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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 08.02.2002
Aktenzeichen: 29 W 2906/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 888
ZPO § 894 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
1) Ein Ordnungsmittelbeschluss, der dem Vollstreckungsgericht die Wahl zwischen der Vollstreckung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft überlässt, ist nicht hinreichend bestimmt.

2) Die gegen eine Gesellschaft verhängte Ordnungshaft kann nur an ihren Organen, nicht an ihrem Generalbevollmächtigten vollzogen werden.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Beschluß

Aktenzeichen: 29 W 2906/01

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Retzer und Jackson ohne mündliche Verhandlung am 08. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 31.10.2001 - 7 HKO 14954/01 - insoweit aufgehoben, als er die Vollziehung der in dem Beschluss festgesetzten Ordnungsmittel an dem Generalbevollmächtigten der Schuldnerin T K anordnet. Insoweit werden die Vollstreckungsanträge der Gläubigerin zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahren im ersten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf Antrag der Gläubigerin untersagte das Landgericht der Schuldnerin durch einstweilige Verfügung vom 22,08.2001 unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel, die Domain lady-l.de zu nutzen und registriert zu halten, insbesondere unter der Domain lady-l.de Werbung für Kontaktstudios abrufbar zu halten.

Diese einstweilige Verfügung wurde dem Generalbevollmächtigten der Schuldnerin am 27.08.2001 und ihrer Prozessbevollmächtigten am 05.09.2001 zugestellt.

Mit am 19.09.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragte die Gläubigerin,

gegen den Generalbevollmächtigten der Schuldnerin T K wegen Verstoßes der Schuldnerin gegen das Verbot, die Domain lady-l.de registriert zu halten, eine der Dauer nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Ordnungshaft festzusetzen,

hilfsweise,

gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen das Verbot, die Domain lady-l.de registriert zu halten, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine der Dauer nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Ordnungshaft gegen ihren Generalbevollmächtigten T K festzusetzen.

Zur Begründung führte die Gläubigerin aus, entgegen dem in der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbot halte die Schuldnerin die Domain lady-l.de nach wie vor registriert. Sie ignoriere das gerichtliche Verbot bewusst und willentlich. Die Freigabe der Domain sei innerhalb von drei bis fünf Tagen möglich. Die Schuldnerin erweise sich als ausgesprochen renitent. Ergänzend hat sie mit am 28.09.2001 eingegangenem Schriftsatz beantragt, die gegen den Generalbevollmächtigten der Schuldner festzusetzende Ordnungshaft auf nicht unter 6 Wochen zu bemessen.

Die Schuldnerin und ihr Generalbevollmächtigter haben sich zu diesem Antrag nicht geäußert.

Durch der Schuldnerin am 08.11.2001 zugestellten Beschluss vom 31.10.2001 hat das Landgericht wie folgt entschieden:

Gegen die Schuldnerin wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 DM, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von 20 Tagen tritt oder eine Ordnungshaft von 20 Tagen angeordnet, zu vollziehen am Generalbevollmächtigten der Schuldnerin T K.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Schuldnerin habe dadurch, dass sie bis mindestens 10.10.2001 die streitige Domain gehalten habe, gegen die einstweilige Verfügung verstoßen; gerichtsbekannt könne eine Domain binnen weniger Tage gelöscht werden. Ersichtlich habe die Schuldnerin vorsätzlich gehandelt. T K sei als Generalbevollmächtigter in Deutschland und damit insoweit Verantwortlicher im deutschen Gerichtsbereich für die Schuldnerin anzusehen. Als "administrative contact" für die Domain sei er in der Lage gewesen, den Löschungsauftrag zu erteilen. Das Ordnungsgeld sei in Höhe von 10.000,00 DM, die Ersatz-Ordnungshaft sei in Höhe von 20 Tagen angemessen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 21.11.2001 eingegangene sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers. Mit ihr macht er geltend, die gegen eine juristische Person festgesetzte Ordnungshaft könne nur an ihren Organen vollstreckt werden. Die Vollstreckung an einem Generalbevollmächtigten komme nicht in Betracht; sie scheitere im vorliegenden Falle insbesondere auch daran, dass er in seinen Handlungen nicht frei sei.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Landgerichts dahingehend aufzuheben, dass die Anordnung der Vollziehung am Generalbevollmächtigten der Schuldnerin, T K, ersatzlos gestrichen wird.

Die Gläubigerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Der Beschwerdeführer sei selbst die Schuldnerin, eine Gesellschaft, die er gegründet habe, um sich hinter ihr verschanzen zu können. Als "administrative contact" für die Domain könne er über diese verfügen.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich als begründet.

1. Das Landgericht hat gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 10.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft von 20 Tagen oder Ordnungshaft von 20 Tagen angeordnet. Eine derartige alternative Anordnung von Ordnungsgeld und Ersatz-Ordnungshaft einerseits und Ordnungshaft andererseits ist nicht zulässig; der Titel ist, da er der Vollstreckungsbehörde die Wahl des Ordnungsmittel überlässt, nicht hinreichend bestimmt (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 890 ZPO, Rn. 26).

Da der Beschluss zumindest nach seinem Wortlaut zugleich die wahlweise Vollstreckung des Ordnungsgeldes und der Ordnungshaft am Generalbevollmächtigten der Schuldnerin anordnet, konnte er schon aus diesem Grunde im angegriffenen Umfang keinen Bestand haben.

2. Für die in dem Beschluss bei wörtlichem Verständnis seines Tenors angeordnete Vollstreckung des Ordnungsgeldes an dem Generalbevollmächtigten der Schuldnerin fehlt eine gesetzliche Grundlage.

3. Nach völlig herrschender Meinung können gegen juristische Personen Ordnungsgeld, Ersatz-Ordnungshaft und Ordnungshaft angeordnet werden mit der Maßgabe, dass die Ordnungshaft in beiden Fällen an einem (näher zu bezeichnenden) Organ bzw. gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist (BGH NJW 1992, 749 = BB 1991, 1446 = GRUR 1991, 929; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., § 97, Rn. 33; Großkommentar/Jestaedt, vor § 13 UWG, Abschnitt E, Rn. 68; a. A. Pastor, Unterlassungsvollstreckung, S. 282 ff). Die Auffassung, dass Ordnungsmittel gegen weitere Personen, etwa Prokuristen oder leitende Angestellte, verhängt und vollstreckt werden könnten, wird, soweit ersichtlich, nirgends vertreten (ausdrücklich dagegen Jestaedt, a. a. O., Rn. 70). Dies hat seinen Grund darin, dass juristische Personen nicht selbst handeln können; sie können vielmehr nur durch ihre Organe handeln, die daher auch die Verpflichtung trifft, für die juristische Person zu handeln, wenn diese zu handeln verpflichtet ist. Diese Organverpflichtung trifft aber einen Generalbevollmächtigten nicht.

Der Beschwerdeführer ist unstreitig nicht Organ, sondern (allenfalls) Generalbevollmächtigter der Schuldnerin. An ihm kann daher eine gegen die Schuldnerin festgesetzte Ordnungshaft oder Ersatz-Ordnungshaft nicht vollstreckt werden. Wenn die Gläubigerin geltend machen will, die Schuldnerin sei nur ein "Strohmann" ihres Generalbevollmächtigten, so sollte sie erwägen, Klage gegen letzteren zu erheben.

4. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung ausschließlich wegen eines Verstoßes der Schuldnerin gegen das Verbot, die streitige Domain registriert zu halten, mit der Begründung, die Schuldnerin habe es unterlassen, die Domain löschen zu lassen. Insoweit erweist sich die einstweilige Verfügung als eine in die Form eines Verbots gekleidete Leistungsverfügung, nämlich als das Gebot, eine Willenserklärung abzugeben. Verurteilungen zur Abgabe einer Willenserklärung werden gem. § 894 Abs. 1 ZPO in der Weise vollstreckt, dass die Erklärung mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt; eine Zwangsvollstreckung gem. § 888 ZPO kommt insoweit nicht in Betracht (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 888 ZPO, Rn. 2). Die - wegen des Ausnahmecharakters der Leistungsverfügung sich praktisch kaum stellende - Frage, ob in Fällen der Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung durch einstweilige Verfügung etwas anderes gilt - der Senat neigt dazu, diese Frage zu verneinen -, kann hier aber wegen der unter Nr. 1. - 3. erörterten Gesichtspunkte dahinstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung entspricht § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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