Prozesskostenhilfeantrags mit Klageentwurf allein genüge nicht zur Fristwahrung. Erforderlich gewesen wäre die unbedingte Einreichung einer Klage mit deren sofortiger Zustellung ggf. im Wege eines Antrags nach § 65 Abs. 7 GKG a.F.

IV. Gegen den ihm am 19.4.2004 zugestellten Ablehnungsbeschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 17.5.2004, bei Gericht eingegangen am 18.5.2004, sofortige Beschwerde eingelegt.

Er hält es für unzumutbar, nur zur Fristwahrung unbedingte Klage erheben zu müssen, bevor über seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe entschieden sei. Auch bei einem Antrag nach § 65 Abs. 7 GKG a.F. wäre unwiderruflich eine Kostenpflicht des mittellosen Antragstellers entstanden, der sich deshalb hätte verschulden müssen. Die Entscheidung des Landgerichts verletze vor diesem Hintergrund Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, Anspruch auf Schadensersatz hat. Bestehe eine entsprechende Regelung, werde diese aber durch Verfahrensvorschriften unterlaufen, welche dem mittellosen Berechtigten jeden effektiven Rechtsschutz verweigern, könne diese Gesetzeslage nicht als MRK-konform angesehen werden.

V. Der Antragsgegner beantragt die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, im Rahmen der Vorschrift des § 65 Abs. 7 GKG a.F., die jeden Rechtssuchenden gleichermaßen treffe, werde die vom Antragsteller bemühte Rechtsposition ausreichend gewährt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dem anwaltlich vertretenen Antragsteller der durch § 65 Abs. 7 GKG a.F. vorgezeichnete Weg unzumutbar sein sollte, zumal der Antragsteller erkennbar in der Lage sei, selbst die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung vorzufinanzieren oder aber durch Hilfe Dritter zu finanzieren. Auch insofern entstehe eine "unwiderrufliche Kostenpflicht".

VI. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 2.6.2004 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

B.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und innerhalb der Monatsfrist der §§ 127 Abs. 2, Satz 2,3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhoben.

Sie ist auch in der Sache begründet.

Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die beabsichtigte Klage ist weder unzulässig, noch kann der keinesfalls mutwillig erscheinenden Rechtsverfolgung derzeit eine hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

I.

Die beabsichtigte Klage ist nicht wegen Fristversäumung unzulässig.

1) Gemäß § 13 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der ein Entschädigungsanspruch nach diesem Gesetz verfolgt werden soll, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben, wobei gemäß Satz 3 dieser Bestimmung die Zivilkammern der Landgerichte ausschließlich zuständig sind.

Die Erhebung der Klage erfolgt nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften (§ 253 Abs. 1 ZPO) durch Zustellung eines Klageschriftsatzes.

Die Mitteilung eines mit einem Klageentwurf verbundenen Prozesskostenhilfeantrags an den Gegner unter Einräumung der Möglichkeit einer Stellungnahme ist nach völlig unstreitiger Auffassung noch keine Klagezustellung und löst auch nicht die damit verbundenen Wirkungen aus.

2) Die Frist des § 13 Satz 2 StrEG ist im vorliegenden Fall am 23.9.2003 abgelaufen.

Eine Zustellung der Klage bis zu diesem Zeitpunkt ist nicht erfolgt.

Dies bedeutet aber nicht, dass die Klage damit auf alle Fälle verfristet und somit unzulässig wäre.

Zwar könnte bei versäumter Frist nicht mehr erfolgreich Wiedereinsetzung beantragt werden, da es sich bei der Frist des § 13 Abs. 1 StrEG um eine einer Wiedereinsetzung nicht zugängliche Ausschlussfrist handelt.

Dem Antragsteller Kläger kommt jedoch die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO (vormals § 270 Abs. 3 ZPO) zugute.

Nach dieser Vorschrift tritt in dem Fall, da durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit Eingabe des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

a) Antrag oder Erklärung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, dass damit vor Fristablauf bereits die wirksame, unbedingte Einreichung einer mit einem Zustellungsantrag verbundenen Klage vorliegen muss, die nur noch der vom weiteren Verhalten des Klägers bzw. Antragstellers unabhängigen Zustellung bedürfte.

Dies mag zwar im Regelfall so sein; für den Fall des der beabsichtigten Klage vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens gilt dies jedoch nicht.

Auch ein ordnungsgemäß eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch kann die Frist wahren.

Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 1.10.1986 (IV a ZR 108/85 = VersR 1987, 39 = NJW 1987, 255 = BGHZ 98, 295, bestätigt mit Urteil vom 8.3.1989, IV a ZR 17/88 = NJW-RR 1989,675) zur Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 VVG eingehend dargelegt.

Die dort angestellten Erwägungen gelten gleichermaßen im Fall der Ausschlussfrist des § 13 Satz 2 StrEG. Es macht keinen Unterschied, dass es sich in einem Fall um vertragliche, im anderen um öffentlich-rechtliche Ansprüche handelt (so aber wohl Meyer in StrEG, 5. Aufl., RdNr. 8 zu § 13 StrEG).

Es würde den mit den Regelungen zur Prozesskostenhilfe beabsichtigten Rechtsschutz aushebeln bzw. ad absurdum führen, wollte man einem mittellosen Antragsteller, der um Prozesskostenhilfe für eine Klage nachsucht, auferlegen, er müsse unabhängig vom späteren Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens bei einer für eine Klageerhebung gesetzten Frist noch innerhalb dieser Frist jedenfalls auf unbedingter Klagezustellung bestehen, um nicht Rechtsnachteile zu erleiden. Dies kann bereits deshalb nicht sein, da dem Antragsteller mit einer Klagezustellung Kosten erwachsen würden, die zu vermeiden gerade die Prozesskostenhilfe dienen soll:

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. (nunmehr: § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG) soll in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Klage erst nach Zahlung der erforderten Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Hierzu nicht imstande zu sein, ist ja gerade der Vortrag im Prozesskostenhilfeverfahren.

Absatz 1 Satz 1 des § 65 GKG a.F. gilt nach Absatz 7, Satz 1, Nummer 3 dieser Vorschrift allerdings dann nicht, wenn glaubhaft gemacht wird, dass dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde. In diesem Fall, der im neuen Gerichtskostengesetz unter § 14 geregelt ist, kann auf Antrag die Klage auch ohne Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses zugestellt werden.

Aber auch auf die durch § 65 Abs. 7 GKG a.F. eröffneten Möglichkeiten braucht sich der um Prozesskostenhilfe Nachsuchende nicht verweisen zu lassen (in dieser Richtung auch SchlHOLG, Beschluss vom 30.9.1999, 11 W 21/99 = JurBüro 4/2000, 208; anderer Auffassung: Dieter Meyer in JurBüro 4/1992, S. 217, LG Flensburg, Beschluss vom 8.4.97 in JurBüro 9/1997, 501). Dies folgt daraus, dass ein Vorgehen nach dieser Vorschrift den Antragsteller letztlich ebenfalls nicht vor Kostennachteilen bewahren würde, die zu vermeiden ihm das Prozesskostenhilfe-Verfahren gerade helfen soll. Mit der Klagezustellung entstehen zum einen Gerichtsgebühren, von denen der Antragsteller zumindest einen Teil auch dann bezahlen muss, wenn sein PKH-Antrag zurückgewiesen werden sollte und er sich mangels finanzieller Mittel die Klage zurückzunehmen gedrängt sieht. Darüber hinaus ist zu gegenwärtigen, dass sich nach Klagezustellung für den Gegner ein Prozessbevollmächtigter bestellt, dessen Kosten der um Prozesskostenhilfe Nachsuchende auch dann zu bezahlen hat, wenn ihm bei versagter Prozesskostenhilfe die weitere Rechtsverfolgung aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist.

Als zur Fristwahrung durch Rückwirkungsfiktion ausreichend ist es deshalb zunächst anzusehen, wenn, wie hier, innerhalb laufender Frist für eine Klageerhebung ein mit den erforderlichen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissender versehener Prozesskostenhilfeantrag bei Gericht angebracht ist.

Ob dem Antrag, wie im Fall des Antragstellers, ein Klageentwurf beiliegt oder nicht, ist für die Frage einer durch Klageerhebung zu wahrenden Frist bedeutungslos, weil es sich bei dem Prozesskostenhilfeverfahren um ein (nicht streitiges) seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren handelt, in dem es noch keine Parteien einer rechtshängigen Streitsache gibt (BGH, Urteil vom 8.3.1989, IV a ZR 17/88 = NJW-RR 1989, 675).

b) Dass bis heute noch nicht Klage erhoben wurde, gereicht dem Antragsteller nicht zum Nachteil, da eine spätere Klagezustellung nach Abschluss des Prozesskostenhilfeverfahrens gemäß § 167 ZPO immer noch für die Fristwahrung eine Rückwirkungsfiktion entfalten kann, und zwar dann, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt. Diese Möglichkeit besteht auch heute noch.

aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO a. F., § 167 ZPO n. F. erfolgt ist, darf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. § 270 Abs. 3 ZPO a.F. und § 167 ZPO in der nach dem ZustellungsRG nunmehr geltenden Fassung wollen der Partei die Verantwortung für eine Verzögerung der Klagezustellung abnehmen, die ihrem Einflussbereich entzogen ist. Daher gibt es auch keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" anzusehen wäre. Dies gilt auch im Hinblick auf mehrmonatige Verzögerungen (BGH, Urteil vom 31.10.2000, VI ZR 198/99 = NJW 2001, 885 [887], m.w.N.).

Dass im Fall des Antragstellers seit Ablauf der Frist des § 13 Abs. 1, Satz 1StrEG bereits nahezu ein Jahr verstrichen ist, ohne dass die Klage bislang zugestellt wäre, hindert folglich nicht, eine jetzt noch bewirkte Zustellung als "demnächst" erfolgt anzusehen.

bb) Dies gilt jedoch nur, wenn den Antragsteller/Kläger bzw. seinen Bevollmächtigten hieran kein Verschulden trifft.

Die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei muss neben einer prozessordnungsgemäßen Einreichung eines Prozesskostenhilfe-Antrags alles ihr Zumutbare tun, damit die Klage demnächst zugestellt werden kann (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 24.10.1973, VIII ZR 82/72 = NJW 1974, 57ff; BGH, Urteil vom 27.9.1973, III ZR 197/71 = NJW 1974,57; Schätzler/Kunz, StrEG, 3.Aufl., RdNr. 3 zu § 13 StrEG).

Wenn sich die Zustellung der Klage durch ein (auch nur leicht) fahrlässiges Verhalten des Klägers nicht nur geringfügig verzögert, ist die Zustellung nicht mehr "demnächst" im Sinne dieser Vorschriften.

Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren (BGH, Urteil vom 21.3.1991, III ZR 94/89 = NJW 1991, 1745, m.w.N.).

Die Frist ist rückwirkend nur dann gewahrt, wenn die Klage unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (BGH, Urteil vom 21.3.1991, III ZR 94/89 = NJW 1991, 1745 [1746]).

Versäumnisse in diesem Sinn sind dem Antragsteller bislang nicht vorzuwerfen.

aaa) Eine Verzögerung, die sich daraus ergibt, dass die Zustellung einer nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beabsichtigten Klage deshalb nicht erfolgt, weil noch nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden ist, kann, wie bereits ausgeführt, der Partei nicht zum Nachteil gereichen. Insoweit handelt es sich um eine Verzögerung im ausschließlichen Verantwortungsbereich des Gerichts, die bei der Frage, ob die Zustellung noch "demnächst" erfolgt, außer Ansatz zu bleiben hat. (BGH, Entscheidung vom 9.11.1994, VIII ZR 327/93 = VersR 1995, 361).

Dabei kann der Partei auch nicht angelastet werden, sie hätte im Hinblick auf eine laufende Ausschlussfrist für eine Klageerhebung im Falle eines beabsichtigten Prozesskostenhilfe-Antrags diesen umgehend zu Beginn des Laufes der Ausschlussfrist stellen müssen, damit ggf. noch während laufender Frist darüber entschieden werden könne.

Die Frist des § 13 Abs. 1, Satz 1 StrEG steht dem Geschädigten vielmehr ohne Einschränkung zur Prüfung der Frage, ob er gegen eine Versagung von Entschädigung gerichtlich vorgehen solle, zur Prüfung der Erfolgsaussichten ebenso wie der Risiken einer Klage, zur Zusammentragung der Argumente und Benennung von Beweismitteln sowie zur Klärung der eigenen finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung. Die Frist für einen Minderbemittelten verkürzt sich nicht deshalb, weil er minderbemittelt ist.

Ausreichend ist, dass die Partei den von ihr erwarteten Schritt innerhalb laufender, ihr vom Gesetz eingeräumter Frist unternimmt. Dies hat der Antragsteller mit der Anbringung seines vollständigen Prozesskostenhilfe-Gesuchs (samt Klageentwurf) getan.

bbb) Eine dem Antragsteller zurechenbare Verzögerung bei der Klagezustellung ergibt sich derzeit auch nicht aus sonstigen Gründen.

Sie kann insbesondere nicht darin erkannt werden, dass der Antragsteller nach der sein Prozesskostenhilfegesuch zurückweisenden, ihm am 19.4.2004 zugestellten Entscheidung des Landgerichts vom 14.4.2004 vier Wochen Zeit verstreichen ließ, bis er sich mit Einlegung der am 18.5.2004 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 17.5.2004 hiergegen wandte.

Die Frage, welcher Zeitraum einer von einer Partei zu vertretenden Verzögerung als geringfügig anzusehen ist, hat der Bundesgerichtshof in der Regel dahingehend beantwortet, dass ein solcher von bis zu ca. 14 Tagen zu akzeptieren sei. Lediglich eine der klagenden Partei in diesem Umfang zuzurechnende Verzögerung der Klagezustellung galt danach als geringfügig und im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO als unschädlich (vgl. BGH, Entscheidung vom 1.12.1993, XII ZR 177/92 = VersR 1994, 455; BGH, Urteil vom 27.5.1999, VII ZR 24/98 = NJW 1999, 3125, je m.w.N.).

Für eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe hat der BGH unter anderem mit dem Argument, sie setze im Gegensatz zur Vorbereitung einer Klage keine Entschließung darüber voraus, ob das Prozesskostenrisiko getragen werden soll und wie der Prozesskostenvorschuss aufgebracht werden kann, und mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des Gegners aus dem Rechtsgedanken des § 234 Abs. 1 ZPO (zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist) regelmäßig nur einen Zeitraum von höchstens zwei Wochen als angemessen angesehen, "obwohl das Rechtsmittel nach § 127 Abs. 2, Satz 2 ZPO nicht fristgebunden ist" (BGH, Entscheidung vom 1.10.1986, IV a ZR 108/85 = VersR 1987, 39 = NJW 1987, 255 = .BGHZ 98, 295; auch BGH, Urteil vom 21.3.1991, III ZR 94/89 = NJW 1991, 1745[1746]; BGH, Urteil vom 9.1.1991, XII ZR 85/90 = NJW-RR 1991, 573, m.w.N.; so auch OLG Hamm, Beschluss vom 24.7.1992, 11 W 83/91 = MDR 1993, 385; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. RdNr. 15 zu § 167 ZPO). Der BGH hat hierbei wie auch in anderen Fällen allgemein auf den Zeitraum abgestellt, den ein Rechtsanwalt bei angemessener Sachbehandlung für eine ordnungsgemäße Prozessführung benötige. Der BGH hat es aber in der Entscheidung vom 1.10.1986 ausdrücklich offen gelassen hat, ob dieser Zeitraum in besonders gelagerten Einzelfällen überschritten werden darf

Bei Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung müsste es einer Partei folglich in der Regel als ihr zurechenbare Verzögerung zum Nachteil gereichen, wenn sie, wie hier der Antragsteller, die Ablehnung beantragter Prozesskostenhilfe erst vier Wochen nach Zustellung dieser gerichtlichen Entscheidung angegriffen hätte.

Abgesehen davon, dass es im Fall des Antragstellers bereits deshalb fraglich ist, ob die Einhaltung einer 14-Tage-Frist eingefordert werden kann, da der Antragsteller sich in Polen aufhält und, worauf der anwaltliche Vertreter des Antragstellers abgehoben hat, auch der Postlauf zwischen Deutschland und Polen zu berücksichtigen sein wird, somit bei einer erst nach vier Wochen eingelegten Beschwerde die Grenzen einer ordnungsgemäßen Prozessführung bereits aus diesem Grund nicht verlassen sind, ist der Senat der Auffassung, dass an der bisherigen Rechtsprechung nicht festgehalten werden kann.

War es nach der bis zum ZPO-Reformgesetz gültigen Vorschrift des § 127 Abs. 2 ZPO möglich, gegen eine ablehnende gerichtliche Prozesskostenhilfeentscheidung ohne zeitliche Begrenzung Beschwerde einzulegen, bestimmt das Gesetz in der durch Art. 2, Abs. 1, Nr. 17 ZPO-RG mit Wirkung ab 1.1.2002 geltenden Fassung nunmehr, dass der Antragsteller gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ggf. binnen einer Frist von einem Monat mit sofortiger Beschwerde vorgehen muss (§ 127 Abs. 2 n.F. ZPO). Einen Monat billigt das Gesetz damit jetzt demjenigen zur Prüfung der Frage zu, ob er sich gegen eine ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung zur Wehr setzen will.

Diese Neuregelung muss nach Auffassung des Senats auch Auswirkungen auf die Frage haben, welche Zeitspanne bei Einlegung der Beschwerde als noch hinnehmbar anzusehen ist, ohne dass einer Partei der Vorwurf durch sie verursachter Zustellungsverzögerung zu machen ist. Mit der Einführung der Notfrist des § 127 Abs. 2, Satz 3 ZPO n.F. hat der Gesetzgeber letztlich auch zum Ausdruck gebracht, welcher Zeitraum für eine angemessene Sachbehandlung erforderlich ist. Nimmt eine ggf. auch anwaltlich vertretene Partei eine derart gesetzlich eingeräumte, kurze Frist in Anspruch, lässt sich schwerlich der Vorwurf nicht ordnungsgemäßer Prozessführung erheben.

Der Senat erachtet es angesichts der neuen gesetzlichen Regelung deshalb als für die Partei unschädlich, wenn sie, wie es hier der Antragsteller getan hat, die ihr für die Anfechtung der ablehnenden Prozesskostenhilfeentscheidung eingeräumte Frist ausschöpft. Dadurch werden auch nicht die schutzwürdigen Belange des Gegners verletzt. Dieser weiß infolge der gesetzlich geregelten Monatsfrist, wie lange er sich auf einen Rechtsbehelf der anderen Partei einzustellen hat.

Diese im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung für die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei großzügigere Handhabung mag darüber hinaus dadurch, dass sie auf eine klar begrenzte Frist abstellt, auch eine größere Klarheit herbeizuführen.

Mit seiner Entscheidung sieht sich der Senat überdies im Einklang mit der in der Rechtsprechung zu erkennenden Tendenz, bei der Frage des "demnächst" einen Zeitraum von einem Monat als noch hinnehmbar anzuerkennen.

So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 21.3.2002 (VII ZR 230/01 = BGHZ 150,221 = NJW 2002, 2794) zur Frage, ob eine Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 693 Abs. 2 ZPO abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BGH auch dann als demnächst erfolgt gilt, wenn die vom Antragsteller verschuldete Verzögerung der Zustellung mehr als 14 Tage (dort: 24 Tage) beträgt, diese Frage bejaht und einen Zeitraum von einem Monat zugrunde gelegt (noch weiter gehend: Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., RdNR. 11 zu § 167 ZPO). Wenngleich hierfür primär andere, in der Besonderheit des Mahnverfahrens liegende Gründe maßgeblich waren, legt diese neue Rechtsprechung es jedenfalls nahe, um eine einheitliche, von Wertungswidersprüchen freie Auslegung des Begriffs "demnächst" zu gewährleisten, auch für Zustellungen außerhalb des Mahnverfahrens nicht mehr an der Geringfügigkeitsgrenze von 14 Tagen festzuhalten.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers erscheint auch weder aussichtslos noch mutwillig.

Der Antragsteller hat unter Angebot von Zeugenbeweis behauptet, dass sowohl die dem beabsichtigten Anteilsverkauf vorauszugehende vertragliche Vereinbarung mit der Firma M. als auch sodann der Verkauf seiner Firmenanteile an die Firma N. Ltd. ebenso wie die Erhöhung des Stammkapitals zustande gekommen wären, hätte man ihn nicht verhaftet.

Er hat darüber hinaus schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, welche weiteren nachteiligen Folgen sich für die Gesellschaft aufgrund der Festnahme und mehrwöchigen Inhaftierung ihres Geschäftsführers ergeben haben.

Der vom Antragsteller angebotene Zeugenbeweis ist zu erheben.

Darüber hinaus wird ggf. Beweis durch Erholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden müssen.

Die erforderliche Beweisaufnahme kann nicht durch eine im Prozesskostenhilfeverfahren im beschränkten Umfang zulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung beiseite geschoben werden.

Es mag sein, drängt sich jedoch nicht auf, dass für den wirtschaftlichen Niedergang der Gesellschaft, an der der Antragsteller beteiligt ist bzw. war, auch andere Umstände als die vom Antragsteller behaupteten, im Verantwortungsbereich des Beklagten liegenden, verantwortlich sind. Dass dieser Niedergang ausschließlich oder überwiegend aus anderen Gründen geschehen sei, lässt sich jedoch weder erkennen noch unterstellen. So heißt es beispielsweise in dem das Konkursverfahren eröffnenden Beschluss des Kreisgerichts B. vom 6.12.2002 (vgl. Anl. K 9), die F. GmbH habe den Konkursantrag damit begründet, dass sie aufgrund ihrer schlechten Finanzlage, die von der allgemeinen Wirtschaftslage insbesondere in der Computerbranche beeinflusst worden sei, nicht mehr imstande sei, ihre Verbindlichkeiten laufend zu begleichen. Darüber hinaus wird aber in diesem Beschluss als weiterer, sich mit dem Vorbringen des Antragstellers im Zivilrechtsstreit deckender Grund für die Stellung des Konkursantrags auch genannt, dass die Gesellschaft ihre Kreditwürdigkeit verloren habe.

Dies erscheint angesichts der Vorfälle um den Antragsteller nur zu verständlich.

All dies wird in der Beweisaufnahme ggf. bei Prüfung der Schadenskausalität zu klären sein.

III.

Auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.

Prozesskostenhilfe war nach den glaubhaften Darlegungen des Antragstellers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Dem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts war zu entsprechen.

IV.

Anzumerken bleibt:

Auch wenn der Senat der Auffassung des Landgerichts, die vom Antragsteller beabsichtigte Klage sei wegen Verfristung unzulässig, hätte folgen wollen, hätte er sich gehalten gesehen, Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Dies folgt daraus, dass die inmitten stehenden Rechtsfragen schwierig sind und bislang nicht völlig geklärt erscheinen.

In diesem Fall ließe sich folglich an die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus den Gründen des § 574 Abs. 2 ZPO denken.

Ist jedoch das Beschwerdegericht in einem Prozesskostenhilfeverfahren der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen, so muss es bei Vorliegen der - hier gegebenen - persönlichen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.3.2004, XII ZB 192/02 = NJW 2004, 2022).

In diesem Fall gebietet nämlich die in Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes. Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden. (BGH, a.a.O., m.w.N.).

Dabei sollte es nach Auffassung des Senats keine Rolle spielen, ob sich diese Rechtsfragen im Bereich des materiellen Rechts oder im Bereich der Prozessvoraussetzungen ergeben.



Ende der Entscheidung

Zurück