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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 29 W 2903/06
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 8 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen 29 W 2903/06
In dem Verfahren
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein, Richter am Oberlandesgericht Cassardt und Richter am Oberlandesgericht Dr. Kartzke
ohne mündliche Verhandlung am 20.12.2006
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 29.08.2006 aufgehoben.
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,-- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Fernabsatzverträge mit niedrigeren als den tatsächlich verlangten Versandkosten zu werben.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten beider Instanzen des Verfügungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beschwerdeverfahrens 29 W 2674/06 zu tragen.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens 29 W 2903/06 wird auf 30.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29.08.2006, mit dem der Antrag der Antragstellerin vom 16.08.2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO) und begründet. Der Antragstellerin stehen sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund zur Seite.
1. Der Antrag der Antragstellerin vom 16.08.2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG eingestuft werden. Allerdings kann die Rechtsverfolgung in jeweils getrennten Verfügungsverfahren gegen mehrere Unterlassungsschuldner, die eine gemeinschaftliche Werbeanzeige geschaltet haben, rechtsmissbräuchlich sein, wenn diese einen einheitlichen Gerichtsstand haben und durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden, weil dadurch im Vergleich zu einer streitgenössischen Inanspruchnahme eine höhere Kostenbelastung entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2006 - I ZR 79/03 = Beck RS 2006 Nr. 06769 - Alles muss raus!; BGH GRUR 2006, 243, 244, Rdn. 15 bis 21 - MEGA SALE). So liegt der Fall hier indes nicht. Es ist nicht ersichtlich - das Landgericht hat hierzu auch keine Feststellungen getroffen - , dass es sich bei den von der Antragstellerin bzw. anderen Unternehmen, die zum selben Konzern wie die Antragstellerin gehören, beanstandeten Werbeaussagen um gemeinschaftliche Werbeaussagen der verschiedenen Antragsgegner handelt. Daraus allein, dass ein konkreter Mitbewerber gegen diverse, wenn auch gleich gelagerte Wettbewerbsverstöße verschiedener Antragsgegner vorgeht, kann ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG nicht gefolgert werden (ebenso OLG München, Beschluss vom 12.12.2006 - 6 W 2908/06 unter Nr. 4 der Gründe).
2. Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen für einen Verfügungsanspruch nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 5, § 3 UWG hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat ausweislich der Anlage JS 1 am 04.08.2006 unter "pr....de" für das Fernsehgerät Pa... TH-42 ... mit Versandkosten von € "13,--" geworben, wohingegen er ausweislich der Anlage JS 2 unter www.st...-st....com - der Antragsgegner ist Inhaber dieser Domain - für Lieferungen von 30-40 kg 29,90 € Versandkosten berechnet; das Fernsehgerät Pa... TH-42 ... wiegt, wie mit der Anlage JS 3 hinreichend glaubhaft gemacht ist, verpackt 39 kg. Bei der unzutreffenden Angabe der Versandkosten in Anlage JS 1 handelt es sich um eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 UWG (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.1998 - I ZR 125/98 = MD 1999, 135 - Versandkosten), mit der ein Anlockeffekt verbunden ist; auch eine derartige Irreführung wird von § 5 UWG erfasst (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 5, Rdn. 2.192; 2.193).
3. Ein Verfügungsgrund ist gegeben. Die Dringlichkeit wird vermutet (§ 12 Abs. 2 UWG). Die Vermutung ist im Streitfall nicht widerlegt. Der beanstandete Internetauftritt datiert vom 04.08.2006. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 18.08.2006 bei den Justizbehörden in München eingegangen (Bl. 1). Die Einreichung des Ablehnungsgesuchs vom 02.09.2006 und die Durchführung des Beschwerdeverfahrens betreffend die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs können aus Rechtsgründen nicht als dringlichkeitsschädlich eingestuft werden. Denn mit dem Institut der Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) wird dem verfassungsrechtlich fundierten Recht der Parteien auf einen gesetzlichen, unparteiischen und neutralen Richter Rechnung getragen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Vor § 41, Rdn. 1). Auch der Umstand, dass die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15.09.2006 eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 29.08.2006 ergänzend mit Schriftsatz vom 17.09.2006 begründet wurde, wirkt sich im Streitfall nicht dringlichkeitsschädlich aus, weil zu diesem Zeitpunkt das vorgreifliche Ablehnungsverfahren noch nicht abgeschlossen war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; danach hat der Antragsgegner die Kosten beider Instanzen des Verfügungsverfahrens zu tragen. Allerdings hat es bei der Kostenentscheidung im Senatsbeschluss vom 07.11.2006 - 29 W 2674/06 hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens wegen des Ablehnungsgesuchs der Antragstellerin sein Bewenden.
5. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.
6. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Streitfall, dem ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, kein Raum (§ 574 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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