Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.03.2008
Aktenzeichen: 15 U 4547/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 2050
BGB § 2289
BGB § 2315
BGB § 2346
BGB § 2348
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 15 U 4547/07

verkündet am: 26. März 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wolf und die Richter am Oberlandesgericht Nagorsen und Dr. Knöringer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2008 folgendes Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.07.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich eine schenkweise Zuwendung des Erblassers vom 27.07.1978 (K 3) auf seinen Erbteil nicht anrechnen lassen müsse. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die Feststellung, dass sich der Kläger eine schenkweise Zuwendung aus dem Jahr 1997 in Höhe von DM 600.000,- auf seinen Erbteil anrechnen lassen müsse.

Der Kläger ist der leibliche Sohn, die Beklagte die mit dem Erblasser in dritter Ehe verheiratete Witwe des am 25.07.2003 verstorbenen Erblassers ....

Der Kläger ist aufgrund Erbvertrags vom 04.09.1984 (K 4) Erbe zu 1/4, die Beklagte wurde zuletzt mit privatschriftlichem Testament vom 6.07.1999 (K 5) zur Alleinerbin eingesetzt, was im Hinblick auf den Erbvertrag vom 04.09.1984 zur Erbeinsetzung von nur 3/4 führte.

Am 27.07.1978 schlossen der Erblasser und der Kläger folgende privatschriftliche mit Schenkungsvereinbarung, überschriebene Vereinbarung:

"2. ... hat sich die heutige Schenkung im Betrag von 3,6 Mio. DM auf seinen Erb- oder Pflichtteil am künftigen Nachlass seines Vaters anrechnen zu lassen oder bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung zu bringen, ist aber zur Herauszahlung eines etwaigen Mehrbetrages nicht verpflichtet".

Im Jahre 1997 gewährte der Erblasser dem Kläger eine weitere Zuwendung in Höhe von DM 600.000,- indem er auf Rückgriffsansprüche gegen den Kläger wegen vorangegangener Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft verzichtete. Im Hinblick hierauf fertigte der Kläger am 08.09.1997 folgende privatschriftliche Erklärung (B 1):

"Der Unterzeichner, ... anerkennt die Schenkung erhalten zu haben und erklärt hiermit dem Schenker, ... gegenüber ausdrücklich und unwiderruflich, dass er der Anrechnung der DM 600.000 auf etwaige Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Schenkers zustimmt."

Im privatschriftlichen Testament vom 03.09.1998 (B 5) setzte der Erblasser die Beklagte zu seiner alleinigen Erbin ein und setzte seinen Sohn (den Kläger) und seine Tochter auf den Pflichtteil, wobei er bestimmte:

... sowie meine ... setze ich je auf den Pflichtteil, wobei ja auf ihren Pflichtteil dasjenige anzurechnen ist, was ich ihnen in der Vergangenheit zugewandt habe, auch wenn dadurch der Pflichtteil voll aufgebraucht ist.

Bei meinem ... sind folgende Zuwendungen auf seinen Pflichtteil anzurechnen:

a) DM 3.600.000,-- aus dem Jahr 1978

b) DM 1.800.000,-- aus dem Jahr 1994

c) DM 600.000,-- aus dem Jahr 1997."

Im Testament vom 15.03.1999 (K 5) setzte der Erblasser (erneut) die Beklagte als Alleinerbin ein und bestimmte in Ziffer 3:

... hat in der Vergangenheit Zuwendungen im Betrag von insgesamt DM 6 Mio. erhalten, durch welche sein Pflichtteil, auf den er verzichtet hat, voll aufgebraucht wäre. Lediglich vorsorglich setze ich ihn auf den Pflichtteil."

Im Testament vom 06.07.1999 (K 5) setzte der Erblasser erneut die Beklagte zu seiner Alleinerbin ein.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Anrechnungspflicht auf den Erbfall nicht wirksam, insbesondere nicht formwirksam, getroffen worden sei.

Er hat beantragt zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass sich der Kläger die am 27.07.1978 vom Erblasser ... erfolgte Schenkung auf sein durch Erbvertrag vom 04.09.1984 erhaltenes Erbe nicht anrechnen lassen muss.

Die Beklagte hat Klageabweisung und im Wege der Widerklage beantragt zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass sich der Kläger gemäß der "Zustimmungserklärung zur Anrechnung auf den Pflichtteil" vom 08:09.1997 eine ihm i.H.v. 600.000,-- DM (entspricht: 306.775,13 €) gemachte Zuwendung auf seinen Erbteil anzurechnen lassen hat.

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt.

Die Beklagte ist insbesondere der Ansicht, bei der Schenkungsvereinbarung vom 27.07.1978 handele es sich um einen Vertrag unter Lebenden, dessen Abschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 12.0.9.2006,(Blatt 1/10 d.A.), die Klageerwiderung vom 08.12.2006 (Blatt 16/21 d.A.), die Widerklage vom 24.04.2007 (Blatt 35/46 d.A.) sowie die weiteren erstinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 09.05.2007 (Blatt 67, 68 d.A.) Rechtsanwalt ... als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der uneidlichen Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.05.2007 Bezug genommen (Blatt 69 ff. d.A.).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es ist zur Auffassung gelangt, dass die Anrechnungsvereinbarung vom 27.07.1978 weder analog §§ 2050 ff. BGB noch im Hinblick auf § 2315 I BGB wirksam sei und die vertragliche Regelung einen Teilerbverzichtsvertrag im Sinne von § 2346 BGB darstelle, die gemäß § 2348 BGB formnichtig sei. Gleiches gelte auch für die Anrechnung der DM 600.000,-- gemäß Erklärung des Klägers vom 08.09.1997.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Die vertraglich vereinbarte Anrechnungspflicht stelle schon keinen Erbverzicht im Sinne von § 2346 BGB dar, da ein Verzicht den unmittelbaren Verlust des Erbrechts zur Folge habe, während eine Anrechnung die Erbenstellung unberührt lasse (Blatt 157 d.A.).

Schließlich sei die Anrechnungsvereinbarung Gegenstand einer Schenkungsvereinbarung, für die § 2301 II BGB gelte, so dass nicht die erbrechtlichen, sondern die schenkungsrechtlichen Vorschriften zu gelten hätten, da die Schenkung vom 27.07.1978 sogleich vollzogen worden sei. Mit Vollzug der Schenkung habe auch die Anrechnungsverpflichtung Rechtswirksamkeit erlangt, da sie wesentlicher Bestandteil der Schenkungsvereinbarung gewesen sei.

Schließlich wiederholt die Beklagte ihren Standpunkt, dass eine Anrechnungsvereinbarung als Vertrag sui generis auch unabhängig von erbrechtlichen Vorschriften wirksam getroffen werden könne.

Schließlich ergebe sich eine Anrechnungspflicht auch - nach durchgeführter Auslegung - aus dem Testament vom 15.03.1999 (K 5), dort aus Ziffer 3. Die Beklagte stellt unter Beweis durch Einvernahme der Zeugen ... dass sich der Erblasserwille betreffend Anrechungspflicht auf jedwede erbrechtliche Stellung des Klägers bezogen habe (Blatt 161, 165 d.A.).

Die Beklagte hat beantragt zu erkennen (Blatt 154/155 d.A.):

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 26.07.2007 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Es wird festgestellt, dass sich der Kläger gemäß der "Zustimmungserklärung zur Anrechnung auf den Pflichtteil" vom 08.09.1997 eine ihm in Höhe von DM 600.000,-- (entspricht € 306.775,13) gemachte Zuwendung auf seinen Erbteil anrechnen zu lassen hat.

Der Kläger hat Zurückweisung der Berufung beantragt (Blatt 177 d.A.).

Der Kläger stimmt dem Erstgericht zu (Blatt 177/185 d.A.). Die im Erbvertrag vom 04.09.1984 erfolgte Erbeinsetzung könne auch nicht durch eine einseitige Verfügung von Todes wegen, wie etwa das Testament vom 15.03.1999, eingeschränkt werden.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvortrags wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 19.11.2007 (Blatt 154/169), 31.01.2008 (Blatt 186/193 d.A.) und vom" 11.03.2008 (Blatt 208/216 d.A.) und die des Klägers vom 08.01,2008 (Blatt 177/185 d.A.) und vom 20.02.2008, 17,03.2008 (Blatt 198/207, 217 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da eine wirksame Anrechnungspflicht hinsichtlich der Schenkungen vom 27.07,1978 und aus dem Jahr 1997 nicht besteht. Im Einzelnen:

1. Schenkung (K3) vom 27.07.1978 ( KLAGE ):

a) Hinsichtlich einer direkten oder analogen Anwendung der §§ 2050 ff. BGB wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

b) Eine - wie hier formlose privatschriftliche - Anrechnungsvereinbarung von Vorempfängen auf das künftige Erbrecht ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, weder direkt, noch analog § 2315 BGB möglich. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Erblasser im Falle einer Erbeinsetzung - anders als bei der Pflichtteilsregelung - jederzeit durch neue letztwillige Verfügung die Anrechnung anordnen kann, wie er auch das Erbrecht durch neue Verfügung ändern oder wieder entziehen kann.

c) Der Berufungsangriff, die Anrechnungsvereinbarung vom 27.07.1978 enthalte entgegen dem Landgericht schon begrifflich keinen Erbverzicht im Sinne von § 2346 BGB (Blatt 156 f. d.A.) ist mit den Ausführungen des Reichsgerichts in RGZ 71, 133, 136 unzutreffend. Da die Ausführungen des Reichsgerichts einen tragenden Teil auch der jetzigen Entscheidung bilden, seien sie ausdrucksweise wörtlich zitiert:

"Den Anforderungen, die das Gesetz an den Erbverzicht stellt, muss daher eine bei Lebzeiten des Erblassers von dem Pflichtteilsberechtigten ausgehende Pflichtteilsverringerung nicht nur dann entsprechen, wenn sich der Abkömmling des gesetzlichen Erbrechts und dadurch (§ 2346 Abs. 1 Satz 2) zugleich des Pflichtteilsrechts vollständig begibt, oder wenn der Verzicht unmittelbar das Pflichtteilsrecht zum Gegenstande hat (§ 2346 Abs. 2), sondern diese Anforderungen bestehen ebenso dann, wenn mit erbrechtlicher und insbesondere mit pflichtteilsrechtlicher Wirkung das gesetzliche Erbrecht oder das Pflichtteilsrecht vermindert werden soll. In dieser Beziehung aber macht es wiederum keinen sachlichen Unterschied aus, ob es sich um eine unmittelbare Herabsetzung des Pflichtteilsbetrages handelt oder ob sich der Berechtigte einer Berechnungsweise unterwirft, die auf eine Verkleinerung des Betrages hinführt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte durch einen der Zuwendung nachfolgenden Vertrag mit dem Erblasser die Verpflichtung zur Ausgleichung auf sich nimmt."

Eine Anrechnungsvereinbarung wie die vorliegende im Vertrag vom 27.07.1978 bezweckt und bewirkt bei Wirksamkeit eine Verminderung des Erbrechts, wenn auch nicht der Quote nach, sondern im Ergebnis der Zuwendung. Der Kläger hat im Vertrag vom 27.07.1978 dieser Verminderung - es geht immerhin um den großen Betrag von DM 3,6 Mio.! - sehenden Auges zugestimmt im Bewusstsein darauf, dass sich sein Erbrecht um diesen Betrag im Ergebnis vermindern wird. Mit der Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 71, 136 ist ein solcher Vertrag daher den Vorschriften über einen Erbverzichtsvertrags und mithin der Formvorschrift des § 2348 BGB zu unterwerfen.

d) Die Auffassung der Beklagten, ein privatschriftlicher Vertrag über die erbrechtliche Anrechnungspflicht sei als Vertrag sui generis möglich und verstoße nicht gegen den Typenzwang des Erbrechts, folgt der Senat mit dem Landgericht nicht. Den Argumenten des Landgerichts sei hinzugefügt:

Die §§ 2050 ff, 2315 BGB treffen Sonderregelungen für formlos mögliche Anrechnungsbestimmungen, die im Umkehrschluss ergeben, dass Anrechnungsanordnungen im Übrigen nur in erbrechtlich vorgesehenen Formen und Verfügungen möglich sind.

Auf dieser Prämisse beruhen Entscheidungen des Reichsgerichts und diverse Ausführungen im Schrifttum:

- Eine Anrechnungsvereinbarung, die nach der erfolgten Zuwendung i.S.v. § 2050 f. BGB getroffen wird, erweist sich als Erb- oder Pflichtteilsverzicht, da es als rechtlich gleichwertig anzusehen ist, ob ausdrücklich ein Verzicht in. der Vereinbarung erklärt wird, oder sich der Berechtigte einer Berechnung' unterwirft, wonach sein Erbrecht oder Pflichtteilsrecht vermindert wird, RGZ 71, 133,136; MüKo-BGB, 4. Aufl., § 2346, 16 a.E..

- Die spätere Aufhebung einer getroffenen Ausgleichs-/Anrechnungsanordnung ist nur durch ein Vermächtnis zu Gunsten des Zuwendungsempfänger möglich, Bamberger-Roth, § 2050, 10.

- Soll der gesetzliche Erbteil eines Abkömmlings durch Erlass der Ausgleichspflicht vermehrt werden, kann dies nur in der Form des Erbvertrags geschehen, RGZ 90, 419, 422, 423.

- Will der Erblasser andere als Abkömmlinge zur Ausgleichung heranziehen, muss er dies durch. Vermächtnis (also nicht durch einen rein formlosen schuldrechtlichen Vertrag sui generis, wie die Beklagte meint) zu Gunsten der anderen Miterben tun, also durch letztwillige Verfügung, Palandt-Edenhofer, 67. Aufl., § 2050, 5 m.w.N..

e) Die Anrechnungsvereinbarung vom 27.07.1978 ist nach alledem mangels Einhaltung erbrechtlicher Formvorschriften unwirksam. Aber auch die Testamente des Erblassers vom 03.09.1998 und 15.03.1999 (B 5, K 5), die die Anrechnungspflicht immerhin in erbrechtlichen Formen vorsehen (beim Testament vom 15.03.1999 einmal unterstellt, dass sich Ziffer 3 überhaupt auf das Erbrecht bezieht), führen - aus anderen Gründen wie oben - nicht zu einer wirksamen. Anrechnungspflicht.

Der Kläger wurde durch Erbvertrag vom 04.09.1984 (K 4) zu 1/4 als Erbe eingesetzt. Unstreitig ist diese Erbeinsetzung wirksam erfolgt. Erbvertragliche Regelungen können aber nur sehr eingeschränkt geändert oder aufgehoben werden. Ausnahmen in dieser Richtung greifen vorliegend im Hinblick auf diese beiden Testamente nicht ein:

aa) § 2289 I 2 BGB bestimmt, dass dem Erbvertrag nachfolgende spätere Verfügungen von Todes wegen insoweit unwirksam sind, als sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten (hier: Klägers) beeinträchtigen würden. § 2289 I 2 BGB gilt nur für vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag (Müko-Musielak, 4. Aufl., § 2289, 14), was vorliegend auf die Erbeinsetzung des Klägers ohne jeden Zweifel zutrifft.

Die in den Testamenten vom 03.09.1998 und 15.03.1999 getroffenen Anrechnungsanordnungen stellen nach Sinn und Begriff Beeinträchtigungen im Sinne von § 2289 I dar. Die durch den Erbvertrag dem Bedachten (Kläger) eingeräumte Rechtsstellung wird durch die jüngere letztwillige Verfügung beeinträchtigt, wenn im Falle des Bestehenbleibens dieser Verfügung der Bedachte weniger Rechte erhält, als ihm aufgrund des Erbvertrages zustehen (MüKo-Musielak, 4. Aufl., § 2289, Rn. 10). Eine Beeinträchtigung liegt also vor, wenn die durch den Erbvertrag rechtlich geschützte Stellung des vertragsmäßig Bedachten gegenstandslos, gemindert, belastet oder beschränkt wird (Soergel-Wolf, 13. Aufl., § 2289, 9). Es soll vorliegend dahinstehen, ob auch eine wirtschaftliche Beeinträchtigung genügt oder der Vergleich allein aus rechtlicher Sicht vorzunehmen ist. Jedenfalls liegt eine rechtliche Beeinträchtigung vor, da sich der Kläger bei Wirksamkeit der testamentarisch verfügten Anrechnungsanordnungen von seinem im Erbvertrag ungeschmälerten 1/4-Anteil den Abzug von enormen Beträgen (3,6 Mio. DM und 600.000,- DM) gefallen lassen muss, was im Ergebnis dazu führen würde, dass dem Kläger von seinem erbvertraglich gesicherten Erbteil überhaupt nichts mehr verbliebe, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt haben (und woran auch die Vergleichsbemühungen des Senats im Ergebnis gescheitert sind).

Ob eine spätere letztwillige Verfügung (hier: 03.09.1998, 15.03.1999) eine Beeinträchtigung der erbvertraglich gesicherten Position enthält, bemisst sich nach dem Zeitpunkt des Erbfalls (RGZ 149, 200; Soergel-Wolf, § 2289,10).

bb) Nach § 2291 BGB kann eine im Erbvertrag enthaltene vertragsmässige Verfügung durch nachfolgendes Testament nur insoweit aufgehoben werden, als durch sie ein Vermächtnis oder eine Auflage angeordnet worden ist, was hinsichtlich der Erbeinsetzung des Klägers nicht der Fall ist.

f) Auch das Argument der Beklagten, die Anrechnungsvereinbarung vom 27.07.1978 beurteile sich im Hinblick auf § 2301 Abs. 2 BGB nicht nach Erbrecht, sondern nach Schenkungsrecht, da die Schenkung zu Lebzeiten vollzogen worden sei und die Anrechnungsverpflichtung deren Bestandteil sei, vermag der Senat nicht zu teilen. Zwar ist die Schenkung zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen, nicht aber die Durchführung der Anrechnung. Diese bleibt vielmehr ein Vorgriff auf den noch bevorstehenden Erbfall. Es wird also nicht zu Lebzeiten, sondern von Todes wegen eine Wirkung bezweckt, ein Vollzug im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB liegt also nicht vor.

g) Dem Kläger ist es auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Formunwirksamkeit der Anrechnungsvereinbarung vom 27.07.1978 zu berufen.

Nicht nur der Kläger, sondern insbesondere der Erblasser hatte es umfassend in der Hand, die erbrechtliche Formwidrigkeit in der Vereinbarung vom 27.07.1978 anlässlich der Vereinbarung des Erbvertrags vom 04.09.1984 zu beheben. Die Parteien hätten unschwer - aus ihrer Sicht deklaratorisch, in Wahrheit konstitutiv - in den Erbvertrag die Anrechnungspflicht aufnehmen können. Der Erblasser ist also in keiner Weise um die Möglichkeit gebracht worden, den etwa begangenen Formverstoß zu heilen oder zu beseitigen, so dass heute - im Nachhinein - nicht gesagt werden kann, es stimme bedenklich, wenn sich der Kläger heute auf Formwidrigkeiten beruft, die der Vertragspartner (Erblasser) infolge Vorversterbens nicht mehr ändern kann.

2. Schenkung DM 600.000,-- anno 1997 (WIDERKLAGE):

a) Zustimmungserklärung vom 08.09.1997:

Es kann offen bleiben, ob sich diese vom Kläger und nicht vom Erblasser stammende Verpflichtung gemäß ihrem Wortlaut auf Pflichtteilsansprüche beschränkt (und daher vorliegend überhaupt nicht relevant ist) oder auch auf Erbrecht erstreckt.

Denn, wie oben ausgeführt, enthält die Anrechnungsverpflichtung im Ergebnis eine formbedürftige Erbverzichtserklärung gemäß §§ 2346, 2348 BGB, wobei wie oben auf die Entscheidung RGZ 71, 133, 136 Bezug genommen wird.

Da es hiernach auf die Auslegung nicht ankommt, ob der Erblasser den Willen hatte, dass sich die Anrechnungspflicht auch auf das Erbrecht bezieht, bedurfte es nicht der Einvernahme der Zeugen ....

b) Testamente vom 03.09.1998, 15.03.1999:

Wie unter oben II 1. ausgeführt, enthalten die testamentarischen Anrechnungsanordnungen Beeinträchtigungen im Sinne von § 2289 I BGB zu Lasten des erbvertraglich begünstigten Klägers.

Die erbvertragliche Einsetzung des Klägers ist, da einzige oder hauptsächliche Erklärung im Vertrag vom 04.09.1984, eine vertragsmäßige Verfügung, worauf § 2289 BGB Anwendung findet.

Nach § 2291. BGB kann eine vertragsmäßige Verfügung - wie hier - nur insoweit aufgehoben werden, als sie ein Vermächtnis oder eine Auflage enthält, was hier nicht der Fall ist.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 2 ZPO.

3. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob eine Anrechnungsvereinbarung zu Lasten des künftigen Erbteils auch durch privatschriftlichen Vertrag sui generis erfolgen kann und nicht gegen den Typenzwang des Erbrechts verstößt, ist bislang - soweit ersichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden.

Ende der Entscheidung

Zurück