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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.12.2000
Aktenzeichen: 21 W 3285/00
Rechtsgebiete: BayPresseG


Vorschriften:

BayPresseG Art. 10
Eingeschobene Glosse bei Gegendarstellung

1. Verlangt der Betroffene den Abdruck einer Gegendarstellung mit der Überschrift "Gegendarstellung" und wird diesem Verlangen vom Gericht stattgegeben, dann besteht die Gegendarstellung im Sinn von Art. 10 BayPresseG aus der Überschrift, dem eigentlichen Text und der Bezeichnung des Betroffenen am Ende. Eine Gegendarstellungsglosse, die zwischen Überschrift und eigentlichem Text der Gegendarstellung abgedruckt ist, ist als unzulässiger Einschub zu behandeln, welcher die Erfüllung des Anspruchs verhindert.

2. Besteht die Gegendarstellung nach der gerichtlichen Anordnung aus zwei Absätzen, dann bewirkt der Abdruck dieser beiden Absätze in einem einzigen Absatz keine Erfüllung.

3. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann einem erneuten Abdruckverlangen nach nicht ordnungsgemäßem Abdruck entgegen stehen. Der Einwand kommt aber bei unzulässigen Einschüben regelmäßig kaum in Betracht.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 21 W 3285/00 9 O 19733/00 LG München I

In dem Rechtsstreit

wegen Gegendarstellung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 19. Dezember 2000

folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 8.12.2000 wird der Beschluß des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 24.11.2000 geändert.

II. Die Schuldnerin wird zur sofortigen Vornahme der durch Beschluß des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 17.10.2000, Az.: 9 O 19733/00 angeordneten Handlung in der durch Art. 10 BayPrG angeordneten und durch den genannten Beschluß konkretisierten Form durch Zwangsgeld in Höhe von 20.000 DM, für den Fall, daß das Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft von 2 Wochen, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin, angehalten.

III. Die Schuldnerin kann die Vollziehung dieses Beschlusses bis zur Beitreibung oder Verhaftung durch Vornahme der Handlung abwenden.

VI. Die Schuldnerin trägt die Kosten des gesamten Zwangsgeldverfahrens.

V. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 30.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 17.10.2000 die Veröffentlichung folgender Gegendarstellung durch die Schuldnerin angeordnet:

"Der Antragsgegnerin wird gemäß §§ 935 ff ZPO geboten, in dem gleichen Teil der Zeitung "S Zeitung", in dem der Artikel "K schießt in den Ofen" (S Zeitung vom 25.9.2000) erschienen ist und mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift durch drucktechnische Anordnung in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung

Die "S Zeitung" berichtet in ihrer Ausgabe vom 25.9.2000 unter der Überschrift "K schießt in den Ofen" über die Debatte um Fernsehspiele in der A. Die "S Zeitung" behauptet, der N-Programmdirektor und A-Fernsehspielkoordinator J K sei "im eigenen Rundfunkrat abgeblitzt", und zitiert in diesem Zusammenhang aus einem "vom Rundfunkrat abgelehnten Papier K".

Hierzu stellen wir fest, daß dem Rundfunkrat des N kein Papier von Herrn Dr. K vorgelegen hat. Das Papier, aus dem die "S Zeitung" zitiert, stammt von der Vorsitzenden des Rundfunkrats. Über dieses Papier hat der Rundfunkrat keinen Beschluß gefaßt.

N Rundfunk Der Intendant J P

In der S Zeitung vom 19.10.2000 ist die Gegendarstellung in folgender Form veröffentlicht worden:

Gegendarstellung

Die folgende Gegendarstellung wird entsprechend den gesetzlichen Vorschriften unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt abgedruckt.

Die S Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 25.9.2000 unter der Überschrift "K schießt in den Ofen" über die Debatte um Fernsehspiele in der A. Die S Zeitung behauptet, der N-Programmdirektor und A-Fernsehspielkoordinator K sei "im eigenen Rundfunkrat abgeblitzt", und zitiert in diesem Zusammenhang aus einem "vom Rundfunkrat abgelehnten Papier K". Hierzu stellen wir fest, daß dem Rundfunkrat des N kein Papier von Herrn Dr. K vorgelegen hat. Das Papier, aus dem die S Zeitung zitiert, stammt von der Vorsitzenden des Rundfunkrats. Über dieses Papier hat der Rundfunkrat keinen Beschluß gefaßt.

Norddeutscher Rundfunk, Der Intendant, P

Das Landgericht hat einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld, durch welches die Schuldnerin zur Veröffentlichung der Gegendarstellung ohne den Einschub angehalten werden sollte, mit Beschluß vom 24.11.2000 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 8.12.2000.

Die Voraussetzungen dafür, daß die Schuldnerin zu einer Veröffentlichung der Gegendarstellung ohne den Einschub anzuhalten ist (§ 888 ZPO), sind gegeben.

1. Durch die Veröffentlichung der Gegendarstellung am 19.10.2000 wurde der Anspruch des Gläubigers nicht erfüllt im Sinne von § 362 BGB. Der Anspruch besteht deshalb fort.

a) Entgegen der Auffassung der Schuldnerin besteht die Gegendarstellung hier aus dem gesamten Text einschließlich Überschrift und Unterschrift. Im Kern besteht eine Gegendarstellung auch nach Art. 10 BayPrG Ld.F. vom 19.4.2000 (welche hier anzuwenden ist, welche aber keine inhaltlichen Änderungen enthält, außer der Umstellung auf die Bezeichnung als Artikel) aus der Wiedergabe der Erstmitteilung und der Entgegnung. Dieser Kern wird aber durch die Unterschrift ergänzt und für den Fall, daß eine konkrete Überschrift verlangt wird, auch durch diese. Im letzteren Fall besteht danach die Gegendarstellung aus 4 formalen Teilen: Aus der Überschrift, dem Text mit der Wiedergabe der Erstmitteilung und der Entgegnung und aus der Unterschrift. Hat der Betroffene ausdrücklich eine Überschrift "Gegendarstellung" verlangt, unterliegt sie als Bestandteil der Gegendarstellung dem Änderungsverbot (Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rn. 430, S. 196). Dem Antrag des Gläubigers hat das Landgericht einschließlich Überschrift "Gegendarstellung" ohne jede Änderung statt gegeben. Auch nach der gerichtlichen und damit verbindlichen Fassung ist damit die Überschrift "Gegendarstellung" Bestandteil der Gegendarstellung selbst. Der Einschub zwischen Überschrift und eigentlichem Text ist deshalb ein unzulässiger Einschub i.S. von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayPrG.

b) Nicht entschieden zu werden braucht die weitere Frage, ob die Veröffentlichung auch noch unter weiteren Mängeln leidet, welche der Erfüllung entgegenstehen könnten. Nur ergänzend sei aber auf folgendes hingewiesen: Es begegnet keinen Bedenken, daß die Worte "S Zeitung" durch Kursivdruck der Worte ohne Anführungszeichen ersetzt wurden; und ebenso durfte der Unterschriftsteil an Stelle der angeordneten 3 Zeilen fortlaufend, durch Kommata getrennt, wiedergegeben werden. Einwendungen hiergegen würden wohl die Pressefreiheit - (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) unnötig und unverhältnismäßig einschränken. Und schließlich bestehen grundsätzlich keine Einwendungen gegen die Formulierung der Glosse (vgl. Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 29.62 a.E.).

Der Senat wird es aber nicht dulden, wenn der Absatz zwischen der Wiedergabe der Erstmitteilung und der Entgegnung nicht wiedergegeben wird. Der Gläubiger ist befugt, eine solche Gestaltung zu wählen, um die Gegensätze zwischen Erstmitteilung und Entgegnung besser zum Ausdruck zu bringen. Wird in der verbindlichen gerichtlichen Entscheidung diese Gestaltung übernommen, dann darf dies nicht geändert werden.

c) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Anordnung des Abdrucks ohne den Einschub nicht entgegen. Dieser Grundsatz gilt - natürlich - auch im Gegendarstellungsrecht und auch bei Beurteilung der Frage, ob ein erneuter Abdruck verlangt werden kann, wenn eine Erstveröffentlichung nicht der gerichtlichen Anordnung entsprach. Ein solches Verlangen könnte rechtsmißbräuchlich sein. Treu und Glauben bilden eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Im vorliegenden Fall könnte ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Gläubigers fehlen oder aber die geschehene Veröffentlichung könnte als nur geringfügige Interessenverletzung einzustufen sein, so daß ein Verlangen auf Neuabdruck unverhältnismäßig wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 38, 50 ff. und 53 f.).

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Es ist zu unterscheiden zwischen Eingriffen in die Gegendarstellung selbst und Zusätzen zu ihr. Im ersteren Fall sind strenge Anforderungen an die Erfüllung zu stellen und demgemäß kommt die Einwendung aus § 242 BGB nur ausnahmsweise in Betracht. Der Streit zwischen den Parteien ist durch die gerichtliche Anordnung auf Veröffentlichung der Gegendarstellung entschieden. Die gerichtliche Entscheidung hat auch die Art der Veröffentlichung verbindlich festgelegt. Das Medium darf die Gegendarstellung schon ohne gerichtliche Entscheidung allenfalls in Kleinigkeiten ändern (z.B. bei Schreibfehlern; vgl. Seitz/Schmidt/Schoener a.a.O. Rn. 710). Bei Festlegung der Gegendarstellung durch gerichtliche Entscheidung gilt dies umso mehr. Die einstweilige Verfügung auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung ist Leistungsverfügung. Verzichtet das Medium auf einen Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung, so steht diese einem rechtskräftigen Titel gleich. Nur deshalb kommt § 888 ZPO im vorliegenden Fall zur Anwendung. Einwendungen gegen die Rechtskraft sind aber allenfalls unter den Voraussetzungen des § 826 BGB zulässig, wenn also das Vorgehen des Gläubigers als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen ist (vgl. Palandt/Thomas a.a.O. § 826 Rn. 46). Das Verbot der Einschiebungen und Weglassungen ist streng auszulegen (Senat, Beschluß vom 13.2.1997, Az.: 21 W 834/97; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rn. 11. 183).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Bei unzulässigem Einschub wird schon allgemein die Auffassung vertreten, daß erneut und ohne Einschub abzudrucken ist (Schmidt in Seitz/Schmidt/Schoener a.a.O. Rn. 430, 442; Soehring a.a.O. Rn. 29.63). Hier kann nichts anderes gelten als bei Veröffentlichung auf Seite 2, obwohl die Veröffentlichung auf "Seite Drei" angeordnet wurde (Senat AfP 2000, 386). Der Einschub beeinträchtigt die Wirkung der Gegendarstellung sehr. Er zerreißt die einheitliche Gegendarstellung durch den redaktionellen Text, zerstört die Wirkung der Überschrift. Wenn schon der Betroffene die Überschrift "Gegendarstellung" verbindlich wählen darf, dann kann nicht gestattet werden, daß der Verpflichtete die Wahl durch eine eingeschobene Glosse wieder zerstört und dann muß auf Antrag zur korrekten Veröffentlichung angehalten werden. Zu berücksichtigen ist auch, daß diese Art der Veröffentlichung ganz offensichtlich vorsätzlich geschehen ist oder mindestens mit bedingtem Vorsatz. Verschulden ist im Rahmen von § 888 ZPO nicht Voraussetzung; es ist aber bei der erforderlichen Abwägung der Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Nicht entgegen steht, daß das Landgericht in der Art der geschehenen Veröffentlichung keinen erheblichen Eingriff gesehen hat. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, welche der Senat anders entscheiden kann. Keinesfalls kann bei einer solchen Sachlage von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Schuldnerin durch den Antrag auf korrekte Veröffentlichung gesehen werden. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist die Erfüllung anhand von formalen Kriterien zu prüfen.

2. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren und für die erste Instanz (insoweit im Hinblick auf die besondere Ausgestaltung des Zwangsgeldverfahrens als ein zweiseitiges Verfahren, bei dem der Schuldner zu hören ist, § 891 ZPO) folgt aus § 91 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist gemäß § 3 ZPO, § 12 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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