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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 13.08.2003
Aktenzeichen: 21 U 5348/03
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 31 | |
BGB § 823 | |
BGB § 909 |
2. Zur Frage der Anforderungen an eine solche Sorgfaltspflicht bei Arbeiten an einem Hanggrundstück und zum Ausschluss der Haftung, wenn sich ein Bauunternehmer auf den Gründungsvorschlag des vom Bauherrn bestellten Sachverständigen verlässt.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 21 U 5348/02
Verkündet am 13.08.2003
In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatzes
erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Schmidt und Dr. Klemm aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2003 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München II, 5.Zivilkammer vom 16.10.2002 sowie das Versäumnisurteil dieses Gerichts vom 07.05.1997 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten veranlassten Kosten; diese trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Senat begründet das Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO wie folgt:
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Beschädigung einer Garage durch von der Beklagten auf dem Nachbargrundstück durchgeführte Tiefbauarbeiten.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat das von ihm am 07.05.1997 erlassene Versäumnisurteil insoweit aufrecht erhalten, als die Beklagte zur Zahlung von Euro 22.101,40 nebst Zinsen verurteilt wurde.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte beantragt,
unter teilweise Änderung des landgerichtlichen Urteils die Klage auch insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 24.01.2003-(Bl. 297/305 d. A.), auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 01.03.2003 (Bl. 309/314 d. A.) und die weiteren Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Der Senat hat zusätzlich Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen und sowie durch Anordnung einer schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.07.2003 (Bl. 353/367 d. A.) sowie auf die schriftlichen Angaben des Zeugen vom 01.07.2003 (Bl. 349/352 d. A.) verwiesen.
Gründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte weder aufgrund §§ 823 Abs. 2, 909, 31 BGB, noch aufgrund § 823 Abs. 1 BGB oder einem anderen Rechtsgrund zu, da die Beklagte nicht schuldhaft gehandelt hat.
In der für ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und zulässigen (BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387/1388) Kürze - die sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Auflage, § 313 Rn. 27) - wird ausgeführt:
1) Für die Fälle, in denen einem Grundstück infolge einer Vertiefung die erforderliche Stütze verloren geht, kommt § 823 Abs. 2 i, V. m. § 909 BGB als Haftungsgrundlage m Betracht.
a) Die Haftung nach §§ 823 Abs. 2, 909 BGB kann auch die Beklagte als die mit der Bauausführung beauftragte Bauunternehmerin treffen, wenn diese hätte voraussehen müssen, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verlieren könnte.
Grundsätzlich trifft jeden der an der Vertiefung mitwirkenden Beteiligten eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht. Wenn sein Beitrag an der Vertiefung pflichtwidrig und schuldhaft ist, haftet er nach §§ 823 Abs. 2, 909 BGB auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens (vgl. BGH NJW 1996, 3205/3206; 1981, 50/51 mit weiteren Nachweisen).
Die Entscheidung, an der Vertiefung des Grundstücks in der geschehenen Weise mitzuwirken, ist von einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten im Sinne des § 31 BGB getroffen worden. § 31 BGB ist auf die Rechtsform, in der die Beklagte ihren Betrieb führt, entsprechend anwendbar (vgl. BGH NJW 1996, 3205/3207; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 31 Rn. 3).
b) Die Beklagte hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, die sich an den berufsspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen eines Bauunternehmers, hier des Betriebsführers der Beklagten, ausrichtet, vorwerfbar außer Acht gelassen (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.).
Die Beklagte hat hierzu ihre Berufung auf begründete Angriffe gegen das Ersturteil gestützt. Dieses enthält zur Frage des Verschuldens keine näheren Ausführungen. Die Beklagte hat in erster Instanz übergangene Beweisanträge ausdrücklich gerügt (vgl. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Es handelt sich nicht um im Berufungsverfahren neu vorgetragene Tatsachen.
Vom Bauherrn ist ein Baugrundgutachten der hierauf spezialisierten Dr. und Dr., Büro für GmbH eingeholt worden (vgl. Gutachten vom 12.04.1994, Anlage E 2 zu Bl. 30/31 d. A.). Da die Architektin, die Zeugin, in dem Baugrundgutachten einen verbindlichen Gründungsvorschlag vermisst hat, hat sie telefonisch mit dem Zeugen Dr. vereinbart, dass dieser oder ein Mitarbeiter von ihm als Gutachter bei Beginn der Aushubarbeiten die Bodenverhältnisse auf dem Grundstück untersuche und sodann seinen verbindlichen Gründungsvorschlag unterbreite.
Dies hat die Zeugin glaubhaft bestätigt. Die Aussage des Zeugen Dr., der an das Telefongespräch keine Erinnerung hatte und dazu nichts sagen konnte, steht nicht entgegen.
Vereinbarungsgemäß hat dann am 17.05.1995 der Ortstermin für den verbindlichen Gründungsvorschlag unter Teilnahme des Sachverständigen vom Büro Dr. und Dr., des Geschäftsführers für die Beklagte und des Bauherrn stattgefunden. Aufgrund der bei dem Probeschurf auf der Baustelle gewonnenen Erkenntnisse hat der Sachverständige empfohlen, eine Flachgründung mit Bodenaustausch unter Verzicht auf die ursprünglich vorgeschlagene Spundwandumschließung und die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen durchzuführen; ferner hat er empfohlen, die Böschungen soweit abzuflachen, wie es die Grundstücksverhältnisse zulassen, weil es anderenfalls bei sehr ungünstigen Witterungsverhältnissen zu einem Einbrechen der Baugrube hätte kommen können.
Die Empfehlung des Sachverständigen folgt aus dessen Zeugenaussage sowie aus der Aussage des Zeugen. Die Aussagen sind glaubhaft. Sie stimmen weitgehend überein. Der Zeuge hat vor allem die Erklärung des Sachverständigen bestätigt, dass eine Spundwandumschließung nicht erforderlich sei.
Ein Verschulden der Beklagten folgt nicht aus dem Schreiben des Zeugen Dr. vom 01.06.1995 an den Bauherrn, den Zeugen (Anlage E 6 zu Bl. 30/31 d. A.). In dem Schreiben wird die Feststellung des Mitarbeiters S anlässlich des Baustellenbesuchs am 17.05.1995 bestätigt, dass der Bodenaustausch auch ohne wasserdichte Umschließung der Baugrube (Spundwand) praktikabel sei. Im Schreiben vom 01.06.1995 wird dann einschränkend ausgeführt, dass die Feststellung des Zeugen sich "nicht auf einen eventuell erforderlichen Verbau für die Sicherung der Baugrubenwände" bezogen habe, "sondern ausschließlich auf die bei Ausführung des Probeschurfs gemachte Beobachtung, dass aus den Torfschichten kein Wasser austrat und der aus diesem Grunde in unserem Gutachten für die Durchführung der Bodenaustauscharbeiten empfohlene "wasserdichte Trog" (Spundwandumschließung) nicht erforderlich ist", dass es sich bei diesem Zustand um eine Momentaufnahme handle und dass nach dem Kommentar des Zeugen (auf der Baustelle am 17.05.1995) "bei diesen Verhältnissen wohl ein freies Abböschen der Baugrubenwände möglich ist, wenn die Böschungen entsprechend flach angelegt (sind) und ausreichend Platz zu den Nachbargrundstücken vorhanden ist."
Diese nachträglichen Einschränkungen führen zu keinem anderen Ergebnis.
Das Schreiben des Zeugen Dr. ist der Beklagten damals nicht, jedenfalls nicht rechtzeitig zugegangen, obwohl es dann im Rechtsstreit von der Beklagten vorgelegt worden ist. Denn das an den Bauherrn, den Zeugen gerichtete Schreiben datiert erst vom 01.06.1995, während die Aushubarbeiten nach dem Vorschlag des sachverständigen Mitarbeiters von Herrn Dr. bereits am 22.05.1995 ausgeführt worden sind (Bl. 18 d. A.). Darüber hinaus ist es zweifelhaft, ob die Beklagte damals überhaupt über das Schreiben vom 01.06.1995 unterrichtet worden ist. Der Vertreter der Beklagten hat nach seinen Angaben das Schreiben damals nicht gekannt. Der Empfänger, der Bauherr F, hat eine Weiterleitung an die Beklagte nicht bestätigt. Ein Absehen von der Unterrichtung des Bauunternehmers entspräche der Bekundung des Zeuge, wonach er für das "wohl aus haftungsrechtlichen Gründen" verfasste Schreiben des von ihm beauftragten Sachverständigen kein Verständnis gehabt habe. Der Zeuge hat bei seiner Aussage seinen Gründungsvorschlag ohne jede Einschränkung wiedergegeben, wobei er den Eindruck vermittelt hat, sich konkret an den damaligen Ortstermin zu erinnern. Dass der Zeuge dann am Schluss seiner Vernehmung auf Vorlage des Schreibens vom 01.06.1995 auch die inhaltliche Richtigkeit des von Dr. S verfassten Schreibens bestätigt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Untersuchung und (einheitlich zu entscheidender) Gründungsvorschlag des Sachverständigen hatte, auch nach dem Verständnis des Zeuge, vor allem das Ergebnis, dass im konkreten Fall auf die Spundwandumschließung verzichtet werden kann. Auch hat sich der Zeuge bei dem Ortstermin selbst davon überzeugen können, dass ausreichend Platz für die Anlage der Böschungen vorhanden war.
Angesichts des Ergebnisses der Probebohrung und der Ausführungen des Sachverständigen auf der Baustelle, namentlich des "verbindlichen" Gründungsvorschlags, geht der Senat nicht davon aus, dass für das beklagte Bauunternehmen (für dessen Verantwortlichen) die Gefahr einer Schädigung des Klägers gleichwohl zumindest erkennbar gewesen sei und die Beklagte ihre eigenverantwortliche Prüfungspflicht verletzt habe. Die Beklagte hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vorwerfbar außer Acht gelassen, indem sie die Baumaßnahme gemäß dem auf konkrete Untersuchungen an Ort und Stelle gestützten Gründungsvorschlag des spezialisierten Fachmanns ausgeführt hat. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen hatte der Zeuge seinen Vorschlag zusätzlich und nachvollziehbar mit der Vermeidung der mit einer Spundwandumschließung verbundenen Erschütterung begründet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Beklagten als Bauunternehmen eine weitergehende Kenntnis vorausgesetzt werden müsse, als. sie bei dem Fachprojektanten gegeben war. Ein genügender Entschuldigungsgrund für Unkenntnis kann die Betrauung einer zuverlässigen Fachkraft sein (vgl. Palandt/Thomas a. a. O. § 823 Rn. 143 mit weiteren Nachweisen). Ein Verschulden der Beklagten ergibt sich im Streitfall, in dem ein Sachverständiger mit der Erkundung und Klärung beauftragt war und dessen Gründungsvorschlag vorlag, auch nicht aus im Ersturteil angesprochene DIN-Vorschriften (die grundsätzlich auch kein Schutzgesetzt im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB sind, Palandt/Thomas a. a. O. § 823 Rn. 153 mit weiteren Nachweisen).
2) Damit kommt es nicht mehr entscheidend auf die Frage an, ob die Schiefstellung der Garage auf deren mangelhafte Gründung zurückzuführen ist. Nach dem bisherigen Beweisergebnis, namentlich nach der Aussage des Zeugen, steht nicht fest, dass die Garage des Klägers tatsächlich auf 6 oder 7 m langen Pfählen - mit einem Durchmesser von ca. 30 cm gegründet war, was aber der Sachverständige angenommen hat.
3) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 344 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 11 und § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro 22.101,40 festgesetzt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Ende der Entscheidung
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