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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 07.12.1999
Aktenzeichen: 25 U 2049/99
Rechtsgebiete: AVB, ZPO, AGBG, BGB


Vorschriften:

AVB § 5 Teil I Nr. 1 c
AVB § 5 Teil I Nr. 2
ZPO § 97 I
ZPO § 543 II S. 2
ZPO § 546 II
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
AGBG § 3
AGBG § 5
AGBG § 9
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERJCHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 25 U 2049/99

Verkündet am 7. Dezember 1999

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.1999 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.12.1998 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt DM 60.000.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 13.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Alleinerbin ihres am 21.8,1997 verstorbenen Ehemannes gegen die Beklagte Ansprüche in Höhe von DM 111.959,98 aus einer vom Erblasser mit der Beklagten abgeschlossenen Krankenversicherung geltend. Die Beklagte beruft sich auf eine Einschränkung ihrer Leistungspflicht gem. § 5 Teil I Nr. 1 c der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, weil sie die Rechnungen des den Erblasser behandelnden Arztes wegen erheblicher Übermaßbehandlung in anderen Fällen ausgeschlossen und dies dem Ehemann rechtzeitig mitgeteilt habe.

Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge und der Prozeßgeschichte wird gem. § 543 II S. 2 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 36/43 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 17.12.1998 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte sich zu Recht auf ihre Leistungsfreiheit gem. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB berufe. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für den Leistungsausschluss lägen vor. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB sei auch nicht wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Der Ehemann der Erblasserin habe sich auf Grund der rechtzeitigen Mitteilung der Beklagten über die Leistungseinschränkung auf die neue Situation einstellen können. Ein Verstoß gegen § 242 BGB liegen ebenfalls nicht vor, weil die in den AVB vorgesehene Übergangsfrist ausreichend sei.

Gegen das der Klägerin am 18.1.1999 zugestellte Endurteil hat diese am 12.2.1999 Berufung eingelegt und diese nach bis zum 30.6.1999 verlängerter Frist an diesem Tag begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Ihr Ehemann sei unheilbar krank und nach der Schulmedizin austherapiert gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes habe er einen Anspruch auf eine experimentelle Therapie gehabt; die hierfür angefallenen Leistungen müsse die Beklagte im Rahmen des Versicherungsvertrags ersetzen.

Das Verhalten der Beklagten sei widersprüchlich. Sie habe dem Ehemann der Klägerin am 24.10.1995 mitgeteilt, dass sie ihre Bedenken gegen die eingereichten Rechnungen des zurückstellen und die vorliegenden Rechnungen erstatten werde. Die Leistungsverweigerung sei daher rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen § 242 BGB, nachdem die Beklagte eine Leistungszusage gemachte habe. Ein Zugang des Schreibens vom 18.4.1996 am 21.4.1996 sei zweifelhaft und werde mit Nichtwissen bestritten. Der Ehemann der Klägerin bestätige den Zugang erstmals im Schreiben vom 2.1.1997, so dass die bis dahin angefallenen Leistungen zu erstatten seien.

Die Berufung der Beklagten auf das Verhalten des behandelnden Arztes gegenüber anderen Versicherungen sei unzulässig.

§ 5 Teil I Nr. 1 c AVB verstoße gegen das Transparenzgebot. Es sei nicht klar, in welchem Verhältnis ein wichtiger Grund zum Ausschluss der Behandlung durch den Arzt liegen müsse. Außerdem sei die Heilbehandlung ihres Mannes medizinisch geboten gewesen.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird unter Abänderung des am 17.12.1998 verkündeten, Urteils des Landgerichts München I verurteilt, an die Klägerin DM 111.959,98 nebst 4 % Zinsen seit dem 5.5.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens vertritt die Beklagte die Auffassung, dass es weder auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung des Ehemannes der Klägerin ankomme, noch auf das Schreiben der Beklagten vom 24.10.1995. Denn der Grund für die Leistungsverweigerung liege darin, dass der behandelnde Arzt von ihr ausgeschlossen worden sei. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB stelle nicht auf die konkrete Behandlung, sondern auf den Schutz des Versicherers und der Versicherungsgemeinschaft ab. Daher gelte der Ausschluss für alle Patienten eines ausgeschlossenen Arztes. Bei der Frage, ob ein wichtiger Grund für den Ausschluss vorliege, habe die Beklagte auch Erkenntnisse aus anderen Rechtsstreitigkeiten zu verwerten. Ein wichtiger Grund zum Ausschluss liege dann vor, wenn Umstände gegeben seien, die es dem Versicherer unzumutbar machen, die Rechnungen des Arztes zu erstatten. Vorliegend sei das Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und durch dessen Übermaßbehandlungen und dessen Abrechnungsverhalten nachhaltig gestört worden.

Das Schreiben vom 18.4.1996 sei dem Ehemann der Klägerin zugegangen. Dies werde von ihm selbst bestätigt. Ein verspäteter Zugang werde mit Nichtwissen bestritten. Die beanstandete Klausel in den AVB verstoße weder gegen § 9 AGBG noch gegen das Transparenzgebot.

Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte von ihrer Leistungspflicht gem. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB freigeworden ist. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts München I und nimmt auf diese Bezug (§ 543 I ZPO). Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

1. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB verstößt nicht gegen das aus § 9 AGBG abgeleitete Transparenzgebot. Der Senat schließt sich der überwiegenden Meinung an, die einen solchen Verstoß verneint (Prölss/Martin, WG, 26. Aufl., § 5 MBKK 94 Rn. 7; OLG Köln VersR 1996, 490 m. w. N.). Aus der Formulierung in § 5 Teil I Nr. 1 c AVB folgt, dass der wichtige Grund im Verhältnis Versicherer - Arzt begründet sein muss. Zwar definiert die Klausel selbst nicht, was ein wichtiger Grund, der zum Ausschluss der Arztes führen kann, ist. Jedoch ist dieser Begriff der allgemeinen Gesetzesterminologie entnommen (z.B. § 626 BGB) und bedarf stets der Konkretisierung. Die hierbei anzustellenden Überlegungen sind jedoch dem aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 9 AGBG Rn. 16 b) zuzumuten und beschränken sich nur auf diejenigen Interessen, die im Rahmen des Verhältnisses Arzt - Versicherer zu wahren sind, d.h. vor allem auf die Einhaltung einer ordnungsgemäßen Abrechnung und auf das Verbot der Übermaßbehandlung.

2. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB verstößt auch nicht gegen § 3 AGBG (vgl. Prölss/Martin, § 5 MBKK 94 Rn. 7; OLG Köln VersR 1996, 490 m. w. N.).

Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um eine objektiv ungewöhnliche, überraschende Klausel handeln würde (Palandt/Heinrichs, § 3 AGBG Rn. 2). Dies trifft hier nicht zu. Mit Hilfe der Klausel will sich der Versicherer vor wiederholt unrichtigen Abrechnungen von Ärzten oder vor Übermaßbehandlungen im Interesse der Versicherungsgemeinschaft schützen. Dies ist ein anerkennenswerter Zweck, mit 4em jeder durchschnittliche Versicherungsnehmer rechnen muß, so dass der Klausel kein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (BGH NJW 1990, 576/577) zukommt.

Auch die freie Arztwahl wird durch diese Klausel nicht überraschend eingeschränkt. Ein Versicherungsnehmer kann nicht erwarten, dass der Versicherer die Behandlungskosten erstattet, wenn ihm bekannt ist, dass der behandelnde Arzt unrichtig oder überhöhte Leistungen abrechnet.

3. Die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit der Beklagten gem. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB liegen vor.

a. Ein wichtiger Grund für den Leistungsausschluss von war gegeben. Die Übermaßbehandlungen des Arztes, die die Beklagte diesem gegenüber wiederholt moniert hat und in weiteren Verfahren vor dem OLG Köln (VersR 1996, 490; 1997, 1474), auf die sich die Beklagte zu Recht beruft (Prölss/Martin, § 5 MBKK 94 Rn. 7), festgestellt wurden, stellen einen wichtigen Grund zum Ausschluss des Arztes dar (Prölss/Martin, § 5 MBKK 94 Rn. 7).

b. Der Ehemann der Klägerin ist von der Beklagten auch über den Leistungsausschluss benachrichtigt worden. In dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben ihres Ehemannes vom 2.1.1997 (K 39) an die Beklagte teilt dieser mit, dass er das Schreiben der Beklagten vom 18.4.1996, mit dem ihm der Leistungsausschluss mitgeteilt worden war, erhalten hat. Das Bestreiten des Zugangs des Schreibens mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) durch die Klägerin ist daher unzulässig. Der Senat ist auch davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass das Schreiben dem Ehemann der Klägerin spätestens am 21.4.1996 zugegangen ist. Weder im Schreiben vom 18.11.1996 (Anlage K 38) noch im Schreiben vom 2.1.1997 (Anlage K 39) beruft sich der Ehemann der Klägerin auf einen fehlenden Zugang des Schreibens vom 18.4.1996. Er weist auch nicht daraufhin, dass das Schreiben ihn erst Anfang des Jahres 1997 erreicht hat. Ein Postlauf eines Schreibens innerhalb Deutschlands von mehr als sechs Monaten ist aber so ungewöhnlich, dass jeder vernünftig denkende Mensch hierauf hinweisen würde, zumal wenn - wie hier - der Leistungsausschluss ausweislich des Schreibens vom 18.11.1996 Gegenstand eines Telefongesprächs zwischen dem Versicherungsnehmer und der Beklagten gewesen ist. Hätte der Ehemann der Klägerin von dem Schreiben vom 18.4.1996 am 18.11.1996 keine Kenntnis gehabt, so wäre es ihm ein Leichtes gewesen, hierauf hinzuweisen. Dass er die Wichtigkeit des Leistungsausschlusses erkannt hat, ergibt sich daraus, dass er sein Schreiben vom 18.11.1996 mit Einschreiben und Rückschein versandt hat.

4. Die Berufung der Beklagten auf den Leistungsausschluss verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Im Schreiben vom 24.10.1995 (Anlage K 36) hat die Beklagte nur die Bezahlung der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Rechnungen zugesagt, sich aber eine Prüfung von neu eingereichten Rechnungen vorbehalten und darauf hingewiesen, dass nicht gewährleistet sei, dass die Kosten in voller Höhe anerkannt werden. Der Ehemann der Klägerin musste sich somit darauf einstellen, dass die Beklagte Rechnungen von nicht ersetzen werde. Die Beklagte hat somit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es rechtfertigte, dass der Ehemann der Klägerin von einer unbegrenzten Einstandspflicht der Beklagten ausgehen konnte.

Zudem hatte sich die Rechtslage durch das Schreiben der Beklagten vom 18.4.1996 (Anlage B 4) geändert. Die Beklagte stützt sich jetzt nicht mehr auf ihr Recht, den Erstattungsanspruch im Falle einer Übermaßbehandlung gem. § 5 Teil I Nr. 2 AVB herabzusetzen, sondern auf einen generellen Leistungsausschluss. Mit Zugang dieses Schreibens konnte der Ehemann der Klägerin unter keinen Umständen mehr darauf vertrauen, dass die Beklagte nach Ablauf der Dreimonatsfrist Rechnungen des behandelnden Arztes einer Prüfung entsprechend dem Schreiben vom 24.10.1995 unterziehen werde. Seinen berechtigten Interessen, sich auf die neue Situation einstellen zu können, wurde dadurch Rechnung getragen, dass ihm innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Zugang der Benachrichtigung vom Ausschluss noch eine Erstattung von Rechnungen des ausgeschlossenen Arztes ermöglicht und ihm dadurch zugleich die Wahl eines neuen Arztes erleichtert wurde. Auf die medizinische Notwendigkeit der Heimbehandlung nach Ablauf der Dreimonatsfrist kommt es somit nicht mehr an.

5. Zu erstatten sind auch nicht die vor verordneten Arzneimittel. Zur Behandlung eines Arztes i. S. v. § 5 Teil I Nr. 1 c AVB gehört auch die Therapie und damit die Verordnung von Arzneimittel. Die durch die Rezepte belegten Kosten der Arzneimittel gehen somit ursächlich auf die Behandlung des ausgeschlossenen Arztes zurück.

6. Unter den Ausschluss von § 5 Teil I Nr. 1 c AVB fallen zwar nicht die Kosten für die geltend gemachten Krankentransporte; zumindest würden Zweifel an der Auslegung dieser Klausel gem. § 5 ABGB zu Lasten der Beklagten gehen. Jedoch hat die Klägerin trotz Hinweises der Beklagten in der Klageerwiderung vom 2.11.1998, S. 13 (= Bl. 18 d. A.) nicht schlüssig dargelegt, dass die Transportkosten zur Durchführung einer in Teil III Nr. 3 k AVB genannten Behandlung entstanden sind. Auch aus den vorgelegten Rechnungen des ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass die Krankentransporte zur Durchführung einer Chemotherapie oder ambulanten Tiefenbestrahlung durchgeführt wurden.

7. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 I ZPO.

Der Wert der Beschwer wurde gem. § 546 II ZPO festgesetzt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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