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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.01.2001
Aktenzeichen: 21 U 4612/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen für Werbung - Hallo, Babs

Rechtswidriger Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen eines bekannten Tennisspielers für Werbung.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 4612/00 21 O 494/00 LG München I

Verkündet am 26. Januar 2001

Die Urkundsbeamtin: Warmuth Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Klemm und Schmidt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.1.2001 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 21. Zivilkammer, vom 12.7.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,--.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche wegen zweier von der Beklagten geschalteter Werbekampagnen geltend. Der Kläger ist ein über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannter Sportler.

Die Beklagte ist der größte deutsche Online-Dienst und direkter Konkurrent des zweitgrößten deutschen Online-Dienstes AOL, der im Jahre 1999 mit dem Kläger als Werbeträger um Kunden warb.

Ab 6.10.1999 schaltete die Firma AOL in verschiedenen Fernsehsendern einen Fernsehspot, in dem der Kläger folgenden Text sprach:

"Ehrlich, ich versteh absolut null von Technik. Und jetzt hat schon meine Frau gesagt, wir müssen endlich ins Internet. Und jetzt sitz ich hier mit dem Kram. Dabei bin ich doch gar kein Tekki. Hah? - bin ich schon drin oder was? Ich bin drin! Das ist ja einfach".

Am 19.11.1999 schaltete die Beklagte u.a. in der Süddeutschen Zeitung eine Anzeige (Anlage K 4) mit dem Text "Es geht noch einfacher, Boris".

Ab dem 21.11.1999 warb die Beklagte in Fernsehspots für ihr Angebot in Form einer E-Mail-Nachricht mit folgendem Text (Anlage K 5):

"Hallo, Babs! Nicht böse sein, daß ich jetzt mit T-Online im Internet bin. Ist einfach günstiger. Hast Du mich noch lieb? Dein Tekki".

Auf entsprechende Anforderung gab die Beklagte am 22.11.1999 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezüglich der beanstandeten Zeitungsanzeige ab. Die Beklagte lehnte es jedoch ab, Schadensersatzansprüche dem Grunde nach anzuerkennen.

Hinsichtlich der beanstandeten Fernsehwerbung lehnte die Beklagte Unterlassungsansprüche ab.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sowohl die Zeitungswerbung als auch die Fernsehwerbung der Beklagten würden sein Persönlichkeitsrecht verletzen. Der Bezug zu seiner Werbung für die Firma AOL sei offensichtlich. Der Kläger hat beantragt:

I. Der Beklagten bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihren Online-Dienst "T-Online", insbesondere in TV-Werbespots, mit folgender Aussage zu werben:

" Hallo, Babs! Nicht böse sein, daß ich jetzt mit T-Online im Internet bin. Ist einfach günstiger. Hast Du mich noch lieb? Dein Tekki".

II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer I bezeichnete Werbung entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, wo, wann und in welchem Umfang die Werbung gemäß Ziffer I verbreitet wurde, insbesondere unter Angabe der Fernsehausstrahlungsdaten.

IV. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist und künftig noch entstehen wird, daß die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ihren Online-Dienst "T-Online" am 19.11.1999 mit der Aussage geworben hat:

"Es geht noch einfacher, Boris"

V. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, wo und in welchem Umfang die in Ziffer IV beschriebene Werbung verbreitet wurde, insbesondere unter Angabe der Werbeträger und Auflage der Werbeträger.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ein Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da in den Werbespots weder Name noch Vorname des Klägers genannt werde. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers könne deshalb auch nicht verletzt sein.

Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Werbespot mit dem Kläger in Verbindung bringen würden, könne eine Abwägung zwischen dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Die Beklagte hat die Meinung vertreten, aus der Unbegründetheit des Unterlassungsanspruchs folge auch die Unbegründetheit der Folgeansprüche.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Lediglich hinsichtlich der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wurde eine zeitliche Begrenzung auf den Tag der Werbung durch die Beklagte vorgenommen und die Klage insoweit abgewiesen.

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, sowohl der von der Beklagten geschaltete Werbespot als auch die Printwerbung würden schuldhafte rechtswidrige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Beide Werbekampagnen würden eine Reaktion der Beklagten auf die Fernsehwerbung der Firma AOL mit dem Kläger darstellen. Die Beklagte habe sich die Popularität des Klägers zu Nutze gemacht, um auf die Werbung eines Wettbewerbers zu antworten. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch nicht durch das Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Der Eingriff sei ausschließlich im Rahmen der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten erfolgt. Das Recht des Klägers, selbst zu bestimmen, ob und wie sein Name und seine Persönlichkeit in der Werbung eingesetzt werden, sei höher zu bewerten.

Die Beklagte hat gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie ist weiterhin der Auffassung, ein rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers liege nicht vor. Die Bezugnahme auf eine Werbung mit einer prominenten Persönlichkeit als Hauptdarsteller stelle noch keinen Eingriff in die Rechte dieser Person dar. Die Beklagte habe Persönlichkeitsmerkmale des Klägers nicht verwendet.

Aufgrund der zwischenzeitlichen Scheidung der Eheleute Becker sei eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Fernsehwerbung nicht mehr gegeben. Der Unterlassungsanspruch damit jedenfalls unbegründet.

Die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, die vom Kläger geltend gemacht werden, seien nach wie vor zu weit gefaßt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 12.7.2000, 21 O 494/00, aufzuheben und die Klage auch im übrigen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht sich die Begründung des Landgerichts zu Eigen. Weiter führt der Kläger aus, das Verhalten der Beklagten habe bereits Nachahmer gefunden, die in ähnlicher Weise wie die Beklagte die Werbung des Klägers für die Firma AOL ausgenützt hätten. Diese hätten aber entsprechende Unterlassungserklärungen abgegeben und Schadensersatz geleistet.

Beweis wurde vom Senat nicht erhoben.

Bezug genommen wird auf das angefochtene Urteil und auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Ausführungen der Beteiligten im Berufungsverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511 ff. ZPO) erweist sich als unbegründet.

I.

Der Senat folgt der zutreffenden Begründung des Landgerichts im Urteil vom 12.7.2000 (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, daß die Benutzung eines fremden Namens zu einer Verletzung des allgemeinen, durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts des Namensträgers führen kann, wenn die genannte Person positiv werbend mit einem Produkt in Verbindung gebracht wird, obwohl sie dem nicht zugestimmt hat (BGHZ 26, 349/354 - Herrenreiter; BGHZ 30, 7/10 f - Caterina Valente; BGHZ 81, 75/77 ff. - Carrera). Diese aus den §§ 22 und 23 KUG entwickelte Rechtsprechung (BGHZ 20, 345/350 - Paul Dahlke) wurde damit begründet, daß es der freien Entschließung des Einzelnen vorbehalten bleiben müsse, ob und in welcher Weise er sein Bild als Anreiz für einen Warenverkauf zur Verfügung stellen und den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen wolle (BGHZ 81, 75/79 - Carrera).

Ohne Bedeutung ist dabei, ob der unbefugte Namensgebrauch zu einer Beeinträchtigung der Wertschätzung des Namensträgers führt. Allein schon die unbefugte Benutzung eines fremden Namens zu Werbezwecken, den der Berechtigte im Geschäftsverkehr selbst werbend verwendet, stellt die Verletzungshandlung dar.

Die von der Beklagten in den beanstandeten Werbemaßnahmen verwendeten, in direkter Rede gehaltenen Aussagen verletzen das Persönlichkeitsrecht des Klägers, da er von den angesprochenen Verkehrskreisen als Adressat der Aussagen bzw. als Autor angesehen wird. Zielgruppe der Werbung sind Personen, die an einem Internetanschluß interessiert sind. Die Firma AOL als Hauptkonkurrentin der Beklagten warb ab dem 6.10.1999 - und damit in engem zeitlichem Zusammenhang mit den hier beanstandeten Werbekampagnen - um Kunden, mit dem in der Öffentlichkeit seit Jahren bekannten Kläger.

Herausgestrichen wurde in den Werbespots, daß der Zugang zum Computernetzwerk Internet auch für technisch nicht begabte oder interessierte Personen denkbar einfach sei ("... ich versteh absolut null von Technik... bin ich doch gar kein Tekki... Das ist ja einfach"). Adressatin der imaginären Aussage war die damalige Ehefrau des Klägers, Barbara, die auch in der Öffentlichkeit unter den Namen "Babs" bekannt ist.

Die am 19.11.1999 geschaltete Zeitungsanzeige "Es geht noch einfacher, Boris", stellt einen direkten Bezug zu dem Werbespot der Firma AOL mit der Aussage "... Das ist ja einfach..." dar. Der Komparativ "einfacher" bezieht sich auf die Grundform "einfach". Die Merkmale "einfach", "Boris" und das Medium "Internet" finden sich als Werbeaussage in zeitlichem Zusammenhang zur Anzeige vom 19.11.1999 in der Fernsehwerbung der Firma AOL, die am 6.10.1999 begonnen hatte.

Die angesprochenen Verkehrskreise konnten deshalb nur den Kläger als Empfänger der fiktiven Aussage auffassen (§ 286 ZPO). Vorausgesetzt wurde dabei, daß dieser Personenkreis auch die AOL-Werbung zur Kenntnis genommen hatte. Für nicht informierte Leser ergab die Aussage keinen Sinn.

Der unbefugte Gebrauch des Namens des Klägers besteht darin, daß die Beklagte die hohe Aufmerksamkeit, die dem Kläger im Rahmen seines kommerziellen Auftretens gerade durch die Werbung der Firma AOL entgegengebracht wurde, für ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke eingesetzt hat. Sie hat die Aufmerksamkeit, die in den interessierten Verkehrskreisen durch die Werbung mit dem Kläger hervorgerufen wurde, ausgenutzt und mit ihrer eigenen Werbeanzeige nicht nur auf das von der Firma AOL vertriebene Produkt, sondern auch auf die als Werbeträger benutzte populäre Person des Klägers Bezug genommen.

Während die Frage, welcher Internetzugang "einfacher" ist und in welcher Form damit geworben werden kann, für den Kläger ohne Bedeutung ist, besteht ein Anspruch darauf, nicht ohne Einwilligung als Werbeträger eingesetzt zu werden. Es ist das uneingeschränkte Recht jedes einzelnen, sich nicht gegen den eigenen Willen von Dritten für deren Werbezwecke einspannen zu lassen. Das gilt auch für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, soweit sie die Veröffentlichung ihres Lichtbildes und die Nennung ihres Namens zu Zwecken der Berichterstattung in entsprechender Anwendung von § 23 KUG zu dulden haben (Soehring, Presserecht, 3. Auflage, Rn. 17.16). Daß auch ein Vorname Namensschutz genießen kann, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (BGH NJW 1982, 1184 f - Uwe).

Auch in der ab 21.11.1999 von der Beklagten geschalteten Fernsehwerbung in Form einer E-Mail-Nachricht stellen die Merkmale "Babs", "einfach günstiger", "Tekki" und das Medium Internet bei den interessierten Verkehrskreisen eine Verbindung zum Werbespot der Firma AOL und damit zur Person des Klägers als Werbeträger her.

Die zwischenzeitliche Scheidung des Ehepaares Becker kann die Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch nicht beseitigen. Es ist durchaus vorstellbar, daß eine nochmalige Werbung gerade mit der Frage "Hast Du mich noch lieb?" von der Beklagten als originelles Werbemittel angesehen werden könnte.

Die vom Landgericht tenorierten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche sind entgegen der Ansicht der beklagten Partei auch nicht zu weitgehend formuliert. Aus dem landgerichtlichen Urteil ergibt sich eindeutig, daß sich die Auskunfts- und Schadensersatzpflicht nur auf die konkrete Werbung durch die Beklagte selbst bezieht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Beschwerdewert wurde gemäß § 546 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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