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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: 3 U 2207/00
Rechtsgebiete: SGB VI, BGB, ZPO


Vorschriften:

SGB VI § 106
SGB VI § 104
SGB VI § 105
BGB § 618
BGB § 823
BGB § 847
BGB § 831
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz:

Der Bauherr haftet nicht für ein Verschulden von Arbeitern, die bei der mit der Bauaufsicht beauftragten Firma beschäftigt, aber nicht mit Sicherheitsaufgaben sondern mit anderen Arbeiten betraut sind.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 3 U 2207/00 2 O 3010/99 LG Traunstein

Verkündet am 31. Mai 2000

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erläßt der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 20.01.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervenientin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Urteils durch die Beklagte und die Nebenintervenientin durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 15.000,-- DM abwenden, sofern diese nicht jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte behauptete Schadensersatzansprüche geltend. Am Vormittag des 21.12.1989 war der Kläger als Subunternehmer der Firma R auf einer Baustelle in A tätig, auf der die Beklagte als Bauherrin ein Doppelhaus errichtete. Der Kläger trat mit dem linken Fuß in eine ca. 15 x 50 cm große offene Aussparung und zog sich dabei Verletzungen zu. Der Kläger behauptete in erster Instanz, daß der streitgegenständliche Unfall durch ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten verursacht worden sei. Ein Verschulden der Mitarbeiter der Streitverkündeten müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Der Kläger beantragte in erster Instanz zu erkennen wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens in Höhe von 8.000,-- DM, nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74.625,-- DM Schadensersatz (hiervon Verdienstausfall 72.500,-- DM für die Zeit vom 22.12.1998 bis 31.08.1999) nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftige materiellen Schäden aus dem Unfall vom 21.12.1998 auf der Baustelle A, A Landkreis R zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte beantragte in erster Instanz

Klageabweisung.

Die Beklagte bestritt in erster Instanz, ein ihr anzulastendes Verschulden. Sie habe ihrer Verkehrssicherungspflicht bereits dadurch genügt, daß sie mit der Nebenintervenientin und der Firma R zwei zuverlässige Unternehmen mit der Bauausführung beauftragt habe, von denen die Nebenintervenientin auch einen eigenen Bauleiter bestellt habe. Sie wandte sich gegen die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers und bestritt eine Verkehrssicherungspflicht. Außerdem berief sie sich auf einen Haftungsausschluß nach §§ 106, 104, 105 SGB VII.

Wegen des übrigen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 86 f. d. A.).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er wendet sich dagegen, daß das Landgericht einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter analog § 618 BGB verneint hat.

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz zu erkennen wie folgt:

1. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.01.2000, Az. 2 O 3010/99, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens in Höhe von 8.000,-- DM, nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 74.625,-- DM Schadensersatz (hiervon Verdienstausfall 72.500,-- DM für die Zeit vom 22.12.1998 bis 31.08.1999) nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen Schäden aus dem Unfall vom 21.12.1998 auf der Baustelle A, A Landkreis R zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte und die Streitverkündete beantragen

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist insbesondere der Auffassung, daß sie ihren Pflichten hinreichend gerecht geworden sei. Im übrigen wiederholt sie im wesentlichen ihr Vorbringen erster Instanz. Die Streitverkündete weist vor allem daraufhin, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Behauptung des Klägers nicht bewiesen sei, daß die Öffnung durch nicht aufgeräumtes Material verdeckt gewesen sei. Die Bodenöffnung sei deutlich sichtbar gewesen.

Im übrigen wird wegen des Vorbringens der Parteien Bezug genommen auf die von diesen eingereichten Schriftsätze, ferner wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Senat vom 31.05.2000, insoweit auch hinsichtlich der Formalien der Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts. Soweit das Landgericht Ansprüche aus §§ 823, 847, 831 BGB verneint hat, wird dies von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.

Soweit die Berufung auf positive Forderungsverletzung nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte und analog § 618 BGB abstellt, vermag der Senat der Auffassung des Klägers nicht zu folgen.

Die Beklagte hat mit der Streitverkündeten eine Firma beauftragt, deren Zuverlässigkeit auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird. Die Streitverkündete hat unstreitig einen eigenen Bauleiter, den Zeugen K beauftragt. Der Zeuge K seinerseits ist seinen Verpflichtungen als Bauleiter nachgekommen. Der Bauleiter ist nicht verpflichtet, ständig auf der Baustelle anwesend zu sein. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß der Bauleiter K mit der hier aufgetretenen Gefahrensituation hätte rechnen müssen, oder diese hätte vorhersehen können, sind nicht vorgetragen.

Der Kläger begründet seine Auffassung im wesentlichen damit, daß ein Verschulden der Zeugen H und F, die die Aussparung geöffnet hätten, vorliegen würde. Ob diese Zeugen pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben, kann jedoch dahinstehen. Die Zeugen F und H waren nicht mit Sicherheitsaufgaben betraut, sondern hatten normale Bauarbeiten im Keller der Baustelle zu verrichten. Erfüllungsgehilfe der Streitverkündeten und damit auch Erfüllungsgehilfe des Klägers war lediglich der Zeuge K. Die Zeugen F und H sind nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit analog § 618 BGB tätig geworden. Allein der Umstand, daß die Zeugen F und H bei der gleichen Firma beschäftigt waren, die dem Kläger auch die Überwachung der Sicherheit der Baustelle schuldete, führt noch nicht dazu, daß diese Mitarbeiter hinsichtlich der Sicherheitsbelange Erfüllungsgehilfen der Streitverkündeten und damit des Klägers wurden. Zwischen der Tätigkeit dieser Zeugen und der Verpflichtung der Streitverkündeten, für die Sicherheit der Baustelle zu sorgen, besteht kein Zusammenhang. Der Sachverhalt ist insoweit nicht anders zu beurteilen, als wenn die Zeugen H und F ihre Arbeiten für eine Firma ausgeführt hätten, die dem Kläger nicht die Überwachung der Sicherheit der Baustelle geschuldet hätte. Es fehlt deshalb an einem inneren sachlichen Zusammenhang zwischen der Aufgabe, die die Beklagte der Streitverkündeten zugewiesen hat, und der möglicherweise schuldhaften Handlung der Zeugen.

Da somit der Zeuge K keine vorwerfbare Pflichtverletzung begangen hat und die Zeugen F und H nicht Erfüllungsgehilfen waren, kann es dahinstehen, ob überhaupt ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vorliegt.

Kostenentscheidung: § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Festsetzung des Werts der Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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