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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 05.07.2000
Aktenzeichen: 3 U 1504/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 546 Abs. 2 |
Ist in einem Grundstückskaufvertrag mit einer Gemeinde eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises für den Fall vorgesehen, daß das verkaufte Grundstück Bauland wird, so tritt bei der Errichtung eines Friedhofes keine Erhöhung des Kaufpreises ein.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 3 U 1504/00 1 O 1547/99 LG Traunstein
Verkündet am 05.07.2000
Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erläßt der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2000 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 30.11.1999 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 25.000,-- DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Wert der Beschwer des Klägers im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,-- DM.
Tatbestand:
Der Kläger klagt aus abgetretenem Recht einen ihm nach seiner Behauptung zustehenden erhöhten Kaufpreis aus einem Grundstücksgeschäft zwischen seinen Eltern und der Beklagten ein. Er beruft sich dabei auf Ziffer XII.1. des Kaufvertrages vom 7.2.1995 (Anl. K 1 in Bl. 9 d. A.). Der Kläger ist der Auffassung, daß der von der Gemeinde auf dem streitgegenständlichen Grundstück errichtete Friedhof erst nach Aufstellung eines Bebauungsplanes hätte angelegt werden dürfen. Die Errichtung eines Friedhofes sei eine Bebauung im Sinne der genannten Vertragsbestimmung.
Der Kläger bestritt in erster Instanz, daß die Erhöhungsklausel nur für den Fall einer Wohngebietsausweisung im Bebauungsplan vereinbart worden sei. Nachdem gegen die Beklagte zunächst Versäumnisurteil über einen Betrag von 340.000,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 7.2.1995 ergangen war, beantragte der Kläger in erster Instanz, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragte in erster Instanz, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß für den Friedhof die Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht erforderlich gewesen sei und daß der Friedhof keine Bebauung im Sinne der genannten Vertragsbestimmung darstelle.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie wegen des dortigen Verfahrensganges wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 61 ff. d. A.).
Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß die genannte Kaufpreiserhöhungsklausel nur für den Fall einer Wohngebietsausweisung zu einem erhöhten Kaufpreisanspruch führen solle. Das Landgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß aufgrund der glaubwürdigen Aussagen der Zeugen S und Z feststehe, daß der erhöhte Kaufpreis nur für den Fall einer Wohngebietsausweisung gelten solle. Im übrigen wird wegen der Begründung des angefochtenen Urteils auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 61 ff. d. A.).
Dieses Urteil greift der Kläger in vollem Umfang an. Wegen der Formalien der Berufung wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 26.4.2000, Seite 2 (Bl. 105 d. A.). Der Kläger wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen erster Instanz. Er ist weiterhin der Auffassung, daß die Errichtung eines Friedhofs eine Bebauung im Sinne der genannten Vertragsklausel darstelle und daß die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich gewesen wäre. Ferner wendet sich der Kläger gegen die Beweiswürdigung durch das Landgericht. Nachrangig beruft sich der Kläger auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren zu erkennen wie folgt:
I. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 30.11.1999, zugestellt am 3.12.1999, Az: 1 O 1547/99, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 340.000,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 7.2.1995 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auch die Beklagte wiederholt im wesentlichen ihr Vorbringen erster Instanz und verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere ist sie weiterhin der Auffassung, daß die Errichtung des Friedhofes der Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht bedurft hatte und daß eine erhöhte Kaufpreiszahlung nur für den Fall einer Wohnbebauung dem Willen der Parteien entsprochen habe.
Im übrigen wird wegen des Berufungsvorbringens der Parteien Bezug genommen auf die von diesen eingereichten Schriftsätzen. Ferner wurde Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 26.4.2000 (Bl. 104 ff. d. A.).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf einen erhöhten Kaufpreis nicht zu, da die Voraussetzungen gemäß Ziffer XII.1. des notariellen Vertrages vom 7.2.1995 nicht gegeben sind.
Dem Wortlaut der Urkunde ist nicht zu entnehmen, wie zu verfahren ist, wenn auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein Friedhof errichtet wird, wobei es dahinstehen kann, ob hierfür die Aufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich gewesen wäre oder nicht. Auch der Begriff der Bebaubarkeit ist im Hinblick auf die Anlage eines Friedhofs nicht eindeutig. Zwar sind auf dem Friedhofsgelände auch Baulichkeiten errichtet worden, jedoch haben diese für die gesamte Friedhofsanlage, insbesondere für das Gräberfeld, eher dienende Funktion, weshalb nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Friedhof als solcher nicht als Baugebiet anzusehen ist, während andererseits die auf dem Friedhof errichteten Gebäude als Bauwerke zu bezeichnen sind.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß die Erhöhungsklausel nur für den Fall eingreifen sollte, daß eine Wohnbebauung stattfindet. Insoweit folgt der Senat der Beweiswürdigung durch das Landgericht und nimmt hierauf Bezug. Den hiergegen gerichteten Angriffen der Berufung vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, daß der Zeuge S auch bekundet hat, daß man sich über den Begriff Baulandausweisungen keine genaueren Gedanken gemacht habe. Insgesamt ergibt die Aussage des Zeugen jedoch, daß die Parteien an eine Baulandausweisung für Wohngebäude gedacht haben. Insoweit wird die Zeugenaussage S auch unterstützt durch die Aussage des Zeugen Z, der allerdings bei den Verkaufsgesprächen unmittelbar nicht dabei war. Er hat jedoch ebenfalls bekundet, daß aus seiner Sicht sich die Klausel ausschließlich auf die Wohnbebauung bezogen habe. Das entspricht auch dem typischen Geschehensablauf. Der Verkäufer, der sein Grundstück zum Preis für landwirtschaftliche Flächen veräußert, will an einer möglichen Wertsteigerung, die durch eine Ausweisung als Bauland entsteht, partizipieren. Die hierfür typischen Fälle sind diejenigen, daß die Gemeinde Grund ankauft, das Gebiet dann als Wohnbaugebiet ausweist und die Baugrundstücke dann - meist im sogenannten Einheimischen-Modell - veräußert. Dies ist allgemeinkundig und dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt. Dabei handelt es sich zwar nur um einen häufigen Geschehensablauf, der nicht unbedingt für alle Fälle gelten muß, jedoch sind typische Vorgänge ein Anhaltspunkt dafür, daß die Aussage des Zeugen S auch plausibel ist und eine Gesamtwürdigung der Aussage ergibt, daß die Parteien von einer möglichen Baulandausweisung zu Wohnzwecken ausgegangen sind. Allerdings hat diese Einschränkung in den Wortlaut der Urkunde keinen Eingang gefunden.
Unstreitig haben die Parteien über eine Friedhofserrichtung auf dem streitgegenständlichen Grundstück nicht gesprochen. Auch sonstige Umstände, die darauf hindeuten würden, daß die Nichterrichtung eines Friedhofes Geschäftsgrundlage gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage hat deshalb nicht zu erfolgen.
Heranzuziehen sind die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung. Die Parteien haben den Fall, daß ein Friedhof errichtet wird, nicht in ihre Erwägungen einbezogen und eine entsprechende Regelung im Vertrag nicht getroffen. Für die Parteien stand - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt haben - eine beabsichtigte Verwendung der Flächen durch die Gemeinde als Tauschland im Vordergrund. Daneben haben die Parteien eine Bebaubarkeit mit Wohngebäuden bedacht. Nicht bedacht wurde aber die Errichtung eines Friedhofes. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist ein hypothetischer Parteiwille zu ermitteln, d. h. es ist festzustellen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den nicht bedachten Umstand berücksichtigt hätten. Unter Heranziehung dieser Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß für diesen Fall eine Aufzahlung nicht vereinbart worden wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Gemeinde bei der Errichtung eines Friedhofes auf der erworbenen Fläche anders als bei einer Veräußerung als Bauland keinen Gewinn macht. Weiter ist zu berücksichtigen, daß nicht jeder Vorteil der Gemeinde zu einer erhöhten Zahlung führen soll. Auch wenn das Grundstück als Tauschland verwendet wird, hat die Gemeinde insoweit einen zumindest mittelbaren Vorteil, als sie von demjenigen, dem das Grundstück als Tauschland gegeben wird, Flächen erhält, die sie als Bauland ausweisen und dann als solches veräußern kann. Daß die Gemeinde durch die Verwendung der von den Rechtsvorgängern des Klägers erworbenen Fläche deshalb einen Vorteil hat, weil sie keine anderweitigen Flächen zur Errichtung eines Friedhofes erwerben mußte, führt deshalb noch nicht zu einer Ausgleichszahlung. Entscheidend für die ergänzende Vertragsauslegung ist, ob die Errichtung eines Friedhofes nach den Intentionen der Parteien mit der Ausweisung eines Wohnbaugebietes vergleichbar ist. Dies wäre von der Intention der Parteien her sicherlich dann gegeben, wenn nicht eine Wohnbebauung geplant worden wäre, sondern etwa ein Gewerbepark, und die Gemeinde die Flächen als Gewerbeflächen weiterveräußert hätte. Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, ob - wie der Senat annimmt - die Bebaubarkeit sich nur auf eine Wohnbebauung bezog. Selbst wenn die Parteien auch eine Gewerbebebauung ins Auge gefaßt hätten, wäre damit die Errichtung eines gemeindlichen Friedhofes nicht vergleichbar. Mit der Errichtung eines Friedhofes erfülllt die Gemeinde eine öffentliche Aufgabe. Sie wird nicht als Grundstücksveräußerer tätig. Der Fall ist deshalb eher mit demjenigen vergleichbar, daß die Gemeinde aus Gründen des Gemeinwohls andere Flächen erwirbt und dem Veräußerer jener Flächen die streitgegenständliche Fläche als Tauschland zur Verfügung gestellt hätte. Jedenfalls fehlt es an dem wesentlichen, der Aufzahlungsvereinbarung zugrundeliegenden Merkmal, daß die Gemeinde einen Planungsgewinn realisiert. Der Auffassung des Klägers, daß die Aufzahlung für jede "anderweitige Verwendung des Grundes" erfolgen soll, vermag der Senat trotz der Aussage des Zeugen S nicht zu folgen. Zum einen ist nicht erkennbar, an welche anderweitige Verwendung die Parteien gedacht haben sollen. Zum anderen hätte es der komplizierten Formulierung in der notariellen Urkunde nicht bedurft, wenn sich die Parteien darüber verständigt hätten, daß jede anderweitige Verwendung als diejenige als Tauschland zu einem Aufzahlungsanspruch hätte führen sollen. So liegt es z. B. auf der Hand, daß eine Ausgleichszahlung für den Fall nicht gewährt werden hätte können, daß die Gemeinde das gesamte Grundstück hätte verwildern lassen, um ein Biotop zu errichten. Grundsätzlich ist es nämlich Sache des Erwerbers, wie er mit den erworbenen Flächen verfährt. Dafür, daß jede anderweitige Verwendung als diejenige als Tauschland bereits zu einer Aufzahlung führen soll, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Aussage des Zeugen S ist auch insoweit in ihrem Gesamtzusammenhang, insbesondere in der mehrfachen Erwähnung von Bauland und vor dem Hintergrund des Wortlauts der notariellen Vereinbarung zu sehen. Schließlich kann im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung auch nicht differenziert werden zwischen den Flächen, auf denen Friedhofsgebäudlichkeiten errichtet wurden und den sonstigen Friedhofsflächen. Der Friedhof ist als Einheit anzusehen. Allein der Umstand, daß sich auf diesem auch Gebäudlichkeiten befinden, läßt keinen Rückschluß darauf zu, daß die Parteien, wenn sie die Errichtung eines Friedhofes bedacht hätten, die überbauten Flächen anders behandelt hätten, als die sonstigen Flächen. Kostenentscheidung: § 97 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Festsetzung des Werts der Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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