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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 20.07.2007
Aktenzeichen: 25 U 2757/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 187
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1
Fordert ein Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts von ihm geleistete Nachschusszahlungen wegen Nichtigkeit des zugrundeliegenden Beschlusses zurück, trifft die Gesellschaft die sekundäre Darlegungslast zum Abstimmungsverhalten des Gesellschafters bei den jeweiligen Gesellschafterversammlungen.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.3.2006 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 23.304,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.2.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 31 %, die Beklagte 69 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.785,34 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger fordert von der Beklagten die von ihm geleisteten Unterdeckungszahlungen aus den Jahren 1992 bis 2004 zurück.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit Beitrittserklärung vom 29.11.1990 wurde der Kläger mittelbarer Gesellschafter der Beklagten. In den Jahren 1992 bis 2004 erbrachten der Kläger bzw. seine Tochter Nachschusszahlungen, die der Kläger nunmehr zurückfordert.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Der Kläger ist der Auffassung, er sei für die gesamte geltend gemachte Forderung aktivlegitimiert. Die Nachschusszahlungen seien ohne Rechtsgrund geleistet worden, weshalb ihm ein Rückforderungsanspruch zustehe.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Leistung sei ohne Rechtsgrund erfolgt, da eine wirksame Verpflichtung des Klägers zur Leistung der Unterdeckungszahlungen nicht bestanden habe.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr ursprüngliches Begehren auf Klageabweisung weiter und beantragt:

Das am 15.3.2006 verkündete Urteil des Landgerichtes München I, Az.: 10 O 4236/05, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, das Landgericht verkenne, dass es vorliegend nicht um Nachschussforderungen der Beklagten gehe, sondern um Rückzahlungsansprüche des Klägers im Hinblick auf Beiträge, die er jahrelang freiwillig und vorbehaltlos an die Beklage geleistet habe.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 22.5.2007 (Bl. 148/151 d.A.) wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich im zugesprochenen Umfang aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB.

1. Zu Recht ist das Landgericht von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen.

a. Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers für die Rückzahlungsansprüche aus den Jahren 2001 bis 2004 wird auf die Ausführungen in Ziffer I 1 des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

b. Aber auch für die Rückzahlungsansprüche aus den Jahren 1992 bis 2000 ist der Kläger aktivlegitimiert.

Diese ergibt sich jedenfalls aus der nunmehr als Anlage zum Schriftsatz vom 29.6.2007 (Bl. 171 d.A.) vorgelegten Abtretungsvereinbarung vom 10.6.2007.

Dieses neue Angriffsmittel ist nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. In der ersten Instanz wurde lediglich über die Aktivlegitimation des Klägers für die Jahre 2001 bis 2004 gestritten. Die Beklagte selbst hat im Schriftsatz vom 20.7.2005 unter Ziffer 1 (Bl. 19 d.A.) die Abtretungsvereinbarung vom 25./26.1.2001 vorgelegt, aber daraus lediglich das Fehlen der Aktivlegitimation des Klägers für die Zeit nach dem Eintritt seiner Tochter hergeleitet (so auch im Schriftsatz der Beklagten vom 21.9.2005 unter Ziffer 3, Bl. 44 d.A.). Die Aktivlegitimation des Klägers für Rückzahlungsansprüche aus den Jahren 1992 bis 2000 wurde erstinstanzlich auch nach Vorlage der Abtretungsvereinbarung vom 20.12.2004 mit Schriftsatz vom 12.10.2005 (Bl. 50 d.A.) von keiner Seite bezweifelt.

Die nunmehr vorgelegte Abtretungsvereinbarung verschafft dem Kläger die Aktivlegitimation auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verjährung zu spät. Die Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Nachschüsse aus den Jahren vor 2001 waren zum Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung vom 10.6.2007 noch nicht verjährt. Nach der Entscheidung BGH NJW 2007, 1584, der sich der Senat anschließt, ist nunmehr geklärt, dass auch bei Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB - wie hier - die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB gegeben sein müssen; das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Beklagte darzulegen und zu beweisen. Weder für den Kläger noch für dessen Tochter hat die Beklagte vorgetragen oder bestehen sonst aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass sie vor dem Dezember 2004, dem Zeitpunkt der zweiten Abtretungsvereinbarung bzw. der Einleitung des Mahnverfahrens, von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hätten oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen. Angesichts der bis zur Entscheidung des BGH (s.o.) herrschenden rechtlichen Auffassung konnte der Kläger nicht von einem fehlenden Rechtsgrund für seine Zahlungen ausgehen.

2. Der Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits unter dem Gesichtspunkt eines eventuellen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2003, 1252 (1254) unter Ziffern III 1 und 2) würde nämlich auch vorliegend für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Nachschusspflicht nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft - grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der sogleich unter II 4 dargelegten Erwägungen - bestehen bleiben, da der Gesellschaftszweck auf die umfassende Sanierung, Modernisierung und Vermietung des Wohnhauses Gotenstraße 24/Torgauerstraße 10 und damit nicht auf etwas Verbotenes abzielt.

3. Zutreffend ist das Landgericht vielmehr auf der Basis der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1347; BGH NJW-RR 2006, 827; BGH NJW-RR 2006, 829) davon ausgegangen, dass der Kläger bzw. seine Tochter vorliegend zu den geleisteten Nachschusszahlungen nicht verpflichtet waren. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen unter Ziffer I 3 des landgerichtlichen Urteils.

4. a. Für den hier geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch ist jedoch zu beachten, dass die - wie hier - nicht mehr anfechtbaren und nicht nichtigen Gesellschafterbeschlüsse, durch die Nachschussverpflichtungen begründet wurden, nur demjenigen Gesellschafter gegenüber unwirksam sind, der nicht zugestimmt hat (BGH DStR 2007, 771 unter Ziffer II 1 c). Hat der Gesellschafter dagegen zugestimmt, stellt der Gesellschafterbeschluss den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dar, so dass eine Rückforderung ausscheidet. Da das Abstimmungsverhalten beim Gesellschafterbeschluss für den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zahlung maßgeblich ist, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in der Zahlung selbst die Zustimmung zu sehen sein. Eine Bestimmung, wie sie offensichtlich der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH (II ZR 282/05) zu Grunde lag, enthält der streitgegenständliche Vertrag nicht. Der Kläger trägt als Bereicherungsgläubiger grundsätzlich die Beweislast für alle Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs, also auch für das Fehlen des rechtlichen Grundes. Der Beklagten obliegt jedoch eine gesteigerte sekundäre Behauptungslast (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 812 Rn 103), die hier nach Auffassung des Senats auch das Abstimmungsverhalten des Klägers umfasst. Hat der Beklagte substantiiert behauptet, der Kläger habe zugestimmt, hat der Kläger ebenso konkret darzulegen und zu beweisen, dass dies nicht der Fall war.

b. Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch für die Jahre 1992 bis 1999 und 2004 zusteht. Für die Jahre 1992 bis 1995 ist die Beklagte ihrer sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen; für die Jahre 1996 bis 1999 und 2004 haben sich der Kläger bzw. seine Tochter nach dem Vortrag der Beklagten an dem schriftlichen Beschlussverfahren nicht beteiligt, was nach § 8 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags als Stimmenthaltung gilt.

c. Für die Jahre 2000 und 2001 hat die Beklagte substantiiert vorgetragen, dass der Kläger zugestimmt hat. Der Kläger hat nicht konkret dargelegt und unter Beweis gestellt, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Vielmehr hat der Kläger auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 3.7.2007 (Bl. 174 d.A.) selbst ausgeführt, dass in diesen Jahren "offenbar" eine Zustimmung erfolgt ist. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass diese Zustimmungen nicht freiwillig gewesen seien, da er auf Grund der Täuschung durch die ehemalige Geschäftsführerin Reeg (vgl. Anlage BK 5) und die Beteuerung der Geschäftsführung der Beklagten in Schreiben und Gesellschafterversammlungen davon ausgehen musste, dass er rechtlich zur Zahlung verpflichtet war. Diese Ausführungen lassen bereits nicht ersehen - das als Anlage BK 5 vorlegte Schreiben datiert vom 6.8.1992 - , warum der Kläger sich gerade für die Jahre 2000 und 2001 zur Zustimmung veranlasst gesehen haben will, wohingegen feststeht, dass er in den Jahren 1996 bis 1999 keine Zustimmung abgegeben hat.

d. Für die Jahre 2002 und 2003 hat die Beklagte im Schriftsatz vom 12.6.2007 in Ziffer III 2 f (Bl. 158 d.A) unter Bezugnahme auf das eigene Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 16.5.2007 in Ziffer 3 (Bl. 149/150 d.A.) substantiiert vorgetragen, dass der Kläger als Vertreter seiner Tochter zugestimmt hat. Dem Kläger ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, seine Tochter sei bei den entsprechenden Gesellschafterversammlungen nicht vertreten gewesen, wenn er die an seine Tochter adressierten Vollmachtsformulare für diese Gesellschafterversammlungen - ohne Vertretungsmacht zu haben - selbst unterschreibt, nachdem er der Tochter seine Beteiligung übertragen hatte.

e. Der Einwand der Verwirkung vermag nicht durchzudringen. Das erforderliche "Zeitmoment" (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 242 Rn 93) liegt bereits deshalb nicht vor, da die berührten Rechtsfragen erst vor vergleichsweise kurzer Zeit höchstrichterlich geklärt wurden.

f. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Ziffern I 3, I 4 und I 5 im landgerichtlichen Urteil mit der Maßgabe Bezug genommen, dass Zinsen auf Grund des Rechtsgedankens des § 187 BGB (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 286 Rn 32) erst ab dem 4.2.2005 zuzusprechen sind. Auch an die Verpflichtung, auf Grund der gesellschafterlichen Treuepflicht auf die Rückforderung nicht geschuldeter Nachschusszahlungen zu verzichten, sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Dafür genügt die Tatsache, dass der Ausgleich wirtschaftlich letztlich durch die anderen Gesellschafter zu erfolgen hätte, alleine nicht. Darüber hinausgehende besondere Schäden durch die geltend gemachte Rückforderung sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs.1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf § 6 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fragen geklärt sind. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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