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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: 11 W 2078/07
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV, BRAGO


Vorschriften:

RVG § 21 Abs. 1
RVG § 61 Abs. 1
RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 6
BRAGO § 15 Abs. 1
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
Ist ein vor dem 01.07.2004 anhängig gewesenes Verfahren nach diesem Stichtag durch das Rechtsmittelgericht an das schon vorher mit der Sache befasste Gericht zurückverwiesen worden, ist die vor der Zurückverweisung dem Prozessbevollmächtigten erwachsene Prozessgebühr auf die nach der Zurückverweisung entstandene Verfahrensgebühr in entsprechender Anwendung der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG anzurechnen. Die danach verbleibende Differenz - regelmäßig in Höhe einer 0,3 Gebühr - kann im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden.
11 W 2078/07

In Sachen

wegen Forderung

hier: Kostenfestsetzung

erlässt der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 30.04.2007 am 02.10.2007 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts München I vom 30.04.2007 werden die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten der Berufungsinstanz auf 8.534,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.02.2007 festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Gerichtskosten trägt die Beklagte.

IV. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

V. Der Wert der Beschwerde beträgt bis 300,- €.

Gründe:

I.

Nach dem rechtskräftigen Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 31.01.2006 (Az.: 9 U 4028/02) tragen von den Kosten des Rechtsstreits die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten in I. Instanz entstandenen Kosten, welche die Beklagte zu tragen hat. Das vorausgegangene Urteil des Berufungsgerichts vom 24.06.2003 hatte der BGH mit Urteil vom 25.11.2004 (NJW 05, 678) aufgehoben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat mit Beschluss vom 30.04.2007 die von der Klägerin an die Beklagte nach Ausgleichung zu erstattenden Kosten der Berufungsinstanz - vor und nach Zurückverweisung - auf 8.391,47 € festgesetzt. Dagegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die von der Klägerin zu erstattenden Kosten der Berufungsinstanz auf 8.687,77 € festzusetzen. Sie wendet sich dagegen, dass für das Berufungsverfahren nach der Zurückverweisung durch den BGH eine Verfahrensgebühr auch nicht teilweise berücksichtigt worden ist. Nach Meinung der Beklagten ist zwar die vor der Zurückverweisung für ihre Prozessbevollmächtigten angefallene 13/10 Prozessgebühr in Höhe von 2.667,60 € auf die nach der Zurückverweisung entstandene 1,6 Verfahrensgebühr von 3.094,40 € anzurechnen. Die danach verbleibende Differenz von 426,80 € sei aber bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen.

Soweit die Beklagte in der Beschwerdeschrift vom 18.05.2007 erstmals eine Auslagenpauschale von 20,- € für das Berufungsverfahren vor der Zurückverweisung geltend gemacht hat, hat die Rechtspflegerin dies als Nachfestsetzungsantrag behandelt und mit Beschluss vom 04.08.2007 weitere von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten von 13.33 € festgesetzt. Im Übrigen hat sie der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO) und teilweise auch begründet.

1. Für die den Prozessbevollmächtigten der Parteien in der Berufungsinstanz bis zur Verkündung des Urteils vom 24.06.2003 erwachsenen Gebühren sind nach § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG die Vorschriften der BRAGO weiter anzuwenden. Danach ist für die Prozessbevollmächtigten in der Berufungsinstanz zunächst gemäß §§ 11 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr., 1 BRAGO eine 13/10 Prozessgebühr angefallen, die nach dem vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 15.09.2003 festgesetzten Streitwert (232.629,16 €) 2.667,60 € beträgt.

2. Für die nach der Zurückverweisung durch das Urteil des BGH vom 25.11.2004 im weiteren Berufungsverfahren angefallenen Anwaltsgebühren sind dagegen die Vorschriften des am 01.07.2004 in Kraft getretenen RVG anzuwenden, wie sich aus § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 21 Abs. 1 RVG ergibt (Müller-Rabe in NJW 05, 1609, 1616; N. Schneider in AnwK-RVG, 3. Aufl., § 61 Rdnr. 5; derselbe in Hansen/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 19 Rdnr. 123; zu der entsprechenden Regelung in §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 134 Abs. 1 Satz 2 BRAGO: OLG Hamburg JurBüro 77, 201; OLG Bamberg JurBüro 80, 537; OLG Stuttgart JurBüro 89, 1404; OLG Zweibrücken JurBüro 00, 21). Danach handelt es sich bei dem aufgrund der Zurückverweisung durchgeführten weiteren Berufungsverfahren um einen neuen Rechtszug, in dem für die Prozessbevollmächtigten die Gebühren nach Maßgabe des RVG erneut angefallen sind (§§ 15 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 1 RVG), und zwar aus dem vom Berufungsgericht im Urteil vor 31.01.2006 festgesetzten Streitwert von 221.085,82 €.

a) Für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist somit nach der Zurückverweisung außer der 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3202 VV-RVG) eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG in Höhe von 3.094,40 € entstanden. Auf diese ist in entsprechender Anwendung der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG - wie von der Beklagten geltend gemacht- die vor der Zurückverweisung angefallene 13/10 Prozessgebühr von 2.667,60 € anzurechnen. Die entsprechende Anwendung der Anrechnungsbestimmung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG in Übergangsfällen der vorliegenden Art erscheint deshalb sach- und interessengerecht, weil die Prozessgebühr (§ 31 Abs.1 Nr. 1 BRAGO) und die Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV-RVG denselben Abgeltungsbereich haben, nämlich "das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" (vgl. BGH JurBüro 07, 420 zur Anwendbarkeit der Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV-RVG in Übergangsfällen). Die nach dieser Anrechnung verbleibende Differenz von 426,80 € (0,3 Verfahrensgebühr) schuldet die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten (Müller-Rabe, a.a.O.; N. Schneider a.a.O.) und kann deshalb diesen Differenzbetrag auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die von Madert (in Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 60 Rdnr. 81 a.E.) vertretene gegenteilige Auffassung, auf welche sich die Vorinstanz berufen hat, ist abzulehnen. Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Geltung der BRAGO zu der übergangsrechtlichen Vorschrift des § 134 Abs. 1 BRAGO die Auffassung vertreten worden ist, dass nach Zurückverweisung eines Verfahrens an die Vorinstanz und einer während des Rechtsmittelverfahrens in Kraft getretenen Änderung des anwaltlichen Gebührenrechts der Rechtsanwalt keinen Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zwischen der Prozessgebühr nach altem Recht und der (höheren) nach dem neuem Recht habe (OLG Hamburg JurBüro 77, 201; OLG Bamberg JurBüro 80, 537; OLG Stuttgart JurBüro 89, 1404), beruht dies auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (in der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung). Danach entsteht nach einer Zurückverweisung an das schon vorher mit der Sache befasste Gericht für den Rechtsanwalt die Prozessgebühr nicht erneut. Eine solche Einschränkung enthält § 21 Abs. 1 RVG, der § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO entspricht, dagegen nicht. Vielmehr ist nach der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG, die an die Stelle des § 15 Abs. 1 Satz 2 BRAGO getreten ist, nur eine Anrechnung der vor der Zurückverweisung entstandenen Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren vorgeschrieben. Aus dieser Anrechnungsbestimmung ergibt sich aber gerade, dass die Verfahrensgebühr nach einer Zurückverweisung - auch an das schon vorher mit der Sache befasste Gericht - erneut entsteht.

b) Die im vorliegenden Fall nach der Zurückverweisung durch den BGH in der Berufungsinstanz erneut entstandene und nach Anrechnung entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG den Prozessbevollmächtigten verbleibende 0,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 426,80 € ist im Rahmen des Kostenausgleichs nach § 106 Abs. 1 ZPO allerdings nicht nur auf Seite der Beklagten zu berücksichtigen, sondern auch auf Seite der Klägerin, wie diese mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.07.2007 hilfsweise geltend gemacht hat (vgl. auch BGH NJW 06, 157 unter Ziffer 3). Die Klägerin hat deshalb weitere 142,27 € (1/3 von 426,80 €) an die Beklagte zu erstatten. Dementsprechend war der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.04.2007 abzuändern.

Der im Wege der Nachfestsetzung ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.08.2007 (in Höhe weiterer 13,83 €) bleibt davon unberührt.

3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Gerichtskosten sind nur angefallen, soweit die sofortige Beschwerde zurückgewiesen worden ist (§ 1812 KV-GKG). Diese sind deshalb allein von der Beklagten zu tragen. Im Hinblick auf den Teilerfolg der sofortigen Beschwerde war die Gerichtsgebühr aber auf die Hälfte zu ermäßigen (Nr. 1812 KV-GKG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

4. Abschließend wird zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass bezüglich der sofortigen Beschwerde der Klägerin vom 14.08.2007 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 03.08.2007 zunächst eine Abhilfeentscheidung gemäß § 572 Abs. 1 ZPO durch das Landgericht zu treffen ist, das auch über den - insoweit vorrangigen - Berichtigungsantrag gemäß § 319 Abs. 1 ZPO zu entscheiden hat.

Ende der Entscheidung

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