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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 15.07.1999
Aktenzeichen: 29 U 2265/99
Rechtsgebiete: HWG, UWG, ZPO


Vorschriften:

HWG § 11 Nr. 2
HWG § 11 Nr. 4
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 291
ZPO § 97
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Ob eine heilmittelrechtlich relevante Produktwerbung vorliegt, bestimmt sich nach dem Gesamteindruck der Werbung. Sie liegt grundsätzlich dann nicht vor, wenn die Werbung keinen Hinweis auf eine bestimmte Behandlungsmethode oder eine bestimmte Therapie vermittelt.

OLG München Urteil 15.07.1999 - 29 U 2265/99 - 2 HKO 5338/98 LG München II


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Jackson und Wörle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 19.1.1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,-- DM nicht.

Gründe

Die Beklagte, die ein Behandlungszentrum für Multiple Sklerose Kranke in Kempfenhausen betreibt, stellt sich Interessenten an einem Klinikaufenthalt mit ihrer Broschüre "Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose" vor. Zu ihrem 10-jährigem Jubiläum erstellte sie die weitere Broschüre "10 Jahre Marianne-Strauß-Klinik".

Der Kläger beanstandete verschiedene Aussagen in den Broschüren der Beklagten als wettbewerbswidrig. Er meinte, er sei als rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehöre, zur Verfolgung wettbewerblicher Unterlassungsansprüche befugt. Zu seinen Mitgliedern zähle nämlich eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden, die auf demselben Markt wie die Beklagte tätig seien. Auch verfüge er über eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung, um seine satzungsgemäßen Aufgaben wahrnehmen zu können. Die Klinikbroschüren verwende die Beklagte außerhalb der Fachkreise. Mit verschiedenen Behauptungen in diesen Broschüren verstoße die Beklagte gegen § 11 Nr. 2 und 4 HWG. Dies begründe hinsichtlich dieser Aussagen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gem. § 1 UWG.

Der Kläger beantragte daher,

es der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr für Heilbehandlungen außerhalb der Fachkreise zu werben:

a) "Als Behandlungszentrum für Multiple Sklerose nutzen wir alle anerkannten medizinischen und therapeutischen Behandlungsmethoden und fühlen uns der klinischen Forschung verpflichtet."

b) "Als Akutkrankenhaus und Therapiezentrum für Multiple Sklerose ist die Marianne-Strauß-Klinik führend in Süddeutschland - medizinisch und therapeutisch."

c) "... Daß wir über modernste Diagnose-Einrichtungen verfügen, hat gute Gründe:

Zum einen kommen immer wieder Patienten zu uns, bei denen die Diagnose noch nicht eindeutig gesichert ist, zum anderen führen wir Verlaufsuntersuchungen durch, um Änderungen des Gesundheitszustandes zu dokumentieren und die therapeutischen Entscheidungen zu unterstützen."

d) mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung und/oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe und/oder des Heilgewerbes

e) mit der Wiedergabe von Äußerungen Dritter und/oder Hinweisen auf Äußerungen Dritter, insbesondere in der beiliegend wiedergegebenen Art.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Sie hielt die Klage bereits für unzulässig. So sei der Kläger nicht klagebefugt. Schließlich sei die Klage aber auch unbegründet, da das Heilmittelwerbegesetz auf die Aussagen in ihrer Broschüre keine Anwendung finde. Damit werde nämlich Imagewerbung und nicht etwa Werbung für bestimmte Behandlungsmethoden betrieben.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. 1. 1991 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß es sich bei ihm um einen eingetragenen Verein handle, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehöre. Zudem habe der Kläger nicht dargelegt, daß ihm eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehöre, die gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Als solche kämen nur Mitglieder in Betracht, die sich auf dem Gebiet des Betriebs von Kliniken betätigten. Der Verweis des Klägers auf frühere, zu seinen Gunsten ergangene Gerichtsentscheidungen sei unbehelflich, da die Klagebefugnis in jedem Rechtsverhältnis neu zu überprüfen sei. Die Klage sei aber auch unbegründet, weil die angegriffenen Broschüren eindeutig einer bloßen Image-Werbung zuzuordnen seien.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers, der seine Klageanträge weiter verfolgt.

Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt demgegenüber die angefochtene Entscheidung.

Von der weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung des Klägers hat im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

1. Seine Klage ist jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts zulässig. Der Kläger ist nämlich ein rechtsfähiger Verband, der insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder tatsächlich wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen wurden in den vergangenen Jahren von zahlreichen Gerichten, und zwar auch vom Bundesgerichtshof, wie der Kläger dargelegt hat, geprüft und bejaht. Auch der Senat war mit einer Vielzahl von Verfahren befasst, in denen der Kläger wettbewerbswidrige Handlungen verfolgt hat. In diesen Verfahren, die zum Teil in 1. Instanz auch vor dem Landgericht München II betrieben wurden, hat auch der Senat den Kläger als rechtsfähigen Verband anerkannt, der nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen wahrzunehmen. Diese Tatsachen sind daher gerichtskundig und bedürfen keines Beweises (§ 291 ZPO).

Dem Kläger gehören zudem eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Leistungen auf demselben Markt anbieten, auf denen auch die Beklagte ihre Leistung anbietet. Der maßgebliche räumliche Markt wird dabei durch die Geschäftstätigkeit der Beklagten bestimmt. Die Beklagte behauptet zwar, daß der Einzugsbereich für ihre hochspezialisierte Klinik eng begrenzt sei und maximal das Bundesland Bayern erfasse. Damit steht jedoch nicht im Einklang, daß die Beklagte ihre Broschüren auch an Personen versendet, die außerhalb Bayerns ansässig sind und Interesse an der von der Beklagten angebotenen Leistung bekundet haben. Daß die Beklagte ihr Leistungsangebot nicht nur an Personen mit Wohnsitz in Bayern, sondern an jeden Interessenten mit Wohnsitz im Bundesgebiet richtet, wird eindrucksvoll durch den Werbeauftritt der Beklagten im Internet, wie er vom Kläger dokumentiert wurde, belegt. Daher erstreckt sich im Streitfall der maßgebliche örtliche Markt entsprechend der von der Beklagten bundesweit eingesetzten Broschüren-Werbung auf das gesamte Bundesgebiet. In sachlicher Hinsicht ist der maßgebliche Markt durch den Begriff der "Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art" gekennzeichnet. Dieser Begriff ist nach allgemeiner Meinung weit auszulegen (vgl. Köhler/Piper, UWG, Rdnr. 13 zu § 13). Daher reicht zur Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis zwischen Mitgliedern des Klägers und der Beklagten aus. Gemeint ist damit die Möglichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Behinderung, wobei die Parteien nicht derselben Wirtschaftsstufe angehören müssen. Es genügt vielmehr bereits, daß eine nicht gänzlich unbedeutende - auch nur potentielle - Beeinträchtigung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (ständige Rechtsprechung z.B. BGH WRP 1996, 1102/1103 - Großimporteur; BGH WRP 1997, 431 - Münzangebot). Deshalb kann als für die Klagebefugnis des Klägers relevantes Mitglied nicht nur die "Soteria Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH" mit ihrer Beteiligung an einem Klinikum in Kötzting berücksichtigt werden. Es ist vielmehr von Bedeutung, daß diese Firma als Krankenhausträger auch in Nordrhein-Westfalen, Bremen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen aktiv ist. Hinzu kommt, daß auch der Ärzteverband Baden-Baden e.V. mit seinen in ihm organisierten Ärzten Mitglied des Klägers ist. Bereits diese Anzahl der Mitglieder des Klägers läßt den Schluß zu, daß er nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame gewerbliche Interessen der betroffenen Branche wahrnimmt (vgl. Köhler/Piper a.a.O. Rdnr. 18 zu § 13). Der Kläger ist daher für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger stützt die von ihm behaupteten Unterlassungsansprüche § 11 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 11 HWG. Dies setzt voraus, daß die Beklagte mit den Broschüren bzw. mit den im Einzelnen angegriffenen Äußerungen außerhalb der Fachkreise geworben hat (§ 11 S. 1 HWG). Der heilmittelrechtlich relevanten Werbung unterfällt nicht jede Werbung im Heilmittelbereich. Miteinbezogen in den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ist produktbezogene Werbung, also die Absatzwerbung, nicht aber die allgemeine Firmenwerbung, wie sie eine Unternehmens- oder Image-Werbung darstellt. Die Firmenwerbung ist im Gegensatz zur Absatzwerbung eine Werbung, die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate oder Verfahren für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, obwohl auch sie mittelbar den Absatz der Produkte des Unternehmens fördern kann und soll (BGH GRUR 1992, 873 - Pharma-Werbespot; GRUR 1995, 223 - Pharma-Hörfunk-Werbung). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes danach entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Behandlungen (BGH a.a.O. - Pharma-Hörfunk-Werbung) im Vordergrund steht. Im Streitfall sind die streitgegenständlichen Werbeaussagen der Beklagten in zwei Hochglanzprospekten enthalten. Die Broschüre "Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose" stellt zunächst das Klinikgebäude "einst Klostergut und Jagdschlößchen" illustriert mit zahlreichen Bildern dar. Anschließend werden die technischen Möglichkeiten und die Ausstattung der Beklagten unter der Überschrift "wir sind bestens gerüstet" und "Anwendungen und Übungen" dargestellt. Der vorwiegend durch Bilder bestimmte Gesamteindruck der Broschüre wird durch die Empfehlung der Küche der Klinik der Beklagten abgerundet. Innerhalb dieser Gesamtdarstellung befinden sich auch Hinweise auf die eigene Diagnostik, Diagnostikeinrichtungen, Labors, auf Krankengymnastik und auf physikalische Therapie, auf Ergo-Therapie, Neuropsychologie und Logopädie wie auf die ebenfalls in der Klinik angebotene Bewegungstherapie. Diese Hinweise stellen sich innerhalb des Gesamterscheinungsbildes der Broschüre als zulässige Darstellung ihrer Produktpalette zur Dokumentation der Leistungsfähigkeit des Behandlungszentrums dar (vgl. Gröning, Heilmittelwerberecht, Rdnr. 22 zu § 1). Gleiches gilt in verstärktem Maße für die Broschüre "10 Jahre Marianne-Strauß-Klinik", deren Gesamteindruck ganz wesentlich durch zahlreiche Grußworte von Politikern bestimmt ist. Auch dort findet sich die Darstellung eines Ausschnitts aus der Produktpalette bzw. aus dem umfassenden Therapieangebot der Klinik. Gerade die Äußerungen Dritter, die der Kläger mit seinem Klageantrag e) beanstandet, machen deutlich, daß mit der Broschüre keine Absatzwerbung, sondern allein eine Unternehmenswerbung bezweckt ist. Die Äußerungen Dritter beziehen sich auf kein konkretes oder individualisierbares Behandlungsverfahren. Sie sind eine Sammlung allgemeiner Pressestimmen, wie "der Freundeskreis hat mittlerweile für alle Stationen einen Besucherdienst eingerichtet", "weil wir ein bißchen anders sind und auch anders bleiben wollen", "Musterbeispiel für die Zusammenarbeit von öffentlichen ... und gemeinnützigen Trägern".

Der Gesamteindruck einer Image-Werbung, den die beiden vom Kläger beanstandeten Broschüren vermitteln, wird gerade auch durch die Passagen aus der Broschüre "Behandlungszentrum Kempfenhausen für Multiple Sklerose" bestätigt, die der Kläger zum Gegenstand seiner Klageanträge a) bis c) gemacht hat. In keiner durch die Klage erfassten Passagen wird eine bestimmte Therapie oder ein bestimmtes in der Klinik praktiziertes Verfahren beworben. Es handelt sich vielmehr auch bei diesen angegriffenen Formulierungen um eine Selbstdarstellung der Klinik der Beklagten als "Akutkrankenhaus und Therapie-Zentrum für Multiple Sklerose". Bei einer solchen Werbung, die - wie hier - dem interessierten Personenkreis keinen Hinweis auf eine bestimmte Behandlungsmethode oder eine bestimmte Therapie vermittelt, besteht die Gefahr, der die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes begegnen sollen, nicht. Die Werbeaussagen geben den Adressaten nicht die Möglichkeit, eine bestimmte Therapie zu verlangen. Die Gefahr, daß eine bestimmte Therapie, die in ihren Wirkungen und Nebenwirkungen vom angesprochenen Laienpublikum nicht überschaut werden kann, ohne ärztliche Aufsicht oder mißbräuchlich angewandt wird, besteht daher nicht (BGH GRUR 1995, 223/224). Da mithin die Beklagte mit ihrer Unternehmenswerbung das Heilmittelwerbegesetz nicht verletzt, war, wie im Tenor ausgesprochen, die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97, Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, § 713, § 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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