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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 16.07.2003
Aktenzeichen: 21 U 4607/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 276 | |
ZPO § 531 Abs. 2 |
2. Zum Umfang der Pflichten eines steuerlichen Beraters. Dieser Umfang muss aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abgeleitet werden.
3. Ein Steuerberater muss ungefragt auf Fehler hinweisen, die zu wirtschaftlichen Nachteilen führen können, sofern konkrete Anhaltspunkte für solche Fehler bestehen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 21 U 4607/02
Verkündet am 16. Juli 2003
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erlässt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht Haußner, Dr. Klemm und Schmidt auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2003 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung des Beklagten H B gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 10. Zivilkammer, vom 5.6.2002 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Einrede der Aufrechenbarkeit erhoben. Er behauptet, der früheren Beklagten B B GmbH stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 57.323, 49 Euro zu, da der Kläger seine Beratungspflichten bei der Beantragung einer Investitionszulage schuldhaft verletzt habe. Der Beklagte trägt vor, von diesem Schadensersatzanspruch habe er erst nach Erlass des Ersturteils erfahren.
Der Senat hat daraufhin am 28. Mai 2003 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L K und Prof. Dr. W T (Bl. 146/151 d.A.).
Im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Weitere Änderungen oder Ergänzungen haben sich nicht ergeben.
Die im Berufungsverfahren gestellten Anträge ergeben sich aus dem Protokoll vom 5.2.2003 (Bl. 127 d.A.).
Gründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten (§§ 511 ff ZPO) erweist sich auch nach der vom Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme als unbegründet. Auf die zutreffende Auffassung des Landgerichts zur Begründetheit des Klageanspruchs in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Der Geltendmachung steht nicht die Einrede der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 2 BGB) entgegen.
In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (vgl. BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387/1388) Kürze - die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 313 Rn. 27) - wird ausgeführt:
I.
Die Auslegung der Bürgschaftserklärung vom 25.1.1999 durch das Landgericht ist jedenfalls vertretbar. Die maßgeblichen Umstände wurden berücksichtigt. Hierin liegt deshalb keine Rechtsverletzung im Sinne von § 513 Abs. 1 ZPO. Der Senat ist an diese Auslegung gebunden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen begründen, liegen nicht vor. Danach hatte sich der Beklagte nicht nur für die bestehende Schuld verbürgt, sondern für alle - auch künftigen -Honorarforderungen der Kanzlei Dr. R gegenüber der Firma B GmbH.
Ebenfalls vertretbar - und damit für den Senat bindend - hat das Erstgericht die Aussage des Zeugen L K dahingehend gewürdigt, dass der Beratungsvertrag im Jahre 1999 nicht etwa einvernehmlich aufgelöst oder vom Kläger gekündigt wurde, sondern dass der Kläger wegen der offenen und fälligen Honoraransprüche ein Leistungsverweigerungsrecht in Anspruch genommen hat. Dieses Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich aus § 320 BGB (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 614 Rn 2).
Die Leistungsbereitschaft des Klägers ergibt sich auch schon aus seinen Rechnungen vom 17.2.1999, 16.4.1999, 5.10.1999, 1.2.2000 und 25.10.2000, die sich jeweils auch auf erst zu erbringende Beratungsleistungen in künftigen Monate bezogen hatten.
Den vertraglichen Honoraransprüchen des Klägers aus den Jahren 1997 bis 2000 stehen keine fälligen Schadensersatzansprüche der Firma B GmbH gegenüber, aus denen sich der Kläger befriedigen könnte. Dem Beklagten steht als Bürgen deshalb nicht die Einrede der Aufrechenbarkeit gem. B 770 Abs. 2 BGB zu.
1. Diese Einrede wäre gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, da es nicht auf eine Nachlässigkeit des Beklagten zurückzuführen ist, dass sie nicht bereits im ersten Rechtszug erhoben wurde.
Der Zeuge L K hat bei seiner Vernehmung glaubwürdig dargelegt, dass er anlässlich eines Gesprächs mit dem Beklagten in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2002 die Nichtgewährung einer Investitionszulage angesprochen hatte. Daraufhin habe dieser geäußert, dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger bestehen könnte. Der Zeuge hatte bei diesem Gespräch den Eindruck, dass der Sachverhalt für den Beklagten neu war.
Aus dieser Aussage kann entnommen werden, dass der Beklagte vom möglichen Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Hauptschuldnerin gegen den Kläger im Zusammenhang mit der Nichtgewährung einer Investitionszulage tatsächlich erst nach Verkündung des Ersturteils am 5.6.2002 erfahren hatte. Es stellt auch keine Nachlässigkeit des Beklagten dar, dass er als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin ab Januar 1999 keine Kenntnis von diesem denkbaren Anspruch erlangt hatte. Nach der Ablehnung des Antrags auf Gewährung der Investitionszulage war auch das anschließende Finanzgerichtsverfahren im April 1997 abgeschlossen worden. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer bestand für den Beklagten ab dem Jahre 1999 keine Veranlassung, diese lange zurückliegenden Vorgänge auf mögliche Schadensersatzansprüche zu überprüfen.
2. Die Einrede ist jedoch unbegründet, da der Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die Nichtgewährung der Investitionszulage darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat.
a) Aus der Aktennotiz des Zeugen T vom 21.10.1996 über den Inhalt des mündlich geschlossenen Beratungsvertrages ergibt sich als Aufgabenbereich des Klägers nur allgemein die Betreuung und Beratung in allen Bereichen des Steuerrechts, der Monats- und Jahresabschlüsse und der Buchführung. Es ist davon auszugehen, dass die vertragliche Tätigkeit des Klägers auch in den Jahren zuvor diesen Bereich umfasst hatte. Ein Vertrag, durch den einem steuerlichen Berater allgemein die Wahrnehmung aller steuerlichen Interessen des Auftraggebers übertragen werden, ist regelmäßig Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (BGH NJW 1970, 1596). Der Pflichtenumfang muß deshalb aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abgeleitet werden (BGH WM 87, 661/662).
Die Prüfung, ob die Formvorschriften bei der Beantragung einer Investitionszulage eingehalten wurden, gehörte nicht zu den Aufgaben, die sich aus dem Beratungsvertrag für den Kläger ergaben. Auch wenn der Antrag vom Finanzamt für Körperschaften zu bearbeiten war, betraf er nicht den Bereich des Steuerrechts sondern den Bereich der Wirtschaftsförderung. Auch der vom Kläger zu betreuende Bereich der Buchhaltung war nur insoweit betroffen, als der Kläger mit Schreiben vom 26.9.1994 die Richtigkeit der im Antrag gemachten Angaben bestätigt hatte. Insoweit wird eine Pflichtverletzung vom Beklagten aber nicht behauptet.
b) Eine Pflichtverletzung ergibt sich auch nicht aus einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Firma B GmbH. Die Beweisaufnahme hat die Behauptung des Beklagten nicht bestätigt, der Kläger sei von der Firma B GmbH beauftragt worden, die Geschäftsführung dabei zu beraten, den am 28.9.1994 eingereichten Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage form- und fristgerecht zu erstellen. Der Zeuge L K war nach seiner glaubwürdigen Aussage bei einer Besprechung anwesend, bei der zwischen ihm und den Herren R und Prof. Dr. T vereinbart wurde, dass der Kläger die Abschlussprüfung der Unterlagen durchführen sollte. Der Kläger selbst sei bei dieser Unterredung aber nicht anwesend gewesen. Ob und ggf. mit welchem Inhalt diese Aufgabe dem Kläger übertragen wurde, konnte der Zeuge nicht bekunden. Der Zeuge hat auch bis zur Antragstellung keine Aktivitäten des Klägers in Bezug auf den Antrag wahrgenommen.
Auch das Schreiben der Firma B GmbH vom 16.2.1995 an den Kläger, in dem dieser gebeten wird, Einspruch gegen die Versagung der Investitionszulage zu erheben, spricht gegen eine Einbindung des Klägers in die Formalitäten der Antragstellung. In diesem Schreiben wird dem Kläger mitgeteilt, dass Herr R den Antrag nach bestem Gewissen erstellt habe. Wäre der Kläger an der Antragstellung unmittelbar beteiligt gewesen, hätte ein derartiger Hinweis nicht gegeben werden müssen. Auch der Zeuge Prof. Dr. T konnte sich an diesen konkreten Antrag nicht erinnern, bestätigte aber den Vortrag des Klägers dahingehend, dass dieser für die Zertifizierung der zum Antrag notwendigen Dokumente und Buchhaltungsbelege zuständig war.
Ende der Entscheidung
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