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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: 25 U 2964/08
Rechtsgebiete: ARB


Vorschriften:

ARB § 3 Abs. 2 e
Ein sog. Zinsdifferenzgeschäft kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein vergleichbares Spekulationsgeschäft im Sinne von § 3 Abs. 2 e ARB darstellen."
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 25 U 2964/08

Verkündet am 23.09.2008

In dem Rechtsstreit

erlässt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Billner und die Richter am Oberlandesgericht Sonnabend-Sies und Dr. Brokamp aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6.3.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung für eine aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes erhobene Klage gegen die Volksbank V.

Der Ehemann der Klägerin war vom 9.9.1997 bis 1.1.2004 Versicherungsnehmer der Beklagten; u.a. bestand Privatrechtsschutz für selbständig und freiberuflich Tätige nach § 23 der Allgemeinen Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen (ARB). Nach § 3 Abs. 2 e ARB besteht Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Terminoder vergleichbaren Spekulationsgeschäften.

Der Ehemann der Klägerin hatte mit der Volksbank im Herbst 1998 einen Geschäftsbesorgungsvertrag über Zinsdifferenzgeschäfte im Gesamtvolumen von ca. 2,5 Mio. DM abgeschlossen. Mit niedrigverzinslichen Währungskrediten der B-Bank wurden höher verzinsliche Wertpapiere, nämlich Staatsanleihen u.a. von Argentinien, Brasilien und Mexiko angeschafft. Gegenüber der B-Bank verbürgte sich die Volksbank für deren Anspruch auf Rückzahlung des Währungskredits im Rahmen eines Avalkreditvertrags. Genutzt werden sollten die Zinsdifferenzen zwischen den Währungskrediten einerseits und den hochverzinslichen Staatsanleihen andererseits, um höhere Gewinne zu erzielen, als dies in der Heimatwährung möglich gewesen wäre. Im April 2001 kündigte die Volksbank die Geschäftsverbindung, zahlte den von ihr verbürgten Währungskredit an die B-Bank zurück und verwertete die ihr als Sicherheit gegebenen Wertpapiere mit Verlust. In ihrer Klage wirft die Klägerin der Volksbank u.a. vor, sie habe die Wertpapiere zu spät veräußert, was wegen fortschreitender Kursverluste zu einem Schaden in Höhe von 328.004,03 € geführt habe.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das streitgegenständliche Zinsdifferenzgeschäft sei ein vergleichbares Spekulationsgeschäft gemäß § 3 Abs. 2 e ARB.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 6.3.2008

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.618 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechthängigkeit zu bezahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere 7.000,60 € an die Rechtsanwälte R auf deren Konto bei der Sparkasse S, BLZ 000 Kto.-Nr.: 000 zu Aktenzeichen 000 zu bezahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von der Verpflichtung aufgrund des Kostenfeststellungsbeschlusses des Landgerichts L - Az. 000 - vom 18.9.2006 gegenüber der Volksbank V freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.

Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, der Geschäftsbesorgungsvertrag sei nicht vergleichbar mit einem Termingeschäft; zudem handele es sich nicht um ein Spekulationsgeschäft.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Der Senat hält die Auffassung des Landgerichts für zutreffend: Das streitgegenständliche Zinsdifferenzgeschäft ist ein vergleichbares Spekulationsgeschäft im Sinne von § 3 Abs. 2 e ARB.

1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind grundsätzlich so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (vgl. Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., vor § 1 Rn 16 m.w.N.).

2. Termingeschäfte sind mittlerweile definiert als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet, § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. Wesen des Termingeschäfts ist neben der zeitlich verzögerten Erfüllung weiterhin die Absicht, im Termin nicht wirklich zu liefern, sondern nur den Unterschied zwischen dem vereinbarten und dem Börsen- oder Marktpreis von dem verlierenden an den gewinnenden Teil zu zahlen (vgl. Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 3 ARB 94 Rn 13; vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHZ 150, 164 unter III 1 b bb (2 a)). Ein vergleichbares Spekulationsgeschäft ist daher aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs gegeben, wenn bei einem auf eine günstige zukünftige Entwicklung ausgerichteten Geschäft nur die Differenz abschöpft werden soll, ohne dass unmittelbare reale geschäftliche Vorgänge und vorausseh- oder gar beeinflussbare wirtschaftliche Zusammenhänge vorliegen. Der Wegfall von § 764 a.F. BGB ändert dabei am Eingreifen des Ausschlusses nichts (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 3 ARB 94 Rn 13).

3. a. Anders als ein Aktienerwerb (vgl. hierzu OLG Köln VersR 2007, 352) ist das vorliegende Zinsdifferenzgeschäft bei Anwendung dieser Kriterien als vergleichbares Spekulationsgeschäft zu qualifizieren. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass es allein Inhalt dieses Geschäfts war, aus der Zinsdifferenz zwischen den aus den Staatsanleihen fließenden Zinsen und den Zinsen, die für die Währungskredite und für den Avalkreditvertrag zu zahlen waren, Gewinn zu erwirtschaften, es also ähnlich den Termingeschäften darauf ankam, auf die Differenz zwischen den Zinsen zu spekulieren.

b. Die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Gesichtspunkts der Verpflichtung für einen zukünftigen Zeitpunkt hat das Landgericht zu Recht in der spezifischen Kreditfinanzierungskonstruktion des vorliegenden Zinsdifferenzgeschäfts gesehen, bei der die Staatsanleihen als Sicherheit für den Avalkredit verpfändet waren, der seinerseits die jeweils nur kurzfristig gewährten Währungskredite absicherte. Wegen der Verpfändung der Anleihen und der Notwendigkeit, immer wieder kurzfristige Währungskredite mit in der Differenzbetrachtung rentablen Zinsen abzuschließen, bestand konstruktionsbedingt jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs eines Währungskredits immer die Gefahr des wirtschaftlichen Scheiterns des Gesamtgeschäfts und des zu diesem Zeitpunkt erzwungenen Verkaufs der Anleihen. Das Gesamtgeschäft hat damit einen auf die jeweiligen Zeitpunkte des Ablaufs der Währungskredite gerichteten hochspekulativen Charakter.

4. Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor: Der Rechtssache kommt wegen klärungsbedürftiger Fragen des materiellen Rechts grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. BGH Beschluss vom 25.4.2007, Az.: IV ZB 41/06).

Ende der Entscheidung

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