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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.07.2001
Aktenzeichen: 29 U 1534/01
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 1
UWG § 13 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Die sachlich unrichtige Werbeaussage "A. liefert Ihnen zu 100 % Strom in Wasserkraft" ist irreführend im Sinne von § 3 UWG, weil ein nicht merklicher Teil der Verbraucher die objektiv falsche Angabe wörtlich nimmt. Die Aussage ist auch wettbewerblich relevant, weil diese Verbraucher aufgrund der Irreführung annehmen, sie könnten einen unmittelbaren Beitrag zur Umweltschonung leisten und deshalb geneigt sind, sich mit dem Angebot zu befassen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 1534/01

Verkündet am 26. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Jackson und Haußmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15. November 2000 - 21 O 5402/00 - aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft, zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit folgenden Behauptungen zu werben:

a) Wir garantieren Ihnen mit Brief und Siegel: A liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft - bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV.

b) Die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) kommt ausschließlich aus Wasserkraft (Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluß oder in Verbindung mit Strom aus erneuerbaren Energien).

III. Die Kosten des ersten Rechtszugs trägt die Beklagte; die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Verband zur Förderung der wirtschaftlichen und fachlichen Interessen der Wasserkraftwerksbetreiber in Süddeutschland, begehrt von der Beklagten, einem der größten Stromversorger in Deutschland, Unterlassung von Werbeaussagen.

Die Beklagte wirbt bei Endverbrauchern mit ihrer Broschüre "A - Strom, der nicht die (Um-)Welt kostet" für von Konzerngesellschaften regenerativ erzeugten Strom. In dieser Broschüre (Anlage K 1, B 1) ist auf Seite 4 unter der Überschrift "Qualität mit Auszeichnung - Wasserkraft von B werk!" ausgeführt:

"Eines steht fest, Stromgewinnung aus Wasserkraft ist ein wichtiger Beitrag zur Umweltschonung. Deshalb setzt B werk konsequent auf diese Energiequelle. Zur Zeit produziert B werk in 113 Laufwasser-, 3 Pumpspeicherwasserkraftwerken und 1 Speicherkraftwerk. Wir garantieren daher mit Brief und Siegel: A liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft - bestätigt und beglaubigt vom interational anerkannten TÜV."

Auf Seite 6 heißt es unter der Überschrift Zertifikat - TÜV-Kriterien für die Verleihung des Zertifikates sind u.a.:

"Die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) kommt ausschließlich aus Wasserkraft (Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluß oder in Verbindung mit Strom aus erneuerbaren Energien)."

Die Klägerin nahm die im Klageantrag wiedergegebenen Passagen dieser Aussagen zum Anlaß, die Beklagte - erfolglos - abzumahnen. Die Klägerin brachte vor, mit den angegriffenen Werbeaussagen spiegle die Beklagte den potentiellen Kunden vor, sie könnten nunmehr ökologisch sauberen Strom geliefert erhalten, wenn sie mit ihr einen Liefervertrag abschlössen. Den ökologisch verantwortungsbewußt denkenden Kunden werde durch die objektiv unrichtigen, weil praktisch nicht realisierbaren Versprechungen suggeriert, sie würden durch den Strombezug bei der Beklagten einen Beitrag zur Umweltentlastung leisten. Tatsächlich werde der von der Beklagten verkaufte Strom, wie bislang auch, vom Betreiber des örtlichen Netzes, von dem der jeweilige Kunde seinen Strom beziehe, geliefert. In diesem örtlichen Netz befinde sich der Mix aus Kohle-, Atom- und auch Wasserkraftstrom. Dieser Strommix, der beispielsweise in Baden-Württemberg zu 65 % aus Atomstrom bestehe, könne von der Beklagten weder beeinflußt noch verändert werden. Einspeisungen aus regenerativen Energiequellen, die die Beklagte an irgendeiner anderen Stelle des länderübergreifenden Netzes für sich reklamiere, könnten nicht zum Kunden durchgeleitet werden, vielmehr gingen diese unauffindbar im Verbundnetz in die Masse des Stromes aus Kohle und Kernkraft ein. Hieran ändere der Abschluß eines Liefer- und Bezugsvertrags mit der Beklagten nichts. Es werde lediglich der gleiche Strom wie bisher unter einer anderen Bezeichnung zu einem anderen Tarif an den Endverbraucher verkauft. Der beim Kunden erweckte Eindruck, er werde aufgrund des Vertragsabschlusses mit der Beklagten sofort anderen, ökologisch sauberen Strom geliefert erhalten, sei deshalb grob irreführend im Sinne von § 3 UWG. Als Verbandsvertretung süddeutscher Wasserkraftbetreiber sei sie gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte stehe mit ihren Strom erzeugenden Verbandsmitgliedern, die Naturstrom aus ihren Wasserkraftwerken abverkauften, in einem Wettbewerbsverhältnis. Da die Beklagte mit ihrer irreführenden Werbung darauf abziele, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Wasserkraftwerksbetreibern zu erzielen, die ihren Strom nach wie vor bei den jeweiligen Energieversorgungsunternehmen nach den Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes verkaufen müßten, handle die Beklagte auch wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Geschäftsverkehr mit folgenden Behauptungen zu werben:

a) Wir garantieren daher mit Brief und Siegel: A liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft - bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV.

b) Die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) kommt ausschließlich aus Wasserkraft (Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluß oder in Verbindung mit Strom aus erneuerbaren Energien).

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt. Sie hat die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin in Zweifel gezogen und insbesondere das Fehlen von Darlegungen gerügt, daß eine erhebliche Zahl von Mitgliedern der Klägerin als Mitbewerber auf dem Markt der Stormvertreiber tätig seien.

Im übrigen trat die Beklagte dem Vorwurf, sie betreibe irreführende Werbung, im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher entnehme ihren Werbeaussagen keineswegs, daß sie ausschließlich regenerativen Ökostrom an den jeweiligen Haushalt liefere. Da Strom kein "greifbares Produkt" sei, bediene sich der Verkehr einer zwar ungenauen, jedoch anschaulichen Bildersprache. Die Aussage, es werde zu 100 % Strom aus Wasserkraft geliefert, wolle daher nur bildhaft umschreiben, was sich als physikalische Gesetzmäßigkeit nur ungenau oder gar nicht vermitteln lasse. Der Verbraucher verstehe die angegriffene Werbung in dem Sinne, sie, die Beklagte, garantiere dafür, daß die vom Verbraucher dem Stromleitungsnetz entnommene Leistung in dem Umfang der Entnahme durch den mit ihm vertraglich verbundenen "Stromlieferanten" irgendwo mengen- und zeitgleich wieder in das Netz eingespeist werde. "100 % Strom aus Wasserkraft" werde daher nicht als Aussage über die Qualität des aus der Steckdose tatsächlich entnommenen Stroms verstanden, diese Aussage umschreibe vielmehr lediglich, daß die vom Verbraucher entnommene Spannung aus Wasserkraft und damit einer umweltfreundlichen Energiequelle dem Stromnetz zeitgleich zugeführt werde. Erkenne aber der Verkehr, daß ihm mittels einer bildhaft umschreibenden Sprache komplizierte physikalische Sachverhalte vermittelt werden sollten, so sei ihm zugleich klar, daß diese Sprachbilder nicht auf ihren ursprünglichen Wortsinn reduziert werden könnten und dürften. Den Aussagen in den Homepages konkurrierender Stromanbieter sei zu entnehmen, daß die streitgegenständlichen Formulierungen in ganz ähnlicher Weise von nahezu allen Stromanbietern als Mittel zur Darstellung ihres Produktes verwendet würden. Auch deshalb sei es fernliegend, daß der von ihrer Werbung angesprochene Verbraucher zur Auffassung gelangen könne, ihm werde der angebotene "saubere Strom" von seinem Vertragspartner wie eine gewöhnliche Handelsware unmittelbar und pur ins Haus geliefert. Soweit die Klägerin das in der Werbung wiedergegebene Zitat aus dem Kriterienkatalog des TÜV für die Zertifizierung der Bereitstellung von Strom aus Wasserkraft angreife, könne keine Rede davon sein, daß sie sich diese Aussage durch Aufnahme in den Werbeprospekt zu Eigen gemacht habe.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. November 2000 mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die Klägerin habe ihre Prozeßführungsbefugnis nicht hinreichend dargelegt. Auf die Gründe des landgerichtlichen Urteils wird verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung ihres Sach- und Rechtsvortrags vor dem Landgericht das Klagebegehren weiter. Zur Darlegung ihrer Klagebefugnis legt sie eine 18 Seiten umfassende Mitgliederliste, die den Bestand von 777 Mitgliedern zum 23.12.2000 aufweist, vor (Anlage K 5). Sie trägt hierzu vor, neben Eigenbedarfsdeckung und Netzeinspeisung versorgten nahezu alle Wasserkraftwerke betreibenden Mitglieder auch Endverbraucher. Aus der gleichfalls vorgelegten Rechnungslegung für das Geschäftsjahr 1999 (Anlage K 7) und aus der Auswertung des Sonderhaushalts für 1999 (Anlage K 8) gehe hervor, daß sie über einen ordentlichen Jahreshaushalt von ca. 300.000,- DM, über ein Verbandsvermögen von mehr als 600.000,- DM und weitere Sondereinnahmen im Jahr 1999 in Höhe von 150.000,- DM verfügt habe.

Zur Untermauerung ihrer Auffassung, es sei grob irreführend und unseriös, wenn die Beklagte den immer schon vorhandenen Wasserkraftwerkstromanteil nun aus dem allgemeinen Strommix herauszurechnen und diesen Anteil nur noch als grünen Strom virtuell bestimmten Kunden exklusiv zuzuordnen suche, bezieht sich die Klägerin auf eine veröffentlichte gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Ing. H. A, Elektrische Energietechnik/Energiewirtschaft an der Fachhochschule Aachen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 15.11.2000 aufzuheben und die Beklagte nach den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zur Unterlassung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt ins Feld, die Klägerin irre mit der Annahme, allein durch die in zweiter Instanz vorgelegte Mitgliederliste ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Aktivlegitimation nachgekommen zu sein. Es zeige sich nämlich, daß die Mitglieder der Klägerin nicht auf demselben sachlich relevanten Markt wie die Beklagte tätig seien. Darüber hinaus genüge der Satzungszweck der Klägerin nicht den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 UWG. Schließlich habe die Klägerin auch nicht vorgetragen, daß sie nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung im Stande sei, die Verfolgung gewerblicher Interessen wahrzunehmen und dies auch tatsächlich tue.

Hinsichtlich der ersten Voraussetzung sei nicht dargelegt, daß der Klägerin eine repräsentative Zahl von Mitgliedern angehöre, die selbst klagebefugt seien. Die Mitglieder der Klägerin betrieben auch keine Direktvermarktung an den Endverbraucher, die sie, die Beklagte, ausschließlich betreibe. Die Behauptung, nahezu alle Wasserkraftwerke betreibenden Mitglieder versorgten in unterschiedlichem Umfang auch Endverbraucher, sei unsubstantiiert, weil nicht dargelegt sei, wieviele und welche ihrer Mitglieder in welchem Umfang Strom an Letztverbraucher vertrieben. Aus der Mitgliederliste gehe statt dessen hervor, daß im Gegenteil nur ein kleiner Teil der Mitglieder überhaupt E-Werk-Betreiber seien. Daraus ergebe sich, daß ein Großteil der Mitglieder, wenn überhaupt, nur derart geringe Strommengen produziere, daß eine Direktvermarktung an den Letztverbraucher als ausgeschlossen angesehen werden müsse. Zudem sei die Versorgung von Endverbrauchern durch die Mitglieder der Klägerin auch aus wirtschaftlichen Gründen unwahrscheinlich, weil sich eine Direktvermarktung bei Erzeugung nur geringer Strommengen nicht rechne.

Desweiteren erfülle der Satzungszweck der Klägerin nicht die Voraussetzungen, die § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG an die Verbandsklagebefugnis stelle, weil sich die in § 1 der Satzung vorgesehene Beratung, Unterstützung und Vertretung der Mitglieder auf die Stromeinspeisung bei den Energieversorgungsunternehmen, nicht aber auf die Vermarktung an Letztverbraucher beziehe. Schließlich lasse sich dem Vortrag der Klägerin auch nicht entnehmen, daß sie sachlich und personell in der Lage sei, dem (angeblichen) Satzungszweck der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu entsprechen. Zur wettbewerbsrechtlichen Qualifikation der Mitglieder, des Vorstandes oder der Mitarbeiter des Verbandes wie auch zur tatsächlichen Zweckverfolgung sei nichts vorgetragen.

Zur Bekräftigung ihrer Ansicht, daß die angegriffenen Werbeaussagen nicht irreführend im Sinne von § 3 UWG seien, wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Sach- und Rechtsvortrag im ersten Rechtszug. Sie betont, die angesprochenen Verkehrskreise wüßten, daß das Produkt Strom nicht wie eine gewöhnliche, gegenständlich faßbare Handelsware unmittelbar und pur ins Haus geliefert werden könne und daß es sich insofern bei der "Lieferung" von Strom durch einen "Stromlieferanten" um bildhafte und damit notwendigerweise physikalisch ungenaue Umschreibungen handle, die in allgemein verständlichen und vertrauten Begriffen zum Ausdruck brächten, daß der Kunde aus dem vorhandenen Netz Energie entnehme, die der mit ihm vertraglich verbundene "Stromlieferant" irgendwo mengen- und zeitgleich wieder dem Netz zuführe. Der Begriff der "Lieferung" beziehe sich daher allein auf die vertragliche, nicht auf eine physikalische Lieferung. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher sei sich daher durchaus bewußt, daß mit der Formulierung "100 % Strom aus Wasserkraft" auf den Umweltnutzen des von ihm bezahlten Stroms verwiesen werde. Dieser Umweltnutzen entstehe dadurch, daß die vom Verbraucher dem Netz "entnommene" Spannung durch eine Stromerzeugung aus Wasserkraft sofort wieder zugeführt werde.

Da das von der Klägerin angegriffene bildhaft umschreibende Vokabular - wie sich den Werbeslogans der Mitbewerber entnehmen lasse - ersichtlich zum gängigen Sprachgebrauch der Strombranche gehöre, seien die Verbraucher an derartige allgemein übliche Werbeaussagen gewöhnt, weshalb die Gefahr einer Irreführung auch aus diesem Grunde als ausgeschlossen angesehen werden könne. Allein die Verkehrsauffassung entscheide darüber, was eine Angabe aussage und ob sie die Gefahr einer Irreführung begründe. Ebenso entspreche es allgemeiner Meinung, daß die Verkehrsauffassung durch den allgemeinen ober branchenüblichen Sprachgebrauch, an dessen Begriffe sich der Verkehr erfahrungsgemäß anzupassen pflege, geprägt werde. Davon abgesehen würde einer - unterstellten - Fehlvorstellung der Verbraucher die wettbewerbsrechtliche Relevanz fehlen, nämlich die Eignung zur Beeinflussung des Kaufentschlusses. Desweiteren fehle die wettbewerbsrechtliche Relevanz einer Werbeaussage auch dann, wenn schützenswerte Interessen der Mitbewerber durch sie nicht berührt würden. So verhalte es sich hier. Tatsache sei nämlich, daß es aus technischer Sicht keinem Anbieter von Strom, sei es im Wege der Direktvermarktung oder im Wege der Einspeisung, möglich sei, durchgehend 100 % Ökostrom zu liefern. Abgesehen davon, daß in den Lastspitzenzeiten dem Stromnetz zwangsläufig konventionell erzeugter Strom aus Kohle oder Kernkraft zugeführt werde, seien auch die Mitglieder der Klägerin zeitweilig gezwungen, ihre Kraftwerke etwa zu Revisionszwecken oder bei Eisgang abzuschalten. Bei großer Trockenheit könne ebenfalls nicht produziert werden. Dann könnten aber auch die stromeinspeisenden Mitglieder der Klägerin ihr Versprechen, "reinen Ökostrom" zu liefern, nicht durchgängig einhalten.

Da die Mitglieder der Klägerin bei unterstellter Direktvermarktung ihres Stroms an Endverbraucher keinen ökologisch saubereren "Strom" als sie, die Beklagte, "liefern" könnten, mit anderen Worten 100 % Ökostrom "aus der Steckdose" technisch und physikalisch unmöglich sei, habe eine Fehlvorstellung der Verbraucher schließlich auch keinerlei Auswirkung auf den Wettbewerb auf dem relevanten Markt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klägerin hat die im Hinblick auf die im ersten Rechtszug vorgelegte anonymisierte Mitgliederliste berechtigten Bedenken des Landgerichts gegen ihre Prozeßführungsbefugnis durch Vorlage der detaillierten Liste ihrer namentlich angeführten Mitglieder per 23.12.2000 (Anlage K 5) ausgeräumt. Die Beklagte ist zur Unterlassung der angegriffenen Werbeaussagen verpflichtet, denn diese sind irreführend im Sinne von § 3 UWG.

I. Der im Berufungsverfahren vorgelegten Mitgliederliste ist zu entnehmen, daß die Klägerin das vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aufgestellte Erfordernis einer erheblichen Zahl von gewerbetreibenden Mitgliedern, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben, erfüllt.

Bei der Frage, ob der klagenden Arbeitsgemeinschaft eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, sind diejenigen Mitglieder zu berücksichtigen, die sich auf demselben räumlichen und sachlichen Markt mit der Beklagten als Wettbewerber begegnen und folglich um Kunden konkurrieren können.

Die Beklagte zieht zu Unrecht in Zweifel, daß eine repräsentative Zahl von Mitgliedern der Klägerin als Mitbewerber auf demselben sachlich relevanten Markt tätig sind, weil nur ein kleiner Teil der Miglieder überhaupt E-Werk-Betreiber seien und eine Direktvermarktung an den Letztverbraucher deshalb als ausgeschlossen angesehen werden müsse. Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der "Waren oder gewerblichen Leistungen gleicher oder verwandter Art" weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Leistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, daß der Absatz der Ware des einen Mitbewerbers durch wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Vorausgesetzt wird das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses. Es genügt also, daß eine nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung möglich erscheint. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es ohne Bedeutung, daß sich ihr Produkt A lediglich auf den Vertrieb von Strom an Kleinkunden bezieht, während sie sich mit der Erzeugung und Einspeisung von Strom nach dem EEG nicht befasse. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, daß nahezu alle Wasserkraftwerke betreibenden Mitglieder neben Eigenbedarfsdeckung und Netzeinspeisung auch Endverbraucher versorgen, einige auch ausschließlich. Es erscheint plausibel, daß gerade die kleinen privaten Elektrizitätswerke in hartem Wettbewerb mit den Niedrigpreisangeboten der großen Konzerne stehen. Solche Mitglieder der Klägerin konkurrieren auf demselben sachlich relevanten Markt mit der Beklagten.

Zu Unrecht zieht die Beklagte in Zweifel, daß der Klägerin eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden angehören, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.

Gleicher Art bedeutet nicht, daß die Beteiligten derselben Wirtschafts- oder Handelsstufe angehören müssen (Köhler/Piper, UWG 2. Aufl., § 13 RNr. 13 mit Nachweisen). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und inwieweit Mitglieder der Klägerin den von ihnen erzeugten Strom an Endverbraucher liefern. Ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis liegt auch vor, wenn Mitglieder den Strom bei Energieversorgungsunternehmen einspeisen. Der Klägerin gehören auch genügend Mitglieder der einschlägigen Branche an, so daß ein mißbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann. In der vorgelegten Mitgliederliste sind mehr als 160 Mitglieder namentlich benannt, die Elektrizitätswerke unterschiedlicher Größe betreiben. Diese Anzahl ist für den betroffenen Wettbewerbsbereich repräsentativ. Auch wenn es sich bei vielen der dem Verband angeschlossenen Elektrizitätswerke um kleine Unternehmen handelt, vereint sich in dem Verband doch ein gewisses Marktpotential. Die vorliegenden Angaben reichen jedenfalls zu der Schlußfolgerung, daß der Klägerin Gewerbetreibende angehören, die den hier maßgeblichen Markt nach Zahl, Marktbedeutung und wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten.

Soweit die Beklagte gegen die Klagebefugnis der klagenden Arbeitsgemeinschaft ins Feld führt, der Satzungszweck erfülle nicht die Voraussetzungen, die § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG an die Verbandsklagebefugnis stelle und es fehle an einer personellen und sachlichen Ausstattung, die den Verband in die Lage setze, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder tatsächlich wahrzunehmen, kann dem nicht gefolgt werden. Satzungszweck der Arbeitsgemeinschaft ist die Förderung der wirtschaftlichen und fachlichen Interessen ihrer Mitglieder. Zwar ist in § 1 der Satzung beispielshaft ("insbesondere") die Beratung, Unterstützung und Vertretung der Mitglieder beim Abschluß von Stromlieferungsverträgen mit den zuständigen Energieversorgungsunternehmen über Stromeinspeisung, Strompreise und Bedingungen der Stromlieferungsverträge genannt, zu den genannten Interessen der Mitglieder gehört aber jedenfalls auch die Bekämpfung von unlauterem Wettbewerb, auch wenn dieser Zweck nicht eigens erwähnt wird. Zweifel daran, daß die Klägerin nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung die satzungsgemäße Aufgabe, gegen wettbewerbswidrig handelnde Wettbewerber vorzugehen auch wahrnehmen kann, sind nach Darlegung der Zusammensetzung des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft (Anlage K 6) sowie in finanzieller Hinsicht aufgrund der Rechnungslegung für das Geschäftsjahr 1999 (Anlage K 7) sowie der weiteren vorgelegten Belege (Anlagen K 8 und K 9) nicht veranlaßt.

Die Klage der sonach prozeßführungsbefugten Klägerin ist auch begründet.

Die Beklagte verstößt mit den angegriffenen Werbeaussagen gegen das Verbot irreführender Werbung (§ 3 UWG).

Die dem interessierten Leser unter der Überschrift "Qualität mit Auszeichnung - Wasserkraft von B werk!" mit "Brief und Siegel" gegebene Garantie, wenn er sich für A entscheide, liefere ihm dieses Produkt der Beklagten zu 100 % Strom aus Wasserkraft, erweckt bei einem nicht unbeachtlichen Teil der potentiellen Stromkunden den Eindruck, aufgrund eines Vertragsabschlusses mit der Beklagten seien sie künftig in der Lage, dem Netz ausschließlich umweltfreundlich erzeugten Stom zu entnehmen. Zur Bekräftigung dieser Werbeaussage wird angefügt "bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV". Etwa aufkommende Zweifel beseitigt das TÜV-Zertifikat vollends, da doch im Kriterienkatalog festgehalten ist, daß die im Rahmen der Verträge gelieferte Arbeit (kWh) ausschließlich aus Wasserkraft kommt. Tatsächlich entnimmt aber der Verbraucher, wenn er sich aufgrund der Werbung für A entschieden hat, dem Leitungsnetz den gleichen Strommix aus allen möglichen Energiequellen, nämlich u.a. Stein- und Braunkohle, Gas, Wasser, Windkraft und atomare Kernspaltung, wie er ihn bisher entnommen hat. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Auch die Beklagte konzediert, daß die Aussage "A liefert Ihnen zu 100 % Strom aus Wasserkraft" wörtlich genommen sachlich unrichtig ist. Sie meint aber, der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher verstehe die sachlich unzutreffende Aussage richtig. Es mag sein, daß ein Teil der Durchschnittsverbraucher weiß, daß er in jedem Fall den Strom einem zur Versorgung der gesamten Öffentlichkeit dienenden Leitungsnetz entnimmt, in das Strom aus allen möglichen Energiequellen eingespeist wird, daß also die elektrische Energie nicht vom Versorgungsunternehmen über eine eigene Leitung zum Abnehmer gelangt. Dieser Teil der Verbraucher wird allerdings das "Garantieversprechen" der Beklagten nicht wörtlich nehmen und nicht erwarten, daß die von ihm dem Versorgungsnetz entnommene Leistung sofort wieder durch ausschließlich aus Wasserkraft erzeugte Leistung, die die Beklagte anbietet, ersetzt wird.

Es trifft zwar zu, daß objektiv unrichtige Angaben nicht stets gegen § 3 UWG verstoßen. Der Sache nach unzutreffende Werbeaussagen, die der Verkehr trotz ihrer Unrichtigkeit richtig auffaßt, sind mangels irreführender Wirkung nach § 3 UWG nicht zu beanstanden (BGH GRUR 57, 285, 286 - Erstes Kulmbacher). Dies setzt aber voraus, daß allenfalls ein unerheblicher Teil des maßgeblichen Verkehrs die objektiv falsche Angabe wörtlich nimmt und deshalb irregeführt wird. Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden. Beteiligte Verkehrskreise, auf deren Auffassung es für die Beurteilung der angegriffenen Werbeaussagen als irreführend ankommt, sind die von der Werbung betroffenen privaten und gewerblichen Endverbraucher, die erst noch als Kunden geworben werden sollen oder die bereits Kunden sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Leser, deren Interesse an der Lektüre des hier zu beurteilenden Textes durch die Überschrift "Qualität mit Auszeichnung - Wasserkraft von B werk!" geweckt wird, wird angesichts der Garantie mit Brief und Siegel - "bestätigt und beglaubigt vom international anerkannten TÜV" - keine eigenen Überlegungen anstellen, ob das Versprechen, ihm zu 100 % Strom aus Wasserkraft zu liefern, anders als es der Wortsinn besagt, zu verstehen sei. Zu einem solchen "Studium" wird auch der verständige Verbraucher selten Zeit finden. Ein mit Sicherheit nicht unbeachtlicher Teil der Leser, insbesondere solche, die mit den physikalischen Gegebenheiten im Zusammenhang mit elektrischer Energie wenig vertraut sind, werden nicht sofort realisieren, daß die Aussage nicht so gemeint sein kann, wie sie sich liest. Diese potentiellen Kunden lassen sich von dem mit Brief und Siegel gegebenen und vom TÜV bestätigten und beglaubigten Versprechen durchaus beeindrucken und nehmen es als bare Münze, daß "ihnen" zu 100 % Strom aus Wasserkraft ins eigene Netz geliefert wird. Dies umsomehr, als ihre Aufmerksamkeit durch das TÜV-Emblem auf den Auszug aus dem Kriterienkatalog gelenkt wird, der die Werbeaussage als vom TÜV geprüft und zertifiziert darstellt. Darauf, daß sie für vom TÜV in seinem Kriterienkatalog gemachte Aussagen nicht geradestehen müsse, kann sich die Beklagte nicht berufen, weil sie sich diesen Text gerade zu Eigen macht, um Zweifel an der Richtigkeit ihrer Werbeaussage nicht aufkommen zu lassen.

Den angegriffenen Werbeaussagen fehlt es auch nicht an wettbewerblicher Relevanz, denn der Verbraucher, dem suggeriert wird, er könne durch Abschluß eines Liefervertrags mit der Beklagten sofort und unmittelbar anderen, ausschließlich aus regenerativen Energien erzeugten und folglich umweltfreundlichen Strom beziehen, wird vielfach in dem Glauben, er könne damit einen unmittelbaren Beitrag zur Umweltschonung leisten, geneigt sein, sich mit dem Angebot zu befassen. Die Eignung zur Beeinflussung des "Kaufentschlusses" kann nicht verneint werden, weil die täuschenden Werbeangaben gerade wegen ihrer Unrichtigkeit geeignet sind, die Entschließung der Verbraucher zu beeinflussen.

Der Argumentation der Beklagten, ihrer Werbeaussage fehle schon deshalb die wettbewerbsrechtliche Relevanz, weil schützenswerte Interessen der Mitbewerber durch sie nicht berührt würden, kann nicht beigetreten werden. Im Zusammenhang mit irreführenden Werbeaussagen kann nicht allein auf schützenswerte Interessen der Mitbewerber abgestellt werden, es reicht selbstverständlich, wenn solche der Verbraucher betroffen sind (vgl. Köhler-Piper, UWG, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 204).

Schließlich kann der Schlußfolgerung, die die Beklagte aus der von ihr dargelegten Branchenübung hinsichtlich der hier angegriffenen oder ähnlichen Werbeformulierungen ziehen will, nicht beigepflichtet werden. Wenn die streitgegenständlichen Formulierungen in ganz ähnlicher Weise von allen anderen Stromanbietern als Mittel zur Darstellung ihres Produktes verwendet werden, so folgt daraus noch nicht, daß die nach wörtlichem Verständnis unrichtigen Werbeaussagen der Beklagten in ihrem unrichtigen Sinnverständnis entgegen der eigentlichen Bedeutung des Wortlauts richtig geworden sind. Für die Annahme, daß hier die Verkehrsauffassung durch das offenbar in der Branche platzgreifende "bildhaft umschreibende Vokabular" in einer die geltend gemachte Irreführung ausschließenden Weise bereits geprägt worden ist, reicht es nicht aus, daß die im Wettbewerb miteinander stehenden größeren Stromanbieter sich neuerdings in ihrer Werbung eines Sprachgebrauchs bedienen, bei dem die sachliche Richtigkeit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen bedeutungslos erscheint. Wenn es - wie die Beklagte konzediert - Tatsache ist, daß es aus technischer Sicht keinem Anbieter von Strom, sei es im Wege der Direktvermarktung oder im Wege der Einspeisung möglich ist, durchgehend 100 % Öko-Strom zu liefern, daß vielmehr nur ein gewisser "Umweltnutzen" dadurch erreicht werden kann, daß die vom Verbraucher dem Netz entnommene Spannung durch eine Stromerzeugung aus Wasserkraft dem Netz mengen- und zeitgleich wieder zugeführt wird, dann darf die möglicherweise geringe Werbekraft des Hinweises auf einen solchen kaum ins Gewicht fallenden Nutzen für die Umwelt nicht durch bildhafte, aber sachlich unzutreffende und deshalb irreführende Formulierungen verstärkt werden.

Da die Mitglieder des Senats den beteiligten Verkehrskreisen angehören und es für die Bejahung der Eignung zur Täuschung und der wettbewerblichen Relevanz lediglich auf die Vorstellung eines nicht ganz unerheblichen Teils des Verkehrs ankommt, bedarf es für die Annahme der Irreführungsgefahr keiner Beweiserhebung durch demoskopische Umfrage.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren der obsiegenden Klägerin aufzuerlegen, weil sie ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, ihre Prozeßführungsbefugnis und Aktivlegitimation schon im ersten Rechtszug geltend zu machen (§ 97 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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