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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 1 W 2990/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 406
Dass ein Sachverständiger in der Vergangenheit in Einzelfällen Privatgutachten für Mandanten des Anwalts der gegnerischen Partei erstattet hat, begründet für sich genommen keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit.

Anlass zur Besorgnis der Befangenheit kann jedoch bestehen, wenn es sich um eine regelmäßige Geschäftsbeziehung handelt oder die Privatgutachtertätigkeit für die Kanzlei des Anwalts der gegnerischen Partei ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor für den Sachverständigen ist.


Aktenzeichen: 1 W 2990/05

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hier: Ablehnung des Sachverständigen

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 23. Januar 2006 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Kläger vom 7.11.2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 25.10.2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 190.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Kläger nehmen die Beklagte wegen (behaupteter) ärztlicher Behandlungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 7.10.2005 lehnten die Kläger den Sachverständigen Prof. Dr. M. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 25.10.2005, der Klägervertreterin zugestellt am 7.11.2005, wies das Landgericht Ingolstadt den Antrag zurück. Hiergegen richtet sich die am 8.11.2005 eingegangene sofortige Beschwerde vom 7.11.2005, die die Kläger mit Schriftsatz vom 21.11.2005 begründet haben. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.11.2005 nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Ein Sachverständiger kann wie ein Richter (§ 406 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

Das Landgericht hat im Beschluss vom 25.10.2005, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, zutreffend dargelegt, dass kein Ablehnungsgrund im vorgenannten Sinn gegen den Sachverständigen Prof. Dr. M. gegeben ist.

Dass ein Sachverständiger in der Vergangenheit ein oder mehrere Privatgutachten für Mandanten des Anwalts der gegnerischen Partei erstattet hat, begründet für sich genommen bei verständiger Betrachtung keine Zweifel an dessen Unparteilichkeit. Nicht jeder frühere geschäftliche oder persönliche Kontakt zu einer Partei bzw. einem Prozessbevollmächtigten lässt befürchten, dass ein Sachverständiger einen gerichtlichen Gutachtensauftrag nicht mehr objektiv und unvoreingenommen bearbeitet. Bedenken können allerdings bei engen privaten oder beruflichen Beziehungen, einer zeitgleich zum gerichtlichen Gutachtensauftrag bestehenden privaten Sachverständigentätigkeit oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Sachverständigen von Aufträgen der Partei bzw. des Prozessbevollmächtigten entstehen.

Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat erklärt, er sei in der Vergangenheit in einigen Fällen als Privatgutachter für Mandanten der Beklagtenvertreters bzw. dessen Sozietät tätig gewesen. Auf Nachfrage des Senats hat er dies dahingehend konkretisiert, dass er in den letzten fünf Jahren acht solcher Privatgutachten erstattet habe, davon vier für Mandanten des Beklagtenvertreters (zuletzt im Jahr 2003) und vier für Mandanten der in München tätigen Sozii (zuletzt im April 2004). Eine Gutachtertätigkeit für die Beklagte ist dem Sachverständigen nicht erinnerlich. Derzeit sei er mit nicht einem Privatgutachtenauftrag für die Sozietät oder für die Beklagte befasst.

Dies genügt nicht für die Besorgnis der Befangenheit. Der Sachverständige hat keinen beruflichen oder privaten Bezug zur Beklagten. Die Privatgutachtertätigkeit für Mandanten des Beklagtenvertreters bzw. dessen Sozietät beschränkt sich auf Einzelfälle in der Vergangenheit. Dass der Sachverständige eine persönliche Verbundenheit mit dem Beklagtenvertreter bzw. dessen Kanzlei entwickelt hat, die ihn daran hindern könnte, den gerichtlichen Gutachtensauftrag mit der nötigen Neutralität und Distanz zu erledigen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch dass für den Sachverständigen die Erteilung künftiger Aufträge durch die Sozietät des Beklagtenvertreters ein bedeutsamer wirtschaftlicher Faktor wäre, der ihn bei der Erstattung des gerichtlichen Gutachtens beeinflussen könnte, ist nicht anzunehmen. Prof. Dr. M. ist dem Senat aus zahlreichen Prozessen bekannt, in denen er als gerichtlicher Sachverständiger bestellt wurde. Er ist hauptberuflich Ärztlicher Direktor eines Akademischen Lehrkrankenhauses der Ludwig-Maximilian-Universität München und nicht auf private Aufträge durch eine bestimmte Anwaltskanzlei angewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wurde mit etwa 1/3 des Wertes der Hauptsache bemessen.

Ende der Entscheidung

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