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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 21 U 1790/03
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 I
BGB § 1004
StGB § 186
StGB § 193
1. Zur Abgrenzung zwischen Behaupten und Verbreiten und der Bedeutung der Übernahme einer Behauptung als eigene in diesem Zusammenhang.

2. Die Beweislast für die Wahrheit historischer Behauptungen liegt im Rechtsstreit um den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts in der Regel beim Behauptenden. Eine Umkehr der Beweislast aus der in das Zivilrecht transformierten Beweislastregel des § 186 StGB aufgrund sorgfältiger Recherche kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn unmittelbare Zeugen wegen des Zeitablaufs nicht mehr zur Verfügung stehen.

3. Die Beweislast dafür, dass die Ergebnisse einer Recherche zutreffend wiedergegeben sind, liegt grundsätzlich bei dem, der die Ergebnisse der Recherche wiedergibt.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 1790/03

Verkündet am 17. September 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

erlässt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, besetzt mit dem Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seitz und den Richtern am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Klemm, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.8.2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 18.12.2002 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das in Nr. 1 genannte Endurteil in dessen Entscheidungssatz Nr. I dahin ergänzt, dass der Beklagte zusätzlich auch verurteilt wird folgende, weitere Äußerungen zu unterlassen:

"P und seine Nazi-Freunde hätten immer die Aktionen der Nazi-Oberen in den Städten nachahmen wollen."

"Da die Ereignisse lange zurückliegen und die Hauptbeteiligten nicht mehr leben, ist nicht zu erwarten, dass sich ein Zusammenhang zwischen dem Gemälde in der Kirche und dem Auftritt von P Nazi-Trupp nachweisen lassen wird. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass es einen Zusammenhang gibt."

III. Die Beklagten erster Instanz tragen deren Kosten in vollem Umfang. Der Beklagte und Berufungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Kläger in Höhe von 30.000 Euro vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Äußerungen in einem vom Erstbeklagten verfassten und von der Zweitbeklagten verlegten Buch "Bist Du der König der Juden? Die Passionsspiele in Oberammergau."

Die Klägerin zu 1) ist die Ehefrau des im Jahr 1989 verstorbenen Max P sen., der Kläger zu 2) ist dessen Sohn. Max P sen. war im Jahr 1950 bei den Oberammergauer Passionsspielen der Darsteller von Jesus Christus. Später führte er bei diesen Spielen die Regie. Er war im Jahr 1932 in die NSDAP eingetreten und wurde im Jahr 1947 im Rahmen eines Spruchkammerverfahrens als Mitläufer eingestuft und mit einem einmaligen "Beitrag zu einem Wiedergutmachungsfond in Höhe von DM 2.000,-" belegt.

Die Kläger wenden sich im Kern gegen Passagen in dem Buch, wonach Max P sen. im Anschluss an die Reichskristallnacht 1938 zusammen mit anderen jungen Leuten zu einem jüdischen Mitbürger namens Max Peter M, einem Musiklehrer, zu dessen Wohnhaus im Oberammergau hinaufgezogen seien, um Ärger zu machen und dass sie ihn später aus dem Dorf hinausgejagt hätten (S. 158 und folgende des Buchs). Auf den Wortlaut der angegriffenen Äußerungen im Buch, wiedergegeben im landgerichtlichen Urteil S. 6 bis 10, wird Bezug genommen. Der beklagte Verlag hat den Anspruch anerkannt, woraufhin gegen ihn antragsgemäß Anerkenntnisurteil erging; die Kostenentscheidung blieb der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kläger haben in 1. Instanz in Richtung auf den Autor (Beklagter zu 1) beantragt:

Dem Beklagten zu 1) wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von DM 5.- bis zu DM 500.000,-, an dessen Stelle - im Falle der Uneinbringlichkeit - eine Ordnungshaft bis zu sechs 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, in dem Buch "Bist Du der König der Juden?" und/oder in anderen Medien und/oder gegenüber sonstigen Dritten zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen:

1. "Anneliese B erzählte weiter, von ihrer Mutter habe sie gehört, dass in den dreißiger Jahren Anton P und ein Trupp jugendlicher Nazis zu M Haus gezogen seien, um Ärger zu machen und später M aus dem Dorf hinausgejagt hätten.

P war Mitte 20, als er mit dem Nazi-Trupp zu M zog - vor Gericht sprach man später von einer "Judenaktion".

2. "Auf die Frage, ob P und seine Freunde an dem Tag, an dem sie zur Villa W hinaufgingen, M Bücher verbrannten, meinte Anneliese B, dies sei wohl nicht der Fall gewesen - sie hatte gehört, dass seine Sachen durcheinandergeworfen wurden, aber davon, dass man die Bücher verbrannt hätte, war nicht die Rede gewesen.

P und seine Nazifreunde hätten immer die Aktionen der Nazi-Oberen in den Städten nachahmen wollen."

3. "Da die Ereignisse lange zurückliegen und die, Hauptbeteiligten nicht mehr leben, ist nicht zu erwarten, dass sich ein Zusammenhang zwischen dem Gemälde in der Kirche und dem Auftritt von P Nazi-Trupp nachweisen lassen wird. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass es eine Verbindung gab."

Das Landgericht hat die im Buch genannte Anneliese B und die Historikerin Dr. Christine R als Zeugen vernommen und die Spruchkammerakten betreffend Max P sen. und die Akten eines Rechtsstreits der hiesigen Kläger gegen die Zeugin B beigezogen.

Es hat dann den Klageanträgen in der Sache zum Teil stattgegeben wie folgt:

I. Dem Beklagten zu 1) wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von DM 5.-bis zu DM 500.000,-, an dessen Stelle - im Falle der Uneinbringlichkeit - eine Ordnungshaft bis zu sechs 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, in dem Buch "Bist Du der König der Juden?" und/oder in anderen Medien und/oder gegenüber sonstigen Dritten zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen:

1) "Anneliese B erzählte weiter, von ihrer Mutter habe sie gehört, dass in den dreißiger Jahren Anton P und ein Trupp jugendlicher Nazis zu M Haus gezogen seien, um Ärger zu machen und später M aus dem Dorf hinausgejagt hätten.

P war Mitte 20, als er mit dem Nazi-Trupp zu M zog - vor Gericht sprach man später von einer "Judenaktion".

2) "Auf die Frage, ob P und seine Freunde an dem Tag, an dem sie zur Villa W hinaufgingen, M Bücher verbrannten, meinte Anneliese B, dies sei wohl nicht der Fall gewesen - sie hatte gehört, dass seine Sachen durcheinandergeworfen wurden, aber davon, dass man die Bücher verbrannt hätte, war nicht die Rede gewesen."

Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufung des Beklagten zu 1), mit dem Antrag, das Ersturteil aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen, und die Anschlussberufung der Kläger, welche eine Abänderung des Ersturteils auf vollständige Verurteilung entsprechend den erstinstanzlichen Klageanträgen erstreben.

Der Senat hat die beiden vom Landgericht vernommen Zeuginnen erneut vernommen aufgrund der Behauptung des Beklagten, die Zeugin B habe vor ihrer Vernehmung erster Instanz zur Zeugin Dr. R etwas anderes gesagt, als gegenüber dem Landgericht in der Zeugenvernehmung. Auf die Sitzungsniederschriften vom 4.6. und 13.8.2003 wird Bezug genommen.

Gründe:

I.

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Dieses Urteil enthält - in Anwendung der Neufassung der Zivilprozessordnung mit Wirkung ab dem 1.1.2002 - eine kurze Begründung für die teilweise Bestätigung und teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils auf Grund Berufung und Anschlussberufung (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Wesentlicher Ansatzpunkt für die Entscheidung sind die Grundrechte des Beklagten auf Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und Wissenschafts- und Kunstfreiheit und das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, wahrgenommen durch seine Ehefrau und seinen Sohn als nächste Angehörige. Dieses Recht des Verstorbenen steht den streitgegenständlichen Äußerungen auch heute, 14 Jahre nach seinem Tode, entgegen (vgl. Senat NJW-RR 1994, 925 - Schreckliches Mädchen). Dieses Recht verbietet vor allem unwahre oder diffamierende Äußerungen, solange die Erinnerung an den Betreffenden fortbesteht und sein Persönlichkeitsbild dadurch verfälscht oder auf andere Weise erheblich herabgewürdigt wird (vgl. § 189 StGB und Steffen in Löffler, Presserecht 4. Aufl., § 6 LPG Rn. 71). Das Recht der Kläger, dieses postmortale Schutzrecht wahrzunehmen, ergibt sich aus § 77 Abs.2, §194 Abs. 2 StGB. Die zeitliche Grenze des § 22 KUG gilt nicht in dieser Starrheit für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Soehring, Presserecht 3. Aufl., Rn. 13.12).

1. Im erforderlichen Gesamtzusammenhang gesehen hat der Beklagte nicht nur die Äußerungen einer Zeugin vom Hörensagen verbreitet. Er hat vielmehr die von ihm behaupteten Angaben dieser Zeugin als eigene übernommen und damit die Behauptung aufgestellt und sie auch verbreitet. Diese Unterscheidung ist allerdings vorliegend nicht von entscheidender Bedeutung, weil § 186 StGB auch die bloße Verbreitung von ehrenrührigen Behauptungen erfasst und deshalb der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB auch in einem solchen Fall gegeben ist.

a) Von einer (eigenen) Behauptung in einem Medium, auch einem Buch, ist auszugehen, wenn sich der Autor die von ihm verbreitete Behauptung zu eigen gemacht hat. Als eine derart eigene Behauptung gilt es auch, wenn eine Sachdarstellung in der Form einer eingehenden Wiedergabe einer Zeugenaussage gegeben wird, jedenfalls dann, wenn der Leser aber der Gesamtdarstellung den Eindruck entnimmt, Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Behauptung hätten sich nicht ergeben (BGHZ 132, 13 = NJW 1996, 1131 - Der Lohnkiller; vgl. Soehring, a.a.O., Rn. 16.4 und Senat AfP 1997, 636 = NJW 1996, 1487 - Sex-Papst, zu LS 2).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem steht nicht entgegen, dass P im Buch (etwa auf S. 158, 3. Absatz) auch selbst zu Wort kommt und dort wiedergegeben ist, dass er bestreitet, ein Antisemit zu sein. Auf eben dieser Seite des Buchs heißt es im zweiten Absatz nach der Wiedergabe der behaupteten Äußerung der Zeugin B zur Erzählung ihrer Mutter zur Frage einer Beteiligung des Max P an dem Vorfall bei Max P M: "P war Mitte Zwanzig, als er mit denn Nazi-Trupp zu M zog - vor Gericht sprach man später von einer "Judenaktion". Er bleibt damit gerade nicht bei dem Gerücht vom Hörensagen, er übernimmt vielmehr die nur auf dem Hörensagen beruhende und von ihm behauptete Aussage der Zeugin B als Geschehnis. Er stellt damit dar, dass Max P nicht nur dem Hörensagen nach, sondern wirklich mit hinaufgezogen war zu Max Peter M. Der Beklagte unterstützt dies durch die Ausführungen auf S. 159 des Buches, wonach dies nicht der einzige gewalttätige Vorfall in dieser Zeit gewesen sei, an dem P teilgenommen habe.

c) Diese Einordnung wird bestätigt durch den Text auf Seite 161 des Buchs: "Auf die Frage, ob P und seine Freunde an dem Tag, als sie zur Villa W hinaufgingen, M Bücher verbrannten. [Auslassung, siehe Klageanträge] P und seine Freunde hätten immer die Aktionen der Nazi-Oberen in den Städten nachahmen wollen." Auch hier wird das Gerücht, das sich allenfalls aus dem Hörensagen in Oberammergau ergibt, als eigene Behauptung übernommen, als etwas tatsächlich Geschehenes, nicht nur als Vermutung. Nach dieser Darstellung war Max P nicht nur dem Hörensagen nach, sondern real, wirklich, bei dem Vorgehen gegen Max Peter M dabei. Gleiches gilt für die mit dem Klageantrag zu 3. bekämpfte Äußerung. Auf Seite 162 des Buchs heißt es: "Da die Ereignisse lange zurückliegen und die Hauptbeteiligten nicht mehr leben, ist nicht zu erwarten, dass sich noch eine Verbindung zwischen dem Gemälde in der Kirche und dem Auftritt von P Nazi-Trupp nachweisen lassen wird.

Gleichwohl spricht einiges dafür, dass es eine Verbindung gab." Auch hier wird im Kern die Behauptung wiederholt, Max P sei bei dem Auftritt der Nazi-Truppe bei Max Peter M dabei gewesen. Dies in Bestätigung der Äußerung auf Seite 161, letzter Absatz: "Wußte er oder überlegte er, was die Szene darstellte? Kam es ihm auf dem Weg zur Villa Waldhaus in den Sinn ...". Die Formulierung ist hier zwar etwas verallgemeinert. Im Zusammenhang mit den beiden anderen Äußerungen ist das aber ebenso zu verstehen wie dort. Der Leser des Buchs hat bei der Lektüre von Seite 1 62 noch im Gedächtnis, was der Autor auf den Seiten 158 ff. ausgeführt hat. Er versteht die Äußerungen im Zusammenhang dahin, dass der Autor behauptet, Max P, der erste Christus-Darsteller der Oberammergauer Passionsspiele, sei bei diesem nazistischen Überfall auf den Juden Max Peter M selbst dabei gewesen; das sei nicht nur ein Gerücht, eine Erzählung vom Hörensagen, sondern etwas wirklich Geschehenes. Es handelt sich damit auch um eine Tatsachenbehauptung.

d) Hieran ändert sich nichts dadurch, dass P auf Seite 192 des Buches zu Wort kommt und dort die Tat bestreitet. Er "sei an dem fraglichen Tag nicht in der Villa Waldhaus gewesen und könne das beweisen", heißt es dort. Denn aus dieser Stelle ergibt sich für den durchschnittlichen Leser eines solchen Buches eindeutig, dass der Autor diesem Bestreiten nicht glaubt. Im Anschluss an die wiedergegebene weitere Begründung des Max P wird seiner Verteidigung sofort entgegen gehalten, was er nicht erwähnt habe und auch, dass sein behaupteter Gesinnungswandel hin zum Nazi-Gegner nicht von langer Dauer gewesen sein könne.

2. Die Wahrheit und Unwahrheit dieser Tatsachenbehauptung konnte im Rechtsstreit nicht festgestellt werden.

a) Hierzu sind die Zeuginnen B und Dr. R vernommen worden. Ihre Aussagen widersprechen sich. Der Senat ist nicht in der Lage zu entscheiden, welche der Aussagen zutrifft. Dabei ist der persönliche Eindruck der Zeuginnen wesentlich. Es ist aber auch von Bedeutung, dass die Zeugin Dr. R nur noch mittelbarer aussagen kann, als die Zeugin B. Sie hat bekundet, dass sie etwas von der Zeugin B und auch etwas vom Beklagten gehört hat. Folgte man ihr, dann wäre erwiesen, dass die Zeugin B nicht die Wahrheit gesagt hat. Dann stünde wohl fest, dass die Zeugin B dem Beklagten das erzählt hat, was er im Buch wiedergegeben hat. Jedoch fällt bei der Zeugin Dr. R auf, dass sie ihre Aussage erster Instanz korrigieren musste. Die Begründung, die sie dafür gegeben hat, ist nicht plausibel genug. Sie hat schon vor dem Landgericht zu Dingen ausgesagt, von denen sie nicht selbst gelesen, sondern ebenfalls nur gehört hat.

b) Schon gar nicht ergibt sich aus den Zeugenaussagen, dass Max P sen. bei dem Überfall auf Max Peter M tatsächlich dabei war. Die Zeugin Dr. R kann dazu nichts sagen; sie kann nur wiedergeben, was man ihr erzählt hat. Die Glaubwürdigkeit der Personen, von denen sie etwas gehört hat, lässt sich kaum beurteilen. Geht man davon aus, dass der Beklagte die Teilnahme des Max P am Überfall als wirklich behauptet hat, dann würde hierzu nicht einmal die Angabe der Zeugin B ihm und der Zeugin Dr. R gegenüber genügen. Dann käme es auch auf die Glaubwürdigkeit der Mutter der Zeugin B an. Zu dieser Frage konnten Feststellungen nicht getroffen werden. Auch die Zeugin Dr. R, Historikerin, konnte hierzu, ebenso wie die Zeugin B, nur von einem Gerücht im Dorf sprechen und zu Aussagen von weiteren Leuten.

3. Die Beweislast für die Behauptung, Max P sei an dem Überfall auf Max Peter M selbst dabei gewesen, trägt vorliegend der Beklagte.

Dies gilt aber auch dafür, dass die Zeugin B ihm erzählt hatte, ihre Mutter habe ihr erzählt, dass er dabei gewesen sei.

a) Es handelt sich um Behauptungen zu einem schon historischen Vorfall. Zeugen, die diesen Vorfall unmittelbar erlebt hatten, stehen nicht zur Verfügung. Max Peter M selbst hatte in einem Spruchkammerverfahren (gegen eine andere Person) ausgesagt, er habe nur eine Person aus einem anderen Dort erkannt, aber keine weitere, weil ihm sogleich die Brille heruntergeschlagen worden sei (dies wird im vorliegenden Buch auf Seite 191 f. dargestellt). In einem Artikel des Münchener Merkur vom 10.11.1949 wird behauptet, Max Peter M habe sich dem Merkur gegenüber dahin geäußert, dass Max P nicht dabei geweisen sei. Max P selbst hat in dem Spruchkammerverfahren gegen ihn die Beteiligung wohl bestritten (diese Akten enthalten hierzu kaum brauchbare Feststellungen; im Buch selbst hat er die Beteiligung bestritten). In einem solchen Fall liegt die Beweislast für die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptung in vollem Umfang beim Autor. Er ist es, der die Behauptung nach dem Ausfall sämtlicher direkter Zeugen in die Welt setzt. Es kann nicht angehen, dass man hier, sogar nach dem Tod des Betroffenen, dessen Angehörigen auferlegt, einen Negativbeweis zu führen. Die Anhaltspunkte für die Wahrheit der Äußerung sind derart spärlich, dass ein verantwortlicher Autor, nach Erkenntnis der Sach- und Beweislage - die Behauptung nicht wiederholen würde (vgl. zu diesem Argument Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rn. 12, 141 unter Hinweis auf OLG Stuttgart, Der Markenartikel 1963, 585 = ArchPR 1963, 82).

b) Es liegen aber nicht einmal die Voraussetzungen dafür vor, dass die behauptete Äußerung der Zeugin B, ihre Mutter habe ihr von der Beteiligung des Max P am Überfall erzählt, wiederholt werden darf. Auch der Gesichtspunkt der Wahrung berechtigter Interessen - in der durch. Art. 5 GG bedingten Auslegung - deckt dies nicht ab. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte hinreichend sorgfältig recherchiert hat (vgl. hierzu etwa Peters, NJW 1997, 1334 und Schippan, ZUM 1996, 398; vgl. auch die Grundsätze für die Berufsethik von Journalisten im Pressekodex, z.B. im Jahrbuch des Deutschen Presserats 2002 S. 225 ff.). Er hat zwar umfangreiche Listen zu seinen Recherchen vorgelegt. Diese betreffen aber die hier angegriffene Äußerung allenfalls in geringem Umfang. Er stützt sich vor allem auf die behauptete Aussage der Zeugin B.

Dass sich die Zeugin ihm gegenüber wirklich so geäußert hat, muss der Autor beweisen und dies ist ihm nicht gelungen. Diese Verteilung der Beweislast ergibt sich daraus, dass die Wahrung der Pflicht zur sorgfältigen Recherche die grundsätzliche Verteilung der Beweislast in § 186 StGB (in ihrer Übernahme in das Zivilrecht) ändert. Nur wenn feststeht, dass die Äußerung Ergebnis einer sorgfältigen Recherche ist, kann von einer solchen Abkehr von der gewöhnlichen Beweislast ausgegangen werden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht um einen offenen Tatbestand handelt, bei dem die Rechtswidrigkeit an sich positiv festzustellen ist (vgl. nur Palandt/Thomas, BGB 62. Aufl., § 823 Rn. 189; Soehring, a.a.O., Rn. 30.3 f.; Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 234 ff.). Es handelt sich um einen Ausnahmetatbestand zugunsten der Äußerungs- und Pressefreiheit. Und der Unterlassungsanspruch folgt hier aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 186 StGB.

Es lässt sich nicht entscheiden, ob sich die Zeugin B dem Beklagten gegenüber so geäußert hat. Die Zeugin hat dies nicht bestätigt und die gegenteilige Aussage der Zeugin Dr. R reicht nicht aus, die Wahrheit der Behauptung des Beklagten zu der Äußerung der Zeugin B ihm gegenüber nachzuweisen. Dies ist schon ausgeführt worden. Die Voraussetzungen für eine sorgfältige Recherche, die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht, hat der Behauptende zu beweisen. Dazu gehört auch der Nachweis, dass Zeugen, auf deren Angaben sich der Autor beruft, tatsächlich die behaupteten Angaben gemacht haben. Denn Voraussetzung für eine Haftungsfreistellung unter dem Gesichtspunkt der Wahrung berechtigter Interessen wegen sorgfältiger Recherche ist auch, dass die Ergebnisse der Recherche zutreffend ausgewertet werden (Soehring, a.a.O., Rn. 2.11; Steffen in Löffler, a.a.O., § 6 LPG Rn. 171 und 174). Dieser Beweis ist nicht gelungen. Bei dieser Frage spielt der vom Beklagten angeblich bei dem Gespräch mit der Zeugin B aufgenommene Text zu den Angaben der Zeugin nur eine untergeordnete Rolle. Er kann einem Missverständnis entsprungen sein. Immerhin spricht die Zeugin B nicht perfekt Englisch; jedenfalls hat auch deren Aussage dies nicht ergeben. Und der Text selbst stellt - bei allen Vorbehalten zur Übersetzung - eher dar, dass es die P-Truppe war ("P gang"), was noch nicht heißt, dass P bei dieser schrecklichen Naziaktion selbst dabei war.

4. Die angegriffenen Behauptungen darf damit der Beklagte nicht im Kern wiederholen. Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen. Die Anschlussberufung muss aber aus demselben Grund Erfolg haben. Angegriffen ist die konkrete Verletzungsform (vgl. BGH GRUR 1968, 200 - Acrylglas; OLG Hamburg ArchPR 1977, 56 - Wie Y, liebt und leidet; Senat OLGR 1996, 217 - Ich klage an; AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331 - Undercover), die Anträge greifen die Äußerungen in ihrem Wortlaut auf. In einem solchen Fall genügt es, wenn der Satz oder Absatzteil die im Kern zu verbietende Behauptung enthält. Dann ist klar, dass nicht jede Einzelheit der konkreten Behauptung, sondern nur die konkrete Behauptung in ihrer Formulierung im Kontext mit dem zu verbietenden Kern nicht wiederholt werden darf. Den Betroffenen steht die Befugnis zu einem solchen Vorgehen zu. Ihnen ist nicht zuzumuten, den Kern der bekämpften Aussage auf eigenes Risiko sinngemäß herauszuschälen. Der Autor muss sich an seiner konkreten Formulierung festhalten lassen. Auch die Wiederholung des Nachsatzes im zweiten Klageantrag ist deshalb zu untersagen. Der Wunsch auf Nachahmung der Aktionen der Nazi-Oberen auch durch P wird hier behauptet. Dies bestärkt die Behauptung, dass Max P sen. an dem Überfall selbst teilgenommen habe. Entsprechendes gilt für den Klageantrag zu 3. Auch hier wird - dies wurde schon ausgeführt - die Behauptung wiederholt, dass Max P dabei gewesen sei. Es geht nicht um die Meinungsäußerung zur Frage einer Verbindung zwischen dem Gemälde in der Kirche und dem Auftritt (siehe dazu die Ausgangsdarstellung auf S. 153 ff. des Buches), sondern um den Auftritt selbst. Selbstverständlich kann die Wertung dieses Zusammenhangs nicht Gegenstand eines isolierten Verbots sein. Die Äußerung wird nur untersagt, weil der konkrete Text die Behauptung wiederholt, Max P sei selbst dabei gewesen. Dass dies zutrifft konnte der Beklagte nicht ausreichend nachweisen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, § 713 ZPO. Die möglicherweise mit einer Revision geltend zu machende Beschwer (§ 26 Nr. 8 EGZPO) kann dem festgesetzten Streitwert entsprechen. Ein anderer einigermaßen nachvollziehbarer Anhalt für die Bestimmung dieser Beschwer ist nicht ersichtlich. Die Höhe der Sicherheitsleistung ergibt sich aus einem möglichen Schaden durch eine vorläufige Vollstreckung. Er deckt sich hier nur zufällig mit der angenommenen möglichen Beschwer.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch fordert nicht die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung befasst sich vornehmlich mit der Bestimmung des Aussagegehalts der angegriffenen Äußerungen und mit der Würdigung der erhobenen Beweise. Umfang und Grenzen der journalistischen Sorgfaltspflicht werden in Rechtsprechung und Literatur seit vielen Jahren erörtert. Vorliegend geht es auch hierzu nicht um Grundsatzfragen, sondern um die Frage, ob die Pflicht zu sorgfältiger Recherche vorliegend erfüllt worden ist.

Ende der Entscheidung

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