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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 02.08.2000
Aktenzeichen: 3 U 2022/00
Rechtsgebiete: AGBG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 5
AGBG § 24
ZPO § 538 Nr. 2
ZPO § 540
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz:

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Schiedsgerichtsvereinbarung.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 3 U 2022/00 7 O 2644/99 LG Traunstein

Verkündet am 02. August 2000

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

erläßt der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02. August 2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG Traunstein vom 16.12.1999 aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG Traunstein zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,00.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (BauFdgG).

Die Firma Bauunternehmen R GmbH & Co. KG errichtete 1994 und 1995 als Generalunternehmerin für die Bauherrn D M A M und M in M in der A straße ein Wohn-, Geschäfts- und Zweifamilienhaus. Der Beklagte ist der Geschäftsführer der Komplementärs-GmbH R. GmbH. Mit der Lieferung und dem Einbau der Elektroinstallation beauftragte die Firma Bauunternehmen R. GmbH & Co. KG die Klägerin mit Schreiben vom 21.03.1994. Vertragsbestandteil des Auftrages war das von beiden Parteien unterschriebene Verhandlungsprotokoll vom 04.01.1994. In Ziffer 13.2 dieses Verhandlungsprotokolls wurde folgendes vereinbart:

Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden durch Schiedsgericht gemäß der "Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen", herausgegeben vom "Deutschen Betonverein e.V." und von der "Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V." in der heutigen Fassung entschieden. Eine Streitverkündung ist zulässig unter den gesetzlichen Voraussetzungen und mit den gesetzlichen Wirkungen, soweit sich der Dritte der Schiedsgerichtsvereinbarung durch eine entsprechende Erklärung anschließt. Das nähere regelt eine Schiedsgerichtsvereinbarung nach beiliegendem Muster.

Das in der Vereinbarung erwähnte Muster lag nicht bei.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da sich die Beklagte zu Recht auf eine Schiedsvereinbarung berufen könne. Im übrigen wird wegen des Vorbringens der Parteien I. Instanz, wegen des dortigen Verfahrensganges und wegen der dort getroffenen Entscheidung auf Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 103 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit seiner Berufung greift die Klägerin das Ersturteil in vollem Umfang an. Das Ersturteil wurde den Klägervertretern zugestellt am 04.01.2000. Die Berufung der Klägerin ist eingegangen am 04.02.2000 und wurde innerhalb verlängerter Frist begründet mit Schriftsatz vom 06.04.2000, eingegangen bei Gericht am selben Tage.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß eine wirksame Schiedsgerichtsabrede nicht vorliege. Die Klausel sei unvollständig, da eine Schiedsgerichtsvereinbarung nicht beigelegen habe. Jedenfalls sei die Schiedsgerichtsklausel unklar im Sinne des § 5 AGBG, so daß sich die Beklagte als Verwenderin hierauf nicht berufen könne. Außerdem wendet die Klägerin ein, daß die Schiedsgerichtsklausel inhaltlich die vorliegende Streitigkeit nicht erfasse, weil es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Bauvertrag handele, sondern um eine Streitigkeit aus unerlaubter Handlung gegen den gesetzlichen Vertreter der geschäftsführenden GmbH.

Die Klägerin beantragt, zu erkennen wie folgt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 16.12.1999, Az.: 7 O 2644/99, wird aufgehoben.

II. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Hilfsweise:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 121.842,19 (i.W. einhunderteinundzwanzigtausendachthundertzweiundvierzig 19/100 Deutsche Mark) nebst 10,5 % Zinsen hieraus seit dem 18.12.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt nach wie vor die Auffassung, daß der Rechtsstreit durch ein Schiedsgericht zu entscheiden sei. Sie schließt sich der Auffassung des Landgerichts Traunstein auch in der Begründung an.

Im übrigen wird wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen auf die von diesen eingereichten Schriftsätze. Ferner wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.08.2000.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Zur Entscheidung über den Rechtsstreit sind die staatlichen Gerichte zuständig, da eine Schiedsgerichtsklausel nicht wirksam vereinbart worden ist.

Die Schiedsgerichtsklausel ist aus sich heraus nicht verständlich, jedenfalls unvollständig. Zwar wird zunächst Bezug genommen auf die Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen. Im letzten Satz wird jedoch dann ausgeführt, daß das nähere eine Schiedsgerichtsvereinbarung nach beiliegendem Muster regele. Unstreitig lag dieses Muster nicht bei. Dabei fällt zunächst auf, daß nicht nur das Schiedsverfahren also eine Schiedsordnung durch das beiliegende Muster geregelt werden solle, sondern daß die Schiedsgerichtsvereinbarung als solche gemäß beiliegendem Muster geregelt werden soll. Hieraus ergibt die wörtliche Auslegung, daß die Ziffer 13.2 des Verhandlungsprotokolles vom 04.01.1994 gerade keine abschließende Regelung enthält.

Von den Parteien ist auch nicht vorgetragen, daß konkrete Absprachen über die Modifikation getroffen worden wären. Da die Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat, müßte die Beklagte, die sich auf die Schiedsvereinbarung beruft, darlegen und beweisen, daß über den Text hinaus Absprachen getroffen wurden.

Der Auffassung des Landgerichts, daß sich der letzte Satz der streitgegenständlichen Vereinbarung nur auf die Streitverkündung an Dritte beziehe, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar wäre dies denkgesetzlich möglich, da der letzte Satz an den Satz über die Streitverkündung anschließt. Ebenso ist es aber vom Wortlaut der Urkunde her möglich und nach der gängigen Abfassung von Urkunden sogar eher wahrscheinlich, daß sich der letzte Satz auf den gesamten Absatz 13.2 bezieht. Ansonsten wäre eine drucktechnische Darstellung in der Weise naheliegend gewesen, daß die Regelung über Streitverkündung in einem gesonderten Absatz geregelt worden wäre. Einem ausschließlichen Bezug des letzten Satzes auf den vorletzten Satz steht auch entgegen, daß es wenig sinnvoll wäre eine Schiedsvereinbarung nach beiliegendem Muster für einen Dritten zu treffen, wenn noch gar nicht klar ist, ob der Dritte überhaupt sich der Schiedsvereinbarung anschließt und ob er sich der Schiedsvereinbarung mit dem Inhalt des beiliegenden Musters anschließen würde.

Schließlich muß die Beklagte gemäß §§ 24, 5 AGBG auch die Unklarheit gegen sich gelten lassen. Selbst wenn man nicht zu einer eindeutigen Lösung käme, wie sie der Senat vorstehend jedoch annimmt, würde die Unklarheit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin gehen. Daß die streitgegenständliche Klausel mehrfach verwendet wird, wird nicht in Abrede gestellt. Daß der übrige Vertrag Streichungen und Ankreuzungen enthält, ist unerheblich. Ebenso ist es unerheblich, daß die streitgegenständliche Klausel nur fakultativ (durch Ankreuzen eines Kästchens) vorgesehen ist.

Der nicht näher begründeten Auffassung des Landgerichts München II zu derselben Klausel im Urteil vom 27.09.1999 (Aktenzeichen: 9 O 4342/98), wonach die Bezugnahme auf die Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen inhaltlich ausreichend bestimmt sei, vermag der Senat jedenfalls insoweit nicht zu folgen, als das Landgericht hieraus offensichtlich abzuleiten scheint, daß die Vereinbarung als solche hinreichend bestimmt ist.

Auf die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen gegen die Schiedsvereinbarung kommt es deshalb nicht an.

Da das Landgericht die Zulässigkeit der Klage verneint hat, war der Rechtsstreit gemäß § 538 Nr. 2 ZPO - auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens - zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung gemäß § 540 ZPO hält der Senat nicht für sachdienlich.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Abwendungsbefugnis war nicht auszusprechen, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

Festsetzung des Werts der Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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