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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 19 U 5914/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 19 U 5914/05

Verkündet am 30.05.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

erlässt der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2006 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 30.11.2005 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Zusammenhang mit der Beratung und Vermittlung einer Kapitalanlage Schadensersatz.

Der Kläger zeichnete am 24.3.1998 nach einer Anlageberatung durch den Beklagten eine von diesem angebotene Beteiligung als atypisch stiller-Gesellschafter bei der .... Er erbrachte eine Einmalzahlung von DM 10.000.- plus 5 % Agio sowie über einen längeren Zeitraum hinweg monatliche Zahlungen von DM 100.- plus 5 %, Agio. Die monatlichen Zahlungen sollten 30 Jahre lang erfolgen. Mit Anwaltsschreiben vom 29.11.2004 ließ der Kläger sein Beteiligungsverhältnis bei der widerrufen. Außerdem ließ er gegen den Beklagten in dieser Sache Klage erheben. Diese ging beim Landgericht München II am 30.12.2004 ein. Mit der ..., die er ebenfalls verklagt hatte, schloss er im März 2005 einen Vergleich. Die ... verpflichtete sich in diesem Vergleich zu einer Zahlung von € 4.700.-. Es wurde klargestellt, dass mit der Zahlung dieses Betrages die wechselseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten sind.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird im Übrigen Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im Endurteil des Landgerichts München II vom 30.11.2005 genommen.

Das Landgericht München II hat den Beklagten unter Berücksichtigung des Vergleichs, der zwischen dem Kläger und der abgeschlossen worden war, zur Zahlung von € 2.415, 86 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 12.6.2005 verurteilt. Im Übrigen hat es die weitergehende Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat beantragen lassen, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger hat die Zurückweisung der Berufung beantragen lassen.

Das Berufungsgericht hat die Parteien im Termin vom 29.5.2006 angehört.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten führt nicht zum Erfolg, da das von ihm angefochtene landgerichtliche Urteil im Ergebnis richtig ist.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche, da die nach erfolgter Anlageberatung vermittelte Kapitalanlage nicht anlegergerecht gewesen ist, was der Beklagte gewusst hat, zumindest unschwer hätte erkennen können.

Das Berufungsgericht glaubt dem Kläger, dass er eine sichere Anlage als weitere Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rente gewollt hat. Hierfür spricht schon die Anlagedauer von 30 Jahren. Der Kläger ist zum Zeichnungszeitpunkt 35 Jahre alt gewesen, so dass die Auszahlung mit Erreichen des Rentenalters erfolgen sollte. Eine Kapitalanlage, die zum grauen Kapitalmarkt gehört, ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts aber grundsätzlich nicht als Mittel zur Altersvorsorge geeignet. Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger als atypisch stiller Gesellschafter an einem Unternehmen beteiligt. Es hat somit für ihn ein Risiko bestanden, das eingesetzte Kapital teilweise, unter Umständen sogar ganz zu verlieren. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Kläger erkennbar ein Normalverdiener im unteren Bereich gewesen ist, der zur Erbringung der geschuldeten Einmalzahlung von DM 10.000.- seine Kapitallebensversicherung verwerten musste. Das Berufungsgericht glaubt dem Kläger somit auch, dass Steuervorteile für ihn nicht so wichtig gewesen seien. Weitere Kapitalanlagen, die der Altersvorsorge des Klägers hätten dienen können, haben zum damaligen Zeitpunkt nicht bestanden.

Das Berufungsgericht ist auf Grund der Anhörung des Klägers der Überzeugung, dass dieser in Sachen Kapitalanlagen erkennbar unerfahren gewesen ist. Im Termin vom 29.5.2006 hat der Kläger zum Beispiel auf die Frage des Berufungsgerichts nach seinem damaligen Steuersatz seine damalige Lohnsteuerklasse genannt. Mit Begriffen wie grauer Kapitalmarkt und unternehmerische Beteiligung konnte er nichts anfangen. Das Berufungsgericht ist der Überzeugung, dass der Beklagte bei der Beratung des Klägers und bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Kapitalanlage dessen Unerfahrenheit gekannt hat. Sollte der Beklagte dies nicht gewusst haben, dann ist ihm der Vorwurf zu machen, dass er den Kenntnisstand des Klägers in Kapitalanlagen nicht erfragt hat Letzteres ist neben der Ermittlung des Anlageziels unbedingt erforderlich, um eine anlegergerechte Beratung und eine anlegergerechte Kapitalanlagevermittlung durchführen zu können.

Auf Grund der vorgenannten Umstände ist dem Beklagten hinsichtlich der nicht anlegergerecht erfolgten Beratung und hinsichtlich der Vermittlung einer nicht anlegergerechten Kapitalanlage zumindest Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Ein professioneller Anlageberater und -vermittler muss wissen, dass er von sich aus einem Kunden nur solche Kapitalanlagen anbieten darf, die von seinen Anlagezielen und seinem Kenntnisstand her zu diesem passen. Dies bedeutet, dass einem in Kapitalanlagesachen unbedarften Kunden, der eine sichere Anlage zur weiteren Altersvorsorge sucht, keine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter angeboten werden darf.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein solcher Kunde von sich aus eine bestimmte Kapitalanlage machen will und diese Entscheidung trotz umfassender und richtiger Aufklärung über diese Kapitalanlage und über deren Risiken aufrechterhält. In einem solchen Fall sollte sich der Anlageberater und -vermittler vom Kunden schriftlich bestätigen lassen, dass er trotz der erfolgten Warnhinweise auf der Zeichnung dieser Kapitalanlage beharrt hat.

Der Beklagte ist durch den Vergleich, der zwischen der ... und dem Kläger abgeschlossen worden ist, nicht von der Haftung freigestellt worden. Er gehört nach Aktenlage weder zu den Organen noch zu den Angestellten der .... Das Landgericht München II hat somit zu Recht eine beschränkte Gesamtwirkung des Vergleichs angenommen.

Es ist zwar richtig, dass gezogene Steuervorteile im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sind, sofern diese nicht wegen einer Nachversteuerung wegfallen. Die Umstände, die einen Vorteilsausgleich begründen können, sind jedoch grundsätzlich von der Partei vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die sich hierauf beruft. Ein bloßes Berufen auf die Anrechnung von Steuervorteilen - wie es hier geschehen ist - ist nicht ausreichend, um den Gegner im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu veranlassen, zu diesem Punkt vorzutragen. Hier ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger durch den Vergleich und dieses Urteil seinen Schaden nicht vollständig ersetzt bekommt und dass seine Steuervorteile bedingt durch einen niedrigen Steuersatz nicht groß gewesen sein können.

Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, da eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung vorliegt und da das Berufungsgericht, dessen Entscheidung auf der Anhörung der Parteien beruht, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abgewichen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Das Urteil ist nicht rechtsmittelfähig, da die Revision nicht zugelassen worden ist und eine Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft ist.

Ende der Entscheidung

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