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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 1 W 2713/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
ZPO § 91 a | |
ZPO § 91 a Abs. 2 | |
ZPO § 93 | |
ZPO § 99 Abs. 2 | |
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1 | |
BGB § 259 | |
BGB § 260 | |
BGB § 261 |
Aktenzeichen: 1 W 2713/06
In dem Rechtsstreit
wegen Herausgabe von Behandlungsunterlagen
hier: Kostenbeschwerde
erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Vavra und die Richter am Oberlandesgericht Schneider und Ramm am 16.11.2006 folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.10.2006 hin wird das Anerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 09.10.2006 in Ziffer 2 dahingehend abgeändert, dass die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.500,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangte erstinstanzlich vom Beklagten Herausgabe von Fotokopien der Behandlungsunterlagen sowie der angefertigten Bildbefunde im Original und die eidesstattliche Versicherung, dass die photokopierten Behandlungsunterlagen vollständig sind. Der Anspruch auf Herausgabe wurde vom Beklagten erstinstanzlich anerkannt. Das Verlangen der eidesstattlichen Versicherung wurde in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2006 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 17.10.2006 zugestelltem Anerkenntnisurteil vom 09.10.2006, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen richtet sich die am 31.10.2006 eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.10.2006, der das Landgericht mit Beschluss vom 02.11.2006 nicht abgeholfen hat.
Der Beklagte beantragt,
das Anerkenntnisurteil des Landgerichts München I vom 09.10.2006 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 05.11.2006 zur sofortigen Beschwerde Stellung genommen und beantragt, diese zurückzuweisen.
II.
Die gemäß §§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Das Landgericht hat dem Beklagten, soweit der Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen in Frage steht, zu Recht gemäß § 91 ZPO die Verfahrenskosten auferlegt. Eine Entscheidung zu Lasten des Klägers gemäß § 93 ZPO kommt nicht in Betracht. Der Beklagte war mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Klägerin vom 29.03.2006 (Anlage K 1) unter Hinweis auf und unter Beigabe einer Kopie der Verfügung des Landgerichts München I aus dem Rechtsstreit der Klägerin gegen Dr. F. wegen Arzthaftung dazu aufgefordert worden, der Klägerin oder dem Landgericht München I die Krankenunterlagen über die Behandlung der Klägerin bei dem Beklagten in Kopie vorzulegen. Dem ist der Beklagte auch auf die Mahnung vom 16.05.2006 (Anlage K 2) hin nur teilweise nachgekommen. Damit hat er Veranlassung zur Klage gegeben. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass dem Patienten neben dem Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen nur ein Anspruch auf Bereithaltung von Kopien durch den Arzt gegen Kostenerstattung zugebilligt wird (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht aktuell, 1. Auflage Köln 2003, Seiten 272/273 mwN). Der Beklagte hat sich vorprozessual nicht darauf berufen, dass die Klägerin Einsicht in die Behandlungsunterlagen nehmen und diese kopieren könne bzw. ihr vom Beklagten eine vollständige Kopie der Behandlungsunterlagen gegen Kostenerstattung zugänglich gemacht werde. Der Beklagte hat vielmehr, obwohl das Schreiben vom 29.03.2006 eindeutig abgefasst war, der Klägerin nur Kopien eher untergeordneter Teile der Behandlungsunterlagen übersandt und nicht erkennen lassen, dass er dem Anspruch der Klägerin auf umfassende Einsicht in die Behandlungsunterlagen alsbald im rechtlich gebotenen Umfang nachkommen werde. Deshalb hat er Anlass zur Klageerhebung im Sinne von § 93 ZPO geboten.
2. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der Arzt nicht verpflichtet ist, eidesstattlich zu versichern, dass die dem Patienten zugänglich gemachten Kopien der Behandlungsunterlagen diese vollständig abbilden. Insoweit sind die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
Eine entsprechende Verpflichtung des Arztes wird, soweit der Senat feststellen kann, bisher von der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht angenommen. Soweit das Landgericht diese nunmehr aus §§ 259 bis 261 BGB herleitet, schließt sich der Senat dem nicht an. Der Arzt ist dem Patienten, wovon auch das Landgericht ausgeht, weder rechenschaftspflichtig im Sinne von § 259 BGB noch schuldet er die Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen im Sinne von § 260 BGB. Vielmehr ist der Patient lediglich zur Einsicht in die Behandlungsunterlagen berechtigt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts, dass § 259 BGB analog herangezogen hat, besteht auch kein Anlass dafür, dass sich der Patient durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Arztes darüber Gewissheit verschafft, dass die ihm zur Verfügung gestellten Kopien vollständig sind. Abgesehen davon, dass eine eidesstattliche Versicherung darüber ohnehin nur eine trügerische Sicherheit schaffen könnte, kann sich der Patient selbst dadurch Gewissheit verschaffen, dass er von seinem Recht auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen Gebrauch macht und diese mit den ausgehändigten Kopien vergleicht (vgl. auch BGH NJW 1971, 656).
Es ist auch keine Rechtsgrundlage für ein Verlangen des Patienten ersichtlich, der Arzt möge eidesstattlich versichern, dass die dem Patienten vorgelegten Originalbehandlungsunterlagen authentisch und vollständig sind. Zwar kann die Verpflichtung aus § 261 BGB zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die tatbestandlichen Grenzen der §§ 259, 260 BGB hinaus auch bei Auskunftsansprüchen ähnlichen Inhalts gegeben sein (Palandt, 65. Auflage, Rdnr. 29 zu § 261 BGB). Der Anspruch des Patienten auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen ist jedoch kein Anspruch ähnlichen Inhalts im vorgenannten Sinne. Vielmehr wäre die Verpflichtung des Arztes, die Authentizität seiner Behandlungsunterlagen zu beeiden, weder generell angemessen noch mit dem Verhältnis zwischen Arzt und Patient, das in besonderem Maße auf Vertrauen gegründet ist, vereinbar.
3. Das Landgericht hat den erstinstanzlichen Streitwert zutreffend mit einem Zehntel des Streitwertes des gegen Dr. F. gerichteten Hauptsacheverfahrens bemessen. Der Aufwand für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung entspricht regelmäßig demjenigen für die Erteilung der Auskunft (BGH NJW 1992, 2020). Damit entfällt der erstinstanzliche Streitwert von 36.200 Euro jeweils hälftig auf den Auskunftsanspruch und das Verlangen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Da beide Parteien, wie ausgeführt, bezogen auf diesen Streitwert je zur Hälfte obsiegt haben beziehungsweise hätten, hat der Senat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz gemäß § 92 I Satz 1 ZPO gegeneinander aufgehoben.
4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach dem Maß der Kosten, um die gestritten wird. Die erstinstanzlichen Kosten, die in vollem Umfang im Beschwerdeverfahren streitig sind, schätzt der Senat auf 6.500,00 €.
Da die Beschwerde dahingehend Erfolg hat, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nicht dem Beklagten auferlegt, sondern gegeneinander aufgehoben werden, obsiegt der Beklagte hälftig bezogen auf den vorgenannten Beschwerdewert. Der Senat hat deshalb auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.
Ende der Entscheidung
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