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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 29 U 2131/02
Rechtsgebiete: MarkenG, UWG


Vorschriften:

MarkenG § 126
MarkenG § 127
MarkenG § 128
UWG § 3
1. Wird Bier, das in einer anderen Stadt als Ulm gebraut wird, mit Etiketten mit der mittelbaren geographischen Herkunftsbezeichnung "MARKE U M" vertrieben, so scheidet ein Unterlassungsanspruch nach § 128 Abs. l i.V.m. § 127 MarkenG aus, wenn die Gefahr einer Irreführung über den Brauort und damit die geographische Herkunft des betreffenden Bieres durch hinreichend deutliche entlokalisierende Zusätze auf den Etiketten ausgeräumt wird. Auf eine Interessenabwägung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kommt es dann nicht mehr an.

2. Mit der Bezeichnung "MARKE Ulmer Minister" für Bier werden die angesprochenen Verkehrskreise nicht im Sinne des § 3 UWG bezüglich der Existenz eines Markenrechtsschutzes irregeführt, wenn der Vertriebsfirma keine Wortmarke "U M" zusteht.


Aktenzeichen: 29 U 2131/02

Verkündet am 06.06.2002

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Jackson und Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2002 - 7 O 1026/02 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

(gemäß § 540 i.V.m. § 313a Abs. 1 ZPO)

Die Antragstellerin, eine in Ulm ansässige Brauerei, macht im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner, der einen Getränkehändel in N. betreibt, Unterlassungsansprüche wegen der Benutzung von Etiketten für Bier (Hefe-Weizen) mit der Bezeichnung "MARKE U M" geltend. Das so gekennzeichnete Bier (Hefe-Weizen) wird in M. von der M. AG gebraut und von der U. KG, einer 100%igen Tochtergesellschaft der M. AG, vertrieben. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.

1. Der Antragstellerin steht der mit dem Berufungsantrag Nr. II 1 (=erstinstanzlicher Antrag Nr. 1) geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht nach § 128 Abs. 1 i.V.m. § 127 MarkenG zu. Im Streitfall besteht keine Gefahr der Irreführung über die Herkunft des betreffenden Bieres (Hefe-Weizen).

Allerdings handelt es sich bei der Angabe "U M" um eine mittelbare geographische Herkunftsangabe im Sinne von § 126 Abs. 1 MarkenG. Das U M ist das Wahrzeichen der Stadt Ulm; hieraus schließt der Verkehr vorbehaltlich entlokalisierender Zusätze auf die Herkunft des so gekennzeichneten Bieres aus Ulm (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 126, Rdn. 6; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 126 MarkenG, Rdn. 7; Gruber in v. Schultz, Markenrecht, Vorbemerkungen zu §§ 126 bis 129, Rdn. 9; BGH GRUR 1955, 91, 92 f -Mouson [Frankfurter Römer]). Die Bezeichnung "U M" wurde über etliche Jahre hinweg von der U M B. KG für in Ulm gebrautes Bier bis zur Einstellung des Braubetriebs Ende 2001 verwandt, wobei Restbestände solchen Bieres noch Anfang 2002 abverkauft wurden. Bei mittelbaren geographischen Herkunftsangaben sind die Maßstäbe an eine entlokalisierende Wirkung aufklärender Zusätze indes weniger streng als bei unmittelbaren geographischen Herkunftsangaben (vgl. Ingerl/Rohnke, aaO, § 127, Rdn. 4; Fezer, aaO, § 127, Rdn. 18; Gruber in v. Schultz, Markenrecht, § 127, Rdn. 4; BGHZ 44, 16, 22 - de Paris). Durch die verschiedenen entlokalisierenden Zusätze (vgl. § 127 Abs. 4 Nr. l MarkenG) auf den streitgegenständlichen Etiketten wird die Gefahr einer Irreführung über den Brauort und damit die geographische Herkunft des betreffenden Bieres (Hefe-Weizen) ausgeräumt. Auf den streitgegenständlichen Etiketten befinden sich insgesamt sechs zusammengenommen hinreichend deutliche Hinweise darauf, dass das betreffende Bier (Hefe-Weizen) in Memmingen gebraut wird bzw. von der M. AG, M. hergestellt wird, und zwar nicht nur, wie in dem dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.09.2001 (WRP 2001, 1450 - Warsteiner III) zugrunde liegenden, eine unmittelbare geographische Herkunftsangabe betreffenden Fall, auf den Rücketiketten, sondern auch auf den Vorder- und Halsetiketten. Der Zusatz "Gebraut in M." befindet sich auf allen drei Etiketten in Fettdruck in hinreichend großer Schrifttype. Die Bezeichnung "U M" wird zudem auf den streitgegenständlichen Etiketten entlokalisierend als "MARKE" angeführt (vgl. BGH WRP 1998, 1002, 1005 - Warsteiner II zur entlokalisierenden Wirkung der Bezeichnung "Marke" vor einer geographischen Herkunftsangabe). Die vorstehenden Feststellungen kann der Senat, der zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört, aus eigener Sachkunde und Anschauung treffen (vgl. BGH WRP 2002, 527 - Elternbriefe; BGH WRP 2001, 1450, 1453 - Warsteiner III insbesondere auch zum maßgeblichen Verbraucherleitbild). Im Hinblick darauf, dass die Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft des Bieres durch die entlokalisierenden Zusätze ausgeräumt wird, kommt es im vorliegenden Fall, anders als in den Fällen, die den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 02.07.1998 - 1 ZR 55/96 = WRP 1998, 1002 = Warsteiner II und vom 19.09.2001 - 1 ZR 54/96 = WRP 2001, 1450 - Warsteiner III zugrunde lagen und in denen Fehlvorstellungen des Verkehrs über die Herkunft der Ware verblieben waren, nicht mehr auf eine Interessenabwägung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten an, die hier im Übrigen zulasten der Antragstellerin ausginge; auf die Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil unter II 2 b der Entscheidungsgründe hierzu wird Bezug genommen. Des Weiteren kann hier dahinstehen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Berufungsantrag Nr. II 1 nicht auch daran scheitert, dass eine etwaige Irreführung über den Brauort des Bieres für die Kaufentscheidung des Verbrauchers nicht relevant wäre (vgl. BGH aaO 1452 - Warsteiner III, der die Frage, ob die Herkunft der Ware für die Kaufent-scheidung des Verbrauchers relevant im Sinne des § 3 UWG sein muss, offengelassen hat).

2. Der Antragstellerin steht der mit dem Berufungsantrag Nr. II2 (=erstinstanzlicher Antrag Nr. 2) geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht nach § 3 UWG und auch nicht nach § 1 UWG zu.

a) Mit der Bezeichnung "MARKE U M" werden die angesprochenen Verkehrskreise nicht im Sinne des § 3 UWG irregeführt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die angesprochenen Verkehrskreise der genannten Bezeichnung, die erkennbar zur Produktidentifizierung eingesetzt wird, entnehmen, dass eine Wortmarke "U M", nicht etwa nur eine Wort/Bildmarke "U M" existiere; jedenfalls ist eine etwaige derartige Unrichtigkeit der Angabe "MARKE U M" mangels Eignung zur Beeinflussung des Kaufentschlusses wettbewerbsrechtlich nicht relevant (vgl. zu diesem Kriterium Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 3, Rdn. 202). Den angesprochenen Verkehrskreisen wird ein diesbezüglicher Markenrechtsschutz gleichgültig sein. Der Fall liegt anders als der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14 12.1989 - I ZR 1/88 = GRUR 1990, 364, 365 - Baelz zugrunde liegende.

Dort entnahmen die angesprochenen Verkehrskreise der Beifügung des (r) zu dem als Namen wirkenden Wort "baelz", dass es ein eingetragenes Warenzeichen dieses Inhalts gebe. Das Registrierungssymbol (r) wird auf den streitgegenständlichen Etiketten hingegen nicht verwendet. La der Benutzung der Bezeichnung "MARKE U M" liegt auch keine unlautere falsche Selbstanpreisung im Sinne des § 1 UWG.

b) Der mit dem Berufungsantrag Nr. II 2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann auch nicht auf § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der individuellen Behinderung von Mitbewerbern gestützt werden. Der vorliegende Fall liegt nicht vergleichbar mit dem, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.08.2000 - I ZR 126/98 = WRP 2000, 1284 - Stich den Buben zugrunde liegt. Dort ging es um die Bezeichnung einer bekannten (Weinbergs-)Lage, bei der die Benutzung als Bestandteil der Firma eines einzelnen Unternehmens zu einer individuellen Behinderung eines Mitbewerbers mit Grundstücken in derselben Lage fuhren konnte, der die Herkunftsangabe ebenfalls berechtigt verwandte. Die Bezeichnung "MARKE U M" wurde nach dem unstreitigen Sachverhalt von anderen Brauereien als der U M B. nicht zur Bezeichnung von in Ulm gebrautem Bier benutzt; zudem wird die mittelbare geographische Herkunftsangabe "U M" durch den Zusatz "MARKE" entlokalisiert (vgl. oben 1).

3. Außerdem fehlt auch ein Verfügungsgrund. Die Vermutung der Dringlichkeit (§ 25 UWG) ist hier widerlegt. Hat der Antragsteller konkrete Kenntnis von Umständen erlangt, die die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte nahe legen, und ist es ihm ohne erheblichen Aufwand möglich, noch vorhandene Unsicherheiten zu beseitigen, so muss von ihm erwartet werden, dass er sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschafft und nicht tatenlos zuwartet, bis sich die ihm sich aufdrängende Vermutung mehr oder weniger zufällig zu einem erheblich späteren Zeitpunkt bestätigt (vgl. Senat, Urt. vom 20.12.2001 -U (K) 4429/01 = MD 2002, 624, 626; OLG München, Urt. v. 16.12.1993 -6 U 5390/93 = MDR 1994, 1202, 1203). Vergleichbar liegt der Fall hier. Aus dem Ordnungsmittelantrag der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 02.10.2001 (Anlage zum Protokoll des Termins vom 06.06.2002 (Bl. 167/171)), gerichtet an das Landgericht Stuttgart, geht hervor, dass die Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt davon Kenntnis hatte, dass die U. KG die streitgegenständlichen Etiketten damals für nicht in Ulm gebrautes Weizenbier verwandte. Des Weiteren hat die Antragstellerin in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 07.11.2001 (Anlage AG 3) gegen die U. KG, gerichtet an das Landgericht Stuttgart, vortragen lassen, dass die dortige Antragsgegnerin die hier streitgegenständlichen Bieretiketten für Hefe-Weizen, das nicht mehr in Ulm gebraut werde, verwende. Danach hatte die Antragstellerin seit geraumer Zeit Kenntnis davon, dass mit den streitgegenständlichen Etiketten nicht in Ulm gebrautes Bier (Hefe-Weizen) über die üblichen Vertriebswege, wozu in erster Linie auch Getränkemärkte gehören, vertrieben wurde. Bei diese Sachlage hätte sich die Antragstellerin schon im November 2001 unschwer Gewissheit darüber verschaffen können, dass auch der Antragsgegner als Getränkehändler in N. Bier (Hefe-Weizen) mit den streitgegenständlichen Etiketten vertrieb, und gegen diesen erheblich früher vorgehen können. Das diesbezügliche Zuwarten ist dringlichkeitsschädlich. An der vorstehenden Beurteilung ändert nichts, dass nach dem unstreitigen Sachverhalt andere von der U. KG vertriebene Biersorten außer Hefe-Weizen noch bis zum 31.12.2001 in Ulm gebraut wurden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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