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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 1 W 964/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 51
ZPO § 355
ZPO § 358
ZPO § 379
Lehnt in einem Arzthaftungsprozess, in dem es um die behauptete Fehlerhaftigkeit der Arbeit eines Beamten des Freistaats Bayern geht, der geschädigte Patient einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab, kann diese Ablehnung bereits dann begründet sein, wenn es sich bei dem Sachverständigen um einen anderen Beamten dieses Dienstherrn handelt.

Dabei spielt es grundsätzlich weder eine Rolle, ob der Abgelehnte und der Beamte, dessen Tätigkeit er zu beurteilen hat, derselben Behörde angehören, noch, daß der Abgelehnte als Hochschulprofessor bei der Erstellung von Gutachten weisungsfrei ist.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 1 W 964/01

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 07. März 2001

folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers vom 22.11.2000 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 14.8.2000 wird verworfen.

Gründe:

I.

Mit Beschluß vom 14.8.2000 (Bl. 246 f. d.A.) hat das Landgericht die Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Behauptung des Klägers, daß er prozeßfähig sei, angeordnet und dem Kläger die Zahlung eines Kostenvorschusses von 4.000,-- DM aufgegeben. Mit Schriftsatz vom 22.11.2000 (Bl. 277 f.) hat der Kläger gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 14.8.2000 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig sowie mit Schriftsatz vom 20.12.2000 (Bl. 293 f.) begründet. Das Landgericht Augsburg hat mit Beschluß vom 23.1.2001 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

1. Über die Prozeßfähigkeit einer Partei ist im Freibeweisverfahren zu entscheiden (BGH VersR 96, 1038 = BGH NJW 96, 1059). Der vom Landgericht am 14.8.2000 erlassene Beweisbeschluß war folglich nicht erforderlich. Unabhängig davon sind Beweisbeschlüsse gemäß § 355 Abs. 2 ZPO unanfechtbar (vgl. auch Baumbach § 358 ZPO Rn. 6; Zöller § 358 ZPO Rn. 4 und § 355 ZPO Rn. 7).

2. Eine Anfechtung von Beweisbeschlüssen kann gemäß § 252 ZPO in Betracht kommen, wenn eine Beweisaufnahme, etwa bei einer Beweisanordnung gemäß § 364, ZPO, praktisch zum Verfahrensstillstand führen würde, da sie erst nach erheblichem Zeitablauf durchzuführen ist (Zöller § 252 ZPO Rn. 1 a; Baumbach § 358 ZPO Rn. 6). Dies kommt hier jedoch nicht in Betracht, da die Begutachtung des Klägers sofort durchführbar ist. Darauf, daß diese, wie die Erholung eines Sachverständigenbeweises im Regelfall, eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, kommt es nicht an.

3. Desweiteren ist die Beschwerde gegen eine nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbare Entscheidung nach zu Gewohnheitsrecht erstarktem Gerichtsgebrauch wegen sogenannter greifbarer Gesetzwidrigkeit dann statthaft, wenn eine Entscheidung dieser Art, dieses Inhalts oder von diesem Gericht jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, sie also mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbart ist (Baumbach § 567 ZPO Rn. 6).

Die Entscheidung des Landgerichts Augsburg ist zwar fehlerhaft, eine greifbare Gesetzwidrigkeit im vorgenannten Sinn läßt sich jedoch jedenfalls derzeit nicht feststellen. Das Gericht ist gehalten, da es um eine Prozeßvoraussetzung geht, die Beweise über die Prozeßfähigkeit des Klägers von Amts wegen zu erheben (BGH a.a.O.). Das hat zur Folge, insofern ist die Entscheidung des Landgerichts fehlerhaft, dass kein Kostenvorschuß verlangt werden darf (Zöller § 402 ZPO Rn. 8, § 397 ZPO Rn. 3; Baumbach § 402 ZPO Rn. 2, § 379 ZPO Rn. 3). Vielmehr muß das Gericht erforderliche Beweise von Amts wegen, d. h. unabhängig von etwaigen Beweisanträgen, ohne Kostenvorschuß erheben. Den Kläger trifft insoweit zwar eine objektive Beweislast dahingehend, daß er das prozessuale Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozeßfähigkeit trägt. Eine subjektive Beweisführungslast obliegt ihm jedoch nicht (BGH a.a.O.). Eine Abweisung der Klage wegen fehlender Prozeßfähigkeit kommt folglich erst in Betracht, wenn nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen von Amts wegen nicht geklärt werden kann, ob der Kläger prozeßfähig ist. Insbesondere kann eine dem Kläger nachteilige Entscheidung zur Prozeßfähigkeit nicht auf fehlende Kostenvorschüsse oder Beweisanträge gestützt werden, anderenfalls an §§ 538, 539 ZPO zu denken wäre.

Der Umstand, daß das Landgericht übersehen hat, daß die Beweise zur Prozeßfähigkeit des Klägers von Amts wegen und deshalb ohne Einforderung von Kostenvorschüssen zu erheben sind, begründet jedoch bisher keine greifbare Gesetzwidrigkeit im vorgenannten Sinn.

Die Beschwerde war folglich als unzulässig zu verwerfen. Allerdings darf dem Kläger, sofern eine Würdigung der von den Parteien bisher vorgelegten Beweismittel ergeben sollte, dass eine Begutachtung der Prozeßfähigkeit des Klägers erforderlich ist, für diese kein Vorschuß, abverlangt werden.

Ende der Entscheidung

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