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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.09.2003
Aktenzeichen: 13 W 2082/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 4
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 411 Abs. 4
Der Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen ist auch im Falle des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der Regel binnen zwei Wochen zu stellen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 13 W 2082/03

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hier: sofortige Beschwerde betreffend Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen

erläßt der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den unterzeichnenden Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 02. September 2003 folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Landshut vom 25.07.2003 wird als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 107.113,60 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Klage einer Bauherrin auf Rückzahlung von geleisteten Teilbeträgen, da nach ihrer Behauptung die von der Beklagten errichtete Werkhalle unbrauchbar sei. Am 28.02.2002 erließ das Landgericht Landshut folgenden Beweisbeschluß:

Es ist Beweis zu erheben über folgende Behauptungen der Beklagten:

- Sie habe zur Erbringung ihrer Werkleistungen mit einem Wert von 162.968,40 DM erbracht. Insbesondere habe sie die bestellten Eisenteile so bearbeitet, daß eine Aufstellung der Halle ohne Weiteres möglich sei;

- Durch die von dem Zeugen L vorgenommenen Änderungen an der Planung sei die Erstellung einer neuen Statik mit erneuter Prüfung notwendig geworden;

durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Der Sachverständige Prof. Dr. W kam in seinem Gutachten vom 20.03.2003 in seinen "Vorbemerkungen" zu dem Zwischenergebnis, daß der Betrieb der Beklagten nicht über den für Konstruktionen dieser Art erforderlichen Eignungsnachweis nach DIN 18800 verfüge und deshalb Hallen dieser Art nicht aufstellen dürfe. Im Hauptteil des Gutachtens wird sodann auf die Fragen des Beweisbeschlusses eingegangen.

Das Gutachten war dem Beklagtenvertreter mit Terminsladung am 24.02.2003 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 13. März, eingegangen am selben Tage, ließ die Beklagte Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit stellen, da sich der Sachverständige unzulässig mit einer Rechtsfrage außerhalb des Beweisbeschlusses beschäftigt und daher die eigentlichen Beweisfragen nur oberflächlich und höchst unvollständig bearbeitet habe.

Das Landgericht Landshut hat den Antrag mit Beschluß vom 25.07.2003 als unzulässig und unbegründet abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im übrigen zulässig (5 569 ZPO), jedoch unbegründet. Nach Auffassung des Senats wurde nämlich der Ablehnungsantrag nicht unverzüglich im Sinne des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestellt, und es wurden auch keine Entschuldigungsgründe glaubhaft gemacht, so daß der Ablehnungsantrag unzulässig war.

Das Gesetz setzt eine Erklärungsfrist von zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung eines Sachverständigen fest, § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Davon sind vor allem Ablehnungsgründe erfaßt, die sich gegen die Person des Sachverständigen richten. Für sonstige Ablehnungsgründe, die wie im vorliegenden Fall erst im Laufe des Verfahrens entstehen (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO), sieht das Gesetz keine Frist vor. Nach wohl überwiegender Meinung und der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichts München müssen die Ablehnungsgründe auch in diesen Fällen gewöhnlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen vorgebracht werden, vgl. OLG München (1.Senat) OLGR 2003, 58; OLG München (1.Senat) OLGR 2001, 90; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 1433; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 406 Rn. 14: "in aller Regel" zwei Wochen.

Soweit in der Rechtsprechung längere Fristen eingeräumt wurden (BayObLG MDR 1995, 412) beruht dies auf den besonderen Umständen des Einzelfalles oder - wie im Falle OLG Köln, VersR 1989, 210 - auf der bis 01.04.1991 geltenden Fassung des § 406 Abs. 2, die keine bestimmte Frist vorsah. In den vom OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 72, zu entscheidenden Fall war der Antrag erst drei Monate nach Zugang des Gutachtens gestellt worden. Das Gericht brauchte sich deshalb nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO Richtschnur ist und konnte sich wegen der Eindeutigkeit der Verspätung auf die Feststellung beschränken, daß der Antrag "spätestens" mit Ablauf der gesetzten fünfwöchigen Frist zur Stellungnahme hätte gesteift werden müssen; der dort zu entscheidende Fall wies zudem die Besonderheit auf, daß für die Antragstellern umfangreiche Ermittlungen notwendig wurden.

Vorliegend wurde die Zwei-Wochen-Frist lediglich um drei Tage überschritten. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß für das Vorbringen des Ablehnungsgrundes keine eingehende Beschäftigung mit technischen Fragen und keine umfangreichen Recherchen, etwa durch Befragung eines privaten Sachverständigen, erforderlich waren. Vielmehr ist der vorgetragene Angriffspunkt - das ungefragte Eingehen auf einen Befähigungsnachweis der Beklagten - bereits bei kursorischer Sichtung des Gutachtens schnell erkennbar.

Unzutreffend ist das Argument der Beklagten, das Landgericht könne nicht erwarten, daß die Beklagte ihre Ablehnung ausschließlich damit begründe, daß der Sachverständige mit seinem Gutachten vom Beweisbeschluß abgewichen sei, ohne zu der Richtigkeit der gutachterlichen Rechtsausführung Stellung zu nehmen, da beide Angriffspunkte miteinander verbunden seien. Denn zum einen wird im Verfahren über die Befangenheit nicht die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen geprüft, sondern nur, ob objektiv und vernünftig betrachtet, Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen kann (allgemeine Meinung, vgl. statt vieler Thomas-Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rn. 9). Dazu ist kein tieferes Einsteigen in die materielle Richtigkeit der gutachterlichen Aussagen erforderlich, zumal nicht im vorliegenden Fall. Zum anderen ist die Frist nach § 406 Abs. 2 ZPO von der Frist zu trennen, die das Gericht zur Stellungnahme zum Gutachten nach §§ 411 Abs. 4, 296 Abs. 1 und 4 ZPO setzt (was die vorgenannte Entscheidung des OLG Koblenz übersieht). Selbst wenn die Anhörungsfrist, wie üblich, mit mehr als zwei Wochen bemessen würde, hätte dies keinen Einfluß auf den Grundsatz der Zwei-Wochen-Frist (vgl. Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 406 Rn. 11).

Zu berücksichtigen ist schließlich, daß der Gesetzgeber selbst für den Regelfall des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO, also für Ablehnungsgründe in der Person des Sachverständigen, zwei Wochen für ausreichend gehalten hat, obwohl in solchen Fällen regelmäßig zeitraubende Ermittlungen über den benannten Sachverständigen erforderlich werden.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Antrag auf Ablehnung auch unbegründet war. Nach vorläufiger Einschätzung neigt der Senat auch insoweit der Auffassung des Erstgerichts zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht der Klageforderung.

Ende der Entscheidung

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