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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: 29 U 2664/00
Rechtsgebiete: BO, UWG, ZPO


Vorschriften:

BO § 27 Abs. 1
BO § 27 Abs. 2
BO § 27 Abs. 2 S. 1
BO § 28
BO § 27
UWG § 1
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Hat die in einem Nachrichtenmagazin veröffentlichte medizinische Abhandlung, die den ein neueres medizinisches Verfahren anwendenden Arzt mit seiner Duldung zitiert und im Bild zeigt, die redaktionelle Zielsetzung, mit dem sachlich gehaltenen Bericht über die Tätigkeit des Arztes das die Allgemeinheit interessierende medizinische Verfahren zu behandeln und kritisch zu würdigen, so stellt die Duldung keinen Standesverstoß des Arztes gegen das ärztliche Werbeverbot dar, so daß auch keine wettbewerbswidrige Mitwirkung des Presseorgans aus einem solchen Beitrag in Betracht kommt.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 2664/00 4 HKO 10321/99 LG München I

Verkündet am 19. Oktober 2000

Die Urkundsbeamtin: Barbagiannis Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W und die Richter am Oberlandesgericht J und H aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.02.2000 - 4 HKO 10321/99 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, die berufsständische Organisation der Ärzte in Bayern, beanstandet den von der Beklagten, dem Nachrichtenmagazin F, in der Ausgabe Nr. 2/1999 auf Seiten 107/108 zum Themengebiet Forschung & Technik unter der Überschrift "Medizin - Hoher Preis für Präzision" veröffentlichten Artikel über den Einsatz von Robotern im Orthopädie-Bereich als wettbewerbswidrig.

Einleitend wird in dem Artikel in Fettdruck hervorgehoben auf den Anlass der Abhandlung hingewiesen:

"Seit fünf Jahren helfen teure Roboter, Hüftprothesen exakter und sicherer einzusetzen. Anwender und Kritiker ziehen jetzt Bilanz."

Sodann wird ein Ausschnitt des Operationsablaufs beschrieben, den ein über der Abhandlung abgedrucktes Farbfoto veranschaulichen soll. Auf dem Bild ist der Operateur zu sehen, aber nicht zu erkennen. Der Leser erfährt, dass die Operation von R W, dem Chefarzt der orthopädischen Klinik in M-H, durchgeführt wird, und dass in Deutschland bereits in zwei Dutzend Krankenhäusern Roboter bei orthopädischen Operationen eingesetzt werden. Die Verfasserin des Artikels, Dr. E H, zitiert Prof. Dr. W mit den Aussagen, dieser neuen Technologie gehöre die Zukunft, kein Arzt könne zementfreie Hüftgelenke so präzise einpassen, wie der Assistent aus Stahl, statt der manuell erreichbaren 30 % Berührungsfläche zwischen Prothese und Knochen schaffe die Maschine einen fast 100 %igen Kontakt. Dies sei ein großer Gewinn - so wird W Überzeugung wiedergegeben - denn je genauer die Prothese im Knochen sitze, desto besser könne sie einwachsen und desto länger halten.

Trotz solcher Vorzüge bei der Implantation, führt die Autorin sodann aus, sei der stark zunehmende Einsatz von OP-Robotern in der Orthopädie nicht unumstritten. So gebe etwa W P, Chef des Rehabilitationskrankenhauses U, zu bedenken, dass viele Faktoren die Qualität und Haltbarkeit von Hüftprothesen beeinflussten und dass nicht bekannt sei, welche davon wirklich ausschlaggebend seien. Bislang betrage die durchschnittliche Lebensdauer eines künstlichen Hüftgelenks, das ohne Zement eingesetzt wurde, rund 10 Jahre. Dann beginne es zu wackeln und müsse mit viel Aufwand operativ erneuert werden.

Im folgenden Absatz, der von der "Faszination der Präzision" handelt, wird gesagt, dass sich immer mehr orthopädische und unfallchirugische Kliniken für einen OP-Roboter entschieden, obwohl die Anschaffung der Maschinen teuer und deren Handhabung vor allem zu Beginn schwierig sei. Auch W habe erst vor wenigen Wochen für rund 1 Mio. Mark einen "Robodoc"-Roboter für Hüftgelenkimplantationen angeschafft. P wolle nun 5 Jahre nach dem ersten Robotereinsatz am Hüftgelenk eine kritische Zwischenbilanz ziehen. In einem Konsensgespräch zwischen Roboterherstellern, Anwendern und anderen Hüftspezialisten sollten neben den Vorzügen auch die Grenzen und Nachteile der neuen Technologie definiert werden. Hierzu wird wörtlich ausgeführt:

"- So ist für die meisten Patienten bislang vor der eigentlichen OP noch ein zusätzlicher Eingriff zum Einsetzen von Markierungsstiften in den Knochen notwendig. Sie dienen dem Roboter zur Orientierung während er bohrt.

- Die Operationsdauer in Narkose verlängert sich um mindestens 20 Minuten.

- Aus dem gesamten Spektrum moderner Prothesenformen kann der Arzt nur jene auswählen und einsetzen, für die es bereits eine passende Software gibt.

- Sogar Vertreter der Herstellerfirmen von Robotern geben zu, dass die Ausbildung der Anwender zur Zeit noch unbefriedigend ist."

Im Folgenden teilt die Autorin dem Leser mit, die meiste Erfahrung mit der neuen Technologie besitze M W, Chefarzt einer Unfallklinik in Frankfurt/Main, der seit fünf Jahren mit dem "Robodoc" arbeite und die Fräsmaschine nicht mehr missen wolle. An die 1.600 Hüftgelenke habe seine Arbeitsgruppe bereits computergestützt eingepflanzt, ohne dass es dabei zu Brüchen oder Rissen im Hüftknochen gekommen sei. Gewisse Nachteile der modernen Technik könnten durch neue Methoden bald behoben sein.

Der Leser erfährt sodann, dass es bei dem Konkurrenzprodukt "Caspar", der erst seit zwei Jahren im Einsatz sei, nur wenig klinische Erfahrungen im Routineeinsatz gebe. F H, Leiter der Unfallchirurgischen Abteilung an der Uni E-N habe den Roboter, der kleiner sei und ein Gelenk mehr besitze als sein Vorbild, entworfen. Schließlich wird ausgeführt, dass an einer Weiterentwicklung der Endoprothetik vor allem für die Implantation der Hüftpfanne auch L-P N aus B arbeite. Der Ingenieur vom M.-E.-M-Institut für Biomechanik erforsche Freihand-Navigationssysteme, die den Chirurg per Computersteuerung und Kameraführung zielgenau zu den entscheidenden Punkten führen sollen. Am Schluss des Artikels wird nochmals Prof. W, der das neue Navigationssystem in einer klinischen Studie testen wolle, mit der Aussage zitiert, "Ob sich der Aufwand gelohnt hat, wissen wir erst im Jahr 2010".

Neben den Abbildungen einer Patientin, die sich einer robotergestützten OP unterzogen hat, und eines Röntgenbildes nach erfolgter Hüftoperation sind ferner unter Namensnennung M W als "Pionier am OP-Roboter" und F H als "Entwickler" des "Caspar" abgebildet. Ferner ist der Artikel mit zwei weiteren Abbildungen von nicht erkennbaren Operateuren bei ihrer Arbeit illustriert. In einem Kasten werden die einzelnen Schritte der modernen OP-Methode in Kurzfassung dargestellt.

Die Klägerin sieht in dem Artikel eine unerlaubte weil berufswidrige Werbung Prof. W, zu der die Beklagte beigetragen habe, wofür sie als Störerin hafte. Zur Begründung führte die Klägerin aus, nach § 27 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12.10.1997 dürfe der Arzt für seine berufliche Tätigkeit nicht werben. Ihm sei lediglich gestattet, nach den Grundsätzen Kap. D Nr. 1 - 6 der Berufsordnung sachlich zu informieren. Nach § 27 Abs. 2 BO dürfe der Arzt eine ihm verbotene Werbung durch Andere weder veranlassen noch dulden; er dürfe auch nicht dulden, dass Berichte oder Bildberichte mit werbender Herausstellung seiner ärztlichen Tätigkeit unter Verwendung seines Namens oder seines Bildes oder seiner Anschrift veröffentlicht werden. Prof. W habe es jedoch zugelassen, in dem beanstandeten Artikel werbend herausgestellt zu werden. Für die Darstellung des Robotereinsatzes habe es weder der Namensnennung noch der Angabe seines Tätigkeitsortes bedurft und schon gar nicht der Mitteilung, dass er vor wenigen Wochen für rund eine Million DM einen Roboter für Hüftgelenk-Implantationen angeschafft habe. Dem Leser mit Hüftgelenkbeschwerden werde durch solche Angaben der Eindruck vermittelt, dass er im Falle einer Operation von Prof. W optimal behandelt werde. Die Beklagte sei Störerin, weil sie Prof. W dessen berufswidriges Verhalten, nämlich durch aktive Mitgestaltung des Inhalts des Artikels für sich zu werben, erst ermöglicht habe.

Mit dem vorprozessual erhobenen Einwand, sie habe nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt, vielmehr in Erfüllung ihrer Aufgabe, die Öffentlichkeit zu unterrichten, könne die Beklagte nicht gehört werden, weil es zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Einsatz von Robotern im Orthopädie-Bereich nicht der werbenden Herausstellung des die Technik anwendenden Arztes bedurft hätte. Auch sei die Prof. W im Bericht zugeordnete Rolle hierzu nicht notwendig gewesen, ebensowenig die Mitteilung seines Namens und seines Wirkungsortes.

Die von ihr geltend gemachte Störerhaftung setze eine Wettbewerbsabsicht der Beklagten nicht voraus.

Prof. Dr. W habe vorprozessual eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

der Beklagten bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Artikel zu veröffentlichen, in denen Ärzte, die im Zuständigkeitsbereich der Klägerin ihren Beruf ausüben, unter Nennung ihres Namens und/oder Beifügung eines Bildes und/oder der Erwähnung ihres Tätigkeitsortes werbend herausgestellt werden, wie geschehen in dem auf S. 107 und S. 108 in Nr. 2 der Druckschrift F vom 11.1.1999 abgedruckten Artikel "Hoher Preis für Präzision".

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie stellte in Abrede, dass Prof. W oder andere der in dem Artikel erwähnten Ärzte an der inhaltlichen Gestaltung "aktiv" mitgewirkt hätten. Die Autorin Dr. H, Inhaberin des Büros für Medizinpublizistik und anerkannte Expertin auf diesem Gebiet, habe im Rahmen ihrer Recherchen zum Thema Robotereinsatz wegen des großen öffentlichen Interesses hierüber in dem Nachrichtenmagazin berichtet, wie dies auch in anderen Medien geschehen sei. Es sei Aufgabe eines Nachrichtenmagazins, das pro und contra neuer Medizintechniken darzustellen. Am Anschaulichsten geschehe dies, wenn die hauptsächlichsten Experten mit authentischen Aussagen zu Wort kämen.

Schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit sei es erforderlich, die Befürworter und Kritiker persönlich zu den angesprochenen Themenkomplexen zu befragen und ihre Antworten dann auch zu veröffentlichen. Der Aufgabe einer kritischen Presse entsprechend sei den maßgeblichen Experten in dem Artikel die Möglichkeit gegeben worden, sich als anerkannte Sachverständige zu den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Robotersysteme zu äußern. Im Übrigen sei der beanstandete Artikel weder in Wettbewerbsförderungsabsicht veröffentlicht worden noch sei er geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen.

Ein Unterlassungsanspruch nach den Grundsätzen der Störerhaftung sei nicht gegeben, weil Prof. W wie auch die anderen namentlich genannten Ärzte nicht an der inhaltlichen Gestaltung des Artikels mitgewirkt und sonach auch nicht gegen Standesrecht verstoßen hätten. Das hinsichtlich der Werbung strenge Berufsrecht der Ärzte könne als nachrangiges Gesetzesrecht nicht das grundrechtlich verbürgte Recht auf Pressefreiheit zunichte machen.

Das Landgericht hat Prof. W und Dr. H als Zeugen vernommen und sodann die Klage durch Urteil vom 24. Februar 2000 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dem beanstandeten Artikel sei kein Verstoß gegen Normen der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns zu entnehmen, weshalb die Beklagte nicht als (Mit-)Störerin in Haftung genommen werden könne. Wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch weiter. Unter Wiederholung ihres Vorbringens im ersten Rechtszug führt sie ins Feld, Prof. W habe es, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, versäumt, sich ein Nachprüfungsrecht vorzubehalten. Dies sei von der Beklagten in störerhaftungsbegründender Weise genutzt worden. Der Aussage Prof. W sei zu entnehmen, dass er das als "reisserisch" empfundene Szenario vom kreischenden Roboter und spritzenden und dampfenden Spülwasser wohl beanstandet hätte, wenn er aufgrund eines ausbedungenen Prüfungsrechts hierzu Gelegenheit gehabt hätte. Darum, ob der Arzt sich an die Journalistin gewandt habe oder umgekehrt, könne es nicht gehen, weil hier die Duldung der entscheidende Gesichtspunkt sei. Auch spiele es keine Rolle, ob der Artikel schwerpunktmäßig eine Werbeschrift habe werden sollen. Den Arzt treffe im Rahmen des ärztlichen Werbeverbotes nicht nur die Pflicht, die Herausstellung und Verbreitung von Werbeschriften zu unterlassen, sondern auch die Pflicht, Berichte mit werbender Herausstellung seiner Person nicht zu dulden. Auch für die gegenüber der Beklagten geltend gemachte Störerhaftung komme es auf Absicht oder Verschulden nicht an, es reiche aus, dass der Störer an der Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes, vorliegend infolge der Nichtvereinbarung eines Genehmigungsvorbehaltes und damit durch Duldung, objektiv mitgewirkt habe.

Zu den zulässigen sachlichen Informationen im Ausnahmekatalog der Nr. 1 - 6 des Kap. D der Berufsordnung gehöre jedenfalls auch nicht die Mitteilung, dass ein medizinisches Gerät mit einem Anschaffungspreis von 1 Million DM vom Arzt genutzt werde. Der damit verbundene Werbeeffekt bewirke aber, dass der Leser und potentielle Patient annehme, von einem Arzt, der ihn mit einem so teuren Gerät behandle, besser versorgt zu werden als von einem Arzt, der nicht über die neueste und teuerste Technik verfüge.

Die Klägerin beantragt daher,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte nach Maßgabe des im ersten Rechtszug gestellten Antrags zur Unterlassung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen im ersten Rechtszug.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Berufungsbegründung vom 20.4.2000 (Blatt 91/95 d. A.) und die Erwiderung vom 20.7.2000 (Blatt 98/197 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin kann sich nicht auf einen Unterlassungsanspruch stützen.

Der Ansicht der Klägerin, dass sich die Unterlassungspflicht der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergibt, kann nicht beigetreten werden.

Zwar haftet als Störer jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, ohne dass eine eigene Wettbewerbsförderungsabsicht gegeben sein muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Inanspruchnahme des Störers nicht darauf an, wie sein eigener Tatbeitrag geartet ist und welches Interesse er selbst an der Verletzung hat (BGH, WRP 1990, 270, 272 - Schönheits-Chirurgie). Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, wenn der als Störer in Anspruch Genommene auch ohne eigene Wettbewerbsförderungsabsicht an der Schaffung oder Aufrechterhaltung eines wettbewerbswidrigen Zustands mitgewirkt hat. Seine Inanspruchnahme setzt also notwendigerweise voraus, dass überhaupt eine wettbewerbswidrige Beeinträchtigung besteht.

Ein Verstoß der Beklagten gegen das ärztliche Standesrecht kommt nicht in Betracht, da nur Ärzte selbst, nicht aber Presseorgane diesem Standesrecht unterworfen sind. Dementsprechend stützt die Klägerin den Unterlassungsanspruch auf die von ihr als wettbewerbswidrig angesehene Mitwirkung der Beklagten bei dem behaupteten Standesverstoß des Arztes Prof. Dr. R W, der unstreitig gewusst hat, dass die Journalistin E H in dem Nachrichtenmagazin F eine Abhandlung über Hüftoperationsmethoden unter Einsatz von Robotern veröffentlichen werde, in der auch über seine ärztliche Tätigkeit in Wort und Bild berichtet werde. Nach Ansicht der Klägerin hat Prof. W alle Veranlassung gehabt, sich ein Überprüfungsrecht vorzubehalten, was tatsächlich - wie im zweiten Rechtszug nicht mehr streitig - nicht geschehen ist.

In der Tatsache allein, dass Prof. W sich ein Überprüfungsrecht nicht vorbehalten hat und deshalb vor Erscheinen des Artikels keine Beanstandungen anbringen konnte, ist jedoch noch kein Standesverstoß zu sehen. § 27 Abs. 2 S. 1 der BO für die Ärzte Bayerns bestimmt, dass der Arzt eine ihm verbotene Werbung durch Andere weder veranlassen noch dulden darf. Nach S. 3 dieser Bestimmung darf er nicht dulden, dass Berichte oder Bildberichte mit werbender Herausstellung seiner ärztlichen Tätigkeit unter Verwendung seines Namens, Bildes oder seiner Anschrift veröffentlicht werden. Der Formulierung des Klageantrags in Verbindung mit der Begründung des Klagebegehrens ist zu entnehmen, dass die Klägerin den Standesverstoß gerade in der Nichtbeachtung dieses Duldungsverbots sieht. Ein ärztlicher Standesverstoß gegen die die Werbung des Arztes einschränkende Bestimmung des § 27 Abs. 2 BO setzt aber voraus, dass dem Bericht tatsächlich eine werbende Herausstellung der ärztlichen Tätigkeit in der genannten Weise zu entnehmen ist. Bei der Beurteilung, ob ein solcher ärztlicher Standesverstoß vorliegt, ist auch in Betracht zu ziehen, dass § 28 BO die Mitwirkung des Arztes an aufklärenden Veröffentlichungen in den Medien ausdrücklich für zulässig erklärt, soweit die Veröffentlichung und die Mitwirkung des Arztes auf sachliche Information begrenzt und die Person sowie das Handeln des Arztes nicht werbend herausgestellt werden. Beide Bestimmungen stellen darauf ab, der Arzt dürfe weder aktiv noch durch Duldung daran mitwirken, dass seine Person und seine ärztliche Tätigkeit in der Presseveröffentlichung werbend in den Vordergrund gestellt werden.

Eine solche werbende Herausstellung des Arztes Prof. R W kann der Abhandlung "Hoher Preis für Präzision" nicht entnommen werden. Der unter standesrechtlichen Gesichtspunkten angegriffene Artikel hat ersichtlich die redaktionelle Zielsetzung, das die Allgemeinheit interessierende Thema des stark zunehmenden Einsatzes von OP-Robotern in der Orthopädie zu behandeln und dieses relativ neue medizinische Verfahren auch einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Dies verdeutlicht für den Leser bereits der herausgehobene Untertitel "Seit fünf Jahren helfen teure Roboter, Hüftprothesen exakter und sicherer einzusetzen. Anwender und Kritiker ziehen jetzt Bilanz." Die Zielsetzung, das Für und Wider der zunehmend ins Rampenlicht tretenden Endoprothetik allgemeinverständlich dem interessierten Publikum nahezubringen, steht bei der Abhandlung ersichtlich durchgängig im Vordergrund. Zwar teilt der Senat insoweit einschränkend die von Prof. W bei seiner Einvernahme als Zeuge geäußerte Einschätzung, dass der Artikel mit "reisserischen Formulierungen" beginnt, die die Abläufe der Operation in nicht ausschließlich sachlicher Weise wiedergeben. Es mag auch sein, dass für die mit dem Artikel verfolgte Absicht die Beigabe einer Momentaufnahme der Operation mit dem Begleittext "Gebannt beobachtet der Chirurg, wie exakt Robodoc den Kanal in den Oberschenkel bohrt" sowie die namentliche Nennung des Operateurs zum besseren Verständnis nicht unbedingt notwendig waren. Dies mag Prof. W möglicherweise bewogen haben, die von der Klägerin verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dessen ungeachtet zielen Illustrierung, Namensnennung und die etwas "anreisserische" Einführung in die Materie im ersten Absatz des Artikels erkennbar nicht auf eine Werbewirkung zugunsten des Arztes Prof. W im Sinne einer werbenden Herausstellung gemäß §§ 27, 28 BO ab. Das beklagte Magazin greift zwar häufig medizinische Themen auf, ist aber keine medizinische Fachzeitschrift. Es wendet sich auch mit solchen fachlichen Abhandlungen an ein breites Publikum, das am besten zu erreichen ist, wenn der Artikel schon mit den einführenden Sätzen durch anschauliche Schilderung das Interesse der Leser am weiteren Inhalt zu erwecken vermag. Hierzu hat sich die Autorin der Abhandlung, die dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten zufolge über umfangreiches Fachwissen verfügt, der entsprechenden journalistischen Mittel bedient. Die etwas reisserisch geratene Schilderung der Vorgänge - "das Spülwasser spritzt und dampft" - soll ersichtlich den Gegenstand der Abhandlung sogleich anschaulich kennzeichnen. Mit der namentlichen Nennung des handelnden Arztes sowie seiner Funktion in der ebenfalls bezeichneten Klinik wird der gleiche Zweck verfolgt. Besonders deutlich wird die Absicht, den fachlichen Text durch konkrete Angaben und Namensnennung aktueller und lebendiger erscheinen zu lassen, dadurch, dass auch die Patientin, die sich gerade einer Operation unter Verwendung des "Robodoc" unterzieht, gesondert abgebildet und mit einem Pseudonym genannt wird.

Geht von der journalistisch aufbereiteten, den Operateur und seine Tätigkeit aber in keiner Weise anpreisenden einleitenden Schilderung schon kein mehr als beiläufiger Werbeeffekt aus, so gilt dies in verstärktem Maße für die im Tatbestand wiedergegebenen Aussagen und Zitate, die insgesamt gesehen einer sachlich kritischen Auseinandersetzung dienen. Zwar werden Aussagen W hinsichtlich der Vorzüge der beschriebenen Methode zitiert, gleichzeitig wird aber ausgeführt, warum der zunehmende Einsatz von OP-Robotern in der Orthopädie nicht unumstritten ist. Die Aussage "dieser neuen Technologie gehört die Zukunft" wird durch die konkrete Darstellung der Nachteile und die Wiedergabe kritischer Stimmen nachhhaltig relativiert, so dass ein Werbeeffekt im Sinne einer werbenden Herausstellung des Arztes und seines Roboters fraglich erscheint und der Leser auch nicht so recht weiss, was er davon halten soll, dass die orthopädische Klinik, in der W als Chefarzt arbeitet, vor wenigen Wochen für rund eine Million Mark einen "Robodoc"-Roboter für Hüftgelenkimplantationen angeschafft hat. Die weiteren sachbezogen informierenden und W wie auch die anderen genannten Ärzte jeweils nur im Sachzusammenhang nennenden Aussagen sind gleichfalls nicht als werbende Herausstellung der genannten Ärzte und ihrer Tätigkeit zu beurteilen.

Die in dem Bericht wiedergegebenen Aussagen Prof. W halten sich im Rahmen der zulässigen Mitwirkung des Arztes an aufklärenden Presseveröffentlichungen. Seine Mitwirkung am Zustandekommen des Artikels hat sich ersichtlich auf sachliche Information begrenzt, sie hat auch nicht dazu geführt, dass seine Person oder seine ärztliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Robotereinsatz werbend herausgestellt wurde. Dem Artikel fehlt es insgesamt an dem werbenden Charakter, der einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 BO erst begründet. Prof. W hätte daher unter dem Gesichtspunkt des ärztlichen Werbeverbots aus Rechtsgründen keine Veranlassung gehabt, auf Abänderung des Artikels zu bestehen, wenn er sich die Möglichkeit hierzu durch einen Prüfungsvorbehalt ausbedungen hätte. Eine wettbewerbswidrige Beeinträchtigung infolge eines Verstoßes Prof. W gegen das normierte ärztliche Standesrecht, an der die Beklagte objektiv mitgewirkt hat, liegt nicht vor. Der mit medizinischen Abhandlungen dieser Art notwendigerweise verbundene werbliche Nebeneffekt ist zu unbedeutend, um das Tatbestandsmerkmal der "werbenden Herausstellung" (§ 27 Abs. 2 Satz 2 BO) auszufüllen. Gegenstand des Artikels ist der sachliche und kritische Bericht über die Möglichkeiten des Einsatzes von OP-Robotern in der Orthopädie und nicht eine Werbung für Person und Tätigkeit des Arztes Prof. Dr. W, die dieser hätte verhindern müssen.

Aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergibt sich sonach keine Unterlassungspflicht der Beklagten.

Eine Haftung der Beklagten nach § 1 UWG deshalb, weil die Abhandlung ihrem Inhalt nach auch ohne Berücksichtigung standesrechtlicher Gesichtspunkte gegen die guten wettbewerblichen Sitten verstoße, etwa weil der Bericht als in redaktionell aufgemachter Form verdeckte Werbung des Arztes Prof. Dr. W anzusehen wäre oder weil in anreisserisch übertreibender Form Leistungen oder Verdienste des Arztes in einer mit dem sittlichen Empfinden unvereinbar erscheinenden Weise in den Vordergrund gestellt wurden, hat die Klägerin zu Recht nicht geltend gemacht. In der streitgegenständlichen Abhandlung kann eine solche Art von Werbung nicht gesehen werden.

Da sich die Berufung der Klägerin sonach als unbegründet erweist, war sie mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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