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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: 24 U 442/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 546 Abs. 2 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
1. Auch bei laparoskopisch (mit Geräten durch die Bauchdecke) lege artis durchgeführter Blinddarmoperation kann es zu einer Stumpfinsuffzienz (Durchlässigkeit des betreffenden Darmabschnitts) und anschließender Abszessbildung oder - z. B, auf Grund eines raumfordernden Prozesses - zu Durchblutungsstörungen im Bereich des Darmes kommen.

2. Die heute als mit der konservativen als gleichwertig angesehene laparoskopische Operationsmethode stellte auch im Jahr 1993 in der Regel keinen ärztlichen Kunstfehler dar.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN - ZIVILSENATE IN AUGSBURG - IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 24 U 442/99

Verkündet am 11. April 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes u. a.

erläßt der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Kempten vom 11. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 10.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 50.106,60 Euro.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadenersatz wegen angeblicher ärztlicher Behandlungsfehler.

Am 17.8.1993 um die Mittagszeit führte der Beklagte zu 2 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 beim Kläger laparoskopisch (mit Geräten durch die Bauchdecke) eine Blinddarmoperation durch. Am Spätnachmittag kam es zu einer Blutung aus der Trokareinstichstelle am linken Unterbauch. Der Beklagte zu 3 nahm daraufhin eine Umstechung vor.

An den beiden Folgetagen wurden abfallende Hb-Werte gemessen und traten erhöhte Temperaturen auf. Am 20.8.1993 gegen 18.30 Uhr hatte der Kläger krampfartige Unterleibsschmerzen und einen harten Bauch. Gegen 21.15 Uhr führte der Beklagte zu 3 notfallmäßig eine Reoperation unter Eröffnung des Bauchraumes durch. Bei dieser Gelegenheit entfernte er in der Annahme, es handle sich um einen Eingeweideinfarkt, ein etwa 30 cm langes, blau-schwarz verfärbtes Stück Dünndarm (Behauptung der Beklagten) und/oder einen faustgroßen Abszess (Behauptung des Klägers). Im Operationsbericht (Anlage K 2) vermerkte der Beklagte zu 3 u. a.: "Insbesondere ist das Coekum unauffällig, der Appendixstumpf ebenfalls absolut unauffällig. Hinweise auf eine erfolgte postoperative Blutung im Operationsbereich fehlen ebenfalls." Der Bericht des Histologen vom 23.8.1993 (Anlage der Beklagten) beschreibt: "Haemorrhagischer noch nicht kompletter Dünndarminfarkt. Haemorrhagisch-fibrinöse Peritonitis" (Bauchfellentzündung).

Im Verlauf der beiden Folgetage (21./22.8.1993) kam es erneut zu einer Verschlechterung mit Temperaturanstieg bis 39 Grad. Am 22.8.1993 gegen 20.20 Uhr wurde der Kläger nach Absprache mit der Anästhesistin per Hubschrauber nach München in die Klinik rechts der Isar verbracht. Dort eröffneten die Operateure erneut die Bauchhöhle und entfernten eine Stress-Gallenblase, ein 0,60 m langes Stück abgestorbenen Dünndarms und 0,20 m Dickdarm. Des Weiteren wurde ein Bauchdeckenabszess links drainiert. Der histologische Bericht des vom 25.8.1993 (Anlage K 6) ergab den Befund: "subtotale hämorhagische Infarzierung der Dünndarmwand" und "nicht mehr frische lokale, eitrige Peritonitis."

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Blinddarmoperation am 17.8.1993 wegen unzureichender Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken der (konventionellen) laparatomischen und der hier vorgenommenen laparoskopischen Operationsmethode als widerrechtlich bezeichnet.

Er hat ferner behauptet, der Beklagte zu 2 habe anlässlich der Operation am 17.8.1993 die Appendix-Abtragungsstelle unzureichend verschlossen. Deshalb sei es zu einer Stumpfinsuffizienz mit anschließender Bildung eines großen Abszesses gekommen. Letzterer sei für das Absterben der am 20.3. und 22.8.1993 entfernten Darmabschnitte ursächlich geworden. Auch die Verletzung der Bauchdeckenarterie im Zusammenhang mit dem Einstechen des Trokars (linker, Unterbauch) anlässlich der vom Beklagten zu 2 durchgeführten Operation stelle ebenso einen Fehler dar wie das medizinisch ungeeignete Umnähen der vermuteten Leckstelle durch den Beklagten zu 3. Die Blutungen, die sich verschlechternden Hb-Werte und die ansteigenden Temperaturen hätten weiterer Kontrollen (z. B. durch Röntgen bzw. Computertomografie) bedurft. Es handle sich jeweils um schwere Behandlungsfehler, die zu einer Umkehrung der Beweislast zu seinen, des Klägers, Gunsten führen müssten.

Der Kläger hat folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen wegen der fehlerhaften Behandlung zwischen dem 17.8. und 22.8.1993, die er von ihnen im erhalten hat, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch mindestens 50.000 DM.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und weitergehenden immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der fehlerhaften Behandlung vom 17. bis 22.8.1993 im entstanden ist oder in Zukunft noch entstehen wird.

3. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner verpflichtet, die von ihnen zu zahlenden Beträge mit 2,5 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank mindestens jedoch 4 % seit dem 15.12.1994 zu verzinsen.

Die Beklagten haben die Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen vorgetragen:

Die Aufklärung des Klägers vor dem Eingriff am 17.8.1993 sei durch den Beklagten zu 2 selbst und die Stationsärztin (Beklagte zu 4) anhand eines Merkblatts mit dem handschriftlichen Zusatz "eventuell herkömmliche Operation" auch hinsichtlich der in Betracht kommenden Risiken ausreichend erfolgt. Die nichtarterielle Nachblutung in die Bauchwand nach dieser Operation habe keinen Mesenterialinfarkt zur Folge gehabt.

Es treffe nicht zu, dass es nach der Operation vom 17.8.1993 wegen Stumpfinsuffizienz (unzureichender Verschluss der Darmabtragungsstelle) zur Entstehung eines bei der Operation am 20.8.1993 entfernten faustgroßen Abszesses gekommen sein soll. Der Beklagte zu 3 habe sich nach dem Eingriff auch nicht gegenüber der Ehefrau des Klägers diesbezüglich geäußert.

Zu einem operativen Eingriff schon vor dem 20.8.1993 habe trotz auffälliger Hb-Werte kein Anlass bestanden. Ihrer, der Beklagten, Meinung nach lasse sich die postoperative hämorrhagische Infarzierung auf eine (möglicherweise durch Darm-Atonie verursachte) venöse Stauung, auf eine Darmdrehung oder auf einen raumfordernden Prozess zurückführen. Der postoperative Verlauf sei nicht durch ärztliche Versäumnisse bedingt, sondern als schicksalhaft anzusehen.

Das Landgericht hat nach Befragung zahlreicher Zeugen und umfangreicher Begutachtung die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Aufklärung über Risiken und Art der Blinddarmoperation sei ausreichend erfolgt.

Der Beklagte zu 2 habe die notwendige Appendektomie am 17.8.1993 kunstgerecht vorgenommen. Die Bauchdeckeneinblutung sei eine typische Folge des Trokareinstichs, eine Umstechung in der Regel ausreichend.

Angesichts der später abfallenden Hb-Werte sei zwar eine weitergehende Diagnostik angezeigt gewesen. Allerdings hätte eine in der Nacht zum 20.8.1993 durchgeführte Ultraschalluntersuchung nur ein Hämatom in der Bauchdecke aufgezeigt, aber keine Hinweise auf eine beginnende Durchblutungsstörung des Darms ergeben.

Der nach der Arterienverletzung beim Trokareinstich aufgetretene Bauchwandabszess am linken Unterbauch lasse sich nicht mit dem Absterben des Darmes in Verbindung bringen. Er habe auch nichts mit dem angeblich wegen Stumpfinsuffizienz aufgetretenen "faustgroßen Abszess" im rechten Bereich des Bauchs zu tun. Die diesbezügliche Behauptung des Klägers sei durch den Operationsbericht, die Zeugen und das Ergebnis der histologischen Untersuchung in Verbindung mit der Einlassung des Beklagten zu 3 widerlegt, die anderslautende Aussage der Ehefrau des Klägers zu diesem Punkt zweifelhaft und möglicherweise durch ein Missverständnis bedingt. Allerdings habe sich die Ursache für die Durchblutungsstörung im Bereich des Dünndarms nicht klären lassen (ausführliche Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil S. 11 - 15 = Bl. 216 - 220 d. A.). Der Vorwurf, der Beklagte zu 3 habe bei dem Eingriff am 20.8.1993 zu knapp reseziert oder die Darmnaht nicht dicht gesetzt, sei nach dem Operationsbericht der Münchner Ärzte vom 22.8.1993 und der anschließenden histologischen Untersuchung nicht haltbar.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger rügt Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Begutachtung durch die Sachverständigen.

Er trägt weiter vor, im Hinblick auf die weiträumige Entzündung habe der Beklagte zu 2 bei der Erstoperation auf die herkömmliche Operationsmethode umsteigen müssen.

Der Kläger wiederholt schwerpunktmäßig - vor allem unter Bezugnahme auf einen Verlegungsbericht der Anästhesistin vom 22.8.1993 mit einem diesbezüglichen handschriftlichen Vermerk (Bl. 343 d. A.) - sein Vorbringen zu Stumpfinsuffizienz und Abszess. Die wahrscheinlichste Ursache für das Absterben von Darmabschnitten sei dieser Abszess als "raumfordernder Prozess" gewesen, ein Vorgang, der nicht als schicksalhaft anzusehen sei. Ein solcher Zwischenfall deute vielmehr auf ärztliches Versagen hin. Auch sei er, der Kläger, mehrere Tage lang nicht behandelt worden. Insbesondere sei keine Antibiotikaprophylaxe erfolgt. Das postoperative Verhalten sei als grober Behandlungsfehler vor allem auch des Beklagten zu 3 als des verantwortlichen Chefarztes einzustufen.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

I. Das Urteil des Landgerichts Kempten, Az.: 20 2564/95, vom 11.2.1999 wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen wegen der fehlerhaften Behandlung zwischen dem 17.8.1993 und 22.8.1993, die er von ihnen im erhalten hat, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch mindestens 50.000 DM.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und weitergehenden immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften Behandlung vom 17.8. - 22.8.1993 im entstanden sind oder in Zukunft noch entstehen werden.

IV. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner verpflichtet, die von ihnen zu zahlenden Beträge mit 2,5 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % seitdem 15.12.1994 zu verzinsen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor allem zum Punkt Stumpfinsuffizienz/Abszess im Wesentlichen wie im ersten Rechtszug vor und bestreiten weiterhin jegliches ärztliches Fehlverhalten. Der Kläger sei postoperativ engmaschig überwacht worden.

Die entscheidende Verschlechterung sei erst in der Nacht zum 20.8.1993 eingetreten und habe alsbald zur Reoperation mit ausreichender Abtragung ohne Übernähung des Appendixstumpfes geführt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien und ihrer Beweisangebote wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, auf die Sitzungsniederschriften und auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat am 8.6.2000 den Sachverständigen persönlich angehört (Sitzungsniederschrift Bl. 3 - 5 = Bl. 300 - 302 d. A.). Weiterhin ist gemäß Beweisbeschluss vom 27.7.2000 (Bl. 316 - 318 d. A.) eine schriftliche Äußerung von Privatdozent vom 17.10.2000 (Bl. 324 - 326 d. A.), ergänzt durch Unterlagen vom 19.2.2001 (Bl. 391 d. A.) erfolgt. Ferner hat am 4.2.2002 eine Stellungnahme zur Pathologie nach der Operation am 22.3.1993 abgegeben (Bl. 417/418 d. A.). Am 1.8.2001 hat der Senat einen Aufklärungsbeschluss erlassen (Bl. 371 - 376 d. A.). Schließlich sind gemäß Beweisbeschluss vom 19.11,2001 (Bl. 398-401 d. A.) die Zeugen erneut vernommen worden (Sitzungsniederschrift vom 21.2.2002 (Bl. 419-425 d. A.).

Die Förmlichkeiten des Berufungsrechtszuges ergeben sich aus der Sitzungsniederschrift des Senats vom 8.6.2000 (Bl. 299 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

I.

Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme in einem ausführlich begründeten Urteil zu Recht die Klage gegen alle Beklagten abgewiesen. Insbesondere haben sich keine operativen und sonstigen ärztlichen Behandlungsfehler ergeben, die für die beim Kläger eingetretenen nachteiligen gesundheitlichen und sonstigen Folgen ursächlich gewesen sein könnten. Der Senat bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Insbesondere zum Berufungsvorbringen wird weiterhin ausgeführt:

1. Im Rahmen der vom Senat (auch im Hinblick auf die behaupteten Verfahrensfehler) durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme und zusätzlichen Aufklärung hat sich das vom Landgericht gefundene Ergebnis zur Stumpfinsuffizienz und Bildung eines faustgroßen Abszesses in vollem Umfang bestätigt. Es gibt keinen objektiven Anhaltspunkt für die Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 2 habe bei der von ihm durchgeführten Appendixoperation am 17.8.1993 im Operationsgebiet eine Stumpfinsuffizienz mit nachfolgender Abszessbildung verursacht, und der Beklagte zu 3 habe bei der Reoperation am 20.3.1993 einen faustgroßen Abszess entfernt. Soweit im Operationsbericht vom 22.8.1993 von "Stumpfinsuffizienz" im Zusammenhang mit der Operation vom 17.8.1993 die Rede ist, beruht dies nicht auf eigenen Feststellungen, sondern wohl auf dem Verlegungsbericht der Ärztin (vgl. unten S. 11 f.).

Es hat sich nunmehr - über die Feststellungen des Landgerichts hinaus - zur Überzeugung des Senats herausgestellt, dass die Aussage der 4 Ehefrau des Klägers unzutreffend ist, der Beklagte zu 3 habe ihr unmittelbar im Anschluss an die Reoperation am 20.3.1993 eine Mitteilung über einen entfernten Abszess gemacht. Daran ändert auch nichts die angebliche Aufzeichnung der Zeugin im Anschluss an die Reoperation. Wenn die Zeugin, die persönlich einen durchaus glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat, die Äußerung des Beklagten zu 3 zum Operationsergebnis akustisch oder inhaltlich falsch verstanden hat, was naheliegt, dann war ggfls. auch die diesbezügliche Aufzeichnung unrichtig.

Der Beklagte zu 3 hat die Vermutung geäußert, die Zeugin habe möglicherweise den Begriff "Abszess" mit dem Wort "Gangrän" verwechselt. Ein solcher Irrtum oder Hörfehler kann durchaus auch einer ausgebildeten Krankenschwester unterlaufen.

Gegen einen Abszess sprechen, ohne dass insoweit - weil überwiegend bereits vom Landgericht umfassend gewürdigt - erneut auf Einzelheiten eingegangen werden muss, vor allem der bereits zitierte eindeutige Operationsbericht des Beklagten zu 3, wonach Blinddarm und Appendixstumpf unauffällig waren. Der informatorisch angehörte Beklagte zu 3, ein langjährig erfahrener Chefarzt, hat sich in diesem Sinn vor dem Senat nochmals überzeugend geäußert. Auch die vom Landgericht eingehend vernommenen Zeugen wussten nichts von einem Abszess, wohl aber teilweise von der Entfernung eines faustgroßen Stücks Darm. Soweit der Kläger Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Zeugen aus dem Lager der Beklagten geäußert hat, wirken sich derartige Bedenken angesichts der eigenen Beweislast nicht zu seinen Gunsten aus. Aus den Berichten bzw. Stellungnahmen des Pathologen betreffend das Material vom 20.8.1993 und des Pathologen Prof. Dr. H betreffend das Material vom 22.7.1993 ergab sich ebenfalls kein Hinweis auf eine Stumpfinsuffizienz oder einen Abszess.

Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass der Beklagte zu 3 der Ehefrau des Klägers ein Operationsergebnis mitgeteilt hat, das in völligem Gegensatz zu seinem eigenen Operationsbericht gestanden hätte. Abgesehen davon wäre dann der angebliche "faustgroße Abszess" nicht der Histologie durch den Pathologen zugeführt worden, da dort ein - nach den Zeugenaussagen etwa faustgroßes - Gewebestück, als Dünndarmresektat bezeichnet, begutachtet wurde.

Durch die Vernehmung der Zeugin (Senatsniederschrift vom 21.2.2002 S. 3 ff. = Bl. 421 ff. d. A.), gegen deren Glaubwürdigkeit trotz ihrer Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 1 bzw. in deren Krankenhaus keine durchgreifenden Bedenken bestehen, ist nunmehr zur vollen Überzeugung des Senats geklärt, wie es zu ihrem handschriftlichen Vermerk "Stumpfinsuffizienz" auf einem ihrer Verlegungsberichte kam. Die Zeugin hat insoweit zunächst ihre Aussage erster Instanz bestätigt, sie sei bei der ersten Operation am 17.8.1993 nicht zugegen gewesen und habe bei der zweiten Operation am 20.7.1993 von einer Stumpfinsuffizienz weder etwas gesehen noch von ihrem Arbeitsplatz als Anästhesistin aus eine derartige Beobachtung machen können. An diesbezügliche Äußerungen der Ärzte habe sie keine Erinnerung. Sie wisse nur, dass nekrotischer (infarzierter) Darm entfernt wurde, wobei es dem Patienten ziemlich schlecht gegangen sei.

Den Vermerk "Stumpfinsuffizienz" in einem der beiden Verlegungsberichte (hier: Bericht Bl. 343 d. A.) habe sie deshalb aufgenommen, weil bei ihren mehrfachen Telefonaten mit anderen Kliniken ärztlicherseits geäußert worden sei, es handle sich wohl um ein derartiges Krankheitsbild. Sie habe dabei lediglich den Hinweis auf den bloßen Verdacht einer Stumpfinsuffizienz unterlassen - eine durchaus einleuchtende Erklärung. Ihre Überlegung sei gewesen, in München müsse ohnehin operiert und der einschlägige Befund erhoben werden.

Unter diesen Umständen bedarf es keiner weiteren Erörterung zum umfangreichen Vortrag des Klägers was Stumpfinsuffizienz und Abszess betrifft. Auch dem Beweisangebot zur Übermittlung der Diagnose "Abszess" (vgl. insbesondere Berufungsbegründung S. 11 und 13 = Bl. 241 und 243 d. A.; Schriftsatz vom 20.11.2000 S. 2 = Bl. 337 d. A.; Schriftsatz vom 18.9.2001 S. 2 = Bl. 397 d. A.; vgl. auch zu den weiteren Beweisangeboten Senatsbeschluss vom 19.11.2001 S. 3 = Bl. 400 d. A.) muss nicht mehr nachgegangen werden. Die Ärzte PD haben im übrigen mit Schreiben vom 17.10.2000 (Bl. 324 - 326 d. A.), den Parteivertretern am 3.11.2000 zugestellt, mitgeteilt, die im Operationsbericht vom 22.8.1993 "unter Indikation angegebene Kette der Ereignisse" könne auf dem erwähnten Verlegungsbericht (der Ärztin) beruhen; der Hintergrund der Information sei "nicht mehr erinnerlich".

Abgesehen davon kommt es nach den Ausführungen des Sachverständigen vor dem Senat am 8.6.2000 (Protokoll S. 4/5 = Bl. 301/302 d. A.) auch bei lege artis durchgeführten Operationen in knapp 0,5 % der Fälle zu einer Stumpfinsuffizienz mit nachfolgender Abszessbildung. Die vom Kläger behauptete Komplikation nach der Operation durch den Beklagten zu 2 und deren Feststellung bei der Operation durch den Beklagten zu 3 unterstellt, wäre deshalb noch kein ärztlicher Kunstfehler, schon gar kein grobes ärztliches Versagen bewiesen. Letzteres wäre aber Voraussetzung für eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten, was den Ursachenzusammenhang zwischen der Operation vom 17.8.1993 und den folgenden ärztlichen Maßnahmen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers betrifft.

Die Ursache der entscheidenden Komplikation "Durchblutungsstörung im Bereich des Dünndarms", die zu einer Bauchfellentzündung führte und welche die Zweitoperation vom 20.8.1993 durch den Beklagten zu 3 sowie die am 22.8.1993 in München durchgeführte Reoperation zur Folge hatte, steht nach sämtlichen bisher erstatteten Gutachten nicht zweifelsfrei fest. Wie bereits im landgerichtlichen Urteil eingehend ausgeführt, kommen für die Durchblutungsstörungen mehrere medizinische Ursachen, u. a. ein raumfordernder Prozess, in Betracht. Worin dieser ggf. bestanden hätte, lässt sich nicht mehr klären. Jedenfalls gab es in dem maßgeblichen Operationsbereich auf der rechten Bauchseite keinen faustgroßen Abszess. Aus der medizinischen Tatsache, dass es im Anschluss an die Operation vom 17.8.1993 zu einer Durchblutungsstörung gekommen ist, kann nicht auf einen ärztlichen Kunstfehler geschlossen werden.

2. Was die Komplikation Bauchdeckenblutung mit Hämatom- bzw. Abszessbildung am linken Unterbauch (Trokareinstichstelle) betrifft, so steht diese in keinem Zusammenhang mit der Durchblutungsstörung im eigentlichen Operationsbereich auf der rechten Bauchseite (Gutachten der Sachverständigen vom 9.2.1998 S. 3 = Bl. 122 f. d. A.). Ein ärztlicher Kunstfehler des Beklagten zu 2 ist insoweit nicht ersichtlich. Bauchdeckenblutungen nach dem Einführen von Trokaren sind aus naheliegenden Gründen typische Eingriffsrisiken. Dass sich die genannte Komplikation im vorliegenden Fall hätte vermeiden lassen, ist unbewiesen (vgl. hierzu auch Ersturteil S. 10 = Bl. 215 d. A.).

3. Der Kläger kann dem Beklagten zu 2 ferner nicht anlasten, er sei bei der Erstoperation nicht auf die konventionelle Methode umgestiegen. Ein solcher Schritt kommt zwar in Betracht, wenn sich z. B. im Operationsgebiet in erheblichem Umfang Verwachsungen zeigen oder aus anderen Gründen das offene Operieren sich als die bessere bzw. risikoärmere Methode anbietet. Der Kläger hat aber nicht nachgewiesen, dass die laparoskopische Vorgehensweise im Jahr 1993, die jedenfalls heute mit der konventionellen als gleichwertig angesehen und bei Blinddarmoperationen häufig gewählt wird, einen ärztlichen Kunstfehler darstellte. Auch dass die Unterlassung des Wechsels der Operationsmethode ursächlich für die später eingetretenen Komplikationen, insbesondere für die Durchblutungsstörung im Bereich des Dünndarms und/oder eine beginnende Bauchfellentzündung war, lässt sich nicht feststellen.

Selbst wenn Bedenken hinsichtlich der vom Beklagten zu 2 gewählten laparoskopischen Operationsmethode bestehen sollten, kann keine Rede davon sein, der Beklagte zu 2 habe im Rahmen des ihm eingeräumten medizinischen Ermessens schlechterdings unverantwortlich gehandelt und einen zur Beweislastumkehr führenden groben Behandlungsfehler begangen.

4. Der weitere vom Kläger erhobene Vorwurf, die postoperative Behandlung in der Zeit ab 17.8.1993 sei kunstfehlerhaft oder gar grob nachlässig gewesen, lässt sich nach dem Beweisergebnis nicht halten.

Die Bauchdeckenblutung wurde angemessen behandelt. Dass der Beklagte zu 3 zunächst versucht hat, dieser Operationsfolge durch Umstechen zu begegnen, war nicht zu beanstanden. Ein Nachweis, die in der Folgezeit in diesem Bereich aufgetretenen weiteren Komplikationen seien vermeidbar gewesen, ist nicht geführt. Mit der Durchblutungsstörung des Dünndarms bestand, wie ausgeführt, ohnehin kein Zusammenhang.

Die angeblich pflichtwidrig unterlassene antibiotische Prophylaxe kann den Beklagten nicht angelastet werden. Diese Maßnahme ist bei unklarem Krankheitsbild umstritten. Der Senat folgert dies aus erst unlängst zu diesem Punkt erholten und inhaltlich widersprüchlichen medizinischen Gutachten angesehener Sachverständiger. Es fehlt auch insoweit am Kausalitätsbeweis hinsichtlich der in der Folgezeit aufgetretenen Komplikationen und dadurch veranlassten ärztlichen Maßnahmen. Vor allem bleibt offen, ob eine postoperative Antibiotikagabe die Durchblutungsstörung im Bereich des Dünndarms und die Bauchfellentzündung verhindert hätte. Eine Umkehr der Beweislast zuungunsten der Beklagten scheidet aus; grobe ärztliche Versäumnisse lassen sich insoweit nicht feststellen.

Entsprechendes gilt für die sonstige medizinische Behandlung des Klägers vor und nach der Operation am 20.8.993 bis zur Verlegung nach München. Keiner der Sachverständigen hat den medizinischen Standpunkt vertreten, fallende Hämoglobin-Werte seien Anlass für eine sofortige Operation oder sonstige weitergehende therapeutische Maßnahmen gewesen.

5. Ergänzend verneint der Senat die Annahme des Klägers, das "Gesamtbild ärztlicher Versäumnisse" lasse auf grobes ärztliches Versagen schließen.

Der Kläger hat operative Kunstfehler nicht bewiesen. Die von den Beklagten zu 2 und zu 3 durchgeführten operativen Eingriffe waren, wie sich aus den Feststellungen der Sachverständigen zur Überzeugung des Senats ergibt, kunstgerecht.

Auch die postoperative Versorgung lässt nach den erholten Gutachten keine ärztlichen Versäumnisse erkennen. Selbst wenn die Ärzte, wie der Kläger behaupten lässt, angesichts der Blutwerte und sonstiger sich verschlechternder medizinischer Parameter eine weitergehende Diagnostik oder Therapie (Antibiotikagabe) hätten veranlassen sollen, ist in der Gesamtschau kein Verhalten erkennbar, das ihnen als grober Fehler anzulasten sei könnte.

6. Der im Berufungsrechtszug erneut erhobene Vorwurf unzureichender Aufklärung ist nicht haltbar. Aus dem von den Beklagten vorgelegten und vom Kläger unterschriebenen Merkblatt mit handschriftlichen Zusätzen ergibt sich eine umfassende Information über Art, Umfang und Risiken des Routine-Eingriffs; auch über die Möglichkeit einer herkömmlichen Operationsmethode. Die Behauptung des Klägers, ihm sei das Formular lediglich vorgelegt worden, trifft nicht zu.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und 2 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit und der Vollstreckungsschutz richten sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Beschwer wird nach § 546 Abs. 2 a.F. ZPO festgesetzt.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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