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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 31 AR 146/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 29 | |
ZPO § 35 | |
ZPO § 36 | |
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2 | |
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 | |
ZPO § 696 Abs. 1 Satz 4 |
2. Spätestens nach Zustellung der Anspruchsbegründung an den Beklagten greift die perpetuatio fori und kann ein erst im Laufe des Mahnverfahrens entstandenes Wahlrecht des Klägers nicht mehr ausgeübt werden.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht geltend. Der Forderung, welche ursprünglich der Streithelferin zustand und an die Klägerin abgetreten worden ist, lag die Veräußerung von Einrichtungsgegenständen zugrunde. Das Mahngericht erließ am 21.11.2006 Vollstreckungsbescheid. Gegen diesen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 4.12.2006 Einspruch ein. Die Beklagte verzog nach Aktenlage um den 11.12.2006 nach Wiesbaden. Mit Schriftsatz vom 8.1.2007 begründete die Klägerin ihren Anspruch. Die Anspruchsbegründung wurde der Beklagten am 1.2.2007 in Wiesbaden zugestellt. Auf den Hinweis des Amtsgerichts Passau auf die eigene Unzuständigkeit beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 2.4.2007 die Verweisung an das Amtsgericht Wiesbaden. Mit Beschluss vom 19.4.2007 verwies das Amtsgericht Passau den Rechtsstreit an das Amtsgericht Wiesbaden, da die Beklagte bei Eingang der Akten beim Amtsgericht Passau ihren Wohnsitz in Wiesbaden hatte. Mit Beschluss vom 19.6.2007 erklärte sich das Amtsgericht Wiesbaden für örtlich unzuständig, weil das Amtsgericht Passau für den Rechtsstreit zuständig sei. Das Amtsgericht Wiesbaden legte den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vor.
II.
Zuständig ist das Amtsgericht Passau als Gericht, welches für den Erfüllungsort (§ 29 ZPO) zuständig ist. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses hatte die Beklagte ihren Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Passau. Dort ist der Erfüllungsort für die Geldschuld anzunehmen (§ 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB). Ein späterer Wohnsitzwechsel ist für den Gerichtsstand des Erfüllungsorts bedeutungslos (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 956; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 29 Rn. 24).
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Wiesbaden folgt nicht aus einer Bindung an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Passau vom 19.4.2007. Denn die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (BGHZ 102, 338/341; BGH NJW 2002, 3634/3635; BayObLGZ 2003, 187/190). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn das Amtsgericht Passau hat bei seiner Verweisung unzulässiger Weise allein auf den allgemeinen Gerichtsstand und nicht auf seine Zuständigkeit aufgrund des besonderen Gerichtsstands nach § 29 ZPO abgestellt.
Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass die Klägerin nach dem Umzug nach Wiesbaden den dadurch neu begründeten allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten nach § 35 ZPO gewählt habe. Im Mahnverfahren wird ein bestehendes Wahlrecht zwischen mehreren zuständigen Streitgerichten grundsätzlich bereits im Mahnbescheidsantrag durch die Bezeichnung eines dieser Gerichte als für ein streitiges Verfahren zuständig (§ 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ausgeübt und die so getroffene Wahl mit Zustellung des Mahnbescheids bindend und unwiderruflich (BGH NJW 1993, 1273). Zu diesem Zeitpunkt fehlte es hier jedoch objektiv an einem Wahlrecht für die Klägerin, weil diese offenbar erst nach Zustellung des Mahnbescheids nach Wiesbaden verzogen ist. Das Wahlrecht nach § 35 ZPO ist nach Aktenlage in etwa um den 11.12.2006 entstanden. Die Anspruchsbegründung der Klägerin vom 8.1.2007 ist der Beklagten am 1.2.2007 zugestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist Rechtshängigkeit im Sinne von § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eingetreten mit der Folge, dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht mehr berührt wird. Es ist streitig, wann beim Übergang vom Mahnverfahren in das Streitverfahren Rechtshängigkeit eintritt. Dies ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Die Rückbeziehung nach § 696 Abs. 3 ZPO bleibt im hier erörterten Zusammenhang außer Betracht (Musielak/Voith ZPO 5. Aufl. § 696 Rn. 6). Überwiegend wird Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten beim Streitgericht oder zu einem zeitlich späteren Zeitpunkt, etwa mit Zustellung der Anspruchsbegründung, angenommen (vgl. zum Streitstand Zöller/Vollkommer § 696 Rn. 5; Musielak/Voith § 696 Rn. 4). Nach Auffassung des Senats ist jedenfalls für die hier zu entscheidende Frage, bis wann die Klagepartei von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen kann, wenn die Angabe des Streitgerichts im Mahnbescheidsantrag ausnahmsweise noch keine Ausübung des Wahlrechts darstellt, auf die Zustellung der Anspruchsbegründung abzustellen (OLG München Beschluss vom 23.11.2006, 31 AR 138/06). Zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung an die Beklagte hatte die Klägerin keine Wahl dahingehend getroffen, dass das Amtsgericht Wiesbaden zuständig sein solle. Ihr Verweisungsantrag stammt vom 2.4.2007 und somit nach Rechtshängigkeit im Sinne des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
Das Amtsgericht Passau hat sich mit der Frage seiner eigenen Zuständigkeit nach § 29 ZPO überhaupt nicht auseinander gesetzt. Damit hat es sich darüber hinweggesetzt, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt. Daher entbehrt der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und ist demzufolge nicht bindend (vgl. BGH NJW 2002, 3634/3635).
Ende der Entscheidung
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