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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 21.09.2001
Aktenzeichen: 21 U 2978/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 362
BGB § 812
ZPO § 138
1. Die an sich beweisbegünstigte Partei muss nur dann pauschales Vorbringen des darlegungsbelasteten Gegners substantiiert bestreiten, wenn dieser außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während die andere Partei sie kennt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind.

2. Zur Frage eines Bereicherungsanspruchs des durch Fehlspekulation geschädigten Anlegers, wenn dessen Sohn nach Vermögensübertragung auf ihn die Verbindlichkeiten des Anlegers gegenüber der Bank vorbehaltslos erfüllt hat.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 2978/01

Verkündet am 21. September 2001

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Klemm aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2001 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 10. Zivilkammer, vom 9. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 17.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,-.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Falschberatung bei Spekulationsgeschäften und dadurch in der Zeit vom 31.12.1989 bis 30.7.1991 erlittener Verluste in der behaupteten Höhe von 256.662,89 DM sowie nunmehr auch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend.

I.

Die Parteien standen seit 1986 in ständiger Geschäftsbeziehung. Der Kläger eröffnete im Jahr 1987 bei der Beklagten das Konto Nr. . Er wickelte hierüber auf von der Beklagten gewährter Kreditbasis Spekulationsgeschäfte ab. Am 23.11.1990 und 17.10.1991 unterzeichnete der Kläger jeweils die von der Beklagten ausgegebene, bankeinheitliche Informationsschrift über Risiken bei Wertpapiergeschäften gemäß § 53 Abs. 2 BörsG. Am 3.7.1992 wies das vorgenannte Konto des Klägers einen Sollstand in Höhe von 137.620,34 DM auf, den der Kläger durch Überweisung dieses Betrages ausglich. Desweiteren erteilte er Kontoschlußauftrag für dieses Konto, ohne einen Vorbehalt beim Ausgleich des aufgelaufenen Sollsaldos zu machen. Für den Kontoausgleich gewährte die Beklagte dem Kläger einen Kredit in Höhe von 135.000,-- DM (Darlehenskonto Nr ).

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 9.2.2001 die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf Seite 5 f. des Ersturteils (Bl. 43 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger bringt im wesentlichen vor, er habe aufgrund der Beratung durch verschiedene, namentlich nicht mehr bekannte Mitarbeiter der Beklagten entgegen seinen Vorstellungen hochriskante Spekulationsgeschäfte durchgeführt. Sämtliche Geschäfte seien Börsentermingeschäfte im Sinne der §§ 50 ff. BörsG gewesen. Er habe keine Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich des Wertpapierhandels gehabt. Die erforderliche Aufklärung für die Kaufentscheidungen und über die Risiken der Geschäfte durch die Beklagte sei nicht erfolgt. Er habe sich darauf verlassen, daß die Mitarbeiter der Beklagten als Fachleute die jeweils sicherste Anlage auswählten. Auch nach der Unterzeichnung des Informationsblattes über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften sei eine Aufklärung über die konkreten Risiken der einzelnen von der Beklagten empfohlenen Wertpapierkäufe unterblieben. Er habe dadurch Verluste in Höhe von insgesamt 256.662,89 DM erlitten. Er habe nicht vollumfänglich Rückzahlungen an die Beklagte auf die Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Wertpapiergeschäften geleistet. Die Beklagte habe vielmehr den Ausgleich ihrer Forderungen auf folgende Weise erlangt: Er und seine Ehefrau hätten 1994 die Immobilie S 3 in München auf den Sohn G H übertragen. Das Grundstück sei mit einer Grundschuld zugunsten der Beklagten in Höhe von 200.000,-- DM zur Sicherung eines Darlehens in Höhe von 200.000,-- DM für den Erwerb des Anwesens im Jahr 1993 belastet gewesen. Als G H das Anwesen im Jahre 1996 habe veräußern wollen, habe die Beklagte zu der erforderlichen Lastenfreistellung die Ablösung der gesamten Verbindlichkeiten des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 325.359,26 DM verlangt. G H habe sich daher gezwungen gesehen, etwa 327.000,- DM an die Beklagte zu entrichten. Dieser Betrag habe seine, des Klägers, Verbindlichkeiten aus den Wertpapiergeschäften umfaßt. Die Zahlung sei zur dinglichen Lastenfreistellung, nicht zur vorbehaltlosen Erfüllung der Darlehensverpflichtungen aus den Wertpapiergeschäften erfolgt. G H habe die Beklagte mehrfach darauf hingewiesen, daß sie zu Unrecht Forderungen gegen ihn, den Kläger, aus den Wertpapiergeschäften geltend gemacht habe.

Das Landgericht habe einen Verfahrensfehler begangen, indem es vor der mündlichen Verhandlung keinen richterlichen Hinweis erteilt habe, daß der Klagevortrag unsubstantiiert sei. Es werde bestritten, daß Unterlagen der Beklagten bei einem Brand vernichtet worden seien. Die Beklagte müsse zumindest substantiierter vortragen, wann und auf welche Weise die Unterlagen durch einen Brand vernichtet worden seien. Die ergänzenden Angaben seien der Beklagten zumutbar. Die Beklagte treffe eine Darlegungslast; ihr pauschales Bestreiten sei unsubstantiiert. Der "besondere Anknüpfungspunkt" hierfür bestehe in der zusätzlichen Aufklärungspflicht der Beklagten, die über die Erfordernisse des § 53 Abs. 2 BörsG (= 1. Stufe) hinausgehe. Er, der Kläger, habe einen erhöhten Informationsbedarf gehabt, da er bei den Wertpapiergeschäften Laie gewesen sei und die ständige Kreditbereitschaft der Beklagten die Risikogeschäfte erst ermöglicht habe. Ein Anleger wie er, der Kläger, habe in der Praxis kaum eine Möglichkeit zu beweisen, daß die Berater der Bank diesem Informationsbedarf nicht nachgekommen seien.

Der Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung umfasse auch die Verluste aus Geschäften, die nach der Unterzeichnung der Informationsschriften getätigt worden seien.

Er habe einen Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte zumindest für die Geschäfte vor Unterzeichnung der Informationsschriften. Der Anwendungsbereich von § 59 BörsG erstrecke sich auf Verbindlichkeiten aus einem Umschuldungsdarlehen. Der Darlehensvertrag sei insoweit unverbindlich; Zahlungen hierauf seien ohne rechtlichen Grund erfolgt. Seine Zahlungen ließen sich nicht bestimmten Börstentermingeschäften zuordnen. Es sei keine endgültige Erfüllung der unklagbaren Verbindlichkeiten durch die Auflösung der Geschäftsbeziehungen gegeben.

Der Kläger beantragt zu erkennen:

I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 9.2.2001, Az. 10 O 19668/00, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 256.662,39 nebst 4 % Zinsen hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bringt im wesentlichen vor, keiner ihrer Mitarbeiter habe sich an die streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte erinnern können. Sie, die Beklagte, treffe keine erweiterte Obliegenheit zum Bestreiten. Sie habe keinen Zugriff auf weitere Unterlagen, da bei einem Brand Mitte der 90-er Jahre viele Unterlagen vernichtet worden seien. Außerdem sei die Frist für die Aufbewahrungspflichten abgelaufen. Auch zu der sogenannten zweiten Stufe des Anlegerschutzes fehle ein ausreichender Vortrag des Klägers. Es bestehe kein Bereicherungsanspruch des Klägers. Denn das streitgegenständliche Konto sei geschlossen worden. Der Umschuldungskredit sei vorbehaltlos zurückgeführt worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Parteischriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche nicht zu.

Der Senat folgt den tragenden Gründen in Nr. I 1 des landgerichtlichen Urteils und nimmt auf sie Bezug (vgl. § 543 Abs. 1 ZPO).

I.

Es liegt kein zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führender Verfahrensmangel vor (vgl. § 539 ZPO).

Ein Verfahrensfehler, der darin bestehen soll, daß vor der mündlichen Verhandlung kein richterlicher Hinweis auf eine Unsubstantiiertheit des Klagevortrags gegeben worden sei, wäre zumindest nicht ursächlich für das landgerichtliche Urteil. Denn der Kläger hat wiederholt auch vorgetragen, daß ihm insoweit ein Sachvortrag, der über sein Vorbringen in erster Instanz hinausginge, nicht möglich sei.

II.

Zu dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung eines Anlageberatungsvertrages (oder aus Verschulden bei Vertragsschluß) obliegt es dem Kläger, den Inhalt der mit der Bank getroffenen Vereinbarung und der den Anlageentscheidungen zugrundeliegenden Beratungsgespräche darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1497/1499). Dem genügt der Sachvortrag des Klägers nicht, worauf der Kläger insbesondere durch das landgerichtliche Urteil hingewiesen worden ist.

Der einzige Mitarbeiter der Bank, den der Kläger namentlich benennen kann, nämlich der damalige Leiter der Zweigstelle Am E , hat den Kläger nach dessen eigenem Vortrag lediglich in der Zeit vor den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften betreut.

Nach dem unwiderlegten Verteidigungsvorbringen der Beklagten können sich weder dieser Zweigstellenleiter noch andere Mitarbeiter der Beklagten an die viele Jahre zurückliegenden streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte des Klägers aus der Zeit von Ende 1989 bis Mitte 1991 erinnern. Eine Obliegenheit, den unsubstantiierten Sachvortrag des Klägers durch ein erweitertes, substantiiertes Verteidigungsvorbringen zu bestreiten, trifft die Beklagte nicht, die darüber hinaus vorgetragen hat, daß sie wegen der Vernichtung vieler Unterlagen durch einen Brand Mitte der 90-er Jahre keinen Zugriff mehr auf weitere Unterlagen über die streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte habe. Es besteht auch keine rechtliche Grundlage dafür, daß die Beklagte weitere Angaben zu dem behaupteten Brand zu machen habe.

Nichts anderes ergibt sich aus der zusätzlichen (vor-) vertraglichen Aufklärungspflicht der Bank, durch die ein über § 53 Abs. 2 BörsG (in der Fassung der Börsengesetz-Novelle vom 1. August 1989) hinausgehender, durch individuelle Verhältnisse des Anlegers oder Eigenarten der jeweiligen Börsentermingeschäfte bedingter Informationsbedarf des Anlegers gewährleistet wird (vgl. BGH WM 1996, 1260/1261). Für die Darlegungs- und Beweislast des Anlegers bei einem Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß oder positiver Vertragsverletzung wegen Verletzung der zusätzlichen Aufklärungspflicht auf jener zweiten Stufe gilt nichts anderes. Der Einwand des Klägers, wenn man es bezüglich der zusätzlichen Aufklärungspflicht nach der "2-Stufen-Theorie" bei der üblichen Darlegungslast des Anspruchsstellers beließe, so ginge diese Rechtsprechung fast in allen Fällen ins Leere, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine ausreichende Stütze. Die an sich beweisbegünstigte Partei muß dann ein nur pauschales Vorbringen des darlegungsbelasteten Gegners substantiiert bestreiten, wenn dieser außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während die andere Partei sie kennt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH NJW 1997, 128/129 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Weder hat der Kläger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs gestanden noch hat die Beklagte eine weitergehende Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen als der Kläger.

III.

Dem Kläger steht der - insbesondere für die Zeit bis 23.11.1990, dem Zeitpunkt der Belehrung des Klägers über die Verlustrisiken - geltend gemachte Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zu. Die Beklagte ist (worauf vom Gericht hingewiesen wurde, Bl. 86 d.A.) insoweit zumindest nicht auf Kosten des Klägers, sondern allenfalls auf Kosten von dessen Sohn G H bereichert.

Der mit Mitteln aus dem von der Beklagten dem Kläger gewährten Kredit in Höhe von 135.000,-- DM zustande gekommene Ausgleich des Kontos Nr. war eindeutig auf den Ausgleich auch der gegebenenfalls unvollkommenen Verbindlichkeiten aus bestimmten Börsentermingeschäften gerichtet, da alle Spekulationsgeschäfte über dieses Konto abgewickelt worden waren; die Zuordnung auch zu den Geschäften vor Unterzeichnung der Informationsschriften durch den Kläger ist damit gegeben (vgl. BGH NJW-RR 2001, 836 m.w.N.).

Gleicht der Kunde bei einem debitorischen Konto den Saldo vorbehaltlos durch Zahlung aus, so führt dieser Ausgleich gemäß § 55 BörsG zur endgültigen Erfüllung der unklagbaren Verbindlichkeiten, die in den Saldo eingegangen sind (BGH a.a.O.). Im Streitfall kommt es nicht entscheidend darauf an, ob durch die Erfüllungsleistung mit Mitteln des von der Beklagten gewährten Darlehens eine Erfüllung im Sinne von § 55 BörsG vorliegt oder - im Hinblick auf § 59 BörsG - nicht, weil eine neue Verbindlichkeit bewirkt worden ist (vgl. BGH NJW 1985, 634/636).

Denn nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers hat dessen Sohn die gesamten Verbindlichkeiten des Klägers und dessen Ehefrau in Höhe von 325.359,26 DM unter Einschluß der Verbindlichkeiten des Klägers aus den Wertpapiergeschäften und damit aus dem Umschuldungsdarlehen durch Entrichtung von etwa 327.000,-- DM beglichen. Es handelt sich dabei um eine Leistung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht des Klägers, sondern des Sohnes, und zwar auch dann, wenn die Leistung zur dinglichen Lastenfreistellung des zum Erwerb im Jahr 1993 in Höhe von nur 200.000,-- DM belasteten, vom Kläger und dessen Ehefrau 1994 auf den Sohn übertragenen Anwesens S 3 in München erfolgt ist. Nach Nr. 10 des zum Zweck der Umschuldung geschlossenen Darlehensvertrags vom 3.7.1992 über 135.000,-- DM waren zu stellende Sicherheiten die Grundschuld in Höhe von 200.000,-- DM auf dem Objekt S 3 in München und die Grundschuld in Höhe von 300.000,-- DM auf dem Objekt T ebenfalls in München. Die Beklagte wäre allenfalls auf Kosten von G H bereichert. Demgemäß kommt es hier auch nicht darauf an, ob sich der Sohn des Klägers, wie er behauptet, vor Rückzahlung des Darlehens auf eine Unverbindlichkeit von dem Termineinwand unterliegenden Geschäften seines Vaters berufen hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer des Klägers im Berufungsverfahren wurde gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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