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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 29.07.1999
Aktenzeichen: 29 U 3143/99
Rechtsgebiete: UWG, UrhG, ZPO
Vorschriften:
UWG § 3 | |
UWG § 1 | |
UrhG § 69 c | |
UrhG § 69 c Nr. 3 S. 2 | |
ZPO § 110 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 |
OLG München Urteil 29.07.1999 - 29 U 3143/99 - 1 HKO 6417/98 LG München II
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Wörle und Haußmann aufgrund der mündlich Verhandlung vom 29. Juli 1999 für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Antragsgegner gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 05. Februar 1999 - 1 HKO 6417/98 - wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegner haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin und ihr deutsches Tochterunternehmen ... vertreiben Softwareprodukte, u.a. das Produkt ... in Deutschland über Fachhändler. Auf entsprechende Anfrage erhalten die Distributeure auch Testversionen des Programms, die in ihnen helfen sollen, ihren Abnehmern das Produkt zu demonstrieren. Die Testversionen werden durch Seriennummern als solche registriert. Davon abgesehen kennzeichnet die Antragstellerin sämtliche in Deutschland vertriebenen Testversionen auf der Verpackungsvorderseite mit dem Hinweis: "NICHT ZUM WIEDERVERKAUF". Ferner tragen alle von der Antragstellerin vertriebenen Testversionen den entsprechenden Hinweis in englischer Sprache "NOT FOR RESALE".
Die Antragsgegnerin zu 1) (im folgenden Antragsgegnerin) vertreibt Computersoftware im bundesweiten Versandhandel, der Antragsgegner zu 2) ist ihr Geschäftsführer.
Ein Testkäufer der Antragstellerin erwarb am 22. 10. 1998 von der Antragsgegnerin das Programm ... zu einem deutlich unter dem üblichen Marktpreis liegenden Preis. Es handelte sich dabei um eine Testversion des Programms, bei dem die Sticker mit den genannten Hinweisen einschließlich der dazugehörigen Barcodes von der Antragsgegnerin entfernt worden waren.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Veräußerung der Testversion des von ihr stammenden ...-Programms ohne die genannten Hinweise verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG. Den von der Antragsgegnerin belieferten Wiederverkäufern und mittelbar auch den Endkunden werde durch die Entfernung der branchenüblichen Hinweise auf die nicht zum Weiterverkauf bestimmte Testversion suggeriert, sie erhielten eine Originalversion des normalerweise erhebliche teureren Programms. Sie würden damit über die Beschaffenheit des Produkts in die Irre geführt, weil sie weder die mit der Lizenz für das Originalprodukt verbundenen Serviceleistungen der Antragstellerin in Anspruch nehmen könnten noch berechtigt seien, von der Antragstellerin die regelmäßigen Nachrüstungen, sogenannte "Upgrades", zu erwerben. Der Verkehr lege gerade auch bei Software großen Wert auf den Erwerb der Originalversion mit allen Rechten. Die Antragsgegner verschleierten sowohl durch die geschilderten Manipulationen als auch in der dem Käufer ausgehändigten Rechnung, dass es sich um eine Testversion handle. Die Produktbeschreibung in der ersten Zeile der Rechnung erwecke für jedermann den Eindruck, es handle sich um eine Originalversion.
Die Antragstellerin erwirkte am 30. 10. 1998 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München II, durch die es den Antragsgegnern bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten wurde,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken nicht zum Wiederverkauf freigegebene Testversionen des von der Antragstellerin stammenden Software-Programms ... Dritte weiterzuveräußern und/oder derartige Veräußerungen zu bewerben, ohne dass ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich um nicht zum Wiederverkauf freigegebene Testversionen handelt.
Auf die Widersprüche der Antragsgegner gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragstellerin beantragt,
die Widersprüche zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 30. 10. 1998 zu bestätigen.
Die Antragsgegner haben beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Sie haben zunächst verlangt, daß die Antragstellerin eine Prozeßkostensicherheit leistet. Die Antragsgegnerin stellte in Abrede, dass ein Wettbewerbsverhältnis mit der amerikanischen Antragstellerin bestehe. Eine Irreführung des Kunden im Sinne von § 3 UWG komme nicht in Betracht, da er ein technisch und von der Ausstattung her vollwertiges Originalprodukt erhalte. Davon abgesehen seien Weitergabeverbote bei Software gemäß § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG rechtswidrig. Die von der Antragstellerin in der Absicht, den Weiterverkauf zu beschränken, angebrachten Aufkleber seien urheberrechtlich unzulässig, ihre Entfernung sei deshalb nicht wettbewerbswidrig. Schuldrechtliche Beziehungen bestünden zwischen den Parteien nicht. Da die Antragstellerin ihren Distributeuren schuldrechtliche Verkaufsbeschränkungen nicht auferlegt habe, scheide auch eine Haftung wegen Ausnutzung fremden Vertragsbruchs aus.
Der Antragsgegner zu 2) brachte im wesentlichen die gleichen Argumente vor und machte geltend, er hafte schon deshalb nicht, weil die Antragstellerin nicht behauptet habe, dass er oder seine Mitarbeiter persönlich bei der Entfernung der Aufkleber mitgewirkt hätten.
Im übrigen wird auf die von den Antragsgegnern im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 30. 10. 1998 durch Urteil vom 05. Februar 1999 bestätigt. Auf das landgerichtliche Urteil wird verwiesen.
Mit der Berufung erstreben die Antragsgegner die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, deren Erlass sie aus den im ersten Rechtszug geltend gemachten Gründen für ungerechtfertigt halten. Sie rügen, daß das Landgericht sich über den Antrag, der Antragstellerin die Stellung einer Prozeßkostensicherheit aufzuerlegen, hinweggesetzt habe und verfechten ihre Ansicht weiter, der Verfügungsantrag sei widersprüchlich, da die Antragstellerin einerseits ein Weitergabeverbot für sich in Anspruch nehme, den Wiederverkauf aber dulde, wenn der Wiederverkäufer auf das Verbot hinweise. Antrag und Anspruchsbegründung fielen auseinander, weil die Antragstellerin mit dem Antrag ein Verbot des Verkaufs bestimmter Softwareversionen ohne den genannten Hinweis begehre, während der Anspruchsbegründung zu entnehmen sei, dass es ihr darum gehe, eine behauptete Irreführung der Erwerber der Software über die angeblichen Serviceleistungen und die Upgrade-Fähigkeit zu untersagen. Ferner sei die Antragstellerin nicht aktivlegitimiert. Sie könne eine eigene Rechtsverletzung nicht geltend machen, weil ihr Verbreitungsrecht am Werkstück im Rahmen der Erstveräußerung gemäß § 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG erschöpft sei. Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihre Programme urheberrechtlich geschützt seien. Bei einem unterstellten Urheberrechtschutz könnten Weitergabeverbote nicht mit dinglicher Wirkung angeordnet werden. Auch schuldrechtliche Weitergabeverbote seien nach allgemeiner Meinung im AGB nicht möglich. Die Aufkleber entfalteten keinerlei Rechtswirkung. Da die Erwerber nicht verpflichtet gewesen seien, die Versionen nach einer gewissen Zeit zurückzugeben, sei jedenfalls Erschöpfung eingetreten.
Im übrigen vertiefen die Antragsgegner ihren Vortrag, mit dem sie das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses und das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes im ersten Rechtszug in Frage gestellt hatten.
Sie beantragen,
Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 05. 02. 1999 sowie der einstweiligen Verfügung vom 30. 10. 1998 und Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags.
Die Antragstellerin beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihrerseits ihren Sach- und Rechtsvortrag im ersten Rechtszug.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die im zweiten Rechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass nicht zum Wiederverkauf freigegebene Testversionen des von der Antragstellerin stammenden Software-Programms ... von den Antragsgegnern nicht ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die mangelnde Eignung der Testversion zum Weiterverkauf an Dritte weiterveräußert werden dürfen und dass es unzulässig ist, derartige Veräußerungen zu bewerben. Die urheberrechtlichen Einwendungen der Antragsgegner stehen diesen Verboten nicht entgegen.
Die von den Antragsgegnern im Berufungsrechtszug erneut aufgeworfenen prozeßrechtlichen Fragen geben keinen Anlass zu einer Korrektur der landgerichtlichen Entscheidung.
Die Antragstellerin ist nicht zur Leistung von Prozesskostensicherheit gemäß § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO verpflichtet, da sich diese Bestimmung nur auf Hauptsacheverfahren bezieht und die Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit auch dem Eilcharakter des Verfügungsverfahrens widersprechen würde.
Der Verfügungsantrag, dem das Landgericht entsprochen hat, ist nicht widersprüchlich. Wie aus Antrag und Begründung folgt, geht es der Antragstellerin nicht um ein generelles Verbot, ihre Händlertestversionen weiterzuveräußern. Durch das Verbot soll vielmehr die Irreführung des Erwerbers verhindert werden, die dadurch herbeigeführt wird, dass er nicht zugleich auf die Eigenschaft des erworbenen Produkts als Händlertestversion hingewiesen wird. Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot läßt sonach den Vertrieb zu, wenn die Täuschung über die Eigenschaft des Produkts durch geeignete Hinweise ausgeschlossen wird. Ein solches Verbot steht im Einklang mit der "Synthesizer"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1989, 110, 113).
Zu Recht hat das Landgericht im Vertrieb von Händlertestversionen der Antragstellerin ohne den genannten Hinweis eine relevante Täuschung der Abnehmer über verkehrswesentliche Eigenschaften der von den Antragsgegnern vertriebenen Software gesehen. Die Antragsgegner haben eingeräumt, dass sie die von einem Händler der Antragstellerin erhaltene, als Händlertestversion gekennzeichnete Software nach Entfernung der Aufkleber "NICHT ZUM WIEDERVERKAUF" bzw. "NOT FOR RESALE" an Abnehmer verkaufen, ohne sie über die wahre Eigenschaft des Produkts und damit über die beim Erwerb einer Testversion möglicherweise verbundenen Nachteile aufzuklären. Die Antragstellerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass Abnehmer, die eine solche Version von "Seagate Backup Exec" von der Antragsgegnerin erworben haben, in der Folgezeit kein Upgrade für das entsprechende Programm erwerben können. Hieran besteht aber ein Interesse des Erwerbers, weil Upgrades um 30 % bis 50 % billiger sind, als eine neue Vollversion. Upgrades vertreiben die Antragstellerin und ihre Tochterunternehmen ausschließlich an Distributeure sowie an Inhaber ordnungsgemäß lizenzierter Originalversionen, nicht aber an Inhaber von Händlertestversionen. Bei Anfragen interessierter Kunden werden die Seriennummern abgefragt, die Auskunft darüber geben, ob der Interessent eine Originalversion oder eine nicht zum Wiederverkauf bestimmte Händlertestversion hat. Die über den wahren Charakter des erworbenen Produkts nicht aufgeklärten Abnehmer sind ferner insofern benachteiligt, als sie bestimmte Serviceleistungen nicht in Anspruch nehmen können. So steht ihnen die kostenlose Telefonberatung der Antragstellerin nicht zur Verfügung. Irreführend im Sinne von § 3 UWG ist der Vertrieb ohne Hinweis auch deshalb, weil die Erwerber eine Händlertestversion nicht problemlos an Dritte weiterveräußern können, weil sich diese möglicherweise nicht mit einer Testversion zufrieden geben würden. Getäuscht werden die Abnehmer vor allem auch deshalb, weil sie in der Regel erst beim Starten des Programms erkennen, dass sie eine Händlertestversion erworben haben. Wie die Antragstellerin unwidersprochen vorgebracht hat, erscheint nach dem Start des Programms auf dem Bildschirm die Einblendung "NOT FOR RESALE", wie aus dem Computerausdruck (Anl. ASt 10) ersichtlich. Der Käufer weiß sonach erst dann, wenn er das Programm gestartet hat, dass er eine nicht problemlos weiterverkäufliche Händlertestversion und keine Vollversion der Software erworben hat. Den als Software-Händlern tätigen Abnehmern der Antragsgegnerin droht deshalb durch deren Verhalten ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden.
Ob das Entfernen der Aufkleber und der Barcodes durch die Antragsgegner auch eine sittenwidrige Behinderung der Antragstellerin im Sinne von § 1 UWG darstellt, braucht wegen des eindeutigen Verstoßes gegen das Irreführungsverbot gemäß § 3 UWG nicht entschieden zu werden.
Auf den urheberrechtlichen Erschöpfungseinwand gemäß § 69 c Nr. 3, S. 2 UrhG kommt es nicht an. Die Antragstellerin führt zu Recht aus, dass das Irreführungsverbot des § 3 UWG den allgemeinen Verkehr vor entsprechenden Täuschungshandlungen schützt, während § 69 c Nr. 3, S. 2 UrhG die Beziehung zwischen dem Inhaber von Softwareurheberrechten und dem Vertreiber einzelner Vervielfältigungsstücke regelt. In Übereinstimmung mit dem Landgericht kann daher dahingestellt bleiben, ob hier überhaupt eine Veräußerung im Sinne von § 69 c UrhG vorliegt.
Neben der Antragsgegnerin haftet auch der Antragsgegner zu 2) als der für sie handelnde Geschäftsführer persönlich für den durch den Antragsgegnerin begangenen Wettbewerbsverstoß. Auf einen Rechtsirrtum kann er sich nicht mit Erfolg berufen, weil er hätte erkennen müssen, dass die Entscheidung des Senats vom 12. 12. 1998 wegen der anders gelagerten Failgestaltung im Verfahren 29 U 5911/97 auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist.
Die Berufung der Antragsgegner war sonach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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