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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.09.2003
Aktenzeichen: 21 W 2186/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 572
1. Ein Beschluss, mit welchem einer sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen wird, bedarf der Begründung. Erforderlich ist in der Regel eine eingehende Auseinandersetzung mit neu vorgebrachten Gründen der Beschwerde.

2. Schwierige Rechtsfragen sind grundsätzlich nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 21 W 2186/03

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hier: Prozeßkostenhilfe

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter am 12. September 2003 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München I, 23. Zivilkammer, vom 5.8.2003 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Helmut W. M. beigeordnet.

Gründe:

I. Der Senat entscheidet über die Beschwerde, obwohl eine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung des Landgerichts nicht vorliegt. Immer öfter werden dem Senat Beschwerden mit der formelhaften und einzigen Begründung (Formularbegründung) vorgelegt, "Auf die Gründe des Beschlusses vom ... wird Bezug genommen". Der auf dem Formular vorgesehene freie Raum für die eigentliche Begründung wird nicht genutzt. Dies widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 572 ZPO. Dieser Raum im Formular dient - gesetzeskonform - dazu, die eigentliche Begründung aufzunehmen.

§ 572 ZPO stellt den Begründungszwang nicht ausdrücklich klar. Es ist dies aber selbstverständlich; die Pflicht zur Begründung ergibt sich aus der Rechtsnatur der Entscheidung und aus dem Zweck des § 572 ZPO. Auch die Entscheidung über die Frage der Abhilfe ist eine gerichtliche Entscheidung. Solche Entscheidungen bedürfen der Begründung, jedenfalls dann, wenn ein Rechtsmittel statthaft ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl., § 329 Rn. 10). Nur so kann etwa geprüft werden, ob das rechtliche Gehör gewahrt ist. Außerdem ist es Zweck des § 572 ZPO, begründete Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen. Die Vorlage einer Beschwerde durch das Erstgericht setzt dem gemäß eine Entscheidung voraus, in der auf das Beschwerdevorbringen gezielt und inhaltlich erschöpfend eingegangen wird. Sie muss sich konkret mit der Gegenargumentation der Beschwerdebegründung befassen und nachvollziehbar darstellen, weshalb nicht abzuhelfen ist. In Kosten auslösenden Verfahren werden bei einem Vorgehen auf solche Weise auch Kosten erspart werden. Unentbehrlich ist die Begründung, wenn die Beschwerde neue Tatsachen vorträgt (vgl. Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl., § 572 Rn. 9), aber auch dann, wenn sie einen Aspekt konkret aufzeigt, mit welchem sich die Erstentscheidung noch nicht oder nur am Rande befasst hat. Einer Begründung bedarf es etwa dann nicht, wenn die Beschwerde keine Begründung enthält oder bei nur formelhafter Beschwerdebegründung.

II. Die Beschwerde ist der Sache nach begründet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind schwierige Fragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden (vgl. etwa BVerfG NJW 2000, 1936; 2000, 2089; FamRZ 2002, 665 = NJW 2002, 793). Um solche Fragen handelt es sich hier. Es geht um die Auslegung des Gesellschaftsvertrages, vorgelegt als Anlage K 1. Diese richtet sich grundsätzlich nach §§ 133, 157 BGB (vgl. Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl., § 705 Rn. 14). Damit sind über den Wortlaut des Gesellschaftsvertrages hinaus etwa auch erläuternde Vorgespräche und Begleiturkunden zu berücksichtigen. Notfalls ist eine ergänzende Vertragsauslegung durchzuführen.

Einzelne Klauseln und Umstände sprechen für, aber auch gegen die Ansicht des Klägers; eine eingehende Auseinandersetzung mit dem streitgegenständlichen Vertrag ist deshalb erforderlich. § 2 (3) des Vertrages lässt offen, an wen die Kaution zu bezahlen war. Nach § 10 (4) Satz 3 konnte der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution mit dem Anspruch aus käuflicher Überlassung von Mandanten verrechnet werden; wem dieser Anspruch aus der käuflichen Überlassung zustand, ist offen - wohl eher dem Gesellschafter. Für die Auffassung des Klägers spricht auch der Zweck der Kaution, nämlich die Sicherung der dem Kläger zur Bearbeitung für den Beklagten zu überlassenden Mandate des Beklagten. Für diese Ansicht spricht wohl auch § 11 (3) des Gesellschaftsvertrages, wonach die Kaution von dem zu verzinsen ist, zu dessen Gunsten sie gewährt wurde. Nachdem offen war, an wen die Kaution zu leisten war, kann es eine erhebliche Rolle spielen, wie die Frage dann tatsächlich gehandhabt wurde. Dazu wäre wohl vom Kläger zu beweisen, an wen er bezahlt hat (Unterlagen hierzu sind vorgelegt) und ferner, ob das Konto, wie wohl der Beklagte behauptet, faktisch als Gesellschaftskonto geführt wurde. Die Ansicht des Beklagten hat wohl - worauf er hinweist - das LG München I in dem Rechtsstreit 24 O 11323/94 (Anlage B 1) vertreten.

Das Landgericht hat auch zu klären, auf welcher Anspruchsgrundlage der klägerische Anspruch beruht. Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses könnte geschlossen werden, dass es von einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeht. Dies kann sich auf die Frage auswirken, ob die Weiterleitung des an den Beklagten bezahlten Geldes an die Gesellschaft eine Rolle spielen kann. Dann wäre zu prüfen, ob nicht nur die Gesellschaft bestimmungsgemäß bereichert wurde. Eher dürfte der Anspruch jedoch aus dem Gesellschaftsvertrag herzuleiten sein (Rückzahlungsanspruch aus dem Gesellschaftsvertrag, bedingt durch den Wegfall des Zwecks). Trifft dies zu, dann könnte das ein Argument für die Annahme sein, dass sich der Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft richtet.

Der Kläger muss Gelegenheit erhalten, zu diesen Tat- und Rechtsfragen anwaltlich beraten gründlich vortragen zu dürfen. Daran ändert nichts die Tatsache, der er wohl selbst Rechtsanwalt ist. Es ist eher vernünftig, wenn sich ein Anwalt nicht selbst vertritt.

Ende der Entscheidung

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