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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 24.03.2000
Aktenzeichen: 23 U 5318/97
Rechtsgebiete: AuslPflVersG, BGB, PflVG, HGB, ZPO


Vorschriften:

AuslPflVersG § 1 Abs. 2
BGB § 249
BGB § 291
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 196 Abs. 2
BGB § 201
PflVG § 4 Abs. 2
HGB § 352 Abs. 1
ZPO § 256
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO § 3
ZPO § 5
ZPO § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 23 U 5318/97 3 HKO 11141/97 LG München I

Verkündet am 24. März 2000

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erläßt der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgerichte die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03. März 2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12. August 1997 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 86.611,57 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 08. Juli 1997 zu zahlen.

Der Beklagte ist ferner verpflichtet, den sämtlichen weiteren Schaden der Klägerin zu erstatten, der ihr aus der Ungültigkeit der Grünen Versicherungskarte, angeblich ausgestellt von der mit der Seriennummer der Policennummer, der Gültigkeitsdauer vom und der Geltung für die Bundesrepublik Deutschland und weitere europäische Länder insbesondere der Europäischen Union auf die Klägerin für deren Lastkraftwagen der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen ... entsteht.

Im Übrigen wird die Klage ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 125.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt DM 60.000,00, der der Klägerin nicht.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf DM 93.411,26 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Transportunternehmen, begehrt vom Beklagten, der in eine Versicherungsvermittlung betreibt, Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung und anderem.

Der Beklagte hat Anfang 1993 in der Klägerin für deren Lastkraftwagen der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen ... eine grüne Versicherungskarte der zwischenzeitlich in Vermögensverfall geratenen mit der Seriennummer der Policennummer der Gültigkeitsdauer vom bis zum und der Geltung für die Bundesrepublik Deutschland und weitere europäische Länder insbesondere der Europäischen Union (Anlage zu Bl. 124/128; siehe auch die ebendort) ausgestellt und gegen Zahlung von DM 1.700,00 ausgehändigt.

Die Klägerin trägt vor, diese Karte sei gefälscht. Sie weist hierzu auf diesbezügliche Schreiben des vom (Anl. K 5) und des vom (Anl. K 6 sowie Übersetzung hierzu auf Bl. 120) hin. Ein Versicherungsschutz für ihr Fahrzeug habe mithin nicht bestanden. Sie habe daher selbst der Bundesrepublik Deutschland für die Schäden aufzukommen, die ihr Fahrer mit diesem Fahrzeug bei einem Unfall am auf der Bundesautobahn ... bei Kilometer ... in Fahrtrichtung an der Straßenanlage verursacht habe. Auf die hierfür insgesamt zu zahlenden DM 86.611,57 habe sie zwischenzeitlich einschließlich Nebenbeträgen DM 87.411,26 geleistet (Anl. K 19 zu Bl. 197). Diesen sowie noch entstehende Beträge müsse ihr nun der Beklagte wegen Schlechterfüllung seiner Vertragspflichten ersetzen.

Der Beklagte bestreitet, die der Klägerin ausgehändigte Versicherungskarte sei gefälscht oder illegal in Umlauf gebracht worden. Er habe diese Karte von der Firma in Italien, blanko bezogen. Diese sei selbst von der ermächtigt gewesen, einen Versicherungsvertrag mit dem jeweiligen Interessenten abzuschließen und die Karte auszustellen und auszuhändigen. Ihrerseits habe sie die erteilte Ermächtigung an ihn weitergegeben. Nach Ausfüllen der Karte habe er dann eine Kopie hiervon der, die wiederum die entsprechend unterrichtet habe. Wenn diese Versicherung nicht zahle, läge das allein an deren Konkurs. Weiter erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht München I hat am 12.08.1997 die Klage abgewiesen. Da die Grüne Karte lediglich ein Beweisdokument sei, könne sich die Klägerin nicht auf einen mängelbehafteten Rechtskauf stützen. Für eine unerlaubte Handlung habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Der Senat hat mit Beschluss vom 23.01.1998 der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Veräumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Er hat sodann die Verwaltungsangestellte vom Bl. 92/93 und 95 a) und A. (Anl. zu Bl. 193 und 195) jeweils im Wege der Rechtshilfe vernehmen lassen sowie die Akten des LG betreffend die Klage der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den, gegen die hiesige Klägerin auf Ersatz von DM 86.61 1,57 beigezogen (Bl. 126).

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Ersturteils, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen vom 23.01., 25.09. und 18.12.1998 sowie vom 03.03.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat im ganz wesentlichen Erfolg. Sie kann vom Beklagten den an die Bundesrepublik Deutschland zu leistenden Schadensersatz in Höhe von DM 86.611,57 samt 5 % Zinsen hieraus ab Klagezustellung am 08.07.1997 ersetzt verlangen und begehrt zu Recht die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, den sämtlichen weiteren Schaden der Klägerin zu erstatten, der ihr aus der Ungültigkeit der Grünen Versicherungskarte, angeblich ausgestellt von der mit der Seriennummer der Policennummer er Gültigkeitsdauer vom zum und der Geltung für die Bundesrepublik Deutschland und weitere europäische Länder insbesondere der Europäischen Union auf die Klägerin für deren Lastkraftwagen der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen ... entsteht. Nicht dagegen ist vom Beklagten der von der Klägerin über DM 86.611,47 hinaus auf den Ersatzanspruch der Bundesrepublik Deutschland geleistete Betrag samt Zinsen zu ersetzen.

I.

Auf die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien ist nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Zwar haben die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, doch ergibt sich eine solche aus den Umständen des Falles. Der in in Deutschland geschäftsansässige Beklagte hat die Grüne Karte hier ausgestellt und gegen einen Betrag in deutscher Währung übergeben. Zudem bedurfte die Klägerin für Fahrten ihres Lkws in der Bundesrepublik Deutschland eine dem Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (AuslPflVersG) genügende Versicherung samt einer entsprechenden Grünen Karte als der nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes erforderlichen Versicherungsbescheinigung.

II.

Der Beklagte ist der Klägerin zum Schadensersatz in dem oben genannten Umfang wegen positiver Vertragsverletzung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Maklervertrages verpflichtet.

1. Mit der Beauftragung, ihr eine Haftpflichtversicherung und eine entsprechende Grüne Karte für ihren Lastkraftwagen zu besorgen, schloß die Klägerin mit dem Beklagten einen Versicherungsmaklervertrag. Der Beklagte war jedenfalls insoweit kein Versicherungsagent. Er war nicht von der Versichererseite, hier der als Glied von deren Außenorganisation ständig mit der Vermittlung von deren Versicherungen betraut. Vielmehr trat er gegenüber der Klägerin als ein nicht an einen Versicherer gebundener, den wirtschaftlich schwächeren Versicherungsnehmer herkömmlich unterstützender Versicherungsmakler auf (vgl. zur Abgrenzung zwischen Versicherungsagent und Versicherungsmakler BGHZ 94, 356, 358 f.). Dementsprechend bezeichnete sich der Beklagte im Schreiben vom 29.04.1995 (Anl. K 7) an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin selbst als Versicherungsmakler.

2. Als solcher hatte er der Klägerin gegenüber weitgehende Pflichten. Er hatte als Vertrauter und Berater der Klägerin als Versicherungsnehmerin individuellen, für das betreffende Objekt, hier den klägerischen Lkw, passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Deshalb war er anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler der ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Klägerin zur Tätigkeit und hier sogar zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Er hatte von sich aus das Risiko zu untersuchen, das Objekt zu prüfen und die Klägerin als seine Auftraggeberin ständig, unverzüglich und ungefragt über die für sie wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen zu unterrichten. Dieser umfassenden Pflichten wegen war er für den Bereich der Versicherungsverhältnisse der von ihm betreuten Klägerin deren treuhänderähnlicher Sachwalter und mit sonstigen Beratern zu vergleichen. Das gilt selbst dann, wenn wie vielfach üblich aus der Sicht der Klägerin der Beklagte seine Provision vom Versicherer hätte erhalten sollen (vgl. BGHZ 94, 356, 359).

3. Diese umfassenden Pflichten aus dem Maklervertrag hat der Beklagte verletzt, indem er der Klägerin einen tatsächlich nicht bestehenden Versicherungsschutz vermittelt hat. Das letzteres so ist, hat die Klägerin bereits durch Vorlage der diesbezüglichen Schreiben des vom 16.07.1996 (Anl. K 5) und des vom 27.08.1996 (Anl. K 6 sowie Übersetzung hierzu auf Bl. 120) nachgewiesen. Aus diesen ergibt sich, daß die vom Beklagten der Klägerin ausgehändigte Grüne Karte gefälscht oder illegal in Umlauf gebracht worden ist und deshalb kein Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der zustande gekommen ist. Der Gegenbeweis ist dem Beklagten nicht gelungen. Hat vor dem gerade nicht bestätigt, die streitgegenständliche Versicherungsbescheinigung dem Beklagten übersandt und ihn ermächtigt zu haben, sie auf die Klägerin auszustellen. Vielmehr hatte nach seinen Angaben im Januar 1993 keinen geschäftlichen Kontakt mit dem Beklagten mehr. Dies erscheint auch nicht unglaubhaft, zumal der Beklagte keine schriftlichen Unterlagen über einen die streitgegenständliche Grüne Karte betreffenden geschäftlichen Verkehr mit vorweist und der Beklagte selbst im Schreiben vom 29.04.1995 (Anl. K 7) an die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin angibt, ab April 1993 gefälschte Karten der erhalten zu haben.

4. Aufgrund dieser positiven Vertragsverletzung hat der Beklagte gemäß § 249 BGB die Klägerin so zu stellen, als hätte er ihr Versicherungsschutz gemäß der ausgehändigten Grünen Karte, mithin gemäß den Bestimmungen des PflVG, insbesondere dessen § 4 Abs. 2 in Verbindung mit der Anlage hierzu, verschafft (vgl. BGHZ 57, 265, 276 f.). Das hat zur Folge, daß der Beklagte der Klägerin den Betrag von DM 86.611,57 ersetzen muß, den die Klägerin ihrerseits an die Bundesrepublik Deutschland zu leisten hat. Diese Verpflichtung der Klägerin einschließlich der Tatsache des schadensstiftenden Ereignisses und dessen Folgen ergibt sich aus der Aussage der Zeugin und den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten des Landgerichts. Daß die Bundesrepublik Deutschland der Klägerin Ratenzahlung gewährt hat, kommt dem Beklagten nicht zugute. Eine Vorteilsausgleichung insoweit hat zu unterbleiben, da sie nicht den Beklagten entlasten soll, wie sich auch aus den vorgenannten Akten ergibt. Gleiches gilt für die auf den Betrag von DM 86.611,57 nach § 291, § 288 Abs. 1 BGB und § 352 Abs. 1 HGB geschuldeten Zinsen in Höhe von 5 % p.a. Allerdings kann die Klägerin dann nicht, wie sie es jetzt aber tut, die bisher geleisteten Zahlungen auf Hauptsache und Nebenbeträge einschließlich Zinsen unter nochmaliger Verzinsung verlangen.

5. Gemäß den Ausführungen unter 4. ist auch der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden aufgrund des vermeintlich besorgten, tatsächlich aber nicht beschafften Versicherungsschutzes begründet. Die Klägerin hat insoweit das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. So hat, wie aus der letzten Bestätigung des (Anl. K 19) hervorgeht, eine Gesamtabrechnung des Unfalls einschließlich Zinsen und Kosten bisher nicht stattgefunden.

6. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Ansprüche gegen ihn nicht verjährt. Das ist den Vorschriften des § 196 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 sowie des § 201 BGB zu entnehmen. Die danach bestehende vierjährige Verjährungsfrist wäre erst am 31.12.1997, also nach Zustellung der Klage am 08.07.1997, abgelaufen.

Kosten: § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und 2 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Wert der Beschwer: § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 3, 5 und 6 ZPO.

Streitwert: §§ 3, 5 und 6 ZPO; den Wert des Feststellungsantrages beziffert der Senat mit DM 6.000,00, indem er von 75 % geschätzter noch offener Kosten von DM 8.000,00 ausgeht.

Ende der Entscheidung

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