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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 29 W 2073/07
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5 Abs. 1
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3
UWG § 12 Abs. 2
Ein gewerblicher Partnervermittler handelt unlauter im Sinne des UWG, wenn er in von ihm gestalteten Partnerschaftsanzeigen nicht klar und unmissverständlich auf den gewerblichen Charakter des Angebots hinweist.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 29 W 2073/07

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke als Vorsitzenden sowie die Richter am Oberlandesgericht Müller und Cassardt ohne mündliche Verhandlung am 13. August 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 13. Juli 2007 mit Ausnahme dessen Ziffer 3. (Streitwertfestsetzung) aufgehoben.

II. Der Antragsgegnerin wird - unter Androhung von Ordnungsmitteln (Ordnungsgeld von 5,- € bis zu 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) für jeden Fall der Zuwiderhandlung - untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für Partnervermittlungen zu werben, wenn dies wie in der Anzeige im T. Anzeigen-Kurier vom 19. April 2007

Ilse ist 46 J., eine hübsche Frau mit fraulicher Figur, voller Temperament und Lebensfreude, aber sehr einsam. AG L. u. P. Was mir fehlt bist Du, ein lieber treuer Mann zum gegenseitigen Verwöhnen und Liebhaben. Lass mich nicht warten und ruf an Tel. ...

geschieht, ohne klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um das Angebot einer gewerblich tätigen Partnervermittlung handelt.

III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Nach dem glaubhaft gemachten Vortrag des Antragstellers ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu seinen Mitgliedern gehört als einziger bundesweit tätiger Verband von Partnervermittlungsunternehmen der Gesamtverband der Ehe- und Partnervermittlungen e. V. Der Antragsteller ist als branchenübergreifend und überregional tätiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen festgestellt (vgl. § 1 Nr. 4 UKlaV).

Die Antragsgegnerin schaltete im T. Anzeigen-Kurier vom 19. April 2007 unter anderem folgende Anzeige (vgl. Anlage A 3):

Ilse ist 46 J., eine hübsche Frau mit fraulicher Figur, voller Temperament und Lebensfreude, aber sehr einsam. AG L. u. P. Was mit [sic!] fehlt bist Du, ein lieber treuer Mann zum gegenseitigen Verwöhnen und Liebhaben. Lass mich nicht warten und ruf an Tel. ...

Am 23. Mai 2007 rief der Zeuge S. unter der darin angegebenen Rufnummer an. Die Antragsgegnerin nahm das Gespräch entgegen und teilte ihm mit, dass sie unter der Anschrift S. straße 2a in R. ein Partnervermittlungsbüro betreibe. Tatsächlich ist die Antragsgegnerin in der S. straße 2a in T. ansässig.

Der Antragsteller forderte am 25. Mai 2007 gemäß § 13 Abs. 1 UKlaG von der Deutschen Telekom AG die Auskunft darüber an, wer Inhaber der in der Anzeige angegebenen Rufnummer ist. Diese Auskunft ging am 18. Juni 2007 beim Antragsteller ein, der die Antragsgegnerin daraufhin mit Schreiben vom 25. Juni 2007 erfolglos abmahnte.

Mit am 11. Juli 2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. Juli 2007 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit dem der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wird,

im geschäftlichen Verkehr für Partnervermittlungen zu werben, ohne klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um das Angebot einer gewerblich tätigen Partnervermittlung handelt, insbesondere zu werben:

Ilse ist 46 J., eine hübsche Frau mit fraulicher Figur, voller Temperament und Lebensfreude, aber sehr einsam. AG L. u. P. Was mir fehlt bist Du, ein lieber treuer Mann zum gegenseitigen Verwöhnen und Liebhaben. Lass mich nicht warten und ruf an Tel. ...

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 13. Juli 2007 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Verfügungsgrund nicht gegeben bzw. nicht glaubhaft gemacht sei. Die sich aus § 12 Abs. 2 UWG ergebende Vermutung der Dringlichkeit sei widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten selbst zu erkennen gebe, dass es ihm nicht eilig sei; deshalb sei die Dringlichkeit im Regelfall nicht gegeben, wenn der Antragsteller den Antrag nicht innerhalb eines Monats seit Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes und des Verletzers stelle. Zwar habe der Antragsteller im Streitfall glaubhaft gemacht, dass ihm am 23. Mai 2007 die richtige Anschrift (T. statt R. ) noch nicht bekannt gewesen sei. Allerdings spreche es gegen die Dringlichkeit, wenn er sich vom 23. Mai 2007 bis zum 18. Juni 2007, insgesamt 26 Tage, Zeit lasse, den Wohnort der Verletzerin zu ermitteln.

Gegen diesen ihm am 27. Juli 2007 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, die am 30. Juli 2007 eingegangen ist. Er beruft sich vor allem darauf, dass er auf die Bearbeitungszeit der Deutschen Telekom AG keinen Einfluss gehabt habe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 1. August 2007 nicht abgeholfen. Dem Beschwerdevorbringen sei zwar insoweit Recht zu geben, als der Antragsteller nur bedingt Einfluss auf die Bearbeitungszeiten der Deutschen Telekom AG habe; andererseits seien keine Umstände ersichtlich, dass der Antragsteller versucht habe, durch Monierung oder eine Bitte um Beschleunigung schneller zu der Auskunft zu kommen. Es bleibe daher dabei, dass zwischen Kenntnis von der Unrichtigkeit der Anschrift und dem Abmahnschreiben ein Monat vergangen sei, so dass die Gründe der angegriffenen Entscheidung durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet würden. Dem hält der Antragsteller entgegen, dass die gemäß § 13 UKlaG zur Auskunft verpflichteten Stellen eine Frist von mindestens 14 Tagen für die Auskunftserteilung in Anspruch nähmen und Nachfassschreiben wegen einer Überschreitung dieser Frist von wenigen Tagen die Angelegenheit eher verkompliziert als beschleunigt hätten.

II.

Die zulässig sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG zu.

a) Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert (vgl. BGH GRUR 2004, 793 [795] - Sportlernahrung II zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F.).

b) Die angegriffene Anzeige ist irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1; Abs. 2 Nr. 3 UWG.

Über geschäftliche Verhältnisse i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG täuscht, wer den umworbenen Verbraucher über den gewerblichen Charakter eines Angebots im Unklaren lässt. Der Unternehmer muss deshalb den geschäftlichen Charakter einer Anzeige oder einer sonstigen Ankündigung deutlich machen, wenn die Werbung nicht irreführen soll (vgl. BGH GRUR 87, 748 [749] - Getarnte Werbung II; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 5 UWG Rz. 6.38; Piper in: Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, § 5 Rz. 649; jeweils m. w. N.).

Im Streitfall genügt die angegriffene Anzeige diesen Anforderungen nicht. Sie ist geeignet, bei einem durchschnittlich informierten, verständigen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, der sich der Werbung mit situationsadäquater Aufmerksamkeit zuwendet, den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine Privatanzeige, weil ihr ein klarer und unmissverständlicher Hinweis auf den gewerblichen Charakter des Angebots fehlt. Insbesondere kann der Angabe AG. L. u. P. nicht entnommen werden, das es sich um eine gewerbliche Anzeige handelt; die Bedeutung dieser Abkürzung ist völlig unklar.

Da die Anzeige irreführend und damit unlauter ist, hat die Antragsgegnerin derartige Verletzungshandlungen gemäß § 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zu unterlassen.

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht auch ein Verfügungsgrund.

§ 12 Abs. 2 UWG begründet eine Vermutung der Dringlichkeit, die durch ein Verhalten des Antragstellers widerlegt werden kann, dem zu entnehmen ist, dass er die Angelegenheit selbst nicht als dringend ansieht (vgl. BGH GRUR 2000, 151 [152] - Späte Urteilsbegründung; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 3.15; Retzer in: Harte/Henning, UWG, 2004, § 12, Rz. 305; jeweils m. w. N.). Ein derartiges Verhalten kann jedoch im Streitfall nicht festgestellt werden.

a) Das Landgericht hat die ständige Rechtsprechung der für Wettbewerbsstreitigkeiten zuständigen Senate des Oberlandesgerichts München zu Grunde gelegt, nach der die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen ist, wenn ein Antragsteller länger als ein Monat ab Erlangung der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. die Nachweise bei Retzer, a. a. O., § 12 Rz. 957).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts im Streitfall nicht vor. Für den Beginn der Monatsfrist kommt es nicht nur darauf an, wann der Antragsteller vom Wettbewerbsverstoß als solchem Kenntnis erlangt, sondern auch, wann er Kenntnis von der Person des Verletzers in einem Maße erlangt, das es ihm erlaubt, gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Im Streitfall erfuhr der Antragsteller die dazu erforderliche Anschrift der Antragsgegnerin erst mit dem Eingang des Auskunftsschreibens der Deutschen Telekom AG am 18. Juni 2007. Damit war die Monatsfrist bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 11. Juli 2007 noch nicht abgelaufen.

b) Ein Antragsteller kann jedoch die Dringlichkeitsvermutung auch dadurch widerlegen, dass er es in grob fahrlässiger Weise unterlässt, sich hinreichende Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß oder von der Person des Verletzers zu verschaffen; denn auch durch die darin liegende Vernachlässigung seiner eigenen Interessen zeigt er, dass er der Angelegenheit keine den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordernde Bedeutung beimisst. Hat er konkrete Kenntnis von einem Wettbewerbsverstoß erlangt und ist es ihm ohne erheblichen Aufwand möglich, noch vorhandene Unsicherheiten hinsichtlich der Person des Verletzers zu beseitigen, so muss von ihm erwartet werden, dass er sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschafft (vgl. Senat GRUR-RR 2002, 357 [358] - MARKE Ulmer Münster; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 3.15; Retzer, a. a. O., § 12 Rz. 316).

Auch unter diesem Gesichtspunkt kann im Streitfall nicht von einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung ausgegangen werden. Es war keinesfalls grob fahrlässig, dass der Antragsteller nach der umgehenden Anforderung der notwendigen Auskunft von der Deutschen Telekom AG nicht innerhalb weniger Tage auf eine beschleunigte Bearbeitung drängte. Es ist schon nicht ersichtlich, dass entsprechende Maßnahmen des Antragstellers erfolgversprechend gewesen wären. Die Bearbeitung des Auskunftsersuchens des Antragstellers binnen etwas mehr als drei Wochen (einschließlich Postlaufzeiten) entspricht noch einem geordneten Geschäftsablauf in einem Großunternehmen, in dem eine Vielzahl gleichartiger Anfragen zu bearbeiten sind, zumal die Pfingstfeiertage in diesen Zeitraum fielen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch gegen Kommunikationsdienstleister gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG der Durchsetzung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen dient, die zumindest häufig, wenn nicht regelmäßig, im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgt. Wollte man den Auskunftsberechtigten eine Obliegenheit zum Drängen auf vorrangige Bearbeitung jeweils ihres Ersuchens auferlegen, so hätte das allenfalls zur Folge, dass die auskunftsverpflichteten Kommunikationsdienstleister eine Vielzahl von als dringlich bezeichneten Auskunftsersuchen zu bearbeiten hätten, was den Erfolg der entsprechenden Einstufung eines Ersuchens wieder in Frage stellen würde.

c) Insgesamt kann dem Verhalten des Antragstellers im Streitfall nicht entnommen werden, dass er die Angelegenheit selbst als nicht dringlich angesehen hätte.

3. Der Senat hält eine Umformulierung des auszusprechenden Verbots für gemäß § 938 Abs. 1 ZPO für die Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks geboten.

Die vom Antragsteller gewählte Fassung des Unterlassungsantrags ist nicht hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Formulierungen wie eindeutig oder unmissverständlich führen für sich genommen zur Unbestimmtheit von Unterlassungsanträgen, wenn sie sich auf eine unübersehbare Zahl unterschiedlicher Verletzungsformen beziehen (vgl. BGH GRUR 2005, 692 [693] - "statt"-Preis; Köhler, a. a. O., § 12 Rz. 2.39 m. w. N.). Im Streitfall kann auch nicht die Rede davon sein, dass die im gestellten Antrag enthaltene Formulierung ohne klar und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass ... lediglich der (selbstverständlichen) Klarstellung diene, dass die beanstandete Irreführung durch hinreichend deutlich aufklärende Hinweise ausgeräumt werden könne (vgl. BGH, a. a. O., - "statt"-Preis S. 693 f. m. w. N.), da sie unmittelbar das zu unterlassenden Handeln beschreibt. Ob ein aufklärender Hinweis über die gewerbliche Natur einer Anzeige klar und unmissverständlich gegeben wird oder - wie im Streitfall durch die Abkürzung AG L. u. P .- nicht, hängt jedoch von einer Vielzahl von Umständen des Einzelfalls ab, die der Antrag hier nicht bezeichnet oder eingrenzt.

Dem der Antragsbegründung zu entnehmenden Ziel des Antragstellers kann jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass durch die Formulierung wenn dies wie in der Anzeige in ... vom ... geschieht auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen wird (vgl. BGH GRUR 1991, 254 [257] - Unbestimmter Unterlassungsantrag I; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 2.37). Dadurch gewinnt der Nebensatz den für die Antragsbestimmtheit unschädlichen Klarstellungscharakter.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.

3. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Streitfall, dem ein auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes Verfahren zu Grunde liegt, kein Raum (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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