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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 29 W 867/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 93 |
2) Testkaufkosten sind erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Testkauf vor außergerichtlichen Versuchen, zu einer Lösung zu kommen (Abmahnung etc.), erfolgt ist.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Aktenzeichen: 29 W 867/04
In dem Verfahren
hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Richter Dr. Albrecht als Einzelrichter am 16. März 2004
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 22. Januar 2004 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 5.905,21 € festgesetzt werden.
II. Die Beklagte trägt von den Kosten des Beschwerdeverfahrens 4/5 und die Klägerin 1/5.
III. Der Beschwerdewert beträgt bis zur Teilrücknahme 854,21 € und danach 702,21 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten, die Verwendung ihres Kennzeichens ... auf Handyschalen zu unterlassen.
Die Klägerin hat nach Anerkenntnisurteil Kostenfestsetzung beantragt und dabei u.a. Kosten für Ermittlungen, einen Testkauf, Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten von Frankfurt am Main nach München sowie Patentanwaltsgebühren geltend gemacht.
Mit Beschluss vom 22. Januar 2004 hat das Landgericht die an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 5.203 € festgesetzt. Nicht anerkannt hat das Landgericht den Testkauf (447,15 €), die Ermittlungskosten (48,06 €) sowie die Reisekosten (207 €).
Hiergegen hat die Klägerin am 6. Februar 2004 Beschwerde eingelegt und dazu ausgeführt, auch die Mehrwertsteuer der italienischen Patentanwälte (152 €) müsste berücksichtigt werden. Der Testkauf habe zur Vorbereitung des vorliegenden Verfahrens gedient. Zwischen Kauf und Klageerhebung habe man sich um eine außergerichtliche Klärung bemüht. Der Testkauf sei schon deshalb notwendig gewesen, um mit den Photographien den Antrag konkretisieren zu können; sie hätten sogar in den Tenor der landgerichtlichen Entscheidung Eingang gefunden.
Auch die Reisekosten seien notwendig. Die Klägerin verfüge über keine eigene Rechtsabteilung in Deutschland. Die Kanzlei K vertrete M seit Jahren und sei berechtigt, Vergleiche zu schließen; sie agiere wie eine Rechtsabteilung. Durch die Einschaltung ihrer ständigen Vertreter in Frankfurt am Main habe sich die Klägerin eine wesentlich teurere Informationsreise nach München erspart.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien im Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9. Februar 2004 nicht abgeholfen.
Die Klägerin hat den Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer der Patentanwälte zurückgenommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, Erfolg.
1) Zu den erstattungsfähigen Kosten (§ 91 Abs. 1 ZPO) gehören im Streitfall auch die Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zum Termin nach München. Die Klägerin hätte zwar als ausländische Partei gleich einen Anwalt in München beauftragen können*1 Sie hat aber die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten generell mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in Deutschland beauftragt. Diese Kanzlei agiert daher wie eine Rechtsabteilung der Klägerin. Sie ist über die Markenrechtslage informiert und verfügt über die immer wieder benötigten Registerunterlagen. Jedenfalls wäre bei Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts dessen weitaus kostenaufwändigere Informationsreise nach Italien notwendig und damit zu erstatten gewesen. Dass es sich bei der Klägerin um ein weltweit agierendes Unternehmen handelt, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, sie müsste über ihre Rechtsabteilung in der Lage sein, einen ausländischen Prozessbevollmächtigen schriftlich oder über andere Kommunikationswege zu informieren. Dazu würde es nämlich gehören, dass die Klägerin in der Lage ist, die nach dem für sie fremden Recht entscheidungserheblichen Tatsachen zu erkennen, um nicht Gefahr zu laufen, dem Prozessbevollmächtigten die für die Entscheidung und Prozessführung wesentlichen Umstände unvollständig mitzuteilen.
Die geltend gemachten Reisekosten sind in der Höhe nicht zu beanstanden.
2) Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören im Streitfall ferner die Testkaufkosten. Die Kostentragungspflicht nach § 91 Abs. 1 ZPO umfasst neben den reinen Prozesskosten, wie den Gebühren und Auslagen nach dem GKG bzw. BRAGO, auch Vorbereitungskosten, die eine Partei vor- oder außerprozessual in bezug auf einen möglichen oder geführten Rechtsstreit aufgewendet hat. Sie sind erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und eine verständige Partei sie bei der konkreten prozessualen Situation als sachdienlich ansehen konnte; notwendig sind vor allem Kosten, ohne die die zweckentsprechenden Maßnahmen nicht getroffen werden können.*2
Um einen Nachweis für eine Verletzungshandlung erbringen zu können, war hier bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Klägerin der Erwerb der beanstandeten Handyschalen und deren photographische Aufbereitung erforderlich, denn die Darstellung war für die Antragstellung notwendig, insbesondere für deren Bestimmtheit.*3 Der Kauf war Voraussetzung für die Aufnahmen und zugleich ein Mittel, die Verletzungshandlung zu belegen.
Es kommt nicht darauf an, dass der Testkauf vor außergerichtlichen Versuchen, zu einer Lösung zu kommen (Abmahnung etc.), erfolgt ist, denn dies nimmt ihm die Eigenschaft einer Vorbereitungshandlung nicht. Nachdem Abmahnungen erforderlich sind, um der Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen, können die Vorbereitungskosten nicht auf zwei verschiedene Zeiträume aufgeteilt werden. Es ist einer in ihren Kennzeichnungsrechten verletzten Partei auch nicht zuzumuten, sich erst nach erfolgloser Abmahnung Nachweise für eine Verletzung zu besorgen. Dies könnte zu Beweisnot führen, wenn der abgemahnte Gegner zwar keine Unterlassungserklärung abgibt, aber die verletzenden Gegenstände aus dem Verkehr zieht.
Der Vortrag der Beklagten gibt keinen Anlass, an der Angemessenheit der von der Klägerin verlangten Beträge zu zweifeln. Dass weniger kostenaufwändige Beweismöglichkeiten bestanden hätten, ist nicht erkennbar.
Eine Einschränkung von Amts wegen dahin, dass dem Erstattungspflichtigen Zug um Zug der anzurechnende Vermögenswert zu übertragen ist, ist bei geringwertigen Handyschalen nicht geboten.*4 Beantragt ist dies ohnehin nicht.
3) Die Ermittlungskosten hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der firmenrechtlichen Identität der Beklagten waren notwendig, um zu erkennen, wer die anzugreifende Firma betreibt und ob ein Vorgehen gegen diese sinnvoll erscheint oder nur unnütz Kosten verursacht.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 516 Abs. 3, § 91 ZPO.
5) Der Beschwerdewert umfasst die strittigen Reisekosten, Ermittlungskosten mit Testkauf und bis zur Teilrücknahme auch die Mehrwertsteuer für die italienischen Patentanwälte.
6) Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 ZPO).
*1 vgl. BGH Beschluss vom 10. April 2003, Az: I ZB 36/02, GRUR 2003, 725
*2 LAG Berlin, Beschluss vom 20. September 2001, Az: 17 Ta 6117/01 (Kost), MDR 2002, 238
*3 so auch KG Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 1995, Az: 1 W 1435/95, AnwBl BE 1996, 314
*4 OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Februar 1979, Az: 14 W 41/79, WRP 1979, 813; aA KG Berlin Beschluss vom 23. Januar 1976, 1 W 955/75, JurBüro 1976, 668
Ende der Entscheidung
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