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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 12.11.1998
Aktenzeichen: 29 U 3201/98
Rechtsgebiete: UWG, HOAI, ZPO


Vorschriften:

UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
HOAI § 98 b
HOAI § 100 Abs. 6
HOAI §§ 96 ff.
HOAI § 4
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 3
Die Klagebefugnis eines Verbandes im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Verband keine eigenen Büroräume unterhält und kein Personal beschäftigt und daß sein Vorstand nur ehrenamtlich tätig ist.

§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verfolgt nicht das Ziel, durch übermäßig scharfe Anforderungen an die finanzielle Ausstattung die Klagebefugnis berufsständischer Organisationen einzuschränken. Die Erstellung einer Bilanz und die absolute Sicherstellung eventueller Kostenerstattungsansprüchen gehört nicht zu den zu stellenden Mindestanforderungen.

OLG München Urteil 17.12.1998 - 29 U 3201/98 - 7 O 8324/96 LG München I


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Haußmann und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.11.1998 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12. 03. 1998 - 7 O 8324/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Nr. I. des Urteils wie folgt gefaßt wird:

Die Beklagte wird unter Androhung von Ordnungsmitteln - Ordnungsgeld von bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten - verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Abrechnung von unter das Leistungsbild des § 98 b HOAI fallenden vermessungstechnischen Leistungen nach Zeitaufwand statt nach dem Mindestsatz der Honorartafel gem. § 99 Abs. 1 HOAI anzubieten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 65.000,-- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,-- DM.

Gründe

Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch des Klägers.

Der Kläger ist eine Vereinigung von in Bayern tätigen freiberuflich beratenden Ingenieuren des Vermessungswesens. Er nimmt für sich die Klagebefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Anspruch. Zu deren Nachweis hat er sich auf seine Satzung (Anlage K 2), seine Mitgliederlisten nach dem Stand von 1996 (Anlage K 3) und 1998 (Anlage BK 1), Einnahmen-Ausgaben-Überschußrechnungen für die Jahre 1995 (Anlage K 5), 1996 (nach dem Stand vom 10. 10. 1996, Anlage K 7) und 1997 (Anlage BK 5) sowie Haushaltsentwürfe für die Jahre 1996 und 1998 (Anlage K 7 und BK 6), zu diesen Unterlagen gehörige Kontoauszüge (Anlagen K 8 bis K 10, BK 8 bis BK 10), auf Kopien von ihm ausgesprochener Abmahnungen (Anlagen K 12 bis K 14) und eine Aufstellung der von ihm in den Jahren 1989 bis 1996 ergriffenen wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen (Anlage K 15) berufen. Die Geschäftsführung des Klägers wird von dessen Vorstandsmitgliedern ehrenamtlich in deren Büros ausgeübt; eine besondere Geschäftsstelle - insbesondere in gemieteten Räumen - besteht nicht, Personal beschäftigt der Kläger nicht. Mit einem Anwaltsbüro besteht eine "Mandatsvereinbarung" über die Beratung und Vertretung des Klägers (Anlage BK 11).

Die Beklagte ist eine Ingenieurgesellschaft für Bau- und Vermessungswesen. Sie hat mit Schreiben vom 30. 11. 1995 (Anlage K 1) unter das Leistungsbild des § 98 b HOAI fallende vermessungstechnische Leistungen auf der Grundlage der Abrechnung nach Zeitaufwand angeboten. Der Kläger hat darin einen Verstoß gegen die Vorschriften der HOAI und § 1 UWG gesehen. Er hat nach erfolgloser Abmahnung Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken vermessungstechnische Leistungen anzubieten, die durch das Leistungsbild des § 98 b HOAI (Bauvermessung) erfaßt sind und bei denen

nach Zeitaufwand gemäß § 100 Abs. 6 HOAI statt nach dem Mindestsatz der Honorartafel gemäß §§ 96 ff. HOAI abgerechnet wird, sofern nicht ein Pauschalhonorar gemäß § 4 HOAI vereinbart wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die prozessuale Tätigkeit des Klägers sei durch seine Satzung nicht gedeckt. Der Kläger sei im übrigen nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung nicht im Stande, die Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen durch Abmahnung und Prozeßführung tatsächlich wahrzunehmen. Zudem verstosse das Angebot vom 30. 11. 1995 nicht gegen Vorschriften der HOAI.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte antragsgemäß verurteilt (wobei infolge eines offensichtlichen Schreibversehens die im letzten Absatz des Antrags des Klägers enthaltene Zahl "96" weggefallen ist). Es hat die Klagebefugnis des Klägers und einen Verstoß gegen die HOAI bejaht. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten Sie zieht das Vorliegen eines Verstosses gegen die HOAI nicht mehr in Zweifel, macht jedoch erneut geltend, die gerichtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstössen sei in der Satzung des Klägers nicht verankert. Dem Kläger fehle eine hinreichende personelle und sachliche Ausstattung zur Verfolgung von Wettbewerbsverstössen durch Abmahnung und Klage: Er verfüge nicht über ein eigenes Büro und kein eigenes Personal; die Vorstandsmitglieder seien nur ehrenamtlich tätig; es sei zumindest zweifelhaft, ob ihre zeitliche Leistungsfähigkeit ausreiche. Der Kläger sei nicht in der Lage, auch in einfachen Angelegenheiten Abmahnungen auszusprechen, wie sich aus der (unstreitigen) Tatsache ergebe, daß die dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangene Abmahnung vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers ausgesprochen wurde. Die Unfähigkeit des Klägers zu eigener Tätigkeit ergebe sich auch daraus, daß er von seinen Anwälten in gewissem Umfang kostenlos beraten werde, da die Anwälte (unstreitig) in Abweichung von der Mandatsvereinbarung (Anlage BK 11) Kurzberatungen von unter 15 Minuten Dauer nicht in Rechnung stellen. Dem Kläger fehle insbesondere auch eine hinreichende finanzielle Ausstattung. Er habe keine ausreichenden Rückstellungen zur Deckung von Prozeßkosten für den Fall des Unterliegens in Rechtsstreiten und für eventuelle Steuerzahlungen gebildet; ein zutreffendes Bild könne insoweit ohne die Erstellung einer Bilanz nicht gewonnen werden. Die Überschußrechnung des Jahres 1997 enthalte hohe Beitragsvorauszahlungen von Mitgliedern für das Jahre 1998, die naturgemäß den Haushalt des Jahres 1998 belasten müßten. Im übrigen sei der HOAI-Verstoß der Beklagten nicht geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß die Beklagte verurteilt werde,

es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, die Abrechnung von unter das Leistungsbild des § 98 b HOAI fallenden vermessungstechnischen Leistungen nach Zeitaufwand statt nach dem Mindestsatz der Honorartafel gemäß § 99 Abs. 1 HOAI anzubieten.

Er hat das angefochtene Urteil verteidigt. Nach der Zahl der von ihm in den zurückliegenden Jahren durchgeführten wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten spreche schon eine Vermutung für seine Klagebefugnis. Er entfalte sowohl im nicht wettbewerbsrechtlichen wie im wettbewerbsrechtlichen Bereich erhebliche eigene Tätigkeit. Unter den gegebenen besonderen Umständen sei seine personelle und sachliche Ausstattung ausreichend. Angesichts der ihm zufließenden Mitgliedsbeiträge, seiner einzigen Finanzierungsquelle, sei seine finanzielle Ausstattung ausreichend; notfalls müsse mit einer Umlage, der die Mitglieder grundsätzlich zugestimmt hätten, geholfen werden. Sein aktuelles Vermögen betrage ca. 53.000,-- DM (Barvermögen von 45.000,-- DM, offene Mitgliedsbeiträge von 8.000,-- DM).

Der Beklagte ist dem und der Neufassung des Antrages entgegengetreten. In der Neufassung des Antrages liege eine unzulässige Klageerweiterung. Der Antrag sei zudem zu weit gefaßt, da er Ausnahmen von der Pflicht zur Abrechnung nach der Honorartafel gemäß § 99 Abs. 1 HOAI nicht berücksichtige.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagte erweist sich als unbegründet.

1. Gegen die Weiterverfolgung des ursprünglichen Klageantrages mit dem geänderten Antrag in der Berufungsinstanz bestehen keine Bedenken. Der vom Kläger im ersten Rechtszug gestellte Antrag und der ihm folgende Ausspruch Nr. I des landgerichtlichen Urteils waren unklar: Abgesehen von dem erwähnten Schreibversehen ist darauf hinzuweisen, daß es die vom Kläger zur Beschreibung des begehrten Verbotes herangezogene Bestimmung des § 100 Abs. 6 HOAI nicht gibt und daß die mit den Worten "sofern nicht ..." beginnende Einschränkung des begehrten Verbots kaum verständlich erscheint, da ein Pauschalhonorar kein Zeithonorar, sondern ein im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI zulässigerweise vereinbartes Honorar ist. Dennoch konnte dem Antrag im Zusammenhang mit der Klagebegründung das Klageziel ohne weiteres entnommen werden. Demnach stellt der nunmehr gestellte Antrag lediglich eine Klarstellung des ursprünglich gestellten Antrages und damit des Tenors des landgerichtlichen Urteils dar. Zutreffend ist, daß der Antrag über den konkreten Verletzungstatbestand hinaus eine das Typische dieses Verletzungstatbestandes herausarbeitende Verallgemeinerung enthält; dagegen bestehen jedoch keine Bedenken. Zutreffend ist auch, daß durch diese Verallgemeinerung von Ausnahmeregelungen erfaßte Randtatbestände bei wörtlicher Auslegung des Verbotstenors in dessen Verbotsbereich fallen (Schriftsatz der Beklagten vom 26.11.1998, Seite 7/8 lit. a) bis c)). Auch hiergegen bestehen jedoch keine Bedenken, da bei zutreffender Auslegung des Antrages des Klägers und des ihm folgenden Verbotstenors anhand des Verletzungstatbestandes offensichtlich ist, daß diese Randtatbestände von dem ausgesprochenen Verbot nicht erfaßt werden sollen.

2. Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt und für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aktivlegitimiert.

a) Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Dies ergibt sich aus seiner Satzung. Nach deren Nummer II schließen sich im Kläger im freien Beruf stehende beratende Ingenieure des Vermessungswesens in Bayern zu einem unabhängigen Verein zusammen, der seinen alleinigen Zweck in der Vertretung der Belange des Berufsstandes sieht. Ziel der Arbeit des Klägers ist u.a. der Schutz der Berufsausübung und freiwillige Selbstkontrolle. Aufgabe des Vereins ist gemäß Nr. 4.7. auch die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs insbesondere des Preiswettbewerbs durch Mißachtung von Grundsätzen der HOAI oder durch Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI. Danach ist die im vorliegenden Rechtsstreit ausgeübte Tätigkeit des Klägers von seiner Satzung ausdrücklich gedeckt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, in der Satzung ausdrücklich das Recht des Klägers, auch Prozesse zu führen, zu verankern.

b) Dem Kläger gehört eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die gewerbliche Leistungen gleicher Art wie die Beklagte auf dem selben Markt anbieten. Nach der vorliegenden Mitgliederliste nach dem Stand von 1998 (Anlage BK 1) gehören dem Kläger 56 ordentliche und 16 fördernde Mitglieder an, die im wesentlichen Ingenieur- oder Vermessungsbüros betreiben. Dem Kläger gehören damit unstreitig etwa die Hälfte der in Bayern in diesem Bereich tätigen Ingenieure an. Die Beklagte zieht daher zu Recht nicht in Zweifel, daß diese Voraussetzung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfüllt ist.

3. Der Kläger ist nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung im Stande, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Hierfür ist auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles abzustellen. Der Kläger hat 56 ordentliche und 16 fördernde Mitglieder sowie 2 Ehrenmitglieder und zählt damit etwa die Hälfte der somit ca. 150 beratenden Ingenieure des Vermessungswesens in Bayern zu seinen Mitgliedern. Soweit der Kläger sich die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zur Aufgabe macht, geht es somit um einen eng begrenzten Kreis von Personen bzw. Unternehmen. Angesichts dieser Umstände begegnet es keinen Bedenken aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, daß der Kläger seine Tätigkeit durch ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder ausübt und über keine eigentliche Geschäftsstelle und kein eigenes Personal verfügt, sondern gegen Aufwendungsersatz auf die Büroleistungen seiner Vorstandsmitglieder zurückgreift. Hierfür hat der Kläger im Jahre 1995 nach dem vorliegenden Kassenbericht (Anlage K 5) 9.895,-- DM, im Jahre 1996 bis zum 10. 10. 1996 (Anlage K 6) 14.607,79 DM und im Jahre 1997 (Anlage BK 5, Seite 7) 24.459,29 DM aufgewendet. Aus dieser Organisation der Geschäftstätigkeit des Klägers lassen sich Bedenken hinsichtlich seiner Fähigkeit, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, nicht herleiten.

Die unstreitige Tätigkeit des Klägers bestätigt seine Fähigkeit, diese Tätigkeit auszuüben. Der Kläger ist nicht nur auf wettbewerbsrechtlichem Gebiet tätig. Er hält Mitgliederversammlungen ab; aus seiner Satzung (Anlage K 2) ergibt sich, daß im Jahre 1994 die 47. Mitgliederversammlung stattfand; aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung vom 24. 04. 1998 (Anlage BK 3) ergibt sich, daß diese Versammlung die 55. Mitgliederversammlung des Klägers war. Der Kläger veranstaltet Seminare. Aus dem Kassenbericht für das Jahr 1995 (Anlage K 5) und dem Kassenbericht für das Jahr 1996 nach dem Stand vom 10. 10. 1996 (Anlage K 6) ergibt sich, daß in beiden Jahren ein HOAI-Seminar stattfand, aus der Überschußrechnung für das Jahr 1997 (Anlage BK 5) ergibt sich, daß in diesem Jahr 2 Seminare mit einer erheblichen Anzahl von Teilnehmern durchgeführt wurden. Unstreitig wirkt der Kläger in berufsständischen Gremien mit; für die unbestrittenen Einzelheiten wird auf die Darstellung im Schriftsatz des Klägers vom 17. 09. 1998, Nr. I. 4) verwiesen.

Ersichtlich ist der Kläger zur Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgaben auch im wettbewerbsrechtlichen Bereich in der Lage. Dies ergibt sich zunächst aus der von ihm vorgelegten Aufstellung (Anlage K 15). Danach wurden seit 1991 wegen Verstössen gegen die HOAI insgesamt 10 Abmahnungen ausgesprochen, von denen 8 zur Abgabe einer Unterlassungserklärung führten. Ferner wurden unter Einbeziehung des vorliegenden Rechtsstreits 4 Prozesse geführt. Diese Zahlen zeigen, daß der Kläger auf seinem eingeschränkten Tätigkeitsgebiet eine angemessene Tätigkeit entfaltet und daß er von den durchweg als sachkundig einzuschätzenden Empfängern von Abmahnungen als seriös eingeschätzt wird. Daß die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder des Klägers in der Lage sind, selbst Abmahnungen auszusprechen, ergibt sich aus den vorgelegten Kopien solcher Abmahnungen (Anlagen K 12 bis K 14). Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die dem vorliegenden Rechtsstreit vorangegangene Abmahnung habe der Kläger seinen Prozeßbevollmächtigten eingeschaltet. Dies bleibt dem Kläger im Einzelfall - nicht dagegen generell - unbenommen. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger ein "Abmahnverein" wäre, fehlen vollständig; die Beklagte behauptet dies auch nicht einmal ansatzweise. Der vorgelegte Mandatsvertrag bestätigt dies nur.

4. Auch nach seiner finanziellen Ausstattung ist der Kläger zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in der Lage. Dabei ist auch hier zu berücksichtigen, daß der Kläger auf einem eng begrenzten Gebiet tätig ist. Der Kläger hat 56 ordentliche Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von je 1.000,-- DM bezahlen, und 16 fördernde Mitglieder mit einem Jahresbeitrag von je 250,-- DM. Wie sich aus den vorliegenden Überschußrechnungen für die Jahre 1995 bis 1997 ergibt, bezahlen die Mitglieder diese Beiträge tatsächlich. Der Kläger kann sich somit bei seiner Tätigkeit auf ein Mitgliedsbeitragsaufkommen von jährlich 60.000,-- DM stützen. Die Haushalte des Klägers sind ersichtlich ausgeglichen: Das Jahr 1995 schloß mit einem Verlust von 741,82 DM ab; im Jahre 1996 entstand bis zum 10.10. ein Überschuß von 5.914,79 DM und im Jahre 1997 ein Überschuß von 10.190,15 DM, der sich durch im Vorgriff auf 1998 gezahlte Mitgliedsbeiträge von 26.500,-- DM auf 36.690,15 DM erhöhte. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 1988 (Anlage BK 6) ist bei einem Volumen von 85.500,-- DM ausgeglichen. Ende 1995 verfügte der Kläger über ein Barvermögen von 20.404,-- DM, am 10. 10. 1996 betrug das Barvermögen 26.318,-- DM (Anlagen K 5, K 6); am 31. 08. 1998 betrug das Barvermögen ca. 45.000,-- DM. Der Kläger zieht zur Finanzierung seiner Ausgaben keine Abmahnkostenpauschalen heran; Einnahmen aus Vertragsstrafen sind in den vorgelegten Unterlagen nicht ausgewiesen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände ist von einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des Klägers auszugehen. Zwar trifft es ersichtlich zu, daß der Kläger durch den Verlust mehrerer Rechtsstreitigkeiten schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten würde. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß es nicht Sinn von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist, für obsiegende Prozeßgegner der in dieser Bestimmung genannten Verbände das Risiko des Ausfalls der Kostenerstattungsforderung auszuschließen. Sinn dieser Bestimmung ist es vielmehr, nur zum Zwecke der Beschaffung von Vertragsstrafen oder von Gebühreneinnahmen gegründete Abmahnvereine durch Aufstellung von Mindestanforderungen an die Kompetenz und Ausstattung der klagebefugten Verbände von der Klagebefugnis auszuschließen. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verfolgt dagegen nicht das Ziel, die Klagebefugnis berufsständischer Organisationen durch übermäßig scharfe Anforderungen insbesondere an ihre finanzielle Ausstattung einzuschränken. Den danach zu stellenden Mindestanforderungen genügt der Kläger ohne weiteres. Insbesondere der Ansicht der Beklagten, eine hinreichende finanzielle Ausstattung könne nur durch eine Bilanz belegt werden, kann nicht gefolgt werden.

5. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind Verstösse der hier streitigen Art gegen die HOAI durchaus geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Denn die Preise für Vermessungsleistungen sind auf dem hier streitigen Markt das wesentliche, wenn nicht das einzige Wettbewerbskriterium, da qualitative Leistungsunterschiede kaum und jedenfalls nicht im voraus feststellbar sein dürften. Unterbietungen der durch die HOAI festgelegten Preise verschaffen dem Unterbietenden daher einen uneinholbaren Wettbewerbsvorsprung.

6. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, entsprechend der Anregung der Beklagten (Bl. 155 d. A.) den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Denn offensichtlich diskriminieren die Bestimmungen der HOAI die Beklagte nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit gegenüber anderen Staatsangehörigen. Preisvorschriften wie die der HOAI sind aus Gründen des Allgemeinwohls geboten. Daraus, daß aus der Möglichkeit einer Rechtswahlvereinbarung mit einem ausländischen Anbieter von Ingenieurleistungen für diesen Wettbewerbsvorteile entstehen können, kann nicht geschlossen werden, daß die Vorschriften der HOAI gegen Art. 6 EGV verstiessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Festsetzung der - mit dem aus der Sicht des Klägers zu bestimmenden Streitwert nicht identischen - Beschwer der Beklagten beruht auf § 3 ZPO. Angesichts der Höhe der im Spiel befindlichen Honorarbeträge einerseits und des erwähnten, sich aus Unterschreitungen der HOAI ergebenden Wettbewerbsvorteils andererseits ist die Beschwer der Beklagten durch den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch mit mehr als 60.000,-- DM zu schätzen.



Ende der Entscheidung

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