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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 30 U 335/02
Rechtsgebiete: BGB, AktG, BörsG, WpHG, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
AktG § 400
BörsG a.F. § 88
WpHG § 15
StGB § 263
StGB § 264a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN - ZIVILSENATE IN AUGSBURG - IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 30 U 335/02

Verkündet am 11.01.2005

wegen Schadensersatzes

erlässt der 30. Zivilsenat - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B und die Richter am Oberlandesgericht P und Dr. H aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2004 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 19. April 2002 abgeändert und werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.805 Euro (in Worten: siebentausendachthundertfünf Euro) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 23. Januar 2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung von 300 Aktien der In In In Sy AG (WKN -- ).

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt im Wege des Schadensersatzes den Kaufpreis für insgesamt 300 Aktien der In In In Sy AG (im folgenden: In AG), die er am 29. März 2000 (70 Stück), 5. April 2000 (50 Stück), 10. April 2000 (50 Stück), 11. Mai 2000 (30 Stück) und am 18. Mai 2000 (100 Stück) zu einem Durchschnittskurs von ca. 26 Euro erworben hatte. Für den Erwerb gab er insgesamt 7.805 Euro aus.

Die Beklagten waren damals Vorstandsmitglieder der In AG, über deren Vermögen am 1. Juli 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die In AG gab in einer Fülle von über 50 Ad-hoc-Meldungen unter anderem auch die folgenden Meldungen an die Öffentlichkeit (die Anlagen befinden sich im Beiakt 2 O 4224/00 Landgericht Augsburg):

Ad-hoc-Meldung vom 29. Dezember 1998 (Anlage K 13);

Ad-hoc-Meldung vom 19./20. Mai 1999 (Anlage K 14, Geschäftsbeziehung zu M C) die am 22. August 2000 zum Teil widerrufen wurde (Anlage K 12);

Ad-hoc-Meldung vom 13. September 1999 (Anlage K 15, Geschäftsbeziehung zu G W.Com), zum Teil widerrufen durch die "revidierte Jahresendprognose" vom 29. August 2000 (Anlage K 12);

Ad-hoc-Meldung vom 16. November 1999 (Anlage K 17, Geschäftsbeziehung zu W D Company Ltd.).

Der Kläger hat vorgetragen, er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Ad-hoc-Meldungen seine Aktien erworben. Die Meldungen seien falsch gewesen.

Daher hafteten die Beklagten nach folgenden Vorschriften:

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 400 AktG,

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB,

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264 a StGB,

§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 88 BörsG,

§ 826 BGB und

cic (allgemeine Prospekthaftung).

Den Beklagten falle auch vorsätzliches Handeln zur Last.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.870,29 Euro zuzüglich 4 % Zinsen seit 23. Januar 2001 Zug um Zug gegen Abtretung von 300 Aktien der In In In Sy AG (WKN ) zu zahlen.

Die Beklagten haben die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt.

Sie bestreiten jedenfalls vorsätzlich falsche Ad-hoc-Meidungen.

Außerdem werde die Kausalität der Kaufentscheidung des Klägers angezweifelt.

Das Landgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 19. April 2002 nach Vernehmung der Zeugen R M, K V, T S und Dr. D L, sowie nach Anhörung des Klägers (§ 141 ZPO)

die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich trotz der persönlichen Anhörung des Klägers nicht davon habe überzeugen können, dass er seine Aktien auf Grund der von den Beklagten zu verantwortenden Ad-hoc-Mel-dungen gekauft habe. Denn der Kläger habe in Kenntnis der Berichtigungen zu den Ad-hoc-Meldungen Schadensersatz durch Ausgleich von 1000 Aktien gefordert.

Lediglich hilfsweise hat das Landgericht ausgeführt, dass es für die Anspruchsgrundlage § 826 BGB am Vorsatz der Beklagten fehlen dürfte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der nach wie vor die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 7.870,29 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 23. Januar 2001 Zug um Zug gegen Abtretung von 300 Aktien der In In In Sy AG (WKN ) beantragt.

Er weist darauf hin, dass für ihn eindeutig kaufentscheidend die positiven Ad-hoc-Meldungen gewesen seien. Er bezieht sich hierbei auf seine Schreiben vom 2. September 2000 (Anlage K 10) und vom 5. September 2001 (Anlage K 11). Das Landgericht habe aus den Schreiben einen völlig sinnwidrigen Schluss gezogen.

Die Beklagten hätten auch einen Schädigungsvorsatz i.S. von § 826 BGB gehabt. Durch die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung gebe ein Unternehmensvorstand zu erkennen, dass er die mitgeteilte Tatsache für erheblich kursrelevant halte. Ihm sei damit bewusst, dass er mit positiven werbewirksamen Ad-hoc-Mitteilungen den Kurs der Aktie beeinflusse und damit zwangsläufig die Anlageentscheidung von Anlegern bestimme.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Landgerichts.

Die Ad-hoc-Mitteilungen seien auch nicht falsch gewesen, wenn sie aus der Perspektive der damals am Markt Beteiligten gewürdigt würden.

Der Senat hat den Kläger besonders im Hinblick auf seine ursprüngliche Schadensersatzforderung (1000 Aktien) angehört.

Wegen der Einzelheiten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Ersturteil und die Sitzungsniederschriften in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat in der Sache im wesentlichen Erfolg.

1. Die Unrichtigkeit der Ad-hoc-Mitteilung vom 19.5.1999 bzw. 20.5.1999 (Anlage K 14) und die Kenntnis der beiden Beklagten von der Unrichtigkeit hat der Senat im Rechtsstreit 30 U 855/01 (H gegen die beiden Beklagten) geprüft und bejaht (vgl. das dortige Endurteil vom 1. Oktober 2002, Seiten 10-16).

Nach Sachlage war auch die weitere Meldung vom 13. September 1999 unzutreffend, da in dieser ein Auftrag der Firma G W.Com AG in Gründung mitgeteilt worden war, während es sich lediglich um die Vereinbarung des gemeinsamen Vertriebs der Geräte gehandelt hat (vgl. auch die Ad-hoc-Mitteilung vom 29. August 2000). Die Meldung vom 16. November 1999 über eine Bestellung von Lizenzen durch eine Firma W D Company Ltd. ist nicht nachweisbar falsch. Aus der Meldung vom 29. August 2000 ergibt sich nicht, dass mit dieser Firma kein Auftrag vereinbart worden wäre.

2. Der Kläger hat die Ursächlichkeit der von den Beklagten zu verantwortenden Ad-hoc-Meldungen für seine mehrfachen Kaufentscheidungen glaubhaft dargelegt.

Zwar waren zwischen den eingangs aufgeführten unzutreffenden Ad-hoc-Meldungen vom 20.05.1999 und 13.09.1999 und den insgesamt fünf Erwerbsvorgängen knapp 11 bzw. 7 Monate vergangen, weswegen der vom Kläger behauptete Kausalzusammenhang zwischen den Veröffentlichungen und seinen Käufen besonders kritisch zu überprüfen war. Der Kläger hat aber bereits in der Klageschrift konkrete Analystenempfehlungen vom 28.12.1999 und 17.04.2000 vorgetragen, die ihn in seiner Überzeugung vom positiven Entwicklungspotenzial der In-Aktien unterstützten. Er hat dann bei seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 25.02.2002 vor dem Landgericht detailliert ausgeführt, wie er den Kurs der In -Aktien in Internetveröffentlichungen beobachtet und schließlich wegen des in den Ad-hoc-Mitteilungen bekannt gegebenen Auftragsbestands von rund 150 Mio. DM noch im November 1999 wegen fehlender eigener Liquidität seiner Tochter den Kauf von In-Aktien empfohlen hatte. Er selbst habe mit eigenen Käufen noch bis März 2000 zugewartet, da ihm die Aktien zu teuer erschienen waren.

Auch das Landgericht hat aus diesen Aussagen den Schluss gezogen, dass das Interesse des Klägers an In-Aktien äußerst ausgeprägt gewesen sei. Soweit es allerdings aus den späteren Vergleichsangeboten des Klägers gegenüber der Firma In AG vom 02. und 05.09.2000 (K 10, K 11) den Schluss gezogen hat, der Kläger habe die Aktien unter allen Umständen und nicht nur aufgrund der Ad-hoc-Meldungen erwerben wollen, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Der Kläger hat diese Schreiben im Senatstermin vom 23.11.2004 nachvollziehbar damit erklärt, dass er die Firma damals mit keinen Geldforderungen habe belasten wollen. Hieraus ergibt sich für den Senat kein Schluss dahin, dass die Ad-hoc-Meldungen für den Erwerb der Aktien nicht ursächlich geworden seien, zumal es ausreicht, dass die Meldungen vom 20.05.1999 und 13.09.1999 auch mit den späteren nicht nachweislich falschen Meldungen für die Erwerbsvorgänge mitursächlich geworden sind.

3. Der Kläger hat durch den Kauf der 300 Aktien einen Schaden erlitten, denn Schaden ist jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung.

Die Beklagten wussten als verantwortliche Vorstände, dass die Ad-hoc-Mitteilungen auf Anlageentscheidungen von individuellen Marktteilnehmern Einfluss nehmen und deshalb Wertpapierkäufe auf fehlerhaften Tatsachengrundlagen getätigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass die unrichtigen Meldungen keinen anderen Zweck hatten, als dem Börsenpublikum einen gestiegenen Unternehmenswert vorzuspiegeln und den Börsengang positiv zu beeinflussen (BGH vom 19. Juli 2004, II ZR 402/02).

Die vorsätzliche Veröffentlichung bewusst unwahrer Ad-hoc-Meldungen ist als sittenwidrig im Sinn von § 826 BGB zu beurteilen.

Der Zeuge M hatte den Beklagten zu 1 "ausdrücklich darüber informiert, dass mit M ein fester Auftrag über nur 14.000 Surfstations und im übrigen nur eine Absichtserklärung vorlag (Bl. 228 d.A.).

Auch im Falle der Vereinbarung mit G W.Com war den beiden Beklagten eindeutig bekannt, dass es nur um eine gemeinsame Vermarktung von 100.000 Surfstations ging (Aussage des Zeugen V, Bl. 229 d.A.).

Die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten wird auch dadurch deutlich, dass die Beklagten, wie dem Senat auch aus Rechtsstreitigkeiten mit früheren Mitarbeitern bekannt ist, selbst in erheblichem Umfang Aktien erworben hatten und am Kursanstieg durch die vorsätzlich falschen Ad-hoc-Mitteilungen teilnahmen.

Für eine Mitschuld des Klägers (§ 254 BGB) ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Da nach dem Vortrag des Klägers der Einkaufspreis 7.805 Euro war, konnte auch nur dieser Betrag zugesprochen werden.

Beide Beklagte müssen als Gesamtschuldner (§421 BGB) für den Schaden einstehen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 290, 288 BGB a.F.). Die Rechtshängigkeit ist am 23./24. Januar 2001 eingetreten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 4 ZPO.

Das Unterliegen des Klägers war verhältnismäßig geringfügig und verursachte keine besonderen Kosten.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass mehr (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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