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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.11.2000
Aktenzeichen: 29 W 2604/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO
Vorschriften:
UWG § 1 | |
UWG § 3 | |
ZPO § 93 | |
ZPO § 97 Abs. 1 |
Auch aus der Reaktion des Verletzers auf eine erst nach Erlaß der einstweiligen Verfügung erfolgten Abmahnung kann geschlossen werden, daß der Verletzte Veranlassung hatte, ohne Abmahnung gegen den Verletzer gerichtlich vorzugehen.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
Aktenzeichen: 29 W 2604/00 21 O 10783/00 LG München I
Beschluß
In dem Verfahren
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 22. November 2000
beschlossen:
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.8.2000 - 21 O 10783/00 - wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner hat Anfang des Jahres 2000 für seine Dienstleistungen als Rechtsanwalt im Internet unter der Domain www.de geworben und die e-mail-Adresse @.de benutzt. Die Antragsteller haben geltend gemacht, der Antragsgegner habe damit gegen §§ 1, 3 UWG verstoßen. Sie haben am 16.6.2000 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München I erwirkt, durch die dem Antragsgegner die erwähnte Werbung untersagt wurde. Mit Schreiben vom 19.6.2000 (Anl. AG 1) haben die Antragsteller den Antragsgegner abgemahnt. Dieser hat mit Schreiben vom 22.6.2000 (Anl. AG 2) die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens bestritten und angekündigt, er werde sich mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln gegen gerichtliche Schritte wehren. Er hat jedoch unter Hinweis darauf, dass gegen ihn wegen der Werbung vor dem Landgericht Berlin von dritter Seite Klage erhoben worden war, eine bis zum 31.8.2000 befristete Unterlassungserklärung abgegeben und angekündigt, er werde "die Befristung jeweils entsprechend verlängern, zumindest bis das angesprochene Verfahren rechtskräftig entschieden ist".
Die einstweilige Verfügung vom 16.6.2000 wurde dem Antragsgegner am 30.6.2000 zugestellt. Am 7.7.2000 gab der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern eine Abschlusserklärung ab (Anl. AG 3). Gleichzeitig legte er gegen die einstweilige Verfügung einen auf die Kostenentscheidung beschränkten Widerspruch ein. Zu dessen Begründung hat er vorgetragen, er sei vor Antragstellung nicht abgemahnt worden. Grundsätzlich sei eine der Antragstellung vorangehende Abmahnung erforderlich; ohne sie bestehe keine Veranlassung zu gerichtlichem Vorgehen. Einer der Ausnahmefälle der Entbehrlichkeit der Abmahnung liege nicht vor. Die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung und der auf den Kostenpunkt beschränkte Widerspruch stünden einem sofortigen Anerkenntnis gleich. Er habe ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der kontrovers beurteilten Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit seiner Werbung in einem Hauptsacheverfahren gehabt. Die befristete Unterlassungserklärung sei daher ausreichend gewesen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antragstellern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsteller haben beantragt,
die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt zu bestätigen.
Sie haben geltend gemacht, die befristete Unterlassungserklärung sei unzulänglich gewesen; dies müsse insbesondere deswegen gelten, weil ihnen die Klagepartei des erwähnten Rechtsstreits nicht bekannt gewesen sei. Sie habe nur dazu dienen sollen, den Antragstellern "die Dringlichkeit zu nehmen".
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die in der einstweiligen Verfügung getroffene Kostenentscheidung bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der auf den Kostenpunkt beschränkte Widerspruch stelle kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO dar, da die vom Antragsgegner abgegebene befristete Unterlassungserklärung den zu stellenden Anforderungen nicht genügt habe. Der Antragsgegner habe durch die beschränkte Unterlassungserklärung gezeigt, dass auch eine Abmahnung vor Antragstellung nicht zu seiner Unterwerfung geführt hätte.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten sofortigen Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, der auf den Kostenpunkt beschränkte Widerspruch stehe einem sofortigen Anerkenntnis gleich. Das Landgericht habe insoweit die Funktion des Kostenwiderspruchs verkannt. Es habe auch keine Veranlassung zu einem gerichtlichen Vorgehen bestanden: Grundsätzlich sei eine Abmahnung vor Antragstellung nicht entbehrlich, einer der in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle - Unzumutbarkeit und vorhersehbare Erfolglosigkeit der Abmahnung - liege nicht vor. Der Antragsgegner beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Kosten des Verfahrens den Antragstellern aufzuerlegen.
Die Antragsteller beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil; die vom Antragsgegner abgegebene Unterlassungserklärung sei nicht geeignet gewesen, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Gemäß § 93 ZPO sind die Kosten eines Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte zur Erhebung der Klage nicht durch sein Verhalten Veranlassung gegeben hat und wenn er den Anspruch sofort anerkennt. Auf dieser Grundlage hat die - den Parteien bekannte und von ihnen im vorliegenden Verfahren ausführlich zitierte - Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass in Wettbewerbssachen das wettbewerbswidrige Verhalten des Verletzers allein grundsätzlich keine Veranlassung zur Klageerhebung gibt; Veranlassung zur Klageerhebung besteht vielmehr grundsätzlich erst nach erfolgloser Abmahnung des Verletzers. Grundlage dafür ist die Vermutung, dass der Verletzer sich auf eine den zu stellenden Anforderungen genügende Abmahnung unterwerfen und eine Unterlassungserklärung abgeben wird. Diese Vermutung ist allerdings widerleglich. An die Widerlegung sind nicht zu geringe Anforderungen zu stellen. Widerlegt werden kann die Vermutung jedoch nicht nur durch ein der Antragstellung bzw. Klage vorangehendes, sondern auch durch ein auf sie folgendes Verhalten des Verletzers. Steht danach fest, dass der Verletzer eine Abmahnung nicht beachtet hätte, so fehlt es an der Ursächlichkeit ihrer Unterlassung für die Kosten des gerichtlichen Vorgehens (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 41, Rdnr. 23; Großkommentar UWG/Kreft, vor § 13, Abschnitt C, Rdnr. 90; Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 9, Rdnr. 8 a. E.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, Rdnr. 761; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Einl. UWG, Rdnr. 545 a. E.; alle Fundstellen m.w.N.; vgl. auch Borck, Die anwaltliche Praxis in Wettbewerbssachen, Rdnr. 297, Abschnitt a) a. E. (= Anl. AG 6)). Eine abweichende Meinung wird, soweit ersichtlich, nirgends vertreten. Danach gilt im vorliegenden Rechtsstreit Folgendes:
a) Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass die Einlegung des auf die Kosten beschränkten Widerspruches insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner gleichzeitig eine Abschlusserklärung abgegeben hat, einem sofortigen Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO gleichzustellen ist. Näherer Erörterung bedarf dies hier nicht, da auch die Antragsteller dies nicht verkennnen. Zu Recht zieht der Antragsgegner auch die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht in Zweifel.
b) Die Antragsteller hatten jedoch Veranlassung, gegen den Antragsgegner auch ohne vorherige Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Denn der Antragsgegner hat durch seine auf die erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung und in Unkenntnis derselben erfolgte Reaktion auf die - den zu stellenden Anforderungen genügende - Abmahnung gezeigt, dass er sich auch auf eine schon vor Antragstellung erfolgte Abmahnung hin nicht unterworfen hätte. Dafür ist zunächst maßgeblich, dass der Antragsgegner eine bis zum 31.8. befristete Unterlassungserklärung abgegeben hat, die wegen ihrer kurzen Befristung - wenig über zwei Monate - nicht geeignet war, die Antragsteller ausreichend zu sichern. Darauf, dass der Antragsgegner angekündigt hatte, er werde "die Befristung jeweils entsprechend verlängern, zumindest bis das angesprochene Verfahren rechtskräftig entschieden ist", kommt es nicht an, da diese Ankündigung die Antragsteller nicht ausreichend sicherte, zumal dem Schreiben eine Verpflichtung zu derartigen Verlängerungen der Geltungsdauer der Unterlassungserklärung nicht entnommen werden kann. Hinzu komm, dass den Antragstellern der Kläger des vom Antragsgegner in Bezug genommenen Rechtsstreits und der genaue Streitgegenstand nicht bekannt war. Zu berücksichtigen ist zudem aber auch der sonstige Inhalt des Schreibens des Antragsgegners vom 22.6.2000. Der Antragsgegner hat in diesem Schreiben die Wettbewerbswidrigkeits seines Verhaltens in Zweifel gezogen, gegenüber den Antragstellern den Einwand der "unclean hands" erhoben und angekündigt, dass er sich "mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln wehren werde, sollten Sie gleichwohl die Chuzpe haben, gerichtlich Schritte gegen mich ergreifen zu wollen". Insbesondere angesichts dieser Ausführungen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Antragsgegner sich auch auf eine der Antragstellung vorangehende Abmahnung nicht unterworfen hätte. Für das Gegenteil fehlt jeder Anhaltspunkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ist entbehrlich, da der Streitwert errechnet werden kann; er entspricht der Höhe nach den bis zur Einlegung der sofortigen Beschwerde entstandenen Verfahrenskosten.
Ende der Entscheidung
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