Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 23.07.2003
Aktenzeichen: 21 U 2918/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 1004 | |
ZPO §§ 935 ff. |
2. Wird in einem solchen Fall die Hauptsache (hier: Verfügungsverfahren) nicht von dem Betroffenen für erledigt erklärt, dann ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aus sachlichen Gründen (Fehlen der Wiederholungsgefahr) abzuweisen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 21 U 2918/03
Verkündet am 23. Juli 2003
In dem Rechtsstreit
erlässt der 21. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Klemm aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9.7.2003 folgendes Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten werden die Einstweilige Verfügung des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 3. März 2003 und das Endurteil desselben Gerichts vom 23. April 2003 aufgehoben.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
III. Die Verfügungsklägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Frage, ob ein von der Verfügungsbeklagten verlegter Roman verbreitet werden darf. Die Verfügungsklägerin zu 1) ist Trägerin des Bundesfilmpreises 1989 (für "Darstellerische Nachwuchsleistung" in einem Fernsehfilm aus dem Jahr 1987), die Klägerin zu 2) hat im Jahr 2000 den alternativen Nobelpreis (The Right Livelihood Award) für ihren Einsatz gegen Goldabbau in einer Bürgergemeinschaft in der Türkei erhalten. Der Autor war vor Jahren mit der Verfügungsklägerin zu 1) eng befreundet. Er wird in Zeitungsberichten etwa als der "begabteste Polemiker Deutschlands" bezeichnet. Der Roman "Esra" wird in Kritiken als Schlüsselroman qualifiziert, zum Teil aber auch als "Schlüssellochroman", als "Schlüssel ohne Roman" oder als Skandalroman. Er handelt (wie es in FOCUS formuliert ist) "von der hoffnungslos verzweifelten Liebe eines jungen Schriftstellers zu einer in München lebenden Türkin". In dem der Verfügungsklägerin zu 1) vom Autor übermittelten Exemplar ist von ihm in einer Widmung geschrieben:
"Liebe A,
dieses Buch ist für Dich. Ich habe es nur für Dich geschrieben, aber ich verstehe, dass Du Angst hast, es zu lesen. Vielleicht liest Du es, wenn wir alt sind - und siehst dann noch einmal, wie sehr ich Dich geliebt habe.
M
Berlin, den 22.2.03."
In einem gedruckten Nachwort heißt es im Buch:
"Sämtliche Figuren dieses Romans sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sind deshalb rein zufällig und nicht beabsichtigt."
Das Landgericht hat der Verfügungsbeklagten mit Einstweiliger Verfügung vom 3.3.2003 verboten, das Buch zu veröffentlichen und veröffentlichen zu lassen, auszuliefern und ausliefern zu lassen, zu vertreiben und vertreiben zu lassen und hierfür zu werben und werben zu lassen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 23.4.2003 hat es diese Einstweilige Verfügung bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge ergeben sich aus dem Protokoll vom 9.7.2003 (Bl. 164/167 d.A.).
Gründe:
Der Senat sieht die Wiederholungsgefahr durch die abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung als bis zur Entscheidung über die Hauptsacheklage beseitigt an. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Erklärung der Verfügungsbeklagten nur um ein "Minus" gegenüber dem Verfügungsantrag handelte. Deshalb ist der Verfügungsantrag als unbegründet (vgl. dazu etwa Pastor/Ahrens/Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 15 Rn. 2: nicht etwa entfällt das Rechtsschutzbedürfnis; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 30.6; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 8 Rn. 36) abzuweisen.
In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387/1388) Kürze - die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat umfassend diskutiert wurde (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 313 Rn. 27) - ist folgendes auszuführen:
I.
1. Hat bereits ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht stattgefunden, dann besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, d.h. eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Störer den Eingriff wiederholen wird (BGH in BGHZ 31, 308 - NJW 1960, 476 - Alte Herren; Senat, NJW 1997, 62/63 - Westdeutsche Konjunkturritter; AfP 2002, 522 = NJW 2002, 2398 - Online Verlag hat Prozess verloren; Baur in Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl., Teil E Rn. 149 = S. 552; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., 44. Kap. Rn. 5 = S. 379; kritisch Soehring, a.a.O., Rn. 30.7 ff., der zu Recht auf in der Rechtsprechung schon dargelegte Einschränkungen hinweist und zu einer Differenzierung auffordert, aber grundsätzlich der h.M. folgt). Diese Vermutung besteht unabhängig davon, ob Störer ein seriöser Verlag oder etwa ein Sensationsblatt ist (Steffen in Löffler, Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rn. 264).
An den Wegfall dieser Vermutung (der Wiederholungsgefahr) sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, wobei die für den Wettbewerbsprozess entwickelten Grundsätze zwar grundsätzlich auch auf den Ehrenschutzrechtsstreit - jedoch nicht sklavisch - zu übertragen sind. In der Regel entfällt die Vermutung auch in Fällen der letzteren Art nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. Palandt/Thomas, BGB 62. Aufl., Einf. vor § 823 Rn. 24; Soehring, a.a.O., Rn. 30.1 1).
2. Speziell für den vorliegenden Fall ist auch noch folgendes zu berücksichtigen:
Es geht hier nur um eine vorläufige Sicherung und Regelung des Konflikts zwischen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerinnen und der Presse- und Kunstfreiheit der Verfügungsbeklagten. Hier können andere Abwägungskriterien gelten als im Rahmen einer Entscheidung über die Hauptsacheklage. In letzterer ist über die Frage zu entscheiden, ob der Roman jemals wieder erscheinen darf. Vorliegend geht es nur um den Zeitraum bis zur Entscheidung des Landgerichts über die Hauptsacheklage.
Dagegen geht es im Rahmen der Wiederholungsgefahr nicht um die im Rahmen der Rechtswidrigkeit des Eingriffs zu prüfende Abwägung zwischen den soeben genannten Grundrechten, Rechten und geschützten Positionen. Allerdings würden sich die Darlegungs- und die Glaubhaftmachungslast dann ändern, wenn man nicht davon ausginge, dass bereits ein rechtswidriger Eingriff stattgefunden hat. Dann bestünde die hier angesprochene Vermutung nicht (vgl. nur Soehring, a.a.O., Rn. 30.11) und es läge an den Verfügungsklägerinnen, die Erstbegehungsgefahr und auch die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht durch die Veröffentlichung des Buchs darzulegen und notfalls auch glaubhaft zu machen. Für die vorliegende Entscheidung kann diese Frage dahinstehen, wie noch auszuführen sein wird.
Vorliegend geht es nach den Anträgen der Verfügungsklägerinnen nicht nur um das Streichen von einzelnen Stellen in dem Buch. Angestrebt und beantragt ist das Verbot der Verbreitung des Buchs als ganzes. Dies vergrößert die mögliche Eingriffstiefe des angestrebten Verbots.
II.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Eingriff der Verfügungsbeklagten durch Veröffentlichung des Buchs rechtswidrig war, also die genannte tatsächliche Vermutung für die Wiederholung oder Fortsetzung des Eingriffs bestand, ist diese Vermutung dadurch widerlegt worden, dass die Verfügungsbeklagte zwei ausreichend strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben hat. Über die - im Hauptsacheprozess gewiss zentrale - Frage, ob die Veröffentlichung des Buchs rechtswidrig war und deshalb eine weitere Veröffentlichung nicht zulässig ist, ist im Hauptsacheprozess zu entscheiden (vgl. zu diesen Fragen insbesondere sehr eingehend Staudinger/Hager, BGB 13. Aufl., § 823 Rn. C 125 ff. und Hager, Die Mephisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, JURA 2000, 186 ff.; ferner Soehring, a.a.O., Rn. 20.13 ff.). Der Senat hat seine nur vorläufige, keinesfalls für die Hauptsache präjudizierende Ansicht in der mündlichen Verhandlung angedeutet und dabei insbesondere der Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Intimbereich sei wegen der Fiktionalität des Buchs nicht betroffen, widersprochen (ebenso wohl speziell für den vorliegenden Roman v. Becker, "Mephisto revisited" - ein Rundblick zum Schlüsselroman aus aktuellem Anlaß, in KUR 2003, 81/89: "Im Falle "Esra" ist ohne jeden Zweifel und ohne jede verfremdende Einkleidung der Intimbereich zumindest der Klägerin zu 1), also dem "Vorbild" zur Esra, verletzt worden."). Nach einem Brief von vom 28.5.2003 an den Verlag wäre die Geschichte ersterem "noch tiefer gegangen und noch klar-geheimnisvoller erschienen ohne die zeitweise etwas konfettihaften Zeitzutaten." Folgt man dem, dann wird eine Abwägung zwischen Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit) kaum zugunsten letzterer getroffen werden können.
1. Die von der Verfügungsbeklagten abgegebene Unterlassungserklärung vom 23.4.2003 (übergeben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am selben Tag; die Erklärung vom 1.4.2003 auf Zufügung eines erweiterten Vorworts reicht eher nicht aus) lautet wie folgt:
Sehr geehrter Herr Kollege ...,
Namens und mit Vollmacht der Antragsgegnerin erkläre ich hiermit ohne Präjudiz und Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich, dass sich die Antragsgegnerin gegenüber den Antragstellerinnen verpflichtet, es bei Vermeidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung von den Antragstellerinnen nach billigem Ermessen festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen, das Buch mit dem Titel "Esra" des Autors zu veröffentlichen und veröffentlichen zu lassen, auszuliefern und ausliefern zu lassen, zu vertreiben und vertreiben zu lassen und hierfür zu werben und werben zu lassen sofern das Buch nicht die aus der Anlage 1 zu dieser Unterlassungsverpflichtungserklärung, die einen Teil dieser Erklärung bildet, ersichtlichen Schwärzungen aufweist.
Diese Unterlassungsverpflichtungserklärung ist auflösend bedingt durch
1. eine rechtskräftige Entscheidung in einem von der Antragstellerin zu 1. und/oder 2. als Klägerin/innen gegen die Antragsgegnerin als Beklagte anzustrengenden Unterlassungs-Hauptsacheverfahren, mit der ein dem Verfügungsantrag entsprechender Antrag der Antragstellerin zu 1. und/oder 2. gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung der Veröffentlichung, Auslieferung, Vertreibung und Bewerbung des Romanes "Esra" von ohne die aus der Anlage 1 ersichtlichen Schwärzungen zurückgewiesen wird, oder
2. die Nichterhebung einer Hauptsacheklage mit einem dem Verfügungsantrag entsprechenden Unterlassungsantrag trotz Fristsetzung nach § 926 ZPO.
Diese Unterlassungsverpflichtung ist mit Schreiben vom 4.6.2003 zu den Seiten 50 und 131 dahin ergänzt worden, dass die Worte "Bundesfilmpreis" und "Bundesfilmpreisträgerin" durch "filmpreis" und "filmpreisträgerin" ersetzt wurden. Außerdem hat die Verfügungsbeklagte auf den Einwand der Verfügungsklägerinnen, das Angebot gelte nicht mehr, im Schriftsatz vom 1.7.2003 ausdrücklich erklärt, dass das Angebot nach wie vor gültig sei.
2. Keine Bedenken bestehen dagegen, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärungen formal ausreichten.
a) Zweifellos darf diese Erklärung mit der Einschränkung versehen sein, dass die Verpflichtung "ohne Präjudiz und Anerkennung einer Rechtspflicht" geschieht. Anderenfalls liefe die Verfügungsbeklagte Gefahr, dass man ihr im Hauptsacheprozess eine uneingeschränkte Erklärung als abschließend und damit endgültig bindend vorhält. Es geht vorliegend nur darum, ob die Erklärung der Verfügungsbeklagten einstweilen, vorläufig, die Gefahr einer Wiederholung des Eingriffs so weit verringert, dass eine ernsthafte Befürchtung, dass das Buch vor der Entscheidung in der Hauptsache erneut in einer rechtswidrigen Form veröffentlicht wird, nicht mehr gegeben ist.
b) Ebenfalls keine Bedenken bestehen wegen der angefügten auflösenden Bedingungen. Diese Bedingungen lassen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung entstehen. Es geht vorliegend nur um die vorläufige Sicherung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache. Die einstweilige Verfügung wäre gegenstandslos, wenn eine Hauptsacheklage abgewiesen würde. Es schadet deshalb nichts, dass eine Abhängigkeit zur Entscheidung in der Hauptsache hergestellt ist (vgl. Fritzsche/Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, Berlin 2000, S. 310 f.). Und die Anknüpfung an die Frist des § 926 ZPO - Frist zur Erhebung der Hauptsache - ist dadurch, dass die Hauptsacheklage vor dem Termin zur Verhandlung in vorliegender Sache vor dem Senat bereits eingereicht war - ohnehin gegenstandslos. Ohne Einfluss bleibt hier, dass ein Antrag auf Aufhebung der Einstweiligen Verfügung wegen Versäumung der Frist des § 926 ZPO gestellt wurde. Denn die Wahrung der Frist hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Unterlassungsverpflichtungserklärung von der Wahrung abhängig gemacht werden durfte. Deshalb kann die Frage offen bleiben, ob mit der Einzahlung des Vorschusses im Hauptprozess abgewartet werden durfte, bis der Streitwert festgesetzt war und wie lange dies dauern durfte (vgl. für den Fall der Verjährungsunterbrechung etwa BGH NJW 1993, 281 1 und NJW 1994, 1073; vgl. auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl., § 926 Rn, 6; dort sind zwei Entscheidungen zitiert, nach denen die Erweiterung durch das Abstellen auf eine Zustellung "demnächst" im Bereich des § 926 ZPO nicht gelten soll; diese Entscheidungen stellen sich eher gegen die h. M.). Auch kann offen bleiben, ob der Senat über den Aufhebungsantrag entscheiden dürfte (ablehnend z.B. Wolf-Dietrich Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Tübingen 1993, Rn. 557 = S. 360). Der Vorbehalt stellt sich als zulässige Sicherung der Verfügungsbeklagten zur Wahrung ihrer Rechte dar. Sie lässt an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht zweifeln und beeinträchtigt damit nicht die Wirkung dieser Erklärung und deren Sicherungsfunktion.
c) Die Höhe der Vertragsstrafe muss in der Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht konkret festgelegt sein. Zwar mag es zulässig sein, das Angebot einer erst durch das Gericht festzusetzenden Vertragsstrafe ohne Rechtsfolge im Bereich der Wiederholungsgefahr abzulehnen (vgl. dazu etwa Baur a.a.O. Abschnitt H Rn. 232). Diese Formulierung ist vorliegend aber nicht gewählt worden. Hier können die Antragstellerinnen die Vertragsstrafe selbst festsetzen. Die Einschränkung, dass eine solche Festsetzung nach billigem Ermessen erfolgen soll, ist selbstverständlich und ebenso die Vereinbarung einer Nachprüfbarkeit durch das zuständige Gericht, wenn die Angemessenheit bestritten wird (vgl. §§ 315, 317 BGB).
d) Schließlich wird die Ernsthaftigkeit der Erklärung der Verfügungsbeklagten auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Verfügungsklägerinnen es abgelehnt haben, das Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages, das in der Unterlassungsverpflichtungserklärung liegt, anzunehmen. Richtig ist zwar, dass eine Pflicht zur Annahme des Angebots in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich nicht besteht. Der durch ehrverletzende Veröffentlichungen Betroffene kann selbstverständlich nicht gezwungen werden, eine solche Erklärung als vertraglich bindend anzunehmen. Hiervon zu unterscheiden ist aber die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass das Angebot abgelehnt wird. Dabei geht es weniger um die Frage, ob dann - ohne Annahme - bei einem eventuellen neuen Verstoß eine Vertragsstrafe geschuldet ist. Diese Frage stellt sich hier eher nicht. Es ist vielmehr die Frage zu beantworten, welchen Einfluss es auf die Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung haben kann, dass die Gegenseite diese Erklärung nicht akzeptiert. Hier könnten sich Zweifel ergeben, wenn die Gefahr für den Verletzer durch die Nichtannahme zu gering geworden ist, bei erneuter rechtswidriger Veröffentlichung finanziell in Anspruch genommen zu werden. Jedoch kann es den Verletzten nicht frei in die Hand gelegt werden, die staatliche Gerichtsbarkeit in Anspruch zu nehmen, wenn der Verletzer sich angemessen - wenn auch vorläufig - unterwirft. Es wird deshalb heute weitgehend und zutreffend die Auffassung vertreten, dass eine ausreichende Unterlassungsverpflichtungserklärung die Wiederholungsgefahr auch dann beseitigt, wenn sie vom Verletzten nicht angenommen wird (vgl. BGH in BGHZ 90, 113/126 f. = NJW 1984, 1607/1615 - Bundesbahnplanungsvorhaben; BGH GRUR 1985, 937/938 = NJW 1985, 191 - Vertragsstrafe bis zu ... I; GRUR 1996, 290/292; Baur a.a.O., Abschnitt H Rn. 262 = S. 726; Fritzsche, a.a.O., S. 164 f.; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 339 = S. 288; Steffen a.a.O., § 6 LPG Rn. 267; Teplitzky, a.a.O., Kap. 8, Rn. 36; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rn. 12.20 ff. = S. 630 f.). Die Rechtsfolge einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und deren Annahme, dass dann "nur" ein Vertragsstrafeanspruch besteht und Ordnungsmittel gemäß § 890 ZPO ausscheiden, ändert daran nichts, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch die Erklärung widerlegt ist.
3. Die Unterlassungsverpflichtungserklärungen sind auch als für den vorläufigen Schutz der Verfügungsklägerinnen inhaltlich ausreichend anzusehen.
a) Grundsätzlich muss eine Unterlassungsverpflichtung inhaltlich dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch entsprechen, den sie ersetzen soll (vgl. Fritzsche, a.a.O., S. 309 f.). Vorliegend wird zwar die Verbreitung des Buchs insgesamt bekämpft. Trotzdem würde es für die Beseitigung der Vermutung aus dem eventuell rechtwidrigen Eingriff ausreichen, wenn die Vielzahl der Streichungen ergibt, dass ein erneutes Erscheinen vor der Entscheidung des Landgerichts zur Hauptsache eher unwahrscheinlich ist. Damit ist eine wertende Entscheidung dazu anzustellen, ob sich solches aus den einzelnen Streichungen im Anhang der Unterlassungsverpflichtungserklärungen ergibt. Die Verfügungsklägerinnen haben nicht im einzelnen dargelegt, weshalb die Streichungen in ihrer Gesamtheit im Rahmen einer vorläufigen, sichernden Regelung, nicht ausreichen sollen.
Der Senat sieht die Streichungen als für den vorläufigen Rechtsschutz ausreichende Sicherung an. Die Streichungen betreffen eine Fülle von geographischen Bezeichnungen. Sie erhöhen den Verfremdungsgrad wesentlich, so dass möglicherweise schon hierdurch die individuelle Betroffenheit der Verfügungsklägerinnen beseitigt sein könnte. Insbesondere sind die Münchener Straßennamen getilgt, die Orte und die Länder. Gestrichen sind auch die Namen der erwähnten Restaurants und Kaffees. Herausgenommen sind weiter die Einzelheiten zum Kind der Romanfigur Esra. Es gibt wenige Seiten, in welchen nichts gestrichen ist; in vielen Seiten finden sich viele Schwärzungen. Für die vorläufige Sicherung der Verfügungsklägerinnen reichen sie aus. Hinzu kommt noch, dass bei einer summarischen Wertung der Roman mit diesen Streichungen bis zur Entscheidung des Landgerichts in der Hauptsache wohl kaum veröffentlicht werden wird. Die Streichungen machen den Text zum Teil unverständlich. So ist zum Beispiel gleich im aller ersten Absatz des Buchs wie folgt gestrichen: "Als Esras Mutter den Nobelpreis bekam, schien es so, als würden Esra und ich es vielleicht doch noch schaffen. Nobelpreis - hatte diese herrische, ehrgeizige Frau für eine Weile friedlich gemacht."
b) Außerdem kann angenommen werden, dass die Entscheidung des Landgerichts zur Hauptsache nur eine durchschnittliche Zeit in Anspruch nehmen wird, also geschätzt (§ 286 ZPO) etwa sechs Monate. Die Verfügungsbeklagte geht davon aus, dass sie den Hauptprozess gewinnen wird. Also liegt es nahe, dass sie nicht sofort ein verstümmeltes Buch veröffentlichen, sondern jedenfalls die Entscheidung des Landgerichts in der Hauptsache abwarten wird.
c) Nicht steht dieser Auffassung entgegen, dass auch nach Veröffentlichung eines derart umfassend beschnittenen Buchs eine breite Öffentlichkeit, vielleicht auch unterstützt durch Presseveröffentlichungen, trotzdem eine objektive Ähnlichkeit der Romanfiguren zu den Verfügungsklägerinnen erkennen wird. Denn die Gefahr einer Veröffentlichung vor der Entscheidung des Landgerichts zur Hauptsache mit den Streichungen wird vom Senat ja gerade als äußerst gering eingestuft, so gering jedenfalls, dass die Wiederholungsgefahr (sollte sie sich aus einer Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung ergeben) im Rahmen der vorläufigen Regelung als beseitigt anzusehen ist. Der bereits geschehene Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerinnen durch die Auslieferung der 4000 Exemplare und die Presseberichte auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht unmittelbar Gegenstand der vorliegenden Entscheidung. Der Unterlassungsanspruch ist in die Zukunft gerichtet; er dient nicht der Beseitigung vergangener Rechtsverletzungen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich. Diese ergibt sich im Fall eines Verfügungsverfahrens unmittelbar aus dem Gesetz. Über die Frage einer Zulassung der Revision ist nicht zu entscheiden. Im Verfügungsverfahren ist die Revision in jedem Fall nicht statthaft (§ 542 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.