Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.03.2002
Aktenzeichen: 21 U 3049/01
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 765
VerbrKrG § 7
1. Zur Wirksamkeit einer Bürgschaft der Bank gegenüber ist die Angabe der betroffenen Kontonummern nicht erforderlich.

2. Bürgschaften, die Kredite sichern, die für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt sind, fallen nicht in den Schutzbereich des Verbraucherkreditgesetzes.

3. Bei einem limitierten Kontokorrentkredit haftet der Bürge grundsätzlich bis zur Höhe der bei Übernahme der Bürgschaft eingeräumten Kreditlinie.

4. Eine Prolongation von Kreditverträgen erfordert übereinstimmende Willenserklärungen des Gläubigers und des Hauptschuldners, die auch konkludent abgegeben werden können. Das Unterlassen der Rückführung eines Kredits nach Ablauf der Befristung stellt kein zwingendes Indiz für ein Angebot auf Verlängerung der Kreditlaufzeiten auf unbestimmte Zeit dar.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 3049/01

Verkündet am 22. März 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht Schmidt, Dr. Klemm und Spielbauer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I, 3. Zivilkammer, vom 22.3.2001 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 250.000,-- (= EUR 127.822,97) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz vom 31.10.1998 bis 31.12.1998 sowie 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 1.1.1999 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft vom 5.11.1996.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 136.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft in Anspruch.

Der Beklagte war zusammen mit einem Herrn K atypischer stiller Gesellschafter der Firma GmbH. In § 6 Nr. 2 sah der Gesellschaftsvertrag u.a. vor, daß die stillen Gesellschafter berechtigt sind, sich jederzeit von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich zu unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einzusehen und sich aus ihnen eine Bilanz anzufertigen. Gemäß § 6 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 16.6.1994 war die Zustimmung der stillen Gesellschafter zu Kreditaufnahmen erforderlich.

Die GmbH hatte bei der Klägerin im Juli 1993 bzw. Juli 1994 zwei Kontokorrentkonten mit den Nummern und eröffnet. Die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde auf dem Kontoeröffnungsantrag vereinbart.

Auf jeweils am 2.12.1994 angelegten Unterschriftenkarten war u.a. der Beklagte als Handlungsbevollmächtigter mit Zeichnungsberechtigung und der Befugnis, über eingeräumte Kontokreditkredite zu verfügen, vermerkt. Für Verfügungen über DM 5.000,-- war eine Gemeinschaftszeichnungsberechtigung mit einem anderen Zeichnungsberechtigten vorgesehen.

Am 10.10.1996 räumte die Klägerin der GmbH zur Neuregelung der bestehenden Bauträgerfinanzierung für zwei Objekte in jeweils einen Kontokorrentkredit ein. Für das Objekt war auf dem Konto Nummer ein Kreditrahmen von 2,1 Mio. DM und für das Objekt auf dem Konto Nr. ein Kreditrahmen von 1,85 Mio. DM festgelegt. Die Laufzeit de Kredite sollte jeweils am 30.6.1997 enden. Die Rückzahlung sollte vereinbarungsgemäß primär aus dem Verkauf des jeweiligen Objekts erfolgen. Dafür war dem Kreditkonto für das Bauvorhaben das Käuferzahlungskonto und für das Bauvorhaben J das Käuferzahlungskonto zugeordnet. In den Kreditverträgen war festgelegt, daß eine anderweitige Rückführung erfolgen müßte, wenn sich der Verkauf über die vereinbarte Laufzeit hinaus hinziehen sollte.

Neben einer dinglichen Absicherung waren selbstschuldnerische Bürgschaften des Herrn K, der Eheleute H und des Beklagten als Sicherheiten vorgesehen.

Am 5.11.1996 unterzeichnete der Beklagte eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 250.000,--, die im Falle der Prolongation der Kredite unverändert bestehen bleiben sollte. Eine Kündigung sollte im Falle der Prolongation zum Ende der jeweiligen Laufzeit möglich sein. Eingehende Zahlungen sollten zunächst auf denjenigen Teil der Ansprüche angerechnet werden, der bei Wirksamwerden der Kündigung nicht durch die Bürgschaft gesichert ist. In einer Anlage zur Bürgschaftserklärung unterzeichnete der Beklagte eine Widerrufsbelehrung.

Mit Schreiben vom 6.11.1996 bestätigte die Klägerin die Bürgschaftsübernahme und teilte dem Beklagten mit, daß hierdurch die bisherige Bürgschaft vom 23.9.1994 in gleicher Höhe hinfällig sei.

Mit Anwaltsschreiben vom 27.6.1997 erklärte der Beklagte die ordentliche Kündigung der Höchstbetragsbürgschaft vom 26.10.1994. Die zum 30.6.1997 bestehenden Sollsalden wurden von der Hauptschuldnerin nicht fristgerecht zurückgeführt.

Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 27.8.1998 die Kredite und nahm mit Schreiben vom 1.10.1998 den Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Am 1.10.1998 stellte die Hauptschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, das am 2.12.1998 eröffnet wurde.

Die Klägerin hat vorgetragen, bei Wirksamwerden der Kündigung hätten sich die Sollsalden beider Konten auf DM 828.978,65 bzw. DM 828.463,11 belaufen. Der Restsaldo übersteige noch immer den Betrag von DM 250.000,--, für den der Beklagte hafte.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten als Bürgen für GmbH zu verurteilen, an die Klägerin DM 250.000,-- nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz vom 30.10.1998 bis 31.12.1998 sowie 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.1.1999 und DM 15,-- Mahnauslagen zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Wirksamkeit der Bürgschaftsübernahme bestritten und die Ansicht vertreten, durch das Überschreiten der vereinbarten Kreditlinie sei seine Haftung entfallen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Bürgschaft sei durch Rückführung der Hauptschuld erloschen. Es bestehe zwar noch ein Restsaldo von insgesamt DM 253.935,44, doch sei der Kreditrahmen auf dem Konto Nummer bei Bürgschaftsübernahme um DM 321.049,96 überschritten gewesen. Diese Erweiterung der Hauptschuld führe gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht zu einer Erweiterung der Bürgenhaftung. Da der Restbetrag der Hauptschuld niedriger sei als der Betrag, für den der Beklagte nicht hafte, sei die Klage unbegründet.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie ist der Meinung, das Erstgericht habe die Bedeutung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB verkannt. Die Haftung des Beklagten sei auf die für die Hauptschuld zur Zeit der Übernahme der Bürgschaft maßgebende Kreditlinie begrenzt gewesen. Die Überschreitung der Kreditlinie stelle die Gewährung eines weiteren, von der Bürgschaftsübernahme nicht erfaßten Kredits dar. Das Kreditkonto Nummer sei überdies zu keinem Zeitpunkt über die vereinbarte Kreditlinie hinaus belastet gewesen. Allein schon der restliche Sollsaldo auf diesem Konto übersteige den Betrag der vom Beklagten übernommenen Bürgschaftsverpflichtung. Nur wegen dieser Verbindlichkeit werde der Beklagte auch in Anspruch genommen. Der Hauptschuldnerin seien die Rechnungsabschlüsse jeweils am Ende der vereinbarten monatlichen Rechnungsperiode zugesandt worden. Ein Widerspruch sei nicht erfolgt. Davon habe sich der Beklagte durch Einsicht in die Bücher selbst überzeugt. Gegenstand und Umfang der Haftung des Beklagten ergäben sich damit aus den bindenden Schuldanerkenntnissen der Hauptschuldnerin. Die Kreditverträge seien über den 30.6.1997 hinaus prolongiert worden, eine Kündigung durch die Klägerin sei nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt:

I. Das am 22.3.2001 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az.: 3 O 15974/00, wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 250.000,-- nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz vom 30.10.1998 bis 31.12.1998 sowie 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz seit dem 1.1.1999 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft vom 5.11.1996.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung für zutreffend. Überdies sei die Bürgschaft zu unbestimmt und damit unwirksam. Auch sei auf die Bürgschaftserklärung das Verbraucherkreditgesetz anzuwenden und der danach zulässige Widerruf sei rechtzeitig erfolgt.

Der Beklagte bestreitet eine wirksame Kündigung der Kontokorrentkredite mit Nichtwissen, ebenso die behaupteten Sollsalden im Jahre 1998, die nunmehr vorgetragenen Restsalden und die von der Klägerin behaupteten Saldenanerkenntnisse.

Der Senat hat Beweis erhoben zur Prolongation der Kreditverträge durch Vernehmung der Zeugin B.

Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere das angefochtene Urteil, die vorgelegten Urkunden, das Protokoll über die Vernehmung der Zeugin B (Bl. 196/200 d.A.) und die schriftsätzlichen Ausführungen der Parteivertreter Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 511 ff. ZPO) ist begründet. Der Beklagte hat sich wirksam für die Rückführung der Kontokorrentkredite Nummer und der Firma bei der Klägerin verbürgt (§§ 765 ff. BGB). Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist weder durch einen Widerruf noch durch Erlöschen der Hauptschuld ganz oder teilweise entfallen.

I.

Die Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 5.11.1996 genügt dem Schriftformerfordernis des § 766 BGB i.V.m. § 126 BGB. Die Bestimmung des § 766 BGB dient (ausschließlich) dem Schutzbedürfnis des Bürgen. Die vom Bürgen zu unterzeichnende Urkunde soll das übernommene Risiko eingrenzen und es dem Bürgen bei Abgabe seiner Erklärung vor Augen führen. Aus der Bürgschaftserklärung muß der Wille des Bürgen, für eine fremde Schuld einzustehen, die Bezeichnung des Gläubigers und des Hauptschuldners und die Bezeichnung der verbürgten Forderung ersichtlich sein (BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467/1468). Diese Kriterien sind von der Bürgschaftserklärung des Beklagten erfüllt. Die Angabe der Kontonummern der beiden Kontokorrentkredite war nicht erforderlich. Durch die Angabe der Daten der Kreditgewährung, der Höhe der Kredite und der Hauptschuldnerin sind die Forderungen individualisierbar. Das übernommene Risiko wurde dem Beklagten durch die angegebenen Kreditrahmen vor Augen geführt.

II.

Die Bürgschaftserklärung wurde vom Beklagten nicht gemäß § 7 VerbrKrG widerrufen.

1. Bürgschaften, die Kredite sichern, die für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt sind, fallen nicht in den Schutzbereich des Verbraucherkreditgesetzes. Die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Schuldbeitritt zwar entsprechend angewendet (BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156, BGHZ 134, 94 = NJW 1997, 654), doch beruht dies darauf, daß der Beitretende die volle vertragliche Mitverpflichtung übernimmt und ebenso schutzwürdig erscheint, wie der Kreditnehmer selbst. Der Bürge tritt hingegen dem Vertrag nicht als gleichrangiger selbständiger Schuldner bei, sondern übernimmt nur eine an die Hauptschuld angelehnte akzessorische Haftung. Anders als beim kumulativen Schuldbeitritt hat der Gesetzgeber durch die §§ 765 ff. ZPO bereits Regelungen bereit gestellt, die den Bürgen vor einer übereilten Haftungsvereinbarung warnen. Im Gesetzgebungsverfahren zum Verbraucherkreditgesetz wurde daher bewußt darauf verzichtet, neue Schutzbestimmungen für den Bürgen aufzustellen (vgl. BGH NJW 1998, 1939/1941 m.w.N.). Diese gesetzgeberische Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur Richtlinie 87-102-EWG (BGH a.a.O.).

2. Die Klägerin und der Beklagte haben die Bürgschaftserklärung auch nicht durch privatschriftliche Vereinbarung dem Geltungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes unterworfen. Die vom Beklagten unterschriebene Widerrufsbelehrung enthielt keinen Hinweis darauf, daß das eingeräumte Widerrufsrecht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht oder beruhen könnte. Die - nach dem Vortrag der Klagepartei - im Hinblick auf die damals höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage der Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf Bürgschaften vorsorglich erteilte Widerrufsbelehrung konnte deshalb auch aus dem Empfängerhorizont des Beklagten nicht als Angebot verstanden werden, für die Rechtsbeziehung die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes zu vereinbaren. Die Klägerin hat vielmehr dem Beklagten vorsorglich das Recht eingeräumt, auch bei Nichtanwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes sich innerhalb einer Woche durch einseitige Erklärung von der Bürgschaftsverpflichtung zu lösen. Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Das Kündigungsschreiben vom 27.6.1997, das einer entsprechenden Auslegung fähig gewesen wäre, erfolgte sehr viel später.

III.

Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten ist nicht gemäß § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB ganz oder teilweise erloschen. Der von der Bürgschaftsverpflichtung erfaßte Forderungsbetrag übersteigt den vom Beklagten übernommenen Haftungshöchstbetrag von DM 250.000,--.

1. Für die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten sind die Schuldsalden der beiden Kontokorrentkredite am 30.6.1997 maßgebend.

Bei einem limitierten Kontokorrentkredit haftet der Bürge grundsätzlich bis zur Höhe der bei Übernahme der Bürgschaft eingeräumten Kreditlinie (BGHZ 130, 19/31 = NJW 1995, 2553).

Die Kreditverträge zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin sahen eine Laufzeit der Kredite bis 30.6.1997 vor, ohne daß eine Kündigung erforderlich gewesen wäre. Mit dieser ausdrücklichen Zeitbestimmung wurde gemäß § 609 BGB der Rückerstattungsanspruch der Klägerin fällig und das Dauerschuldverhältnis verwandelte sich in ein Abwicklungsverhältnis (Palandt/Putzo, BGB, 61. Auflage, § 609 Rn. 1).

Die Haftung des Beklagten erstreckte sich - im Rahmen des vereinbarten Höchstbetrages - auf den am 30.6.1997 fälligen Rückerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin.

Die spätere Entwicklung des Kontokorrentkontos konnte gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB die Haftung des Beklagten nicht mehr erweitern, da die von der Klagepartei behauptete Prolongation der Kontokorrentkredite, die gemäß Nr. 2 des Bürgschaftsvertrages auch eine Haftung des Beklagten für neue Verbindlichkeiten im Rahmen des Kontokorrentverhältnisses mit sich gebracht hätte, nicht nachgewiesen ist. Eine Prolongation sahen die Kreditverträge hier nicht ausdrücklich vor, doch sind solche Maßnahmen zulässig und üblich.

Die von der Klagepartei für die Prolongation der beiden Kredite angebotene Zeugin Bauer konnte dazu keine Angaben machen, da sie lediglich beauftragt war, die Kontoauszüge mit der dem Gericht vorgelegten Forderungsaufstellung zu vergleichen. Eine Prolongation erfordert übereinstimmende Willenserklärungen des Gläubigers und des Hauptschuldners, die auch stillschweigend und konkludent abgegeben werden können.

Es mag dahingestellt bleiben, ob aus dem Verhalten der Klägerin geschlossen werden kann, sie erkläre ihr Einverständnis mit einer Prolongation der Kontokorrentkredite. Die Tatsache, daß die Rückzahlung der Kredite zum Zeitpunkt des Laufzeitendes von der Klägerin nicht gefordert und weiterhin nur der vertraglich vereinbarte Zinssatz berechnet wurde, stellt jedenfalls noch kein Indiz dafür dar, daß sich nach dem Willen der Klägerin die Kredite auf unbestimmte Zeit verlängern sollten (vgl. Palandt/Putzo a.a.O. Rn. 9).

Anhaltspunkte für eine nach außen erkennbare Willensbetätigung der Hauptschuldnerin - in welcher Form auch immer -, aus denen entnommen werden könnte, daß sie ein Angebot zum Abschluß eines Prolongationsvertrages unterbreiten oder ein erhaltenes Angebot annehmen wollte, liegen nicht vor und konnten von der Klägerin auch nicht bewiesen werden. Auch der Umstand, daß die Hauptschuldnerin bei Ablauf der Befristung die Kredite weder zurückgeführt noch die Rückführung angeboten hat, stellt kein zwingendes Indiz für ein Angebot zur Verlängerung der Kreditlaufzeiten auf unbestimmte Zeit dar. Diese Auslegung ist zwar denkbar, ebenso kann dieses Verhalten aber auch eine positive Vertragsverletzung der Kreditnehmerin darstellen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Band II § 75 Rn. 13). Hier sprechen die Umstände gegen ein solches Angebot durch die Kreditnehmerin, die sich verpflichtet hatte, ihre Darlehensverbindlichkeiten bei Ablauf der Befristung auch mit anderen Mitteln als den Verkaufserlösen zurückzuführen (siehe Darlehensverträge, Seite 1 unten). Die Parteien der Darlehensverträge hatten die am 30.6.1997 eingetretene Situation schon bei Vertragsschluß ins Auge gefaßt und das Szenario unbefriedigender Verkaufserlöse bedacht. Durch einen "vertragslosen Zustand", bei dem die Hauptschuldnerin auch nicht mit unmittelbaren gerichtlichen Maßnahmen der Klägerin rechnen mußte, verschlechterte sich ihre Rechtsposition nicht. Ein abwartendes und passives Verhalten des Schuldners stellt insbesondere bei fehlenden Mitteln zur problemlosen Rückzahlung des Darlehens kein ungewöhnliches Verhalten dar, das einen Rückschluß auf ein Vertragsangebot nahelegen würde.

2. Die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßt die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin zum 30.6.1997 für die beiden Kredite in Höhe von DM 1.850.000,-- bzw. DM 1.244.800,52.

a) Die Behauptung der Klägerin, die vereinbarten monatlichen Rechnungsabschlüsse zum 30.6.1997 seien der Hauptschuldnerin übermittelt und widerspruchslos akzeptiert worden, wurde vom Beklagten nicht in zulässiger Weise bestritten.

Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand eigener Wahrnehmung gewesen sind. Über geschäftliche Vorgänge darf sich eine Partei nur dann mit Nichtwissen erklären, wenn sie in einem Unternehmen, das unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig wurde, ohne Erfolg Erkundigungen eingeholt hat. Im Rahmen der atypischen stillen Gesellschaft war dem Beklagten ausdrücklich in § 6 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages das Recht eingeräumt worden, sich jederzeit von den Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten und die Papiere der Gesellschaft einzusehen. Diese Information- und Auskunftsmöglichkeit des Beklagten wurde durch die Konkurseröffnung nicht berührt. Er konnte sich die für ein substantiiertes Bestreiten notwendigen Angaben von der zum Zeitpunkt des Rechnungsabschlusses tätigen Geschäftsführerin oder vom Konkursverwalter beschaffen. Auf Unterlagen der Klägerin war der Beklagte nicht angewiesen.

b) Gemäß Ziffer 7 Abs. 2 AGB-Banken, die bei Kontoeröffnung als Vertragsinhalt vereinbart wurden und darüber hinaus auch ohne besonderen Hinweis branchenüblich Vertragsinhalt der Geschäftsbeziehung zwischen der Hauptschuldnerin und der Klägerin geworden wären (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 2 AGBG Rn. 29), erkannte die Hauptschuldnerin die ihr übersandten Rechnungsabschlüsse zum 30.6.1997 als neue Verbindlichkeit an, da sie diesen Salden nicht innerhalb von sechs Wochen schriftlich widersprochen hatte.

Der Beklagte haftete für die Begleichung dieser Verbindlichkeiten auf den beiden Kreditkonten (vgl. BGH ZIP 1985, 984/988). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die Verbindlichkeiten nicht oder nicht mehr in dieser Höhe bestehen, liegt beim Beklagten (BGH WM 1996, 192/193; NJW 1996, 719). Ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) kommt wegen der Beweislastverteilung nicht in Betracht. Die der Schlüssigkeit des Sachvortrags entgegenstehende Widersprüchlichkeit im Sachvortrag der Klagepartei zur Entwicklung der beiden Konten wurde durch die Darstellung im Schriftsatz vom 17.1.2002 ausgeräumt (s. unten 3.).

Ein Beweisangebot für einen Schuldsaldo der verbliebenen Verbindlichkeiten unterhalb des Höchstbetrags der übernommenen Bürgschaftsverpflichtung hat der Beklagte nicht unterbreitet.

c) Sowohl die vom Landgericht vorgenommene Berechnung der Kontenentwicklung, als auch die Berechnung des Beklagten in den Schriftsätzen des Berufungsverfahrens ist fehlerhaft, da weder der den Kreditrahmen übersteigende Anfangssaldo des Kontos Nummer 6480450505 Auswirkungen auf die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten hatte, noch nach dem 30.6.1997 neu begründete Verbindlichkeiten zwischen der Hauptschuldnerin und der Klägerin.

Die Überschreitung des Kreditrahmens stellt keine Erweiterung der Haftung des Beklagten im Sinne des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB dar, da diese Haftung durch den Höchstbetrag der Bürgschaft begrenzt war und der den Kreditrahmen überschreitende Betrag als ungesicherte Forderung nur ein Risiko für die Klägerin darstellte. Die Einräumung eines betragsmäßig begrenzten Kredits, für den persönliche Sicherheiten gestellt werden, hindert Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht daran, weitere Verpflichtungen einzugehen und damit das Risiko der Inanspruchnahme des Bürgen zu erhöhen. Der Bürge hat nur die Möglichkeit, durch eine entsprechende Ausgestaltung des Bürgschaftsvertrages dieses Risiko auszuschließen oder zu vermindern. Auch Überschreitungen des Kreditlimits während der Vertragszeit stellen keine Erweiterung der Bürgschaftsschuld im Sinne des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB dar. Die übersteigenden Beträge sind von der abgesicherten Forderung unabhängige Ansprüche, die aber im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen vorrangig getilgt werden können. Einen Verstoß gegen § 9 AGBG stellen diese vorformulierten Klauseln nicht dar.

3. Daraus folgt, daß der zum Rechnungsabschluß vom 30.6.1997 von der Hauptschuldnerin anerkannte Sollsaldo von DM 1.850.860,29 auf dem Konto Nr. bis zum Betrag von DM 1.850.000,-- durch die Bürgschaft des Beklagten abgesichert war, während der überschießende Betrag von DM 860,29 nicht von der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten erfaßt wurde.

Auf dem Konto betrug zum 30.6.1997 der anerkannte Sollsaldo DM 1.244.800,52.

Die Klagepartei hat in ihrem Schriftsatz vom 17.1.2002 die sich aus der Darstellung der Kontenentwicklung im Schriftsatz vom 13.12.2000 und der Aufstellung in den Anlagen K 23 bis K 26 ergebenden Widersprüche nachvollziehbar dahingehend aufgeklärt, daß Umbuchungen vom Konto auf das Konto deshalb vorgenommen wurden, weil Käuferzahlungen, die das Bauvorhaben Große Zellgasse betrafen, zunächst dem Kreditkonto für das Projekt Heinestraße zugerechnet worden waren. Durch diese Umbuchungen wurde der Beklagte nicht benachteiligt, da er für beide Kreditkonten im Rahmen der Höchstbetragsbürgschaft die Haftung übernommen hatte. Durch die Umbuchung wurde nicht eine zusätzliche Verbindlichkeit und damit eine Haftungserweiterung gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB begründet, da damit gleichzeitig die Haftung der Verbindlichkeit auf dem Konto vermindert wurde.

Die Klägerin durfte auch trotz der Begrenzung der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten auf die Sollsalden zum 30.6.1997 die beiden Kontokorrentkonten in laufender Rechnung weiterführen und neue Verbindlichkeiten für die Hauptschuldnerin begründen. Die Verrechnung der Zahlungseingänge auf den ungesicherten Teil der Kontokorrentkonten entsprach der vertraglichen Vereinbarung in den Nummern 5 und 9.4 der Bürgschaftserklärung (vgl. auch BGH NJW 2001, 2466/2468). Dies gilt auch für die Verrechnung der Zahlungen der anderen Bürgen.

Der daraus resultierende Restsaldo auf dem Konto Nummer in Höhe von DM 252.159,62 und auf dem Konto Nummer in Höhe von DM 381,25 übersteigt den vom Beklagten als Bürgen übernommenen Höchstbetrag von DM 250.000,--. Einen Beweis für eine die Bürgenhaftung vermindernde Reduzierung der Hauptverbindlichkeiten unter DM 250.000,-- wurde vom Beklagten nicht angeboten. Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung berücksichtigt nicht, daß die Klägerin berechtigt war, Zahlungseingänge primär auf nicht gesicherte Forderungen zu verrechnen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die nicht der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen kann.

Ende der Entscheidung

Zurück