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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 25 W 2893/06
Rechtsgebiete: EuGVÜ


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 27 Nr. 2
Ein verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne von Art. 27 Nr.2 EuGVÜ an einen aufgegebenen Wohnsitz der Beklagten in Frankreich ist jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß zugestellt, wenn der Klagepartei in Frankreich die Wohnanschrift der Beklagten in Deutschland bekannt war, sie aber gleichwohl die Zustellung in Frankreich bewirkt hat.
Aktenzeichen: 25 W 2893/06

In dem Rechtsstreit

wegen Vollstreckbarerklärung

erlässt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., Richter am Oberlandesgericht .... und Richter am Oberlandesgericht ... ohne mündliche Verhandlung am 13.11.2007 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Vorsitzenden der 9. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 31.10.2006 aufgehoben.

II. Der Antrag, den Zahlungsbefehl des Amtsgerichts B... vom 18.03.1999, Az. 02/99 287/99 in seiner vollstreckbaren Ausfertigung vom 06.05.1999 nebst Nachweis des Rechtsmittelverzichts vom 08.07.1999, durch welchen die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von € 832,19 (Hauptforderung) zuzüglich Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit dem 30.03.1999 (Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls) nebst Kosten verurteilt worden sind, mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, wird zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe:

I.

Der Vorsitzende der 9. Zivilkammer des Landgerichts München II hat durch Beschluss vom 31.10.2006 angeordnet, dass der Zahlungsbefehl des Amtsgerichts B..... vom 18.03.1999, Az. 02/99 287/99 in seiner vollstreckbaren Ausfertigung vom 06.05.1999 nebst Nachweis des Rechtsmittelverzichts vom 08.07.1999, durch welchen die Antragsgegner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von € 832,19 (Hauptforderung) zuzüglich Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit dem 30.03.1999 (Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls) nebst Kosten verurteilt worden sind, mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Entscheidung richte sich nach Art. 31 f. des EuGVÜ in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.05.1989 (BGBL 94 II 518) i.V.m. § 2357 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG-BGBL 88/I 662 f). Neben den sonstigen Voraussetzungen liege auch der Nachweis vor, dass dem säumigen Antragsgegner das dem Rechtsstreit einleitende Schriftstück am 30.03.1999 zugestellt wurde. Die Entscheidung sei in de Sache selbst nicht zu überprüfen. Gründe, die die Vollstreckbarerklärung ausschließen (Art. 27, 28 EuGVÜ), lägen nicht vor.

Die daraufhin am 02.11.2006 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde zusammen mit dem Beschluss vom 31.10.2006 den Antragsgegnern am 07.11.2006 zugestellt. Diese haben durch Schriftsatz vom 27.11.2006, eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen den Beschluss vom 31.10.2006 eingelegt. Zur Begründung haben sie u.a. angeführt, sie hätten unter der genannten Anschrift in B..../Frankreich niemals gewohnt, weder inoffiziell noch offiziell, da es sich um kein Haus gehandelt habe, sondern um eine Ruine mit Dach, einem Stadel zwischen zwei Häusern, in dem einige Gegenstände von ihnen gelagert gewesen seien. Im Übrigen würden sich die Antragsgegner nach aufgehobenem Insolvenzverfahren in der Wohlverhaltensphase befinden.

Mit weiterem Schreiben vom 27.11.2006 (Blatt 18/19) haben die Beschwerdeführer u.a. einen Mietvertrag über ihr derzeitiges Wohnanwesen vorgelegt, wonach dieses zum 01.03.1997 angemietet wurde. Zudem haben sie ein in französischer Sprache abgefasstes Schreiben der Antragstellerin vom 26.05.1997 vorgelegt, das an die Anschrift .....in P...... adressiert ist.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die von dem Antragsgegner vorgebrachten Einwendungen seien im Vorverfahren der Vollstreckbarerklärung nicht zu beachten. Anerkenntnishindernisse seien von den Antragsgegnern nicht dargelegt.

Mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin die Übersetzung zweier gleichlautender Zustellungsprotokolle vom 31.05.1999 vorgelegt, in welcher u.a. festgehalten ist:

" Da die Empfänger der Urkunde trotz der angestellten und nachstehend detaillierten Nachforschungen weder ohne bekannten Wohnsitz noch Arbeitsstätte sind, wird das gegenwärtige Protokoll gemäß Art. 659 NCPC (neue französische Zivilprozessordnung) erstellt. Unter der Rubrik sonstige Vermerke hat der Gerichtsvollzieher festgehalten:

"An der angegebenen Adresse habe ich die Betreffenden nicht angetroffen. Das Haus scheint verlassen. Der Name steht weder an der Eingangstür noch auf dem Briefkasten. Gemäß den von Nachbarn, die ich dort selbst angetroffen habe, erhaltenen Auskünfte wurde mir gegenüber erklärt, dass die Eheleute R. .....seit einigen Monaten verlassen haben, um zurück nach Deutschland zu gehen, ohne Adresse oder irgendwelche Angaben bezüglich ihrer derzeitigen Situation zu hinterlassen. Nach den im Bürgermeisteramt B..... eingeholten Auskünfte sind die Betreffenden dort nicht gemeldet, aber es wurde mir vom Sekretär des Bürgermeisters bestätigt, dass diese nicht mehr in der Gemeinde wohnen und ohne bekannte Anschrift sind.".

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Zustellungsprotokolle vom 31.05.1999 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegner ist begründet.

Auf das vorliegende Verfahren ist gemäß Art. 66 Abs. 1, 76 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO) noch das EuGVÜ in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.05.1989 (BGBL 94 II 518) anzuwenden

Der als Beschwerde auszulegende Widerspruch der Antragsgegner vom 27.11.2006 ist form- und fristgerecht eingelegt worden (Art. 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 EuGVÜ, § 11 Abs. 1 und 3 AVAG).

Die Beschwerde ist auch begründet, weil ein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vorliegt. Danach wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.

Die Antragsgegner haben sich auf das Verfahren nicht eingelassen. Das dieses Verfahren eingeleitende Schriftstück wurde nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt, dass sich die Antragsgegner verteidigen konnten. Ob das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist auch vom Gericht des Vollstreckungsstaates zu prüfen (BGH, Beschluss vom 06.10.2005, IX ZB 27/02; IPRspr. 2005, Nr. 158, 432-436). Art. 27 Ziffer 2 EuGVÜ verlangt nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis erhalten hat. Gemäß dieser Vorschrift muss das verfahrenseinleitende Schriftstück allerdings so rechtzeitig zugestellt worden sein, dass sich der Beklagte ordnungsgemäß verteidigen konnte. Das Gericht des Vollstreckungsstaates muss bei der Beurteilung der Frage, ob die Zustellung rechtzeitig erfolgt ist, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es hat dabei die Art und Weise der Zustellung, der Beziehung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner, die Art der Maßnahme, die zur Vermeidung einer Versäumnisentscheidung einzuleiten war, aber auch außergewöhnliche Umstände und Tatsachen, die nach der Zustellung eingetreten sind, zu berücksichtigen. Zu diesen Umständen gehört, ob der Beklagte zu vertreten hat, dass das ordnungsgemäß zugestellte Schriftstück ihn nicht erreicht oder der Kläger von einer neuen Anschrift des Beklagten Kenntnis erhalten hat (BGH a.a.O.).

Danach ist im vorliegenden Fall ein Anerkenntnishindernis zu bejahen. Die Beklagten haben unbestritten vorgetragen, zum Zeitpunkt der Zustellung nicht unter der im Titel angegebenen Anschrift in Frankreich gewohnt zu haben. Dasselbe ergibt sich aus dem von der Antragstellerin selbst vorgelegten Protokoll des Gerichtsvollziehers (siehe oben). Nachdem die Antragsgegner ein an sie unter der Anschrift in P.... gerichtetes Schreiben der Antragstellerin vom 26.05.1997 vorgelegt haben, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch Kenntnis von dieser Anschrift hatte. Die Antragsgegner haben es somit nicht zu vertreten, dass sie von dem das Verfahren einleitenden Schriftstück keine Kenntnis erhalten haben.

Der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Zahlungsbefehl des Amtsgerichts B.... vom 18.03.1999 durch die Antragsgegner bedurfte es nach dem anwendbaren EuGVÜ nicht (Hüßtege a.a.O. Rdnr. 9 m.w.N.). Im Gegensatz zu Art. 34 Nr. 2 Halbsatz 2 EuGVVO kennt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ eine solche Pflicht nicht (vgl. BGH NJW 2004, 3189).

Über die Einwendungen der Antragsgegner in Bezug auf das vor dem AG W..... durchgeführte Insolvenzverfahren war nicht mehr zu entscheiden.

Daher war auf die Beschwerde der Antragsgegner, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung, abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über den Gegenstandswert ist entbehrlich, ebenso eine solche über die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 15 Abs. 1 AVAG).

Eine Entscheidung über den Gegenstandswert ist entbehrlich (Nr. 1811 KV zum GKG), ebenso eine solche über die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 15 Abs.1 AVAG).

Ende der Entscheidung

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