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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 21 U 2176/94
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 242 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 21 U 2176/94
Verkündet am 14. Mai 2003
In dem Rechtsstreit
wegen Feststellung
erlässt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Klemm und Schmidt im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 25.4.2003 eingereicht werden konnten, folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 13.12.1993 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung des Mietvertrages vom 21.729.10.1975 nach § 16 Abs. 1 der Allgemeinen Lagerplatzbedingungen durch die Beklagte bis zum 31.12.2005 nur aus betriebstechnischen Gründen wirksam ist.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt die Feststellung, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses nach dem 28.2.1997 nur wirksam ist, wenn betriebstechnische Gründe vorliegen, hilfsweise, dass bei einer wirksamen Kündigung nach dem 28.2.1997 die beklagte Partei zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die beklagte Partei ist Eigentümerin des Grundstücks L Strasse in München, das bis zum Inkrafttreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes (BGBl. I 1993, 2378) zum Vermögen der Deutschen Bundesbahn gehört hatte. Die Beklagte hatte von der Deutschen Bundesbahn zunächst das Grundstück L Strasse gemietet. Mit Vertrag vom 21.729.10.1975 (Anlage K 1) vermietete die Deutsche Bundesbahn statt des genannten Grundstücks an die Klägerin ab 1.1.1976 das Anwesen L Strasse.
Das Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 16 Abs. 1 der Allgemeinen Lagerplatzbedingungen, die Vertragsinhalt wurden, war gem. § 5 g Nr. 1 des Mietvertrages zunächst bis zum 31.12.1980 ausgeschlossen. Der Kündigungsausschluss wurde in Nachträgen vom 5.79.8.1982 und 19.2.1987 bis zuletzt 28.2.1997 verlängert.
Das Mietverhältnis wurde bislang nicht gekündigt.
Ein Teil des angemieteten Geländes wurde von der Klägerin mit Einverständnis der Deutschen Bundesbahn untervermietet.
Mit Schreiben vom 15.3.1990 (Anlage K 5) teilte die Deutsche Bundesbahn der Klägerin mit, dass das Vertragsverhältnis über den 28.2.1997 hinaus nicht verlängert werden kann, sollten sich neue Gesichtspunkte ergeben, würde die Klägerin umgehend benachrichtigt.
Die Klägerin hat vorgetragen, seit 1975 sei durch Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn immer wieder zugesagt worden, eine Beendigung des Mietverhältnisses durch die Vermieterin werde nur aus betriebstechnischen Gründen erfolgen. Das Gelände könne in einem solchen Fall aber weitere 20 bis 30 Jahre genutzt werden.
Die Klägerin hat behauptet, ihr seien bei Anmietung des Grundstücks erhebliche Ablöse-, Renovierungs- und Umbaukosten entstanden. Außerdem habe sie im Vertrauen auf eine langfristige Mietdauer erhebliche Investitionen getätigt.
Die Klägerin hat die Meinung vertreten, eine Beendigung des Mietverhältnisses aus anderen als aus betriebstechnischen Gründen würde im Hinblick auf die getätigten Investitionen und mündlichen Zusagen gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstossen. Sollte die ordentliche Kündigung auch ohne das Vorliegen betriebstechnischer Gründe wirksam sein, so sei die Beklagte wenigstens zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung des Mietvertrages vom 21.729.10.1975 nach § 16 (1) der Allgemeinen Lagerplatzbedingungen durch die Beklagte nach dem 28.2.1997 nur wirksam ist, wenn die Beklagte aus betriebstechnischen Gründen kündigt.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass bei wirksamer Kündigung des Mietvertrages vom 21./29.10.1975 nach dem 28.2.1997 die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass die Klägerin auf die mehrfachen Zusagen der Beklagten, dass eine Kündigung nur aus in Zukunft nicht zu erwartenden betriebstechnischen Gründen erfolgt, vertraut hat.
Die beklagte Partei hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die behaupteten mündlichen Zusagen bestritten und die Ansicht vertreten, der Klage fehle sowohl im Haupt-, als auch im Hilfsantrag das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei im Hauptantrag zwar zulässig aber unbegründet. Eine Kündigung durch die Beklagte im Jahre 1997 wäre nicht unwirksam. Bei den Verhandlungen, die zum Nachtrag vom 19.2.1987 mit dem Kündigungsausschluss bis zum 28.2.1997 geführt hätten, sei eine mündliche Zusage, wonach überhaupt nur aus betriebstechnischen Gründen seitens der Beklagten gekündigt werde, nicht gegeben worden. Auf etwaige frühere Zusagen habe sich die Klägerin nicht verlassen dürfen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die von ihr getätigten Investitionen einer ordentlichen Kündigung entgegen stehen würden. Es sei zumindest geschäftsunüblich, dass die Klägerin nicht auf dem Abschluss eines langfristigen Mietvertrages bestanden, sondern auf die behaupteten mündlichen Zusagen vertraut habe. Eine ordentliche Kündigung wäre auch nicht wegen der von der Klägerin abgeschlossenen Untermietverträge unwirksam. Die Genehmigung der Untermietverträge durch die Deutsche Bundesbahn habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.
Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag sei wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse unzulässig, da nicht feststehe, ob die Beklagte zum 28.2.1997 tatsächlich kündigen werde.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, die mündlichen Zusagen stünden einer wirksamen Kündigung nach dem 28.2.1997 entgegen oder würden zumindest eine Schadensersatzpflicht begründen. Das Feststellungsinteresse sei sowohl für den Haupt-, als auch für den Hilfsantrag gegeben.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.11.1994 stellte der Klägervertreter klar, dass sich die Klageanträge im Hinblick auf den § 567 BGB a.F. nur auf den Zeitraum bis zum Jahr 2005 beziehen und beantragt:
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.1993, Az.: 9 O 8908/93 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung des Mietvertrages vom 21.729.10.1975 nach § 16 (1) der allgemeinen Lagerplatzbedingungen durch die Beklagte nach dem 28.02.1997 nur wirksam ist, wenn die Beklagte aus betriebstechnischen Gründen kündigt.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass bei wirksamer Kündigung des Mietvertrages vom 21.729.10.1975 nach dem 28.02.1997 die Beklagte der Klägerin gegenüber verpflichtet ist. den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass die Klägerin auf die mehrfachen Zusagen der Beklagten, dass eine Kündigung nur aus in Zukunft nicht zu erwartenden betriebstechnischen Gründen erfolgen wird, vertraut hat.
Die beklagte Partei beantragt,
die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass dem Feststellungsantrag sowohl im Haupt-, als auch im Hilfsantrag das Rechtsschutzinteresse fehle.
Im übrigen schließt sich die beklagte Partei den Ausführungen des Erstgerichts im angefochtenen Urteil an und vertieft die in der Klageerwiderung enthaltenen Ausführungen.
Es wurde Beweis erhoben am 21.6.1995 durch Vernehmung der Zeugen H J J, Dr. H P und M D (Bl. 164/176 d.A.), am 26.7.1995 durch Vernehmung des Zeugen H L (Bl. 177/184 d.A.) und am 20.12.1995 durch Vernehmung der Zeugen B K und C A, sowie durch nochmalige Vernehmung des Zeugen M D (Bl. 199/207 d.A.).
Ferner wurden gemäß Beweisbeschluss vom 10.5.1996 (Bl. 233 d.A.) die Sachverständigen S U und N S damit beauftragt, ein Gutachten zu den behaupteten nicht amortisierten Investitionen im Jahre 1997 zu erstellen. Sie legten Gutachten vom 28.7.1997 (Bl. 345/382 d.A.) und 4.8.1997 (Bl. 283/344 d.A.), sowie ergänzende Stellungnahmen vom 25.5.1998 (Bl. 406/407 d.A.) und 8.6.1998 (Bl. 410/418 d.A.) vor. Der Sachverständige S U erläuterte sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2000 (Bl. 454/457 d.A.).
Mit Beschluss vom 16.2.2001 (Bl. 467 d.A.) wurde gem. § 412 Abs. 1 ZPO der Sachverständige Prof. Dr. B mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Er legte ein Gutachten vom 14.12.2001 (Bl. 490/508 d.A.), sowie ergänzende schriftliche Stellungnahmen vom 14.5.2002 (Bl. 526/562 d.A.) und 31.3.2003 (Bl. 608/609) vor. In den mündlichen Verhandlungen vom 9.10.2002 (Bl. 573/578) und 14.3.2003 (Bl. 601/606 d.A.) erläuterte der Sachverständige Prof. Dr. B sein Gutachten. Ebenfalls am 14.3.2003 wurde der Zeuge T B vernommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die angefochtene Entscheidung, die Protokolle über die vorgenannten Zeugenvernehmungen und Sachverständigenanhörungen, die schriftlichen Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen, sowie auf die Schriftsätze der Parteienvertreter und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511 ff ZPO a.F.) erweist sich als begründet. Eine ordentliche Kündigung des Mietvertrages durch die Beklagte, die das Mietverhältnis vor dem 1.1.2006 beenden würde, ist nur wirksam, wenn sie aus betriebstechnischen Gründen ausgesprochen wird. Dies entspricht dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag gemäß der Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vom 25 11.1994.
I.
Die Klage ist zulässig, da die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, dass das Kündigungsrecht nach § 16 Abs. 1 der Lagerplatzbedingungen der Deutschen Bundesbahn bis zum 31.12.2005 eingeschränkt ist. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO liegt immer dann vor, wenn die beklagte Partei sich eines Rechts berühmt und der Rechtslage des Klägers dadurch eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rn. 7) Die Beklagte beruft sich darauf, gemäß § 16 Abs. 1 der Lagerplatzbedingungen das Mietverhältnis seit 1997 zum Schluss eines Kalendervierteljahres kündigen zu dürfen, auch wenn dafür keine betriebstechnischen Gründe vorliegen. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils kann die Unsicherheit über die Einschränkung des Kündigungsrechts beseitigen.
II.
Eine ordentliche Kündigung durch die Beklagte vor dem 1.1.2006, ohne dass betriebstechnische Gründe dafür vorliegen, würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen und wäre gem. § 242 BGB unwirksam.
1. Das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Zu den von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 242 Rn. 55 m.w.N.) gehört auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium).
Die Rechtsordnung lässt grundsätzlich widersprüchliches Verhalten zu. Jede Vertragspartei kann die vereinbarten oder gesetzlich vorgesehenen Rechte geltend machen, auch wenn sie längere Zeit nicht in Anspruch genommen wurden. Widersprüchliches Verhalten ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil erkennbar und zurechenbar ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (Palandt/Heinrichs a.a.O., OLG München NJW-RR 1992, 1037/1038). Ein Verschulden ist bei der Schaffung der Vertrauenslage nicht erforderlich (BGH WM 1968, 877).Die Treuepflicht verlangt, dass man sich auf Erklärungen und Mitteilungen des Vertragspartners muss verlassen können, soweit diese die Grundlage für das eigene Verhalten bilden. Mit Treu und Glauben lässt es sich nicht vereinbaren, dass der eine Vertragspartner seine Haltung, auf die sich der andere längere Zeit bindend eingerichtet hat, ohne aus dem Verhältnis herrührende zwingende Gründe nachträglich und unvermutet ändert (BGHZ 94/351 f). Die Beklagte als nunmehrige Eigentümerin und Vermieterin des Grundstücks muss sich das Verhalten der Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn in der Zeit zurechnen lassen, als diese noch die Vermieterstellung innehatte.
Die Voraussetzungen für das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung liegen hier vor.
Die für die Deutsche Bundesbahn vor Abschluss des Mietvertrages und während der Dauer des Mietverhältnisses handelnden Personen haben erkennbar die Überzeugung bei der Klägerin erweckt, das Mietverhältnis werde zumindest bis zu dem - hier streitgegenständlichen - Zeitraum 2005 Bestand haben und auch ohne entsprechende vertragliche Befristung oder entsprechenden vertraglichen Kündigungsausschluss nur aus betriebstechnischen Gründen ordentlich gekündigt werden. Dies ergibt sich aus den Aussagen der vernommenen Zeugen.
a) Der Zeuge H L hat bei seiner Vernehmung am 26.7.1995 erklärt, der Zeuge Hans J J habe vor Abschluss des Vertrages im Jahre 1975, der Zeuge Dr. H P vor den Investitionen der Klägerin in der Zeit von 1980 bis 1982 und der Zeuge M D im Jahre 1987 erklärt, eine Kündigung des Mietverhältnisses käme nur in Betracht, wenn dies aus betriebstechnischen Gründen erforderlich sei, d.h. wenn Stellwerke oder Gleisanlagen errichtet werden sollten. Diese Aussage des Zeugen L steht nicht im Widerspruch zu den anderen Zeugenaussagen. Vielmehr wurde sie von einigen Zeugen sogar bestätigt.
b) Der Zeuge H J J konnte sich an den Vertragsabschluss mit der Klägerin nicht erinnern. Er konnte deshalb nur allgemeine Angaben über die "Generallinie" der Deutschen Bundesbahn im Jahre 1975 und sein übliches Verhalten machen. Er räumte ein, möglicherweise im Rahmen der Vertragsverhandlungen gesagt zu haben, dass nach Fertigstellung der S-Bahn im Jahre 1972 im Augenblick nicht mit weiteren größeren Ausbaumaßnahmen zu rechnen sei. Daraus lässt sich entnehmen, dass zumindest die Frage der Eigennutzung des Geländes durch die Deutsche Bundesbahn und die damit verbundene Beendigung des Mietverhältnisses durchaus ein Gesprächsthema bei Abschluss des Mietvertrages gewesen sein kann. Wenn aber schon die Möglichkeit der Beendigung des Mietverhältnisses aus betriebstechnischen Gründen als fernliegend bezeichnet wurde, ist es naheliegend, dass auch die Frage der Beendigung des Mietverhältnisses aus "sonstigen Gründen" bei den Vertragsverhandlungen angesprochen und wie vom Zeugen L geschildert beantwortet wurde.
Dies gilt auch deshalb, weil der Mietvertrag mit der Klägerin der vom Zeugen J geschilderten "Generallinie" der Deutschen Bundesbahn im Jahre 1975 entsprach, Grundstücke zur Förderung des Transportaufkommens der Bahn einzusetzen. So sah der Mietvertrag unter § 4 Abs. 2 die Verpflichtung der Klägerin vorjährlich ein Verkehrsaufkommen von 5.000 t über das Mietobjekt abzuwickeln.
Die Aussage des Zeugen J, er "habe sich gehütet" Nebenabreden zum schriftlichen Mietvertrag zu treffen, spricht nicht gegen die vom Zeugen L geschilderten Erklärungen. Aus der juristischen Sichtweise des Zeugen J wurden keine Verpflichtungen übernommen, die über den schriftlich fixierten Vertragsinhalt hinausgingen. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bildung eines Vertrauenstatbestandes kann nicht allein auf rechtsgeschäftliche Kriterien abgestellt werden, weil sonst für die Einbeziehung des Verhaltens einer Vertragspartei, das den strengen Maßstäben des Rechtsgeschäfts nicht entspricht; kein Raum wäre (OLG München aaO; Münchner Kommentar/Roth, 2. Aufl., § 242 Rn. 291).
c) Auch aus der Aussage des Zeugen Dr. H P kann kein Widersprach zur Aussage des Zeugen L entnommen werden. Der Zeuge Dr. P konnte sich an kein Gespräch mit dem Zeugen L erinnern und schilderte - wie der Zeuge J - die "Generallinie" seines Verhaltens, wonach in die schriftlichen Verträge alle Vereinbarungen aufgenommen werden sollten.
Dies schließt auch hier nicht aus, dass in den Jahren 1980 bis 1982 der Vertrauenstatbestand, der schon bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1975 vom Zeugen J geschaffen wurde, eine weitere Bestärkung erfahren hat. Gerade im Hinblick auf die geplanten Investitionen ist es nachvollziehbar, dass sich die Klägerin davor über die Dauer des Mietverhältnisses nochmals vergewissern wollte und das Thema gegenüber der Vermieterseite angesprochen hat.
d) Die Richtigkeit der Aussage des Zeugen L wird auch von der Aussage des Zeugen B K gestützt, der im Rahmen von Vertragsverhandlungen über die Anmietung eines Grundstücks ebenfalls mit dem Zeugen Dr. P am 23.8.1994 ein Gespräch geführt hat. Der Zeuge K schilderte, dass auch dabei die Vertragsdauer thematisiert und vom Zeugen Dr. P im Hinblick auf die vom Zeugen K gewünschte lange Vertragsdauer erklärt wurde, eine Kündigung sei - abgesehen von Mietrückständen und Handlungen gegen die Interessen der Bahn- nur zu erwarten, wenn das Grundstück zu betrieblichen Zwecken, etwa für ein Stellwerk, gebracht werde. Es sei nicht notwendig, sich in Frankfurt um einen Erbbaurechtsvertrag zu bemühen, man würde mit der vom Zeugen Dr. P vorgeschlagenen Lösung besser fahren.
e) Schließlich steht auch die Aussage des Zeugen M D, der im Zeitraum 1985 bis 1989 Sachbearbeiter beim Zeugen Dr. P war, nicht im Widerspruch zur Aussage des Zeugen L. Auch der Zeuge D stellte bei seiner Vernehmung darauf ab, dass von ihm keine mündlichen Zusagen in Bezug auf eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses gemacht wurden. Er konnte sich aber daran erinnern, dass die Frage der Laufzeit des Mierverhältnisses angesprochen und die Klägerin darauf hingewiesen wurde, dass bei einer Laufzeit von mehr als 3 Jahren die Zustimmung der Direktion erforderlich sei und bei längerfristigen Verträgen der Mietzins um 100 % oder mehr angehoben wird. Auch wenn - nach seinem Verständnis - vom Zeugen D keine Zusagen gemacht wurden, liegt es auf der Hand, dass auch vom Zeugen D der Eindruck vermittelt wurde, das Mietverhältnis werde grundsätzlich nur aus betriebstechnischen Gründen ordentlich gekündigt.
f) Dies ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen C A, eines Untermieters der Klägerin, der ein Gespräch vor Abschluss des Untermietvertrages schilderte, an dem neben ihm auch die Zeugen L und D teilnahmen. Der Zeuge A erklärte, der Zeuge D habe dabei versichert, eine Kündigung gegenüber der Klägerin sei praktisch ausgeschlossen. Sie käme nur in Betracht, wenn die Bahn das Gelände für betriebseigene Zwecke nutzen wolle, die Planungen könnten sich dabei über Jahrzehnte hinziehen.
Der Zeuge D konnte sich bei seiner nochmaligen Vernehmung an dieses Gespräch nicht mehr erinnern.
2. Das Vertrauen, das bei der Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages im Hinblick auf die Dauer entstand, ist aufgrund der getätigten Investitionen auch schützenswert. Die Klägerin als kaufmännisch handelndes Unternehmen ging das Mietverhältnis in der Erwartung ein, die Investitionen in das Mietobjekt im Laufe der Mietdauer amortisieren zu können. Nach den Berechnungen des Sachverständigen Prof. Dr. B hätten sich bei einem ungestörten Verlauf des Mietverhältnisses die getätigten Investitionen innerhalb einer Mietzeit von 30 Jahren amortisiert. Durch das widersprüchliche Verhalten der Vermieterin wurde der Amortisationszeitpunkt so weit verzögert, dass nach einer Mietdauer von 30 Jahren nicht amortisierte Investitionen von rund DM 800.000.- bestehen und deshalb eine ordentliche Kündigung ohne Vorliegen betriebstechnischer Gründe vor dem 31.12.2005 unzulässig ist.
a) Der Sachverständige legte seiner Berechnung die dynamische Amortisationsrechnung zugrunde, wobei sich der Amortisationszeitpunkt nach der Anzahl der Jahre bestimmt, die vergehen müssen, damit der Investor die Anschaffungsauszahlung nebst Verzinsung wiedergewonnen hat. Die Anwendung dieser Methode ist auch im vorliegenden Streitfall sachgerecht, da sie sich nicht am Vermögens- oder Gewinnstreben des Investors orientiert, sondern an dessen Sicherheitsstreben. Im Rahmen des § 242 BGB kann die Klägerin nur verlangen, dass ihre Risikoeinschätzung aufgrund der Vertrauenslage nicht enttäuscht wird, nicht jedoch, dass ihre Gewinnerwartungen erfüllt werden. Diese hätte sie durch entsprechende verbindliche und ausdrückliche vertragliche Regelungen sicherstellen müssen.
b) Der Sachverständige Prof. Dr. B hat an Hand der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen den Amortisationsverlauf errechnet und dabei die tatsächliche Entwicklung nach der Ankündigung der Deutschen Bundesbahn vom 15.3.1990, mit einer Verlängerung des Mietverhältnisses über den 28.2.1997 hinaus sei nicht zu rechnen, dem fiktiven Verlauf, d.h. einem ungestörten Mietverhältnis bis zum 31.12.2005, gegenüber gestellt. Es ist nachvollziehbar, dass sich dabei ein erheblicher Unterschied bei der Amortisationsdauer ergibt. Die Untervermietung eines wesentlichen Teils des Mietobjekts prägte von vornherein das Mietverhältnis und die Rentabilität der Investitionen. Die Klägerin nutzte für eigene Zwecke lediglich die Halle A, wobei auch hier Teilflächen zeitweise untervermietet wurden. Die Hallen B und C standen der Klägerin zur Untervermietung zur Verfügung.
Die vom Sachverständigen S U in seinem Gutachten vom 4.8.1997 vorgenommene Berechnung orientiert sich ausschließlich an der realen Entwicklung der Untermietverhältnisse und lässt die Frage unbeantwortet, wie sich diese entwickelt hätten, wenn auch den vorhandenen und potentiellen Untermietern grundsätzlich eine Mietdauer bis 2005 in Aussicht hätte gestellt werden können. Für die Beurteilung, ob eine Kündigung vor dem Jahre 2005 ohne Vorliegen betriebstechnischer Gründe gegen § 242 BGB verstößt, ist dieser fiktive Verlauf jedoch von entscheidender Bedeutung. Nur wenn er wesentlichen vom realen Verlauf abweicht, kann sich daraus eine schützenswerte Interessenlage der Klägerin ergeben. Das Gutachten des Sachverständigen U kann daher nicht für die Entscheidung herangezogen werden.
aa) Als Anfangsinvestition der Klägerin für das Mietobjekt ist ein absoluter Betrag von DM 4.506.376.- anzusetzen. Er entspricht der Einzelaufstellung der Klägerin in der Anlage K 10, die vom Sachverständigen Prof. Dr. B an Hand der ihm zur Verfügung stehenden Bilanzen und Kontenblätter und des Gutachtens des Sachverständigen N S nachvollzogen werden konnte, und der durch den Zeugen T B nachgewiesenen Übertragung stiller Reserven in Höhe von DM 419.939.- auf die Investitionen des streitgegenständlichen Mietobjekts.
Der Zeuge B, der seit Jahrzehnten die Bilanzen für die Klägerin erstellt, hat mittels der noch vorhandenen Unterlagen glaubwürdig dargelegt, dass Rücklagen aus dem vorher von der Klägerin angemieteten Objekt L Strasse in der genannten Höhe für Investitionen bei der Halle B verwendet wurden.
Die nachträglichen Investitionskosten wurden vom Sachverständigen Prof. Dr. B für die Amortisationsberechnung auf den Beginn der Erstinvestition abgezinst. Daraus ergibt sich der Betrag von DM 4.060.409.- als bereinigte Anfangsinvestition (Anlagen 2.4.1 bis 2.6.1 der ergänzenden Stellungnahme vom 31.3.2003).
bb) Im Jahre 1997 beliefen sich die nicht amortisierten Investitionen der Klägerin auf insgesamt DM 1.301.719.-.
Diesem Betrag liegt die Berechnung des Sachverständigen Prof. Dr. B zugrunde, der zunächst die vom Sachverständigen N S in seinem Gutachten vom 28.7.1998 errechneten Abbruchkosten von DM 865379.- mit Hilfe des Restwertvertellungsfaktors auf die maßgeblichen Jahre umlegte.
Die Verteilung der getätigten Investitionen auf die drei Hallen, bei den Mieteinnahmen durch Untervermietung und bei den Kosten stellte der Sachverständige Prof. Dr. B anhand der Buchhaltungsunterlagen einige Unrichtigkeiten gegenüber dem Sachvortrag der Klägerin fest. Diese wurden vom Sachverständigen im Rahmen der Amortisationsberechnung entsprechend berücksichtigt.
Hinsichtlich der von der Klägerin selbst genutzten Halle A ist der von der Klägerin selbst errechnete Nutzungswert angesetzt worden. Die Bereitschaft, im Vertrauen auf eine bestimmte Mietdauer und die damit verbundene Amortisationsmöglichkeit ein Investitionsrisiko einzugehen, hängt bei einer Eigennutzung davon ab, welchen Wert ihr der Mieter beimisst. Für die Frage, ob im Rahmen des § 242 BGB das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand des Mietverhältnisses geschützt werden muss ist deshalb - anders als bei einem Schadensersatzanspruch - deren subjektive Einschätzung maßgebend. Ob der von der Klägerin angesetzte Nutzungswert, wie vom Sachverständigen Prof. Dr. B vermutet, zu gering ist, kann deshalb offen bleiben.
Daraus ergeben sich für die einzelnen Hallen folgende nicht amortisierten Investitionen im Jahre 1997:
Halle A: DM 214.657.- (Anlage 2.4.1 zur ergänzenden Stellungnahme vom 31.1.2003).
Halle B: DM 457.727.- (Anlage 2.5.1) Halle C: DM 629.335.- (Anlage 2.6.1) Insgesamt DM 1.301.719.-
Selbst bei einem Nutzwert für die eigengenutzte Halle A, der den Mieteinnahmen der Halle B entsprechen würde, ergäben sich für das Jahr 1997 nicht amortisierte Investitionen von DM 1.024.599.-.
cc) Im Jahre 2005 werden sich nach den Berechnungen des Sachverständigen Dr. B die nicht amortisierten Investitionen auf insgesamt DM 806.037.- belaufen. Dieser Betrag verteilt sich auf die 3 Hallen wie folgt:
Halle A: DM 84.569.- (Anlage 2.4.1 zur ergänzenden Stellungnahme vom 31.3.2003). Halle B: DM 385.288.- (Anlage 2.5.1) Halle C: DM 336.180.- (Anlage 2.6.1) Insgesamt DM 806.037.-
Auch bei einem an die Mieteinnahmen der Halle B angeglichenen Nutzwert für die Halle A belaufen sich die nicht amortisierten Investitionen im Jahre 2005 auf DM 444.202.-.
dd) Dieser realen Entwicklung hat der Sachverständige Prof. Dr. B in seinem Ergänzungsgutachten und den weiteren Stellungnahmen den fiktiven Verlauf bei einem Mietverhältnis gegenüber gestellt, das eine Unkündbarkeit bis zur längsten gesetzlich zulässigen Frist von 30 Jahren (§ 567 BGB a.F.) vorgesehen hätte.
Bereits in seinem Gutachten vom 14.12.2001 hatte der Sachverständige einen SOLL-IST-Vergleich der Nettomieterlöse vorgenommen. Für die Entwicklung der fiktiven Mieteinkünfte ist von Bedeutung, dass zunächst Mieterhöhungen durchgesetzt und Pachterhöhungen von der Klägerin an die Untermieter zu einem großen Teil weitergegeben werden konnten. Diese Feststellungen konnte der Sachverständige Prof. Dr. B anhand der Buchhaltungsunterlagen und Jahresabschlüsse treffen. Die Auswirkungen der Mitteilung der Beklagten vom 15.3.1990 auf den realen Verlauf der Mieterlöse wurden durch den vorgefundenen Schriftverkehr in den Buchhaltungsunterlagen belegt.
Daraus ergibt sich, dass sich die nicht amortisierten Investitionen bei einem ungestörten Verlauf des Mietverhältnisses im Jahre 1997 auf wenigstens 1.046.754.- DM und höchstens 1.053.480.- DM belaufen hätten. Der geringere Betrag ergibt sich bei einem fiktiven Fortbestehen der Untermietverträge mit den Firmen I und P bis zum Jahre 2005, der höhere Betrag bei Beendigung dieser Untermietverträge und dem Neuabschluss eines Untermietvertrages mit der Fa. A Sch GmbH auf die Dauer von mindestens 5 Jahren (vgl. Ziff. 6.1 und 7.1 des Gutachtens vom 14.12.01 und Anlagen 2.7.1 und 2.7.2 zur ergänzenden Stellungnahme vom 31.3.2003).
Verteilt auf die einzelnen Hallen errechnen sich die Beträge wie folgt:
Halle A: DM 200.674.- (Anlage 2.7.1) bzw. DM 207.400.- (Anlage 2.7.2) Halle B: DM 298.809.- (Anlage 2.8.1) DM 298.809.- (Anlage 2.8.1) Halle C: DM 547.271.- (Anlage 2.9.1) DM 547.271.- (Anlage 2.9.1) Insgesamt DM 1.046.754.- DM 1.053.480.-
Im Jahre 2005 hätten sich die Investitionen der Klägerin bei einem ungestörten Verlauf des Mietverhältnisses dagegen insgesamt gerade amortisiert. Für die einzelnen Hallen ergibt sich folgende Berechnung:
Halle A: DM + 50.729.- (Anlage 2.7.1) bzw. DM + 92.003.- (Anlage 2.7.2) Halle B: DM + 121.965.- (Anlage 2.8.1) DM + 121.965.- (Anlage 2.8.1) Halle C: DM - 102.052.- (Anlage 2.9.1) DM - 102.052.- (Anlage 2.9.1) Insges. DM + 70.642.- DM + 111.916.-
Im Jahre 2004 hätte sich noch ein nicht amortisierter Betrag von DM 6.737.- bzw. DM 43.417.- ergeben:
Halle A: DM + 24.610.- (Anlage 2.7.1) bzw. DM + 61.290.- (Anlage 2.7.2) Halle B: DM + 80.933.- (Anlage 2.8.1) DM + 80.933.- (Anlage 2.8.1) Halle C: DM - 148.960.- (Anlage 2.9.1) DM - 148.960.- (Anlage 2.9.1) Insges. DM - 43.417.- DM - 6.737.-
Zu Gunsten der Beklagten sprechende Umstände, die es ihr nach einer Interessenabwägung erlauben würden, trotz des widersprüchlichen Verhaltens und der schützenswerten Position der Klägerin das Mietverhältnis auch ohne Vorliegen betriebstechnischer Gründe vor dem 31.12.2005 zu kündigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Ausschluss der Kündigung bis zum Ende des Jahres 2005 einem wirtschaftlichen Gesamtkonzept der Beklagten über die künftige Gestaltung bzw. Verwertung ihrer Grundstücke im Bereich der L Strasse entgegenstehen könnte.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben, die weder der Rechtsfortbildung noch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen kann.
Ende der Entscheidung
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