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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 31 AR 90/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 33 ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine isolierte Drittwiderklage zulässig ist, hierfür aber beim Gericht der Klage keine Zuständigkeit begründet ist, kann vom übergeordneten Gericht in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein gemeinsam zuständiges Gericht bestimmt werden (Folge aus BGH v. 18.6.2008, V ZR 114/07 und BGH vom 24.6.2008, X ARZ 69/08).
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 31 AR 90/09

Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn und der Richterinnen am Oberlandesgerichts Förth und Klotz

am 31. März 2009

in dem Rechtsstreit

wegen Forderung,

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts,

beschlossen:

Tenor:

Als gemeinsam zuständiges Gericht für Klage und Drittwiderklage wird das Landgericht Traunstein bestimmt.

Gründe:

I. Der Kläger macht aus eigenem und aus abgetretenem Recht Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche wegen eines Immobilienkaufs, zu dem er und die Zedentin durch falsche Beratung verleitet worden seien, gegen die Beklagte geltend. Er hat Klage zum Landgericht Traunstein, dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten, erhoben. Die Beklagte hat im Wege der Drittwiderklage eine negative Feststellungsklage gegen die Zedentin erhoben. Die Drittwiderbeklagte, die im Bezirk des Landgerichts Hildesheim wohnhaft ist, hat die fehlende örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein gerügt. Die Drittwiderklägerin hat die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts beantragt.

II. 1. Der Senat kann in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die beantragte Bestimmung vornehmen.

a) Mit Beschluss vom 24.6.2008 hat der 10. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die frühere Rechtsprechung bestätigt, dass § 33 ZPO für den bisher am Verfahren nicht beteiligten Drittwiderbeklagten keinen Gerichtsstand am Gericht der Klage begründet (BGH vom 24.6.2008, X ARZ 69/08 = NJW-RR 2008, 1516). Danach ist das Gericht der Klage für eine Widerklage, die gegen den Drittwiderbeklagten erhoben wird, örtlich nur zuständig, wenn für diese Widerklage aus anderen Gründen ein Gerichtsstand bei dem Gericht der Klage besteht, durch rügelose Einlassung begründet wird oder das übergeordnete Gericht den Gerichtsstand nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt. Die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nach der letztgenannten Vorschrift ist allerdings ausgeschlossen, wenn für Widerklage und Drittwiderklage ein anderweitiger gemeinsamer Gerichtsstand besteht. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Bestimmung nicht vor; der Beklagte kann seine Ansprüche gegen den Kläger und den Dritten in einem gemeinsamen Prozess, wenn auch nicht im Wege der Widerklage vor dem Gericht der Klage, jedenfalls vor dem Gericht des gemeinsamen Gerichtsstands verfolgen. Fehlt ein solcher gemeinsamer Gerichtsstand, kann ein gemeinsam zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage bestimmt werden, insbesondere auch - was in der Regel zweckmäßig sein wird - das Gericht der Klage, und zwar auch dann, wenn dort keiner der (Dritt-)Widerbeklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH aaO.).

b) Mit Entscheidung vom 13.6.2008 hat der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Erhebung einer isolierten Drittwiderklage jedenfalls dann als zulässig angesehen, wenn sie, wie hier, als negative Feststellungsklage gegen den Zedenten der Klageforderung erhoben wird (BGH vom 13.6.2008, V ZR 114/07 = NJW 2008, 2852). Die Frage der Zuständigkeit des Gerichts der Klage für die (ansonsten zulässige) isolierte Drittwiderklage wird in der Entscheidung des 5. Zivilsenats nicht behandelt. Denkbar ist, dass der 5. Zivilsenat, ohne dies ausdrücklich auszuführen, eine Zuständigkeit des Gerichts der Klage für die isolierte Drittwiderklage in erweiternder Auslegung des § 33 ZPO als gegeben ansah (die spätere gegenteilige Entscheidung des 10. Zivilsenats lag noch nicht vor; vgl. zur erweiternden Auslegung des § 33 ZPO Vollkommer/Vollkommer WRP 2000, 1062 und ihnen folgend OLG Dresden vom 17.4.2002, 1 AR 17/02 = OLG-NL 2003, 65). Möglicherweise kam es im dort entschiedenen Fall auf diese Frage auch nicht an, so dass der 5. Zivilsenat keinen Anlass hatte, darauf einzugehen.

Jedenfalls hat der 10. Zivilsenat in seiner zeitlich späteren Entscheidung vom 24.6.2008 diese erweiternde Auslegung des § 33 ZPO ausdrücklich abgelehnt.

Dieser Rechtsprechung folgt der hier erkennende Senat (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 13.2.2008, 31 AR 274/07 = OLGR München 2008, 346). Das Landgericht Traunstein als Gericht der Klage ist für die hier erhobene Drittwiderklage nicht zuständig, weil dort kein Gerichtsstand besteht, insbesondere auch nicht der besondere Gerichtsstand nach § 33 ZPO, und eine Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein auch nicht durch rügelose Einlassung begründet wurde.

c) Wie das Problem der fehlenden Zuständigkeit des angegangenen Gerichts für die isolierte Drittwiderklage zu lösen ist, ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung des 5. und des 10. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nicht. Eine Möglichkeit wäre, das Fehlen der Zuständigkeit als gegeben hinzunehmen und den Beklagten darauf zu verweisen, dass er die gegen den Zedenten der Klageforderung gerichtete negative Feststellungsklage, für die nach der eben zitierten Rechtsprechung des 5. Zivilsenats das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) nicht verneint werden kann, an einem für diese Klage zuständigen Gericht erheben muss. Damit würde die Rechtsprechung des 5. Zivilsenats indes weitgehend ihres Sinns beraubt. Die Erwägungen des 5. Zivilsenats zur Zulässigkeit der drittwiderklagend erhobenen negativen Feststellungsklage sind von Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit geprägt. Die Aufspaltung in zwei Prozesse - so der 5. Zivilsenat -, nämlich des Klägers gegen den Beklagten auf Schadensersatz, und des Beklagten gegen den Widerbeklagten auf negative Feststellung, dass diesem keine Ansprüche zustehen, brächte prozessökonomisch keine Vorteile, sondern nur Mehrbelastungen und zudem das Risiko einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen. Will man diese Rechtsprechung nicht leerlaufen lassen, so geht es nicht an, die Möglichkeit der isolierten Drittwiderklage auf die seltenen Fälle zu beschränken, in denen beim Gericht der Klage - zufällig - auch ein Gerichtsstand für die Drittwiderklage besteht.

d) Der Senat sieht die Lösung darin, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein gemeinsam zuständiges Gericht für Klage und isolierte Drittwiderklage zu bestimmen, wie hier vom Drittwiderkläger beantragt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, da die isolierte Drittwiderklage nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO voraussetzt, gegen mehrere Parteien als Streitgenossen gerichtet ist. Das unterscheidet diesen Fall von der oben behandelten Konstellation, wie er der Entscheidung des 10. Zivilsenats zugrunde lag, in der die Widerklage sowohl gegen den Kläger als auch gegen eine bisher am Verfahren nicht beteiligte Partei, insgesamt also gegen mehrere Parteien, erhoben ist. Die Rechtsprechung hat jedoch der durch ihre Auslegung der Gesetze entstandenen Widersprüche und Lücken - hier: Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage im Fall einer negativen Feststellungsklage gegen den Zedenten der Klageforderung, aber im Regelfall keine Zuständigkeit des Gerichts der Klage hierfür - Rechnung zu tragen. Da dieser Rechtsprechung Erwägungen der Prozesswirtschaftlichkeit zugrunde liegen, liegt es nahe, die der Prozessökonomie dienende Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, deren entsprechende Anwendung auf vielfältigste Fallgestaltungen zum gefestigten Bestand der Rechtsprechung gehört (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 36 Rn. 2, 2a m.w.N.), auch im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.

2. Der Senat bestimmt als gemeinsam zuständiges Gericht das Landgericht Traunstein, das für die Klage zuständig und bei dem auch die Drittwiderklage bereits rechtshängig ist.

Ende der Entscheidung

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