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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 102/06
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1762 Abs. 2
BGB § 1771
FGG § 20
1. Wird die Aufhebung der Volljährigenadoption abgelehnt, ist weder der Erbe des Antragstellers noch der Nachlasspfleger beschwerdebefugt.

2. Die Aufhebung der Adoption eines Volljährigen aus wichtigem Grund kann nicht auf einseitigen Antrag des Annehmenden erfolgen.

3. Ein Antrag auf Aufhebung einer Volljährigenadoption, der auf Erklärungsmängel gestützt wird, kann nur innerhalb der in § 1762 Abs. 2 BGB bestimmten Fristen gestellt werden.


Gründe:

I.

Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 18.4.1996 wurde nach Anhörung beider Beteiligter antragsgemäß die Annahme der Beteiligten zu 2 (geb. 1953) als Kind des Josef W. (geb. 1906) ausgesprochen. Der schwerhörige, nahezu blinde Adoptivvater lebte damals bereits seit rund zwei Jahren im Altenheim, seit 1994 bestand für ihn eine Betreuung. Nach den übereinstimmenden Erklärungen beider war durch die häufigen Besuche der Beteiligten zu 2 im Altenheim zwischen ihnen ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden.

Mit Schriftsatz seiner Betreuerin vom 8.12.1999 beantragte der Adoptivvater die Aufhebung der Adoption. Zur Begründung ließ er vortragen, dass sich die Beteiligte zu 2 kaum noch um ihn kümmere und die Voraussetzungen eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht mehr vorlägen. Es liege ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Adoption vor, weil die Beteiligte zu 2 als damalige Betreuerin im Oktober 1996 Blinden- und Pflegegeld für ihren Adoptivvater beantragt und die Überweisung auf ihr eigenes Bankkonto veranlasst habe. Auf diese Weise seien bis Oktober 1999 Leistungen mit einem Gesamtbetrag von 18.691 DM an sie ausbezahlt worden, die sie erst nach mehrfacher Aufforderung durch die neue Betreuerin herausgegeben habe.

Die Beteiligte zu 2 widersetzte sich dem Antrag nicht. Mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 4.5.2000 wurde die Adoption aufgehoben. Der Adoptivvater ist am 24.3.2001 verstorben. Die Beteiligte zu 1 ist zur Nachlasspflegerin bestellt. Die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts vom 4.5.2000 über die Aufhebung der Adoption wurde wegen Prozessunfähigkeit der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 3.2.2006 aufgehoben. Die Nachlasspflegerin begründete den Antrag auf Aufhebung der Adoption zusätzlich damit, dass die Beteiligte zu 2 abredewidrig ihren Adoptivvater nicht zu Hause gepflegt, sondern ins Pflegeheim verbracht und dort nur unregelmäßig besucht habe. Zudem habe sich der Annehmende zum Zeitpunkt des Adoptionsverfahrens im Zustand einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden.

Das Vormundschaftsgericht hob mit Beschluss vom 17.7.2006 die Adoption auf mit der Begründung, es liege wegen der Vorgänge um das Blindengeld eine krasse Fehlentwicklung des Annahmeverhältnisses vor, die einen Antrag der Angenommenen entbehrlich mache. Gegen diese Entscheidung legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein, die zur Aufhebung der Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes führte. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass die angeführten Umstände zwar wichtige Gründe für die Aufhebung der Adoption im Sinne des § 1771 Satz 1 BGB darstellen könnten, jedoch nicht entgegen dem Gesetzeswortlaut die Aufhebung auf einseitigen Antrag hin ermöglichten. Selbst wenn die Beteiligte zu 2 das ihrem Adoptivvater zustehende Blindengeld veruntreut habe, lasse das ein Festhalten an der Adoption nicht unzumutbar erscheinen, zumal der Adoptivvater keine Einbuße an Lebensqualität erlitten und die Beteiligte zu 2 das übrige Vermögen korrekt verwaltet habe, das sich ohne den Grundbesitz auf 275.000 EUR belaufe. Das Landgericht hob deshalb die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts auf und wies den Antrag auf Aufhebung der Adoption zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft (§ 63, § 60 Abs. 1 Nr. 6, § 56 f Abs. 3, § 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1 FGG). Die Beteiligte zu 1 ist als Nachlasspflegerin jedoch nicht beschwerdeberechtigt. Ihr Rechtsmittel ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.

Auch eine Volljährigenadoption kann entsprechend § 1764 Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Tod des Annehmenden auf dessen Antrag hin ausgesprochen werden. Das durch den Aufhebungsantrag eingeleitete Verfahren wird deshalb bis zur Entscheidung über den Antrag fortgesetzt, auch wenn der Antragsteller vorher verstirbt. Gegen die den Antrag ablehnende Entscheidung kann jedoch weder der Erbe des Annehmenden noch der Nachlasspfleger Rechtsmittel einlegen mit dem Ziel, die Aufhebung der Adoption zu erreichen. Das Recht, die Aufhebung der Adoption zu beantragen, ist höchstpersönlich (vgl. § 1762 Abs. 1 Satz 3 BGB) und daher nicht vererblich (vgl. BayObLGZ 1986, 57/59 m.w.N.; BayObLG NJW-RR 1996, 1092 für den Adoptionsantrag). Der Erbe des Annehmenden ist nicht berechtigt, die Aufhebung der Adoption zu beantragen. Demgemäß steht ihm gegen die Zurückweisung des noch vom Annehmenden gestellten Antrags auch kein Beschwerderecht zu (§ 20 Abs. 2 FGG). Der Nachlasspfleger kann keine weitergehenden Rechte geltend machen als der Erbe, für den er den Nachlass verwaltet.

2. Im Übrigen wäre das Rechtsmittel auch nicht begründet.

a) Nach § 1771 Satz 1 BGB kann das Annahmeverhältnis, das zu einem Volljährigen begründet worden ist, auf Antrag des Annehmenden und des Angenommenen aufgehoben werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Hier hat lediglich der Annehmende einen solchen Antrag gestellt, nicht jedoch die Angenommene. Schon deshalb kommt eine Aufhebung der Adoption aus wichtigem Grund nach § 1771 Satz 1 BGB nicht in Betracht.

Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, die sich auch das Vormundschaftsgericht zu eigen gemacht hat, dass in besonders gelagerten Fällen katastrophal fehlgeschlagener Adoptionen eine Aufhebung auch auf einseitigen Antrag erfolgen könne (vgl. Soergel/Liermann BGB 13. Aufl. § 1771 Rn. 8). Dem kann nicht gefolgt werden. § 1771 BGB bestimmt abschließend, unter welchen Voraussetzungen das zu einem Volljährigen begründete Annahmeverhältnis aufgehoben werden kann, und fordert für eine Aufhebung aus wichtigem Grund den Antrag des Annehmenden und des Angenommenen. Eine Erleichterung dieser Voraussetzungen für besonders gelagerte Härtefälle sieht das Gesetz nicht vor. Es kann deshalb nicht in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung in Ausnahmefällen die Aufhebung der Adoption auf einseitigen Antrag ausgesprochen werden (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 979/980; Staudinger/Frank BGB Bearbeitungsstand 2001 § 1771 Rn. 11; MünchKommBGB/Maurer 4. Aufl. § 1771 Rn. 2). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, die Aufhebung einer Erwachsenenadoption nicht zuzulassen, wenn sich einer der Beteiligten widersetzt. Den durch die Adoption verbundenen Beteiligten wird dadurch nicht mehr zugemutet als das Schicksal, das auch durch natürliche Abstammung miteinander verbundene Angehörige gegebenenfalls zu tragen haben. Die Rechtsfolgen der Adoption können im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mittelbar gemildert werden, etwa durch Enterbung, Pflichtteilsentziehung, Schenkungswiderruf, Beschränkung der Unterhaltsverpflichtung (vgl. BGH FamRZ 1988, 390/392; KG FamRZ 1987, 635/637; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 979). Soweit die Rechtsbeschwerde dagegen einwendet, die Umstände der vorliegenden Adoption könnten nicht mit dem Schicksal einer natürlichen Abstammung verglichen werden, ist dem entgegenzuhalten, dass die Möglichkeit derartiger Fehlentwicklungen den Gesetzgeber nicht veranlasst hat, eine Aufhebung der Adoption Volljähriger auf einseitigen Antrag oder von Amts wegen vorzusehen. Schließlich hat das Landgericht zutreffend gewürdigt, dass die Unterschlagung von später zurückbezahlten rund 18.000 DM zum Nachteil des Adoptivvaters, dessen Lebensunterhalt durch andere Einkünfte und nicht unbeträchtliches Vermögen gesichert war, keine katastrophale Fehlentwicklung der Adoption im Sinne der im Schrifttum vertretenen Mindermeinung darstellt.

b) Soweit die Beteiligte zu 1 geltend gemacht hat, der Annehmende habe sich zur Zeit der Erklärung im Zustand einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden (§ 1771 Satz 2 BGB i.V.m. § 1760 Abs. 2 lit. a BGB) und sei durch arglistige Täuschung über wesentliche Umstände zur Erklärung bestimmt worden (§ 1771 Satz 2 BGB i.V.m. § 1760 Abs. 2 lit. c BGB), fehlt es bereits an einem form- und fristgerecht gestellten Antrag des Annehmenden. Ein auf diese Vorschriften gestützter Aufhebungsantrag bedarf der notariellen Beurkundung (§ 1762 Abs. 3 BGB) und kann nur innerhalb der in § 1762 Abs. 2 BGB bestimmten Fristen gestellt werden, denn diese Vorschrift gilt wegen § 1767 Abs. 2 BGB auch für die Volljährigenadoption (BayObLG Report 1992, 14; OLG Schleswig NJR-RR 1995, 583/584; MünchKommBGB/Maurer § 1771 Rn. 3). § 1762 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält eine absolute zeitliche Begrenzung insofern, als der Aufhebungsantrag nur innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Ausspruch der Annahme gestellt werden kann. Diese Frist war seit dem 18.4.1999 verstrichen. Auch die zusätzlich geltende Frist von einem Jahr nach Erlangen zumindest der beschränkten Geschäftsfähigkeit (§ 1762 Abs. 2 Satz 2 lit. a BGB) beziehungsweise der Entdeckung der Täuschung (§ 1762 Abs. 2 Satz 2 lit. b BGB) ist ebenfalls nicht eingehalten. Abgesehen davon hat das Landgericht eingehend dargelegt, dass die im Hinblick auf die beabsichtigte Adoption eingeholten ärztlichen Stellungnahmen keinen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Annehmenden lassen. Ausweislich des Protokolls über die Anhörung beider Beteiligten vor dem Ausspruch der Adoption war zudem ausdrücklich besprochen worden, dass der Annehmende auch weiterhin im Altersheim bleiben werde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 2 KostO.

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