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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: 29 W 1752/03
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 14
Zwischen Dienstleistungen eines Ingenieurs und einer Software, die die betreffenden Ingenieursdienstleistungen ergänzt oder ersetzt, besteht Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit.
Aktenzeichen: 29 W 1752/03

BESCHLUSS

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke als Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO) ohne mündliche Verhandlung am 15.07.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 07.05.2003 - 33 O 5789/03 abgeändert.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darum, wer die Verfahrenskosten nach übereinstimmender Erledigung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu tragen hat.

Der Antragsteller ist Inhaber der Wortmarke Nr. 300 44 472 "IR-Check", die mit Priorität vom 13.06.2000 für Ingenieursdienstleistung, technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit (Klasse 42) eingetragen ist (Anlagen K 1, K 2). Er hat gegen die Antragsgegnerin wegen angeblicher Verletzung dieser Marke durch deren Internetauftritt (Ausdruck vom 25.02.2003, Anlage K 3) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, wonach der Antragsgegnerin untersagt werden sollte, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "IRCheck" für jede Art von Dienstleistungen eines Ingenieurs, Beratungen und gutachterliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Maschinen und Maschinensteuerungen zu verwenden, unter dieser Bezeichnung anzubieten, zu verkaufen oder sonstwie in den Verkehr zu bringen.

Im Termin vom 30.04.2003 hat der Antragsgegnervertreter ohne Anerkennung einer Rechtspflicht folgende Erklärung abgegeben:

"Die Antragsgegnerin verpflichtet sich bei Meidung einer Vertragsstrafe von EUR 5.100,-- für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "IRCheck" für jede Art von Dienstleistungen eines Ingenieurs, Beratungen und gutachterliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Maschinen und Maschinensteuerungen zu verwenden, unter dieser Bezeichnung anzubieten oder sonst wie in den Verkehr zu bringen."

Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.

Mit Beschluss vom 07.05.2003 hat das Landgericht die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller mit der Begründung auferlegt, es fehle am erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Verwechslungsgefahr. Auf diesen Beschluss und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 11.06.2003, als Fax am selben Tag beim Landgericht eingegangen. Der Antragsteller macht geltend, es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass einer eingetragenen Marke der gesetzliche Schutz vor Verwechslungsgefahr nicht mit der Begründung versagt werden dürfe, diese Gefahr müsste wegen eines Freihaltebedürfnisses in Kauf genommen werden. Die Ansicht des Landgerichts, die streitgegenständliche Marke sei in ihrem markenrechtlichen Schutzbereich nur auf die ausdrücklich geschützten Dienstleistungen begrenzt, stehe hierzu in klarem Gegensatz.

Die Begründung des Landgerichts, dass die zunächst gehegten Zweifel an der Begrenzung des Angebots der Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt betreffend die Bezeichnung "IRCheck" durch einen Prospekt aus 1999 behoben worden seien, sei logisch nicht nachvollziehbar. Dass die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite nicht auch andere Leistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Ingenieurs oder Beratungsleistungen angeboten habe, wäre allein aus dem Inhalt der Internetseiten zu beurteilen gewesen.

Auf die durch den zweifelhaften Inhalt der Internetseite der Antragsgegnerin von dieser verursachte Verwechslungsgefahr gehe das Landgericht nicht ein.

Der Antragsteller beantragt,

1. Der Beschluss vom 07.05.2003 wird aufgehoben. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt - hilfsweise, die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

2. die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Auffassung des Landgerichts, dass der Marke des Antragstellers nur eine Kennzeichnungskraft zukomme, die am unteren Rand angesiedelt sei. Der Antragsteller übersehe, dass sich aus dem Internetauftritt der Antragsgegnerin sehr wohl ergebe, dass die Kennzeichnung "IRCheck" lediglich für ein Softwarepaket genutzt werde.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 25.06.2003 nicht abgeholfen.

Im Übrigen wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und, da form- und fristgerecht eingelegt, auch im Übrigen zulässig; sie hat teilweise, nämlich hinsichtlich des Hilfsantrags, Erfolg.

1. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung war über die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Bei der Ausübung des Ermessen gibt in aller Regel der ohne die Erledigungserklärungen zu erwartende Verfahrensausgang den Ausschlag. Danach entspricht es im Streitfall billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

a) Zwischen der Wortmarke Nr. 300 44 472 "IR-Check" des Antragstellers (Priorität: 13.06.2000) (Anlagen K 1, K 2) und der im Internetauftritt gemäß Ausdruck vom 25.02.2003 (Anlage K 3) verwendeten Bezeichnung "IRCheck" - die Antragsgegnerin hat diese Bezeichnung markenmäßig, nämlich zur Kennzeichnung eines als "the worldŽs first all in one automation solution based on temperature imaging" bezeichneten Produkts benutzt - besteht in einem Teilbereich Verwechslungsgefahr; insoweit wäre ein Verfügungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen gewesen.

Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen; dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH WRP 2003, 889, 890 - Goldbarren).

Die im Streitfall gegenüberstehenden Zeichen sind nach dem jeweiligen Gesamteindruck hochgradig ähnlich. Sie unterscheiden sich in der Schreibweise nur durch den Bindestrich zwischen "IR" und "Check" bei der Marke der Antragstellerin; in klanglicher Hinsicht besteht Zeichenidentität.

Zwischen der Ingenieursdienstleistung "Thermographische Analysen per Infrarotmessung" und dem von der Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt gemäß Anlage K 3 unter "IRCheck" angebotenen Produkt besteht Waren - bzw. Dienstleistungsähnlichkeit. Bei der Beurteilung der Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, wozu insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen gehören (vgl. BGH WRP 2002, 705, 706 - IMS). Es kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin in ihrem Internetauftritt gemäß Anlage K 3 mit "IRCheck" lediglich eine Software und nicht auch eine Ingenieursdienstleistung bewirbt (vgl. Anlage K 3: "IRCheck is the worldŽs first all in one automation solution based on temperature imaging"; "the easy way of Infrared Automation"). Der allgemeine Oberbegriff der Dienstleistungen eines Ingenieurs kann, da Ingenieure im Bereich der EDV-Entwicklung eingesetzt werden, durchaus enge Berührungspunkte zur Erstellung von Software oder Softwareprodukten aufweisen, sofern dieselbe Branche betroffen ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 19.07.2000 - 29 W (pat) 51/99, in juris dokumentiert). Solche Berührungspunkte liegen hier, soweit es um thermographische Analysen per Infrarotmessung geht, vor. Die von der Antragsgegnerin als IRCheck angebotene Software ergänzt die Ingenieursdienstleistung "Thermographische Analysen per Infrarotmessung", wenn sie diese nicht sogar ersetzt. In diesem Bereich ist unter Berücksichtigung der hohen Zeichenähnlichkeit und der gegebenen Waren - bzw. Dienstleistungsähnlichkeit Verwechslungsgefahr zu bejahen, auch wenn eine schwache Kennzeichnungskraft der Marke des Antragstellers unterstellt wird.

b) Ein Verfügungsgrund wäre zu bejahen gewesen. Die Dringlichkeit wird vermutet (§ 25 UWG analog). Die Vermutung ist im Streitfall nicht widerlegt.

c) Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat jedoch nur hinsichtlich des Hilfsantrags Erfolg, weil sich der vom Antragsteller angekündigte Unterlassungsantrag nicht auf den Bereich der Ingenieursdienstleistungen im Wege Thermographischer Analysen per Infrarotmessung beschränkte, sondern sich auf jede Art von Dienstleistungen eines Ingenieurs, Beratungen und gutachterliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Maschinen und Maschinensteuerungen bezog und insofern zu weit gefasst war; bezüglich jeder Art von Dienstleistungen, Beratungen und Gutachtertätigkeiten eines Ingenieurs wäre mangels hinreichender Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr zu bejahen gewesen.

2. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach den in erster Instanz angefallenen Verfahrenskosten, die, da berechenbar, keiner Festsetzung bedürfen.

Ende der Entscheidung

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