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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 21.06.2002
Aktenzeichen: 21 U 1833/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 459
1. Zur Frage der Haftung für Angaben in einem Exposé über eine fertig renovierte Eigentumswohnung, in welchem die Verkäuferin als "Bauherr/Verkäufer" bezeichnet wurde, der aber aufgrund seines Inhalts keine wesentliche Entscheidungsgrundlage bildete.

2. Angabe "Baujahr 1990/1991" in einem Exposé, welchem entnommen werden kann, dass damit nicht das Jahr der Errichtung des Bauwerks, sondern der Zeitraum der grundlegenden Umgestaltung und Erneuerung gemeint ist.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 1833/02

Verkündet am 21.06.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung und Feststellung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Klemm und Schmidt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 27. Zivilkammer, vom 12.11.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.100 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf einer Eigentumswohnung geltend und verlangt die Feststellung, daß die Beklagten weitere Schäden zu ersetzen haben und sich mit der Annahme des Wohnungseigentums in Verzug befinden.

Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 26.11.1993 von der Firma G & G Gesellschaft für Vertrieb von Immobilien und Kapitalanlagen eine Eigentumswohnung in U zum Preis von DM 77.181,--. Er wurde dabei von der Firma T Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH im Rahmen eines Treuhandverhältnisses vertreten.

Die Verkäuferin wurde 1997 mit der Beklagten zu 1) verschmolzen. Die Beklagte zu 2) ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1).

Die Firma K & P GmbH war von der Verkäuferin mit dem Vertrieb aller 25 in der streitgegenständlichen Anlage befindlichen Eigentumswohnungen beauftragt worden und hatte zu diesem Zweck ein als "Verkaufsaufgabe" bezeichnetes Exposé erstellt. Darin wurde die Verkäuferin als "Bauherr/Verkäufer" bezeichnet.

Der Kläger hat behauptet, er sei auf die streitgegenständliche Eigentumswohnung durch diesen Prospekt aufmerksam geworden. Dieser weise verschiedene Unrichtigkeiten und Mängel auf. Dadurch sei ihm ein vorläufiger Schaden in Höhe von DM 120.474,75 entstanden.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 120.474,75 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 ab dem 17.12.2000 Zug um Zug gegen Auflassung und Übergabe des Im Wohnungsgrundbuch von U Band 37 Blatt 1641 verzeichneten Wohnungseigentums zur Wohnungsnummer 16 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, daß sich die Beklagten mit der Annahme des im Wohnungsgrundbuch von U Band 37 Blatt 1641 verzeichneten Wohnungseigentums zur Wohnung Nr. 16 in Verzug befinden.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen haben, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des im Wohnungsgrundbuch von U Band Blatt zur Wohnungsnummer 16 verzeichneten Wohnungseigentums gemäß Kaufvertrag vom 26.11.1993 zur UR-Nr. des Notars S ab dem 01.05.2001 entstanden sind öder noch entstehen werden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, daß der Kläger aufgrund des von der Firma K & P GmbH herausgegebenen Prospekts die Wohnung gekauft habe. Die Verkäuferin habe auf den Prospekt keinen mitgestaltenden Einfluß genommen. Ein persönlicher Kontakt zwischen Kläger und Verkäuferin habe nicht bestanden. Der Prospekt sei auch nicht unrichtig oder unvollständig gewesen. Insbesondere ergebe sich aus dem Prospekt, daß sich die Eigentumswohnung nicht in einem Neubau befinde, Vorsorglich haben die Beklagten die Verjährungseinrede erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ließ dahingestellt, ob die Grundsätze der Prospekthaftung überhaupt Anwendung finden könnten. Ansprüche aus der Prospekthaftung im engeren Sinn seien jedenfalls verjährt. Ansprüche aus c.i.c. würden daran scheitern, daß ein persönliches Vertrauen gegenüber der Verkäuferin nicht in Anspruch genommen worden sei. Überdies liege auch kein Prospektfehler vor.

Gegen dieses Urteil hat der, Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, Prospekthaftungsansprüche seien begründet und nicht verjährt. Die Beklagte zu 1) habe vor Abschluß des Kaufvertrages die Mangelhaftigkeit des Prospekts genau gekannt.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 12.11.2001, Aktenzeichen 27 O 11280/01 wird aufgehoben.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 120.474,75 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 ab dem 17.12.2000 Zug um Zug gegen Auflassung und Übergabe des im Wohnungsgrundbuch von U Band Blatt verzeichneten Wohnungseigentums zur Wohnungsnummer 16 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, daß sich die Beklagten mit der Annahme des im Wohnungsgrundbuch von U Band Blatt verzeichneten Wohnungseigentums zur Wohnung Nr. 16 in Verzug befinden.

4. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen haben, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des im Wohnungsgrundbuch von U Band Blatt zur Wohnungsnummer 16 verzeichneten Wohnungseigentums gemäß Kaufvertrag vom 26.11.1993 zur UR-Nr. des Notars S ab dem 01.05.2001 entstanden sind oder noch entstehen werden.

Die Beklagten beantragen.

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Auffassung des Erstgerichts zur Verjährung und zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Prospekts für zutreffend. Die Prospekthaftungsgrundsätze seien nicht anwendbar. Der Streitfall sei dem Kaufrecht zuzuordnen.

Beweis wurde vom Senat nicht erhoben.

Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf das angefochtene Urteil, die Schriftsätze der Parteienvertreter und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers (§§ 511 ff. ZPO) erweist sich als unbegründet. Es bestehen weder Prospekthaftungsansprüche, noch Ansprüche aus c.i.c. oder Sachmängelhaftung.

I.

Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten auf der Grundlage der Prospekthaftung im engeren oder im weiteren Sinn bestehen nicht.

1. Die Grundsätze der von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftung im engeren Sinn (vgl. z.B. BGHZ 71, 284 = NJW 1978, 1625; BGHZ 111, 314 = NJW 1990, 2461; BGHZ 115, 213 = NJW 1992, 228; BGHZ 123, 106 = NJW 1993, 2865) sind nicht anwendbar, da der "Verkaufsauftrag" keine Informationen für den Anlageinteressenten enthält, die er sich nicht auch auf andere Weise beschaffen könnte. Diese Druckschrift, die von der Vertriebsfirma K & P GmbH herausgegeben wurde, ist ein Exposé über die Wohnanlage und deren Lage und Ausstattung. Es beschreibt die einzelnen zum Verkauf stehenden Wohnungen und enthält Angaben über die gemäß § 571 BGB a.F. zu übernehmenden Mietverhältnisse. Der "Verkaufsauftrag" stellt zwar ein Werbemittel dar, das der Information und Akquisation von Kapitalanlegern dient, kann aber aufgrund seines Inhalts keine wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden (vgl. von Heymann, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 14. Auflage, Seite 187).

Die typischerweise bei den Fallgestaltungen zur Prospekthaftung enthaltenen Erläuterungen zum Kaufpreis, zu den Erwerbskosten, zur Kaufpreisfinanzierung und zu den steuerlichen Auswirkungen fehlen ebenso wie Modellrechnungen zur Steuerersparnis und zur Mietpreisentwicklung. Bei den einzelnen Wohnungen ist lediglich die aus den angegebenen Mietverträgen entnommene Monatsmiete auf ein Jahr hochgerechnet.

Während der Kläger die Möglichkeit hatte, die fertig renovierte Wohnanlage und das in Aussicht genommene Sondereigentum in Augenschein zu nehmen und sich über die Werthaltigkeit ein eigenes Urteil zu bilden bzw. Sachverständigenrat einzuholen, stellt bei den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen der Emissionsprospekt die wichtigste, wenn nicht sogar die einzige Informationsquelle dar. Deshalb muß der Prospekt in diesen Fällen alle Angaben enthalten, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Die so vermittelten Informationen müssen vollständig und richtig sein, um dem Anleger eine Entscheidung zu ermöglichen, die frei von Fehlvorstellungen aufgrund mangelhafter Sachinformation ist (BGHZ 111, 314/317).

Der Erwerb der Eigentumswohnung wurde dem Kläger auch nicht im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen, wie z.B. dem Beitritt zu einem Vermietungspool in Form einer GbR (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, OLGR 1999, 370/371) angeboten.

Die vom Kläger behaupteten fehlerhaften oder fehlenden Angaben im "Verkaufsauftrag" sind deshalb nach rein kaufrechtlichen Kriterien zu beurteilen.

2. Ansprüche auf der Grundlage der Prospekthaftung im weiteren Sinn (vgl. BGHZ 74, 103/109) scheiden deshalb aus, weil die Verkäuferin keinen für den Kläger wahrnehmbaren besonderen Vertrauenstatbestand im Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnung geschaffen hat.

II.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auch keine Ansprüche aus culpa in contrahendo zu.

Fahrlässig unrichtige Informationen über Fehler und Eigenschaften eines Kaufgegenstandes begründen grundsätzlich keinen Anspruch aus c.i.c., da die §§ 459 ff. BGB insoweit eine abschließende Sonderregelung enthalten (BGHZ 60, 319/321 f). Dies gilt auch für zusicherungsfähige aber nicht zugesicherte Eigenschaften (BGHZ 114, 263/266). Lediglich wenn dem Verkäufer Vorsatz zur Last fällt, können Ansprüche aus c.i.c. neben den Gewährleistungsansprüchen bestehen (BGH NJW 1995, 2159/2160). Die Beklagte müßte sich dabei ein Verhalten der mit dem Alleinvertrieb beauftragten Firma K & Partner GmbH im Rahmen des § 278 BGB zurechnen lassen.

Die Angabe des Baujahres eines Hauses stellt eine zusicherungsfähige Eigenschaft dar, über die der Kläger nach seiner Ansicht vorsätzlich getäuscht wurde. Tatsächlich enthält der "Verkaufsauftrag" unter der Nummer 2. die Angabe "das dreigeschossige Gebäude (EG + 2 + DG) Baujahr 1990/1991 hat eine Gesamtwohnfläche...". Aus einer Reihe weiterer Angaben in dem Exposé ist aber für jeden unbefangenen Leser deutlich erkennbar, daß damit nicht das Jahr der Errichtung des Bauwerkes, sondern der Zeitraum der grundlegenden Umgestaltung und Erneuerung gemeint ist. In der Baubeschreibung ist unter anderem ausgeführt, daß beim Umbau die Versorgungs- und Entsorgungsleitungen neu eingebracht wurden, keine neuen Fundamente und Bodenplatten errichtet wurden, da sie bereits vorhanden waren und die Außenwände Altbestand sind. Der "Verkaufsauftrag" enthält daher keine vorsätzlich falschen Angaben, die zu einer Haftung aus CIC führen könnten.

Die Verkäuferin bzw. die Firma K & Partner GmbH als deren Erfüllungsgehilfin haben auch nicht fahrlässig falsche Angaben über nicht zusicherungsfähige Eigenschaften des Kaufobjekts gemacht.

Die vom Kläger behauptete unrichtige Mietenliste im "Verkaufsauftrag" kann schon deshalb keine Haftung begründen, da jedenfalls die entsprechenden Angaben über die vom Kläger erworbene Wohnung richtig waren. Selbst wenn von den insgesamt 25 Wohnungen zum 05.08.1993 zwei oder drei nicht vermietet waren, brauchte die Verkäuferin den Kläger darüber nicht aufzuklären. Eine Nichtvermietung von nicht einmal 10 % aller Wohnungen konnte auch keinen Anlaß geben, die Kaufentscheidung bezüglich der vom Kläger erworbenen Wohnung davon abhängig zu machen.

Es bestand auch keine Verpflichtung, auf die angeblich schlechte Zahlungsmoral von Bewohnern des Anwesens hinzuweisen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auch der Mieter der vom Kläger gekauften Wohnung seine Miete nicht regelmäßig gezahlt hätte. Dies wird vom Kläger aber auch nicht behauptet.

Die Verkäuferin mußte auch nicht ungefragt auf die angeblich hohe Fluktuation der Mieter hinweisen. Schon aus dem Exposé wird deutlich, daß die gesamte Anlage aus Ein- und Zwei-Zimmer-Apartments mit einer maximalen Wohnfläche von 32,79 qm besteht. Daraus konnte jeder Interessent schließen, daß es sich nicht um eine familiengerechte Wohnanlage mit Dauermietern handelt.

Schließlich bestand auch keine Verpflichtung, darüber aufzuklären, daß der Grundstücksnachbar die Genehmigung erhalten hatte, die angrenzende Gebäuderuine abzureißen. Die Situationsgebundenheit des Gebäudes und die daraus resultierenden Möglichkeiten des Grundstücksnachbarn im Rahmen des Baurechts gehören zu den Kriterien, die ein Immobilienkäufer beim Erwerb selbst in Erfahrung bringen kann, wenn es für seine Entscheidung von Bedeutung ist.

III.

Auch Ansprüche aus Sachmängelhaftung gemäß §§ 459 ff. BGB bestehen nicht.

1. Das Baujahr eines Hauses stellt zwar eine Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB dar (vgl. OLG Schleswig, MDR 1977, 929), doch enthielt der "Verkaufsauftrag" - wie ausgeführt - keine falschen Angaben darüber.

2. Keine zugesicherte Eigenschaft stellt auch die Beschreibung der Wohnanlage "inmitten romantischer alter Höfe, Villen und Einfamilienhäuser in einer ruhigen Seitenstraße gelegen" dar. Diese ausschmückende Darstellung ist erkennbar eine allgemeine Werbeanpreisung ohne Bezug zu einer konkreten rechtsverbindlichen Aussage, die Vertragsinhalt werden könnte.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die weder der Rechtsfortbildung noch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen kann.

Ende der Entscheidung

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