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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 29 U 3866/08
Rechtsgebiete: UrhG
Vorschriften:
UrhG § 97 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 29 U 3866/08
Verkündet am 02.04.2009
In dem Rechtsstreit
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein, Richter am Oberlandesgericht Cassardt und Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.04.2009
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 14.05.2008 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
A.
Die Kläger, zwei Komponisten, haben mit der Beklagten, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, Berechtigungsverträge geschlossen. Sie sind der Auffassung, die Beklagte habe ihre Interessen im Zusammenhang mit Musikkompositionen, die auf einer von der A. B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: A.) produzierten und vertriebenen Gratis-CD-ROM (vgl. Anlage B 9) enthalten waren, nur unzureichend wahrgenommen; die Beklagte habe sich nämlich im Wege einer Einigung mit A. mit einer Gesamtsumme von 1.383.214,30 DM [=707.226,24 €] begnügt, während den Klägern tatsächlich eine weitere Forderung in Höhe von 3.698.692,63 € zustünde. Hiervon machen die Kläger im Wege einer Teilklage einen Teilbetrag in Höhe von 1.000.000,-- € geltend.
Die Kläger haben in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.000.000,-- € nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 1. Januar 2001 zu bezahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen und das Verfahren zwecks Anrufung der Schiedsstelle auszusetzen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 14.05.2008, berichtigt durch Beschluss vom 25.08.2008, gemäß dem Klageantrag entschieden.
Auf die in diesem Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe den Klägern zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.000.000,-- € zuzüglich Nebenforderungen zugesprochen. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 17.09.2008 (Bl. 144/170) und vom 09.02.2009 (Bl. 191/204) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts München I vom 14.05.2008 die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und tragen unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, die Beklagte hafte den Klägern sowohl wegen Verletzung der zwischen den Parteien bestehenden Berechtigungsverträge als auch gemäß § 97 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Hinsichtlich des Vorbringens der Kläger im Berufungsverfahren im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 01.12.2008 (Bl. 175/189) und vom 25.03.2009 (Bl. 205/220) Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
I. Den Klägern steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht aufgrund einer Verletzung der mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträge nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu.
1. Allerdings kann die Beklagte mit ihrer Rüge, das Landgericht habe gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, weil es einen Schadensersatzanspruch ausgeurteilt habe, den die Kläger zu keiner Zeit geltend gemacht hätten, nicht durchdringen. Zum einen haben sich die Kläger durch den Antrag auf Zurückweisung der Berufung den vom Landgericht ausgeurteilten Schadensersatzanspruch zu Eigen gemacht. Zum anderen haben die Kläger, wie sich aus einer Auslegung der Klageschrift ergibt, bereits in erster Instanz einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Dies ergibt sich insbesondere aus S. 15 und aus S. 22 der Klageschrift. Auf S. 15 der Klageschrift wird den Beklagten eine grobfahrlässige Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden Treuhandverhältnisses angelastet. Auf S. 22 wird ausgeführt, dass nur ein Teilbetrag geltend gemacht werde und dass die Geltendmachung des darüber hinausgehenden Schadens ausdrücklich vorbehalten bleibe; dem ist zu entnehmen, dass auch der genannte Teilbetrag als zu ersetzender Schaden geltend gemacht wird.
2. Der Beklagten kann nach dem Sach- und Streitstand indes keine einen Schadensersatzanspruch begründende schuldhafte Verletzung der mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträge angelastet werden. Allerdings ist die Beklagte aufgrund ihrer Treuhänderstellung nach dem Berechtigungsvertrag gegenüber dem Berechtigten grundsätzlich verpflichtet, im Falle der bekannt gewordenen Verletzung von ihr wahrgenommener Vervielfältigungs- oder Verbreitungsrechte seitens eines Dritten von einem solchen Verletzer Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr (§ 287 ZPO) zu verlangen (vgl. BGHZ 97, 37, 41 - Filmmusik). Die Schadensberechnung nach der angemessenen Lizenzgebühr führt regelmäßig dazu, dass die Vergütung eines etwa einschlägigen Tarifs zugrunde zu legen ist, die der Verletzer bei ordnungsgemäßer Einholung der Erlaubnis der Beklagten hätte entrichten müssen (vgl. BGH GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III). Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Beklagte gegenüber den Klägern, mit denen sie Berechtigungsverträge geschlossen hat, grundsätzlich verpflichtet war, von A. als Verletzer Schadensersatz in Höhe einer angemessen Lizenzgebühr wegen der nicht genehmigten Verteilung der CD-ROM mit den klägerischen Musikwerken zu verlangen.
Der Streitfall war von vornherein - gerade auch im Verhältnis zwischen der Beklagten und A. - geprägt von Unwägbarkeiten hinsichtlich der Anwendung eines etwa einschlägigen Tarifs und hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr. Angesichts dieser Unwägbarkeiten kann es der Beklagten nicht als schuldhafte Verletzung der mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträge angelastet werden, dass sie mit A. die Vergleichsvereinbarungen vom 16.08./19.08.1999 (vgl. Anlage K 3) und vom 31.05./ 11.06.2001 (Anlage K 4) mit einer Gesamtsumme von 1.383.214,30 DM [= 707.226,24 €] geschlossen hat; die Beklagte hat vielmehr im Wege einer gütlichen Einigung mit A. ein Ergebnis erwirkt, das im Rahmen der in hohem Maße streitigen rechtlichen Gegebenheiten sowohl was die Höhe als auch was den Zeitpunkt der Zahlung anbelangt für die Kläger nicht ungünstig war. Angesichts der von der Beklagten im Verhandlungswege erreichten Zahlungsbereitschaft von A. war die Beklagte nicht verpflichtet, auf der völlig ungewissen Zahlung einer Lizenzgebühr, wie sie sich im Streitfall bei Anwendung des Tarifs VR-AV-DT H 1 (Anlage K 1) ergäbe, zu beharren, und auch nicht verpflichtet, die Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz beim Deutschen Patent- und Markenamt in diesem Sinne anzurufen und ggf. ein gerichtliches Verfahren gegen A. bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durchzuführen.
a) Es ist, wie die Stellungnahme des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28.07.2005 (Anlage K 15) belegt, bereits sehr fraglich, ob der sachliche Anwendungsbereich des Tarifs "Vergütungssätze VR-AV DT-H 1 für die Vervielfältigung von Werken des GEMA-Repertoires auf audiovisuelle Datenträger (z. B. Magnetband, Diskette, CD-Rom, CD TV, CDI) und deren Verbreitung zum persönlichen - privaten - Gebrauch oder zur öffentlichen Wiedergabe" (Anlage K 1), den die Kläger für einschlägig erachten, im Streitfall überhaupt eröffnet ist.
aa) Bei der verfahrensgegenständlichen Gratis-CD-ROM (Anlage B 9) handelt es sich um eine CD-ROM mit einer Multimediashow und damit um einen audiovisuellen Datenträger. Aus dem Tarif VR-AV DT-H 1 selbst ergibt sich nicht, dass dieser Tarif auch bei kostenloser Abgabe wie im Streitfall anwendbar ist. Dies könnte allenfalls aus dem Informationsblatt zur Musiknutzung auf CD-ROM der Beklagten vom November 1998 (Anlage K 1) gefolgert werden, wo es u.a. heißt: "Bei kostenloser Abgabe ist grundsätzlich die jeweilige Mindestvergütung anzusetzen (VR-AV DT-H 1 bzw. nach schriftlicher Anfrage)".
bb) Auch die Klausel in Nr. VI. 1. des Tarifs VR-AV DT-H 1 (Anlage K 1), wonach die Einwilligung nur die der Beklagten zustehenden Rechte für die Vervielfältigung und Verbreitung zum persönlichen Gebrauch ohne Werbung erfasst, könnte der Anwendbarkeit dieses Tarifs im Streitfall entgegenstehen. Denn bei den verfahrensgegenständlichen Musikwerken handelt es sich um Werbemusik (vgl. Anlage K 26). Allerdings erscheint fraglich, ob diese Einschränkung unter Berücksichtigung der vorangegangenen Praxis der Beklagten im Streitfall zum Tragen kommen kann. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.09.2004, S. 10 (Anlage K 14) an das Deutsche Patent- und Markenamt mitgeteilt, dass sie den Tarif VR-AV DT-H 1 grundsätzlich auch für Promotion-CD-ROMs mit Unternehmens- oder Produktpräsentationen anwende, wobei die im Tarif VR-AV DT-H 1 festgesetzte Vergütungshöhe gelte. Entsprechend hat sich die Beklagte im vorliegenden Verfahren im Schriftsatz vom 10.01.2008, S. 5 geäußert und mit Schreiben vom 31.03.1999 (Anlage K 1) einen Kostenvoranschlag für eine Promo-CD-ROM und mit E-Mail vom 22.03.2004 (Anlage 1 zu Anlage K 13) einen Kostenvoranschlag für eine Multimediaträger-CD-ROM zur kostenlosen Verteilung als Hauswurfsendung nach den Berechnungsgrundsätzen dieses Tarifs erstellt. Außerdem hat die Beklagte den Werbevorbehalt gemäß Nr. VI. 1. des Tarifs VR-AV DT-H 1 (Anlage K 1) mit Schreiben vom 22.09.2004, S. 7 (Anlage K 14) dahingehend erläutert, dass es sich um einen Vorbehalt handele, den die Beklagte zur Sicherung der Position der Komponisten, Textdichter und Autoren in Tarife aufnehme; nur die Berechtigten könnten beurteilen, ob und inwieweit hier eine zustimmungsbedürftige Werbung vorliege; ausgehend hiervon könnten die Komponisten, Textdichter und Verleger dann ihnen geeignete Rechtspositionen einnehmen. Der Streitfall weist demgegenüber die Besonderheit auf, dass es sich bei den klägerischen Musikwerken um Werbemusik handelt, die von vornherein als solche für die verfahrensgegenständliche CD-ROM komponiert wurden.
b) Außerdem ist die Vergütung, die sich im Streitfall bei etwaiger Anwendung des Tarifs VR-AV-DT H 1 ergäbe, jedenfalls unangemessen hoch. Die Beklagte durfte daher bei ihren Verhandlungen mit A. davon ausgehen, dass diese Vergütungsregelung - da auf den Streitfall nicht passend - entweder überhaupt nicht anzuwenden ist oder dass im Falle der Anwendbarkeit dieses Tarifs wegen krasser Unangemessenheit der sich ergebenden Vergütung erhebliche Abschläge vorzunehmen wären (vgl. BGH ZUM 2004, 669, 671 f. - Musikmehrkanaldienst).
aa) Bei der streitgegenständlichen CD-ROM (vgl. Anlage B 9) handelt es sich um einen audiovisuellen Datenträger, mit dem in erster Linie ein Online-Zugang beworben wird und bei dem die Musik, die im Rahmen einer A. Multimedia-Show eingesetzt wird, nicht im Vordergrund steht. Nach Nr. IV Abs. 2 des Tarifs VR-AV DT-H 1 ergibt sich danach pro CD-ROM bei sechs Musikwerken, davon eines mit einer Spielzeit von mehr als drei Minuten, eine (Mindest-) Vergütung in Höhe von 0,1789 € (vgl. die Berechnung in Anlage K 25). Bei einer Stückzahl von 28.276.296, wie sie den Vergleichsabschlüssen zwischen der Beklagten und A. zugrunde gelegt wurde, ergibt sich eine Gesamtvergütung (Mindestvergütung) von über 5 Mio. € (vgl. die Berechnung in Anlage K 25; ferner Anlage zu Anlage K 6).
bb) Diese Vergütung ist unangemessen hoch. Der Zweck der von der Beklagten aufzustellenden Tarifwerke besteht darin, bestimmte Sachverhalte in ihren typischen Gegebenheiten schematisch zu erfassen (vgl. BGH GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III). Er lässt daher eine gewisse Pauschalierung zu. Dabei ist einerseits zu beachten, dass eine Mindestvergütungsregelung erforderlich ist, um die Urheber vor einer möglichen Entwertung ihrer Rechte zu schützen. Andererseits darf eine solche Regelung aber nicht so weit gehen, dass der Grundsatz, den Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen, zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten wird (vgl. BGH GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III). Eine solche Überschreitung ergibt sich im Streitfall bei Anwendung der (Mindest-)Vergütungsregelung gemäß Nr. IV. Abs. 2 des Tarifs VR-AV DT-H 1. Gegenstand der verfahrensgegenständlichen Werbemaßnahme von A. ist eine in Millionenstückzahl abgegebene Gratis-CD-ROM, die eine Anschlusssoftware für den von A. betriebenen Online-Dienst sowie eine mit Musik unterlegte Multimediashow enthält. Bei einer solchen Werbemaßnahme ist davon auszugehen, dass sich ein beträchtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher mit der CD-ROM und der darauf enthaltenen Multimediashow überhaupt nicht näher befasst, sei es weil sie keinen zum Abspielen der CD-ROM geeigneten Computer zur Verfügung haben, sei es, weil sie kein Interesse an einem Online-Zugang haben, oder sei es, weil sie bereits Kunde eines Online-Dienstes sind. Auf eine solche atypische Fallgestaltung mit einem beträchtlichen Werbungsstreuverlust ist die Vergütungsregelung gemäß Nr. IV. Abs. 2 des Tarifs VR-AV DT-H 1, die linear an die Zahl der Werke pro audiovisuellem Datenträger anknüpft und lediglich bei der Spieldauer differenziert, nicht zugeschnitten. Mit dieser Vergütungsregelung wird der Grundsatz, den Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen, zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten. Das gilt auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass die genannte Werbemaßnahme einschließlich der mit Musik unterlegten Multimediashow zur Steigerung der Zahl der Online-Kunden von A. im Zeitraum 1998 bis 2000 (vgl. Anlage BK 2) beigetragen haben mag.
c) Demgegenüber enthält der Tarif "Vergütungssätze VR-T-H 2 für die Vervielfältigung von Werken des GEMA-Repertoires auf Werbetonträger (flexible Werbefolien, Werbekarten oder Werbeplatten 17 cm Durchmesser) und deren unentgeltliche Verbreitung zum persönlichen Gebrauch" in der Fassung vom 01.12.1976 (außer Kraft gesetzt am 18.10.2000) eine den Besonderheiten des Streitfalles, nämlich einer als Direktwerbung (vgl. Anlage B 9) oder Beilagenwerbung verteilten Gratis-CD-ROM mit einem beträchtlichen Werbungsstreuverlust, an sich eher entsprechende degressive Tarifstruktur. Auch wenn sich der sachliche Anwendungsbereich dieses Tarifs auf Werbetonträger, nicht auf audiovisuelle Datenträger wie CD-ROM erstreckt, liegt die Anwendung dieses Tarifs jedenfalls sachlich näher als die Anwendung des Tarifs VR-AV-TD H 1. Nach dem Tarif VR-T-H 2, der zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen von A. noch in Kraft war, hätte sich bei einer Stückzahl von 28.276.296, wie sie den Vergleichsabschlüssen zwischen der Beklagten und A. zugrunde gelegt wurde, eine Gesamtvergütung in Höhe von ca. 990.000,-- DM [= 506.179,-- €] rgeben (vgl. Anlage K 15, S. 7). Dieser Betrag liegt deutlich unter der Gesamtsumme von 1.383.214,30 DM [= 707.226,24 €], die die Beklagte mit A. im Vergleichswege erzielt hat.
d) Der Tarif "Vergütungssätze VR-BT H 4 für die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken des GEMA-Repertoires in Filmvideos auf DVD (Digital Versatile Disc) zum persönlichen Gebrauch als Beigaben zu Zeitschriften oder zu sonstigen Produkten oder zu Dienstleistungen, zur Promotion von Filmvideoveröffentlichungen und zum Vertrieb über besondere Vertriebswege" (Anlage K 21b), der am 04.01.2006 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und auf dessen Mindestvergütungsregelung (Nr. 3) die Kläger als mögliche Referenzregelung verweisen, ist im Streitfall schon deswegen nicht relevant, weil er weder zu den Zeitpunkten der Verletzungshandlungen von A. noch zu den Zeitpunkten der Vergleichsabschlüsse in Kraft war. Für den Tarif "Vergütungssätze VR-BT H 3" (Anlage K 21a) gilt Entsprechendes.
e) Angesichts der aufgezeigten Unwägbarkeiten im Streitfall hinsichtlich der Anwendung eines einschlägigen Tarifs und hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr kann es der Beklagten nicht als schuldhafte Verletzung der mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträge angelastet werden, dass die Beklagte mit A. die Vergleichsvereinbarungen vom 16.08./19.08.1999 (vgl. Anlage K 3) und vom 31.05./ 11.06.2001 (Anlage K 4) mit einer Gesamtsumme von 1.383.214,30 DM [= 707.226,24 €] geschlossen hat.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt - entgegen der von den Klägern im Termin vom 02.04.2009 geäußerten Auffassung - auch nicht darin, dass die Beklagte davon abgesehen hat, die Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz beim Deutschen Patent- und Markenamt mit dem Ziel einer Schadensersatzbemessung nach dem Tarif VR-AV-DT H 1 anzurufen und ggf. ein gerichtliches Verfahren gegen A. bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durchzuführen. Nachdem sehr viel dafür sprach, dass der Tarif VR-AV-DT H 1 im Streitfall weder dem Grunde noch der Höhe nach anwendbar war, brauchte sich die Beklagte unbeschadet der Treuhänderstellung nach den mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträgen nicht auf eine ggf. langwierige (gerichtliche) Auseinandersetzung mit A. unter Berücksichtigung der damit verbundenen Kostenrisiken einlassen. Im Übrigen ist angesichts der Stellungnahme des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28.07.2005 (Anlage K 15), der keine Verletzung einer der Beklagten nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz obliegenden Verpflichtung feststellen konnte, nicht wahrscheinlich, dass die Durchführung eines Schiedsstellensverfahrens zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt - entgegen der von den Klägern im Termin vom 02.04.2009 geäußerten Auffassung - auch nicht darin, dass die Beklagte die von A. genannte Auflagenzahl (28.276.296) akzeptiert und nicht weitergehende Ermittlungen bezüglich einer etwa höheren Auflagenzahl angestellt hat. Die Beklagte hat Auskünfte von A. zur Auflagenzahl (vgl. Anlage K 3, Anlage 2 zur Anlage K 5) eingeholt, die nicht offensichtlich unrichtig waren. Das Absehen von eigenen Ermittlungen zur Auflagenzahl stellt unter diesen Umständen keine Verletzung der mit den Klägern geschlossenen Berechtigungsverträge dar. Den Interessen der Kläger bezüglich einer weitergehenden Vergütung wird im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass Nr. 5 der Vereinbarung vom 31.05./11.06.2001 (Anlage K 6) einen Vorbehalt bezüglich weiterer Auflagenzahlen enthält. Die vorstehend erörterte Pflichtverletzung wäre im Übrigen im vorliegenden Verfahren nicht relevant, da die Kläger der Berechnung ihrer Gesamtforderung von Anfang an ausdrücklich lediglich die Stückzahl von 28.276.296 zugrunde gelegt haben (vgl. Klageschrift vom 06.06.2007, S. 21; Schriftsatz vom 02.10.2007, S. 30).
II. Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auch nicht nach § 97 Abs. 1 UrhG zu. Es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Beklagte an der von A. begangenen Urheberrechtsverletzung teilgenommen hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
V. Die Revision ist - entsprechend den Anträgen beider Parteien - zuzulassen, weil die Sache im Zusammenhang mit den angeschnittenen Fragen zum Pflichtenkreis von Verwertungsgesellschaften grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat.
Ende der Entscheidung
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