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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 10 U 4908/08
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1 S. 2
BGB § 280 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 10 U 4908/08

Verkündet am 29.05.2009

wegen Forderung

In dem Rechtsstreit

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2009 folgendes

Endurteil:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers vom 15.10.2008 gegen das Endurteil des LG München I vom 09.09.2008 (Az. 12 O 17079/07) wird zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ersatzansprüche aus einer Fahrzeugvollversicherung nach einem Unfall in der Türkei geltend. Der Kläger schloss bei der Beklagten für seinen Pkw Mercedes Benz C 180 Esprit, amtl. Kennzeichen ... eine Haftpflichtversicherung und eine Fahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 650 DM ab. Auf Antrag des Klägers vom 19.09.2000 kam am 03.11.2000 der Vertrag zustande, Versicherungsscheinnummer ... Dem Vertrag lagen die AKB der Beklagten, Stand 01.04.2000 (Anl. zu Bl. 133 d.A.) zu Grunde. Diese sahen in § 13 III für die Fahrzeugversicherung vor, dass Rest- und Altteile, wozu auch das unreparierte Fahrzeug zählt, beim Versicherungsnehmer verbleiben und zum Veräußerungswert auf die Ersatzleistung angerechnet werden. Der Vertrag enthält in türkischer und deutscher Sprache einen Hinweis auf Unterschiede hinsichtlich des Umfanges des Versicherungsschutzes in der Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung. In der deutschen Übersetzung heißt es: "(Für den asiatischen Teil der Türkei besteht Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ebenfalls mit den in diesem Vertrag vereinbarten Versicherungssummen. In der Fahrzeug-, Kraftfahrtunfall- und Gepäckversicherung besteht aber dort kein Versicherungsschutz). Eine auf Veranlassung des Klägers angefertigte Übersetzung eines vereidigten Übersetzers (Anl. zu Bl. 105 d.A.) lautet: "Die im Kraftfahrzeug - Haftpflichtversicherungsvertrag vereinbarten Versicherungssummen gelten für den asiatischen Teil der Türkei ebenso. Jedoch in den Versicherungen für Fahrzeug, Fahrzeugunfall und Gepäckgegenstände besteht dort kein Versicherungsschutz". Eine dem Kläger übersandte "Grüne Karte", gültig ab 07.07.2005 (Anl. K 6) enthält den Hinweis, dass Versicherungsschutz außerhalb Europas nur in der Haftpflichtversicherung, nicht in der Fahrzeugversicherung besteht. Am 14.08.2005 erlitt der Kläger in der Nähe von Konya -zwischen Ankara und Alanya gelegen - einen Verkehrsunfall, bei welchem der Pkw total beschädigt wurde (Fotos Anlage zu Bl. 34 d.A.). In einer Notiz vom 15.08.2005, 11.19 Uhr in der elektronischen Akte des Zeugen B., Gruppenleiter in der Schadensabteilung der Beklagten, ist zum Inhalt eines Anrufes seitens des Bruders des Klägers vermerkt, dass sich der Unfall im europäischen Teil der Türkei ereignet haben soll, in der Folgezeit fanden mehrere Telefonate zwischen Angehörigen des Klägers und Sachbearbeitern der Beklagten statt. Der Pkw wurde sodann durch Übereignung an den türkischen Zoll seitens des Klägers verschrottet. Mit Schreiben vom 05.09.2005 (Anl. K 5 zur Klage) lehnte die Beklagte Ersatzansprüche des Klägers ab.

Die Klagepartei ließ vortragen, bei Abschluss des Vollkaskovertrages im September 2000 habe der Kläger explizit die Mitarbeiterin der Beklagten befragt, ob auch ein Versicherungsschutz für den asiatischen Teil der Türkei vorliege, was bejaht worden sei. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass der Versicherungsschutz aus der Kaskoversicherung Schadensfälle, die sich im asiatischen Teil der Türkei ereignen, ausschließt. In allen Telefonaten mit der Beklagten sei darauf hingewiesen worden, dass sich der Unfall in Anatolien, also im asiatischen Teil der Türkei ereignet habe. Hätte ihn die Sachbearbeiterin der Beklagten nicht angewiesen, das Fahrzeug zu verschrotten, hätte er es zum Restwert von 8.550 € in der Türkei verkaufen können. In erster Instanz begehrte der Kläger zunächst Ersatz des Wiederbeschaffungswertes (9.025 €) zuzüglich Sachverständigenkosten (115,24 €) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und nach Teil-Klagerücknahme (Schriftsatz vom 18.02.2008 = Bl. 34 d.A.) Ersatz des Restwertes in Höhe von 8.550 € zuzüglich Anwaltskosten.

Die Beklagte trägt vor, dass ihre Mitarbeiterin auch den Kläger darauf hingewiesen habe, dass in der Kaskoversicherung im asiatischen Teil der Türkei kein Versicherungsschutz bestehe. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass das Fahrzeug, da ein Totalschaden vorliege, verschrottet oder in der Türkei verkauft werden könne.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 09.09.2008 (Bl. 91/95 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme (Protokoll vom 08.07.2008 = Bl. 52/65 d.A.) die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Klagepartei am 18.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht am 16.10.2008 eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt (Bl. 100/101 d.A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht am 18.11.2008 eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten (Bl. 105/110 d.A.) begründet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.135,42 €, hilfsweise 8550 € jeweils nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz heraus seit dem 14.08.2005 zu bezahlen,

die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 775,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerhöhung hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 13.03.2009 (Bl. 124/126 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen D. Ö.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.05.2009 verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 07.12.2008 (Bl. 1127114 d.A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 16.04.2009 (Bl. 133 d.A.) und der Beklagten vom 07.01.2009 (Bl. 115 d.A.), vom 03.04.2009 (Bl. 130 d.A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 13.02.2009 (Bl. 119/122 d.A.) und vom 29.05.2009 sowie die Hinweisverfügung vom 02.12.2008 Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinerlei Erfolg.

I. Die Berufung der Klagepartei bedurfte der mündlichen Verhandlung, da das Landgericht die Prüfung einer Aufklärungspflichtverletzung bei den Vertragsverhandlungen, welche einer Beweiswürdigung bedurft hätte, im Hinblick auf die dem Kläger übersandten Vertragsunterlagen dahingestellt sein ließ, ohne zu klären, ob der Kläger vom vertraglichen Ausschluss des Versicherungsschutzes in der Kaskoversicherung vor dem Unfall Kenntnis nahm.

1. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass nach den vertraglichen Vereinbarungen, die im Übrigen klar und unmissverständlich sind, für den vorliegenden Unfall kein Versicherungsschutz besteht.

2. Soweit die Klagepartei behaupten ließ, die Beklagte habe nach Eintritt des Versicherungsfalles den Eindruck erweckt, sie werde Ersatz leisten und habe durch ihre Verschrottungsanweisung verhindert, dass der Kläger den Restwert von 8.550 € durch Verkauf in der Türkei erziele, ist das Landgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die insoweit beweispflichtige Klagepartei für ihr Vorbringen beweisfällig geblieben ist. Auch die Ehefrau des Klägers hat nicht bestätigt, dass das Fahrzeug, insbesondere durch Übereignung an den türkischen Zoll verschrottet werden "muss".

3. Eine Aufklärungspflichtverletzung liegt nicht vor. Der Senat ist nach durchgeführter Beweisaufnahme davon überzeugt, dass anlässlich der Verhandlungen mit der Mitarbeiterin K. der Beklagten überhaupt nicht darüber gesprochen wurde, dass der Kläger Versicherungsschutz für die Türkei benötigt. Nach den Angaben des Bruders des Klägers, die der Senat in vollem Umfang glaubt, führte der Zeuge D. Ö., der seinen Angaben nach seinerzeit Frau K. gut verstand, das Gespräch mit dieser und bat um einen Haftpflicht- und einen Vollkaskoversicherungsvertrag für sich und den Kläger. Der Zeuge hat trotz mehrfacher Nachfrage überzeugend dargestellt, dass zwar zwischen ihm und seinem Bruder in türkischer Sprache erörtert worden sei, dass man umfassenden Versicherungsschutz auch für Urlaubsfahrten in die Türkei wolle, um "auf der sicheren Seite" zu sein, dass aber mit Frau K. hierüber nicht gesprochen wurde und auch nicht dass der Kläger oder der Zeuge mit dem Auto in den Urlaub in die Türkei fahren wollen, das Wort Türkei überhaupt nicht fiel und über Unterschiede in der Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung nicht gesprochen wurde. Der in erster Instanz insoweit abweichend protokollierte Inhalt der Angaben des Zeugen beruht mithin auf einem Missverständnis begründet in der fehlenden Differenzierung zwischen den Gesprächen zwischen dem Kläger und seinem Bruder einerseits und zwischen Frau K. und den Brüdern Ö. andererseits. Es wäre mithin Sache des Klägers gewesen, sich den Versicherungsvertrag und den auch in türkischer Sprache erteilten Hinweis zum Versicherungsumfang durchzulesen. Alleine aus dem Umstand, dass ein türkischer Staatsangehöriger, der in Anatolien geboren ist und in München seinen ständigen Wohnsitz hat, für sein im München zugelassenes Fahrzeug eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung abschließt, folgt noch keine Aufklärungspflicht dahin, die im Vertrag kenntlich gemachten Unterschiede gesondert darzustellen (vgl. BGH, Urteil v. 13.04.2005, Az. IV ZR 86/04).

Aus der Zusendung der Grünen Karte - die Klagepartei hat schon nicht vorgetragen, dass dies im Hinblick auf die bevorstehende Reise nach Konya vom Kläger beantragt worden wäre, ergibt sich ebenfalls nichts zu Gunsten der Klagepartei. Die Grüne Karte enthält nämlich den deutlichen Hinweis, dass außerhalb Europas in der Fahrzeugversicherung kein Versicherungsschutz besteht (BGHZ 40, 22).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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