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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 25.11.1999
Aktenzeichen: 29 U 4750/99
Rechtsgebiete: AGBG, SGB V


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 2
AGBG § 9 Abs. 2
AGBG § 9
AGBG § 10
AGBG § 11
AGBG § 8
SGB V § 76
Die Klausel in privaten Krankenversicherungsverträgen "Keine Leistungspflicht besteht für Behandlungen durch Ehegatten, Eltern oder Kinder" verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1, 2 Nr. 2 AGBG.

OLG München Urteil 25.11.1999 - 29 U 4750/99 - 21 O 513/99 LG München I


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Jackson und Wörle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 28. 07. 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 2.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,-- DM nicht.

V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe

Der Kläger ist ein Verein, der die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrnimmt. Die Beklagte ist eine Krankenversicherung, die in ihren Versicherungsbedingungen für den Abschluss privater Krankenversicherungsverträge folgende Klausel verwendet: "Keine Leistungspflicht besteht für Behandlungen durch Ehegatten, Eltern oder Kinder".

Der Kläger vertrat vor dem Landgericht die Auffassung, die von der Beklagten verwendete Klausel vertoße gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Sie stelle keine bloße Leistungsbeschreibung dar, die der Inhaltskontrolle entzogen sei. Die Klausel sei unwirksam, weil sie den Versicherten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteile. Sie schränke nämlich wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Vertrages ergäben, in der Weise ein, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet sei. Mittelbar werde durch die Bestimmung auch die freie Arztwahl beeinträchtigt. Freie Arztwahl bedeute nämlich auch, sich von einem Verwandten behandeln zu lassen, für dessen Liquidation der Versicherte die tarifgemäße Leistung bekomme. Zur Rechtfertigung der Klausel könne nicht angeführt werden, dass eine unentgeltliche Behandlung nahe Angehöriger sozialtypisch sei. Eine derartige möglicherweise früher gültige Übung bestehe nicht mehr. Eine Ersatzpflicht komme zwar nicht in Betracht, wenn der Arzt kraft seiner freiwilligen Entscheidung sich rechtlich nicht binden wolle und keine Gebühren verlange. Solche Fallgestaltungen ließen sich aber nicht dahin verallgemeinern, dass jedem Arzt bei seiner Behandlungstätigkeit für nahe Angehörige ein Rechtsbindungs- und Liquidationswille fehle. Die Klausel sei auch nicht deshalb angemessen, weil die unentgeltliche Behandlung naher Angehöriger im Regelfall aufgrund der gesetzlichen Unterhaltspflicht geschuldet sei. Gesetzliche Unterhaltspflichten setzten nämlich voraus, dass der behandelte nahe Verwandte auch bedürftig sei. Dies könne nicht generell angenommen werden. Schließlich rechtfertige auch eine etwaige Missbrauchsgefahr die Klausel nicht. Auch die gesetzlichen Beihilfevorschriften, die eine vergleichbare Ausnahmeklausel enthielten, wiesen in keine andere Richtung. In diesem Bereich gelte das Alimentationsprinzip, das die Verwandtenklausel rechtfertige. Eine Entsprechung zur angegriffenen Klausel finde sich auch nicht in den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an einem Vorstandsmitglied, zu unterlassen, bei Abschluss von Krankenversicherungsverträgen, ausgenommen gegenüber einer Person, die bei Abschluss des Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, folgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden sowie sich auf diese Klausel bei der Abwicklung derartiger, nach dem 01. 04. 1997 geschlossener Verträge zu berufen:

"Keine Leistungspflicht besteht für Behandlungen durch Ehegatten, Eltern oder Kinder."

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie meinte, die fragliche Klausel stelle eine bloße Leistungsbeschreibung dar, die nicht kontrolliert werden könne. Selbst wenn man davon nicht ausgehe, müsse berücksichtigt werden, dass nicht jede Schmälerung des Versicherungsschutzes eine unangemessene Benachteiligung darstelle. So werde durch die Klausel die freie Arztwahl nicht eingeschränkt. Zudem sei die unentgeltliche Behandlung des eigenen Ehegatten oder eines sonstigen in der Klausel genannten nahen Angehörigen sozialtypisch. Früher habe es sogar der Standesgepflogenheit entsprochen, dass Ärzte ihre eigenen Familien unentgeltlich behandelten. Schließlich komme ein Arzt mit der Behandlung häufig seiner Unterhaltspflicht nach. Sie habe im übrigen ein gewichtiges Interesse an dem Bestand der Klausel. Sie könne nämlich nicht überprüfen, ob der Behandelnde gegenüber seinem nahen Verwandten seiner Unterhaltspflicht genügt habe. Schließlich sei die Missbrauchsgefahr nicht zu übersehen. Die Behandlung eines Ehegatten durch den anderen sei in der Regel vollkommen unkontrollierbar und objektiven Überprüfungsmöglichkeiten entzogen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 28. 07. 1999 die Klage abgewiesen. Es hielt die Klausel für kontrollierbar. Ein Verstoß geen § 9 Abs. 2, Abs. 2 Nr. 2 AGBG sei jedoch nicht feststellbar. Die Klausel führe zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Versicherungsnehmer. Sie greife nämlich nur unerheblich in dessen Rechte ein. Schließlich müsse eine gewisse Missbrauchsgefahr Berücksichtigung finden. Angesichts der verschärften wirtschaftlichen Konkurrenzsituation unter Ärzten und des Abbaus des Standesrechts wäre es wirklichkeitsfremd, sich der Einsicht zu verschließen, dass einige Ärzte bei einer Liquidationsmöglichkeit für die Behandlung naher Angehöriger dazu neigen könnten, diese zu nichtindizierten Behandlungen zu drängen. Auch seien Unterhaltspflichten von Ärzten gegenüber nahen Angehörigen zu berücksichtigen. Zudem sei in weitem Umfang eine unentgeltliche ärztliche Behandlung naher Angehöriger immer noch sozialtypisch und eine Abrechnung ungewöhnlich.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt im wesentlichen seine bereits erster Instanz vorgetragenen Argumente und weist darauf hin, dass die Verwandtenklausel, die das Recht des Versicherungsnehmers auf freie Arztwahl einschränke, sich mit den berechtigten Interessen des Versicherers nicht rechtfertigen lasse. Die angebliche Missbrauchsgefahr sei nicht hinreichend konkretisiert. Die Klausel verletze zudem das Transparanzgebot. Sie enthalte nämlich nicht die durchaus notwendige Ausnahmeregelung für Notfallbehandlungen. Außerdem fehle in der angegriffenen Klausel eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass der behandelnde Arzt Angestellter eines Krankenhauses oder Mitglied einer Gemeinschaftspraxis sei und deshalb gegenüber dem Angehörigen, der Versicherungsnehmer sei, gar nicht auf sein Honorar verzichten könne. Schließlich habe das Landgericht auch sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Die Stellungnahme des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen sei nämlich erst am 22. 07. 1999 eingegangen. Zu dieser Stellungnahme habe er sich nicht äußern können.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Landgerichts München I vom 28. 07. 1999 wird abgeändert.

Im übrigen stellt er seinen Antrag wie vor dem Landgericht.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Sie meint, durch die beanstandete Klausel werde keine Kardinalpflicht verletzt, so dass der Vertragszweck durch die Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten nicht gefährdet sei. Die Erstattung der Kosten der Behandlung naher Angehöriger sei nicht Gegenstand der Leistungserwartung des Versicherungsnehmers. Dieser werde gerade nicht erwarten, dass ihm sein Vater oder Ehegatte für eine ärztliche Behandlung eine Rechnung stelle. Es komme dabei nicht darauf an, ob die Unentgeltlichkeit dem Standesrecht entspreche oder nicht. Massgeblich sei, was jeder normale, sozial kompetente Bürger machen würde. Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot sei nicht ersichtlich. Die Klausel sei klar und unmissverständlich. Sie existiere schon seit Jahrzehnten, ohne dass sie Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte. Falsch sei auch, dass die Klausel eine Ausnahmeregelung für angestellte Krankenhausärzte nötig mache. Der Behandelnde in diesen Fällen sei nicht der angestellte Arzt, sondern das Krankenhaus bzw. der Chefarzt, der selbst liquidationsberechtigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt den vorgelegten Anlagen, auf das Urteil des Landgerichts vom 28. 07. 1999 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25. 11. 1999 Bezug genommen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet, weil die angegriffene "Verwandtenklausel" in den Versicherungsbedingungen der Beklagten den Vertragspartner des Verwenders nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 AGBG).

1. Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass § 8 AGBG der Überprüfung der Klausel "Keine Leistungspflicht besteht für Behandlung durch Ehegatten, Eltern oder Kinder" nicht entgegensteht. § 8 AGBG beschränkt die Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder die sie ergänzen. Die Vorschrift soll weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote ermöglichen, noch sollen Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden. Da das Gesetz den Vertragspartnern grundsätzlich freistellt, Leistung und Gegenleistung im Vertrag zu bestimmen, unterliegen bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ebensowenig wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt. Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art und Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. BGHZ 127, 35/41 m.w.N.). Zu den Bestimmungen, die den wesentlichen Vertragsinhalt festlegen, gehört die angegriffene Klausel ersichtlich nicht. Sie ist vielmehr eine Bestimmung, die das beschriebene Hauptleistungsversprechen einschränkt bzw. verändert und deshalb inhaltlich kontrollfähig ist.

2. Die beanstandete Klausel schränkt wesentliche, sich aus der Natur des Krankenversicherungsvertrags ergebende Rechte und Pflichten nicht so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG). Ebenso wenig verstößt sie gegen die Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG. Durch die "Verwandtenklausel" schließt die Beklagte ihre Leistungspflicht für Heilbehandlungen durch Ehegatten, Eltern oder Kinder aus. Dies geht jedenfalls dann zu Lasten des Versicherungsnehmers, wenn der behandelnde Arzt, der mit dem Versicherungsnehmer in der beschriebenen Weise eng verwandt ist, für seine ärztliche Leistung eine Rechnung stellt. Eine Leistungsbegrenzung gefährdet jedoch nicht in jedem Falle bereits den Vertragszweck. Eine Gefährdung liegt vielmehr erst dann vor, wenn mit der Begrenzung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (vgl. BGBH NJW 1998, 1096). Dazu führt die angegriffene Bestimmung nicht. Vielmehr greift die Klausel nur in sehr beschränktem Umfang in die Rechte derjenigen Versicherungsnehmer ein, die ärztliche Leistungen von einer nahe verwandten Person in Anspruch nehmen können. Für solche Versicherungsnehmer gewinnt die Klausel auch nur dann Gewicht, wenn der sie behandelnde nahe Verwandte sowohl von den örtlichen Gegebenheiten wie auch von seiner fachlichen Ausrichtung her für die Behandlung des speziellen Krankheitsfalles überhaupt in Betracht kommt. Zudem fällt ins Gewicht, dass der in Anspruch genommene Arzt in vielen Fällen mit der von ihm durchgeführten Behandlung seiner Unterhaltspflicht, insbesondere gegenüber seinem im Sinne des Unterhaltsrechts noch bedürftigen Kindern genügen wird. Schließlich wird es aber auch in Fällen, in denen eine solche Unterhaltspflicht nicht mehr besteht, dem Selbstverständnis vieler Ärzte entsprechen, Eltern, Ehegatten oder Kindern die ärztliche Hilfeleistung unentgeltlich zu erbringen. Die Änderung des Standesrechts, die nunmehr die Unentgeltlichkeit solcher Leistungen nicht mehr vorschreibt, führt nicht regelmäßig zu einem anderen innerhalb eines Familienverbandes sozialtypischen Verhalten. Auch die Einschränkung der freien Arztwahl durch die Auswirkung der von der Beklagten verwendeten Klausel, was der Kläger in den Vordergrund seiner Argumentation stellt, ist deshalb nicht von ausschlaggebendem Gewicht. Zum einen wird durch sie nur mittelbar auf die Wahl des behandelnden Arztes Einfluss genommen. Sie hat zudem nur dann Auswirkungen, wenn der behandelnde eng verwandte Arzt seine Leistungen liquidieren will.

Gegenüber der nach alledem nicht gravierenden Einschränkung der Leistungspflicht der Beklagten beanspruchen deren berechtigte Interessen Vorrang. Die Beklagte, die im Rahmen des Versicherungsverhältnisses Ersatz für nachgewiesene Sachleistungen leistet, hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es ihr kaum möglich ist, die Berechtigung einer ärztlichen Liquidation zu überprüfen. Sie muss sich im Rahmen einer solchen Überprüfung regelmäßig auf die Angaben des behandelnden Arztes verlassen. Solche Angaben können jedenfalls dann nicht mehr verifiziert werden, wenn die behauptete Erkrankung abgeklungen ist. Infolge des nahen Verwandtschaftsverhältnisses besteht zudem die naheliegende Gefahr einer besonders intensiven Zuwendung und Behandlung und eines durch die familiäre Beziehung beeinflussten Entscheidungsprozesses über die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen (vgl. Landgericht München I, Urteil vom 20. 05. 1999, Az.: 32 O 3871/79, Anl. zum Schriftsatz vom 24. 11. 1999). Schließlich ist nicht zu verkennen, dass ein enger familiärer Kontakt die Gefahr der Vermengung ärztlicher und privater Leistungen hervorruft. So könnten übliche Hilfestellungen von Eltern gegenüber kleinen Kindern bei einem auftretenden Unwohlsein Leistungsansprüche des Versicherungsnehmers auslösen, deren Berechtigung die Beklagte nicht überprüfen kann. Für die Beklagte ist auch nicht erkennbar, ob der behandelnde Arzt einer Unterhaltspflicht genügt hat. Daneben ist auch ein kollusives Zusammenwirken von Familienangehörigen zur Erzielung von Versicherungsleistungen nicht auszuschließen. Diese Gefahr besteht zwar auch bei engen persönlichen Beziehungen, die nicht familiär geprägt sind. Jedoch ist das dafür erforderliche Vertrauensverhältnis in einem Familienverband eher anzutreffen als im Verhältnis zu Dritten.

Die vorstehenden Gesichtspunkte begründen ein berechtiges Interesse der Beklagten an der Beibehaltung der vom Kläger beanstandeten Klausel. Sie steht zudem im Einklang mit dem geltenden Beihilferecht. Dort ist die Kostenerstattung für eine Behandlung durch nahe Angehörige ebenfalls ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Klägers entspräche es den dem Beihilferecht zugrundeliegenden Alimentationsgrundsatz, die Behandlungsleistungen naher Angehöriger zu erstatten, wenn diese zu einer kostenlosen Behandlung nicht bereit sind. Dass derartige Behandlungen dennoch von der Erstattung ausgenommen sind, beruht, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, ersichtlich nicht auf dem Alimentationsgrundsatz, sondern auf Überlegungen, die die Beklagte zur Rechtfertigung der Leistungsbeschränkung in ihren Versicherungsverträgen angeführt hat. Dass demgegenüber eine der angegriffenen Klausel entsprechende Regelung bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht existiert, kann die Unangemessenheit der Klausel nicht begründen. Kassenärztliche Leistungen, die unmittelbar gegenüber der jeweiligen Krankenkasse abgerechnet werden, können nämlich nicht innerhalb der Gestaltungsspielräume abgerechnet werden, die die Gebührenordnungen für Privatärzte eröffnen.

Die vom Kläger beanstandete Klausel verletzt auch nicht, was er erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat, das Transparenzgebot. Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie die beanstandete Klausel, müssen die Rechte und Pflichten des Vertragspartners durch eine entsprechende Ausgestaltung und geeignete Formulierung der Vertragsbedingungen durchschaubar, richtig, bestimmt und möglichst klar darstellen. Diesen Anforderungen wird die Klausel auch gerecht. Sie gilt nach ihrem klaren Wortlaut auch für Notfälle. Es ist kein Grund ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen, warum in Notfällen die Sachlage anders zu beurteilen wäre. Sein Hinweis auf § 76 SGB V, wo vorgesehen ist, dass der Versicherte im Notfall auch einen anderen als einen zugelassenen Kassenarzt in Anspruch nehmen darf, ist für die hier streitige Regelung ohne Aussagekraft. Schließlich ist die Klausel entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb intransparent, weil ihr eine Ausnahmeregelung für den Fall fehlt, dass der behandelnde Arzt in einem Krankenhaus angestellt und deshalb nicht zum Honorarverzicht berechtigt ist. In solchen Fällen besteht ein Behandlungsvertrag nämlich nicht zwischen dem angestellten Arzt und dem Patienten, sondern zwischen Krankenhaus und dem Patienten. Der Anwendungsbereich der beanstandeten Klausel ist daher nicht eröffnet. Wenn die Rechnung von einem liquidationsberechtigten Arzt gestellt wird, ist jedoch die Klausel anwendbar. Der Kläger hat hierzu darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, dass der liquidationsberechtigte Arzt aufgrund einer Vereinbarung mit dem Krankenhaus oder mit Dritten in einer Gemeinschaftspraxis auf seine Liquidation nicht verzichten könne. Solche denkbaren Einzelfälle führen jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Auf das Interesse des behandelnden Arztes kommt es bei der Inhaltskontrolle, die auf der Grundlage einer Abwägung der Interessen der Vertragsparteien durchzuführen ist, nicht an (vgl. Ulmer/Bandner/Hensen AGB-Gesetz, 7. Aufl., Rdnr. 124 zu § 9).

3. Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Allerdings war für ihn die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen. Die Gültigkeit der beanstandeten Klausel ist höchstrichterlich nicht geklärt. Die zu entscheidenden Fragen sind angesichts der Änderung des Standesrechts und des Umstandes, dass die Klausel in den Geschäftsbedingungen aller Deutscher Versicherungen verwendet wird, von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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