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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 03.11.1999
Aktenzeichen: 1 Ws 573/99
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f II Ziffer 2
56 f II Ziffer 2 StGB

Wer in der Bewährungszeit eine Straftat begeht, kann grundsätzlich nicht erwarten, daß dies ohne Folgen für die Strafaussetzung zur Bewährung bleibt. Sein Vertrauen darauf, die Bewährungszeit sei nicht verlängert worden, ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn er den Zugang des Verlängerungsbeschlusses durch bewährungswidriges Verhalten (hier: Nichterreichbarkeit für das Gericht) schuldhaft vereitelt hat.

OLG München Beschluß 03.11.1999 - 1 Ws 573/99 -


Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 21. Juli 1999 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich des Strafrestes beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ... gegen den Beschluß der ... wird als unbegründet kostenfällig verworfen.

Gründe:

I.

Das ... hat den Beschwerdeführer am 25.10.1993 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt und die Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt ....

Nach Widerruf der Bewährung und Verbüßung von zwei Dritteln dieser Strafe hat die ... Strafvollstreckungskammer des ... am 25.4.1995 die Vollstreckung des letzten Drittels ab dem 21.5.1995 erneut zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt und den Verurteilten u.a. angewiesen, jeden Wohnsitzwechsel innerhalb der Bewährungszeit unaufgefordert binnen 2 Wochen schriftlich mitzuteilen.

Wegen einschlägiger Neustraftat hat sie die Bewährungszeit am 15.1.1998 um 1 Jahr - auf insgesamt 4 Jahre - bis einschließlich 20.5.1999 verlängert.

Am 16.6.1999 hat sie die Bewährung widerrufen, nachdem der Verurteilte innerhalb der verlängerten Bewährungszeit zahlreiche weitere Straftaten begangen hatte.

Gegen diesen dem Verteidiger am 18.6.1999 zugestellten Beschluß hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 25.6.1999, der am gleichen Tag beim Landgericht ... eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft ... hat beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verurteilte habe die neuen Straftaten nach Ablauf der ursprünglich auf 3 Jahre festgesetzten Bewährungszeit begangen und es sei nicht ersichtlich, daß er von der Verlängerung der Bewährung jemals Kenntnis erlangt habe.

II.

Das nach §§ 453 Abs. 2 S. 3, 311 Abs. 2, 306 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach §§ 57 Abs. 3 Halbsatz 1, 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht- die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrundelag, sich nicht erfüllt hat.

Ein solcher Fall ist hier gegeben: Der Beschwerdeführer hat vom 28.5. bis zum 19.9.1998, also innerhalb der verlängerten Bewährungszeit, nicht weniger als 11 Zechprellereien begangen und ist in einem Fall fahrlässig alkoholisiert sowie in 6 weiteren vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis mit einem Pkw auf öffentlichen Straßen gefahren. Das Amtsgericht ... hat deshalb am 22.3.1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt .... Allerdings ist dieses Urteil noch nicht rechtskräftig, weil der Angeklagte Berufung eingelegt hat. Nach h.M., der der Senat folgt, (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., RdNr. 3 b zu § 56 f StGB), steht dies dem Bewährungswiderruf jedoch nicht entgegen, wenn die Tatbegehung zur Überzeugung des Widerrufsgerichts feststeht. So liegt der Fall hier. Der Angeklagte war ausweislich der Urteilsgründe (vgl. UA Abschn. III, Ziffer 3) in allen Punkten voll geständig und wäre auch durch anderweitige Beweismittel zu überführen gewesen. Vernünftige Zweifel an seiner Schuld bestehen deshalb nicht.

Mildere Maßnahmen als Ersatz für den Bewährungswiderruf (§ 56 f Abs. 2 StGB) kommen schon wegen der Vorstrafen und des besonders krassen Versagens des Beschwerdeführers in der Bewährungszeit nicht in Betracht. Bereits vor der Verlängerung der Bewährungszeit ist er wegen Diebstahl (Tz. 7.4.1996) und Betrug (Tz. 2.9.1997) in Erscheinung getreten und mußte jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt werden. Die ihm damals gegebenen Bewährungschancen haben ihn ebensowenig beeindruckt wie die Reststrafenbewährung in dem hier gegenständlichen Verfahren.

Die Bedenken der Staatsanwaltschaft gegen die Zulässigkeit des Bewährungswiderrufs greifen nicht durch. Allerdings hat der Beschwerdeführer seine neuen Straftaten nach Ablauf der ursprünglich auf 3 Jahre festgesetzten Bewährungszeit begangen und von der Verlängerung auf 4 Jahre durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 15.1.1998 höchstwahrscheinlich nichts gewußt. Für die Wirksamkeit der Bewährungszeitverlängerung war dies aber auch nicht erforderlich (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., RdNr. 9 vor § 33 StPO). Eine förmliche Zustellung des Verlängerungsbeschlusses war ohnehin nicht veranlaßt. Der Senat verkennt nicht, daß die Bewährung Warnfunktion hat und der Verurteilte deshalb wissen muß, daß er unter Bewährung steht. Hieraus folgt aber noch nicht, daß Unkenntnis von der Verlängerung der Bewährungszeit zwangsläufig und immer seiner Entschuldigung dient. Wer in der Bewährungszeit eine Straftat begeht, kann nämlich grundsätzlich nicht darauf vertrauen, daß dies ohne Folgen für die Strafaussetzung zur Bewährung bleibt. Er muß in aller Regel mit dem Widerruf der Bewährung, zumindest aber mit der Verlängerung der Bewährungszeit oder sonstigen Präventivmaßnahmen (vgl. 56 f Abs. 2 StGB) rechnen. Sein Vertrauen darauf, die Bewährungszeit sei nicht verlängert worden, ist jedenfalls dann schutzunwürdig, wenn er den Zugang des Verlängerungsbeschlusses durch bewährungswidriges Verhalten schuldhaft vereitelt hat.

So liegt der Fall hier: Der Beschwerdeführer hat am 7.4.1996, also noch vor Ablauf der ursprünglich auf 3 Jahre festgesetzten Bewährungszeit, einen Gelddiebstahl begangen, weswegen ihn das Amtsgericht ... am 26.8.1997 zu 4 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilte. Er kannte somit die Tatsachen, die die Verlängerung seiner Bewährung geboten und rechtfertigten. Das entsprechende gerichtliche Anhörungsschreiben der Strafvollstreckungskammer und den Verlängerungsbeschluß vom 15.1.1998 hat er nur deshalb nicht erhalten, weil er unter den zuletzt bekannten Anschriften ... nicht mehr erreichbar war. Entgegen der Weisung aus dem Bewährungsbeschluß vom 25.4.1995 und trotz ausdrücklicher Belehrung bei seiner bedingten Entlassung am 19.5.1995 hat er der Strafvollstreckungskammer seinen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt. Die Unkenntnis von der Bewährungszeitverlängerung hat er sich deshalb selbst zuzuschreiben. Auf Nichtwissen und Vertrauensschutz kann er sich nicht berufen und er hat dies bislang auch noch nicht getan.

Seine sofortige Beschwerde mußte deshalb mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet verworfen werden.

Die mit der Einlegung in Aussicht gestellte alsbaldige Begründung des Rechtsmittels ist bislang nicht erfolgt. Ein weiteres Zuwarten hält der Senat nicht für veranlaßt, zumal entscheidungserheblicher Sachvortrag nicht zu erwarten ist.

Ende der Entscheidung

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